Britische Wissenschaftler haben untersucht, wie Pferde Hindernisse erkennen und insbesondere auf unterschiedliche Farben reagieren. Die Ergebnisse waren überaus spannend und zeigen, dass die derzeitigen Hindernis- und Begrenzungsfarben auf die menschliche Wahrnehmung ausgerichtet sind – und nicht auf die der Pferde.
Die Untersuchung im Auftrag der British Horseracing Authority (BHA) und der Racing Foundation sollte vor allem Aufschluss darüber geben, wie man Pferden das Erkennen von Hindernissen erleichtern und so das Risiko von Stürzen und Verletzungen für Pferde und Jockeys verringern könnte – und welche Rolle dabei Farben spielen bzw. spielen könnten.
Pferde sehen Farben bekanntlich anders als Menschen. Menschen und andere Primaten haben drei Arten von lichtempfindlichen Zellen (Zapfen) in ihrer Netzhaut, die ein sogenanntes trichromatisches Farbsehen ermöglichen. Normale menschliche Augen erkennen vier Grundfarben: Rot, Grün, Gelb und Blau. Sie können auch bis zu 100 feine Farbtonvariationen unterscheiden. Menschen mit rot-grünen Farbsehstörungen können hingegen nur zwei Grundfarben sehen – nämlich gelb und blau.
Wie auch zahlreiche andere Säugetiere haben Pferde nur zwei Arten von Zapfen, wodurch sie dichromatisch sehen können. Die Farben, die das Pferd sieht, entsprechen somit vermutlich denen von Menschen mit rot-grüner Farbenblindheit. „Das bedeutet, dass Pferde im Vergleich zu Menschen ein geringeres Farbsehen haben und Farben in einem kontinuierlichen Bereich von Blau bis Gelb sehen. Daher können sie nicht zwischen vielen Farben unterscheiden, die Menschen als Rot, Orange und Grün sehen, es sei denn, sie unterscheiden sich auch in der Helligkeit ", so die Wissenschaftler.
Derzeit wird die Signalfarbe Orange für die Rahmen bzw. Halterungen von Bürstenhindernissen sowie für Absprungbretter und Mittelplanken verwendet. Obwohl dies die Hindernisse für das menschliche Auge sehr auffallend macht, trifft dies für das Auge des Pferdes nur in deutlich geringerem Maße zu, so die Studien-AutorInnen Dr. Sarah Paul und Prof. Martin Stevens vom Zentrum für Ökologie und Naturschutz der Universität Exeter – im Wesentlichen deshalb, weil gerade die vermeintliche Signalfarbe ,Orange' für Pferde alles andere als optimal erkennbar ist.
Die Wissenschaftler untersuchten die Erkennbarkeit diverser Farben bestehender Rennbahn-Hindernisse für Pferde – und testeten auch die Reaktion der Pferde auf andere, alternative Farben im Umfeld einer Rennbahn. Im Rahmen ihrer Tests analysierten sie den Kontrast traditioneller orangefarbener Markierungen, die derzeit bei Hindernissen auf elf britischen Rennstrecken verwendet werden, und verglichen diese mit möglichen Alternativen: gelb, blau und weiß. Sie untersuchten auch, wie sich Licht- und Wetterbedingungen auf den Kontrast auswirken.
Die Forscher fanden heraus, dass Gelb, Blau und Weiß bei Hindernissen und ihrer Umgebung (Vordergrund/Hintergrund) für Pferde deutlich auffälliger waren als Orange. „Die im Rennsport verwendeten orangefarbenen Markierungen können daher die Erkennbarkeit von Hindernissen vor ihrem jeweiligen Hintergrund für Pferde deutlich weniger verbessern als für Menschen." Sie sind – überspitzt gesagt – hinsichtlich ihrer Signalwirkung für Pferde weitgehend nutzlos.
Stark leuchtende Weiß- oder Blautöne an der Basis des Hindernisses (als Absprunghilfe) ergaben den besten Kontrast, während fluoreszierendes Gelb bei verschiedenen Licht- und Wetterbedingungen den größten Kontrast zum Hinderniskörper (etwa bei Verwendung für die Mittelbegrenzung) ergab.
Dr. Paul und Prof. Stevens testeten auch noch die Sprungreaktionen von Pferden auf Hindernisse mit orangefarbenen, gelben, blauen oder weißen Absprungbrettern und Mittelplanken. Sie ließen insgesamt 14 Pferde über zwei Hindernisse springen, die sich nur hinsichtlich der Farbe des Absprungbretts und der Mittelplanke unterschieden. Jedes Pferd wurde dreimal über die Hindernisse geritten. Alle Versuche wurden gefilmt und die einzelnen Sprünge detailliert analysiert.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Farbe der Hindernisse sehr deutlich die Art und Weise beeinflusste, wie die Pferde über die Hindernisse sprangen: „Die Farbe des Hindernisses beeinflusste die Art und Weise, wie ein Pferd über das Hindernis sprang, in Bezug auf Start- und Landeentfernung sowie den Absprungwinkel, den ein Pferd bei einem Sprung wählte“. Pferde passten ihre Absprungwinkel bei anderen Farben als Orange an, und Weiß erzeugte tendenziell eine längere Gesamtsprungdistanz.
Die Forscher schlagen daher vor, dass die optimale Farbkombination, die vermutlich die beste Sichtbarkeit und eine optimale Reaktion der Pferde unter verschiedenen Bedingungen gewährleistet, darin besteht, für alle Hindernisse und Begrenzungszäune fluoreszierendes Gelb und für Absprungbretter fluoreszierendes Weiß zu verwenden. Dies würde die Sichtbarkeit unter allen Bedingungen maximieren und den Pferden bessere Verhaltensreaktionen ermöglichen, so die Autoren.
Als Reaktion auf diese Studie wurde vom britischen Racecourse Committee bereits eine Empfehlung für einen Versuch mit fluoreszierendem Gelb für alle Hindernisse bzw. Absperrungen und fluoreszierendem Weiß für Absprungbretter genehmigt. Und vielleicht müsste man auch so manche Maxime beim Aufbau eines Springparcours überdenken – doch das nur nebenbei ...
Die Studie „Horse vision and obstacle visibility in horseracing" von Sarah Catherine Paul und Martin Stevens ist im Jänner 2020 in der Zeitschrift ,Applied Animal Behaviour Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.