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Dr. Peter Lechner zur Corona-Krise: "Die Versorgung der Pferde muss gewährleistet sein!"
18.03.2020 / News

Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt in Innsbruck und Spezialist für Pferderecht.
Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt in Innsbruck und Spezialist für Pferderecht. / Foto: privat

Die Corona-Krise hat auch die Pferdeszene fest im Griff: Was hat sich durch die Corona-Verordnung für Pferdebesitzer geändert? Was bedeutet es, wenn über eine Gemeinde oder eine Privatperson Quarantäne verhängt wird? Rechtsanwalt Dr. Peter Lechner gibt Antworten.

 

ProPferd: In den letzten Tagen hat die Frage, ob ich trotz der Corona-Verordnung der Bundesregierung auch weiter zu meinem Pferd darf, für einige Diskussionen und auch kontroverse Rechtsmeinungen gesorgt. Wie beurteilen Sie diese Frage?

Dr. Peter Lechner: Nach meinem Dafürhalten darf man auch in der gegenwärtigen Situation und angesichts der geltenden Corona-Verordnung weiterhin sein Pferd besuchen, es versorgen und auch reiten, nämlich mit dem zentralen Argument des Tierschutzes, der in Österreichs Rechtsordnung ja einen besonderen Stellenwert einnimmt. In der Verordnung sind ausdrücklich Betretungen ausgenommen, die – ich zitiere – einerseits „zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen" dienen bzw. „zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann."

Natürlich ist mir klar, dass hier von Personen die Rede ist und man von Seiten des Gesetzgebers Tiere nicht explizit angeführt hat. Dennoch ist für mich völlig evident, dass ein Tier bzw. ein Pferd in jedem Fall ebenfalls unterstützungsbedürftig ist, weil das Tier ja einen Tierschutz benötigt und dieser ist sogar in der Verfassung verankert. Ich hätte also rechtlich keine Bedenken, wenn man sein Pferd weiterhin besucht, versorgt und auch reitet, sofern die in der Verordnung genannten Vorsichtsmaßregeln und der Mindestabstand von einem Meter zu anderen Personen dabei eingehalten werden.

Man ist als Pferdebesitzer schließlich auch verpflichtet, die Grundversorgung seines Pferdes sicherzustellen. Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob man in Zeiten wie diesen jeden Tag zu seinem Pferd fahren soll – oder ob es nicht vielleicht nur jeder zweiter oder dritte Tag sein kann. Man sollte sich auch in der aktuellen Ausnahmesituation besonnen und rücksichtsvoll verhalten und nicht durch das sture Beibehalten von Gewohnheiten andere vor den Kopf stoßen.

ProPferd: Was bedeutet die Corona-Verordnung für größere Einstell- bzw. Reitbetriebe – müssen diese z. B. Reithallen oder auch ihre Reiterstüberl sperren, um Menschenansammlungen zu vermeiden?

Dr. Lechner: Diese Frage ist erheblich schwerer zu beantworten, weil sie meines Erachtens rechtlich nicht eindeutig geregelt ist. Ganz klar ist in meinen Augen, dass Reiterstüberl – wenn dort Speisen und Getränke verabreicht werden – nicht offengehalten werden dürfen, da besteht für mich kein Zweifel. Bei Reithallen ist das schon weniger eindeutig. In jedem Fall ist es ein Problem und verboten, wenn die Reithallen öffentlich sind. Wenn sie privat sind – und vor allem, wenn sie im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs geführt werden – dann sind diese Beschränkungen, die für öffentliche Sportanlagen gelten, wohl nicht anzuwenden. Bei gewerblichen Reithallen wäre ich mir aber nicht so sicher – man könnte jedoch argumentieren, dass es sich auch hier nicht um einen öffentlichen, sondern privaten Betrieb handelt und dass das Bewegen in der Reithalle zur Versorgung der Pferde unbedingt notwendig ist. Aber diese Argumentation steht auf rechtlich unsicheren Beinen, meine ich – jedenfalls ist Vorsicht geboten.

ProPferd: In Tirol gilt die Situation als besonders angespannt – hier gibt es eine von der Landesregierung verhängte weitreichende Ausgangssperre, nach der man möglichst das Haus nicht verlassen und auch auf private Spaziergänge verzichten soll. Darf ich trotzdem auch als Tiroler Pferdefreund zu meinem Pferd?

Dr. Lechner: Nach meinem Dafürhalten ja, denn auch in der Tiroler Verordnung sind ausdrücklich „Handlungen zur Versorgung von Tieren" von den Verkehrsbeschränkungen ausgenommen. Darunter fällt – wie auch Landeshauptmann Günther Platter mehrfach klargestellt hat – auch das Ausführen von Hunden. Wenn ich aber mit einem Hund spazierengehen darf, kann man davon ausgehen, dass ich mit einem Pferd, um es zu bewegen, auch ausreiten darf.

ProPferd: In Tirol und in Vorarlberg sind mittlerweile mehrere Gemeinden – zuletzt auch Sölden – unter Quarantäne gestellt worden. Dürfen die Bewohner in diesen betroffenen Gemeinden weiterhin zu ihren Pferden – oder dürfen diese tatsächlich ihre Wohnungen nicht mehr verlassen?

Dr. Lechner: Im Rahmen der Quarantäne haben nach meinem Dafürhalten nur jene Personen Zutritt zu den Pferden, die sich innerhalb ihres Betriebes bzw. Wohnbereiches aufhalten – also die Bauern in ihrem bäuerlichen Betrieb bzw. die Gewerbetreibenden im Gewerbebetrieb. Aber es darf von außen keiner hinein – und von innen keiner heraus.

ProPferd: Ich darf also in diesen Gemeinden als Pferdebesitzer nicht zu meinem Pferd fahren, wenn es in einem fremden Betrieb eingestellt ist, vielleicht sogar in der gleichen Gemeinde?

Dr. Lechner: So ist es – weil sich das Pferd nicht in meinem eigenen Bereich befindet und ich meinen Wohnbereich nicht verlassen darf. Es handelt sich ja bei dieser Quarantäne nicht bloß um eine Ausgangs- oder Verkehrsbeschränkung, sondern um eine Isolierungsmaßnahme, die sehr weitreichend ist und auch behördlich schärfer kontrolliert und geahndet wird. Und es würde dem Grundgedanken einer Quarantäne völlig widersprechen, wenn man dann trotzdem zu seinem Pferd fahren darf. Das darf man eben nicht.

ProPferd: Das gilt dann ebenso für die sogenannte ,häusliche Quarantäne', die ja mittlerweile auch mehrere hundert, möglicherweise sogar tausende Österreicher betrifft, weil sie sich an einem Risikoort aufgehalten haben oder mit einer infizierten Person Kontakt gehabt haben?

Dr. Lechner: Völlig richtig. Auch bei dieser Maßnahme darf ich meinen Wohnbereich nicht verlassen und muss daher die Versorgung meines Pferdes auf andere Weise sicherstellen – etwa durch Bekannte, Freunde, Stallkollegen etc.

ProPferd: Kann der Betreiber eines Einstell- bzw. Reitbetriebs diesen – mit Hinweis auf die Corona-Verordnung – völlig sperren und den Zutritt zu den eingestellten Pferden verweigern, weil er z. B. Angst hat, dass jemand das Coronavirus bei ihm einschleppt?

Dr. Lechner: Das ist aus meiner Sicht nicht zulässig, weil vom Betretungsverbot ja nur die öffentlichen Orte betroffen sind, und nicht private Betriebe. Er könnte seinen Betrieb allenfalls dann schließen, wenn eine konkrete Gefahr vorhanden ist – und die wird sich nur schwer beweisen lassen.  Ich kann mir vorstellen, dass ein Betreten für bestimmte Personen untersagt werden kann, und zwar dann, wenn ein begründeter Verdacht da ist, dass diese Personen vom Coronavirus infiziert sind – sonst aber nicht.

ProPferd: ... und sollte mir der Stallbetreiber den Zutritt zu meinem Pferd verweigern ...?

Dr. Lechner: ... dann habe ich trotzdem das Recht, mein Pferd aus dem Betrieb abzuholen, weil dieses ja mein Eigentum ist, notfalls mit einer einstweiligen Verfügung auf gerichtlichem Weg – wobei es eine andere Frage ist, ob das im Moment so schnell geht. Aber grundsätzlich steht diese Möglichkeit offen, weil hier die Gefahr eines drohenden und unwiederbringlichen Schadens besteht, der nicht in Geld zu bemessen ist. Es geht hier um ein Tier – und dieses ist in rechtlicher Hinsicht eben nicht mehr nur eine Sache, wie es das früher einmal war, sondern etwas Besonderes, ein fühlendes und mitfühlendes Lebewesen, das auch rechtlich einen speziellen Status genießt.

ProPferd: Weil dies auch immer wieder als Frage an uns herangetragen wird: Hufschmiede und Tierärzte dürfen selbstverständlich auch weiterhin zu den Pferden und diese entsprechend behandeln?

Dr. Lechner: Das ist völlig klar – sie müssen sogar Zutritt haben, die Versorgung muss gewährleistet sein! Es geht sogar noch weiter: Der jeweilige Einstellbetrieb muss sicherstellen, dass diese Personen auch hineinkommen, um die Pferde zu behandeln. Hier greift die sogenannte Verwahrerhaftung – d. h. die Einstellbetriebe müssen eine sorgfältige und den Pferden entsprechende Behandlung gewährleisten.

ProPferd: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Dr. Peter Lechner führte Leopold Pingitzer. Dr. Peter Lechner ist Rechtsanwalt und gerichtlich beeideter Sachverständiger für Pferde in Innsbruck (www.dierechtsanwaelte.com).

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