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Studie: Kontakt mit Pferden macht Jugendliche hilfsbereiter, sozialer und einfühlsamer
29.09.2020 / News

Die Beschäftigung mit dem Pferd stärkt die sozialen Kompetenzen von Jugendlichen: Wer lernt, auf das Pferd zu hören und es zu pflegen, kann dieses Wissen auch auf die Kommunikation und das Verhalten zu anderen Menschen übertragen.
Die Beschäftigung mit dem Pferd stärkt die sozialen Kompetenzen von Jugendlichen: Wer lernt, auf das Pferd zu hören und es zu pflegen, kann dieses Wissen auch auf die Kommunikation und das Verhalten zu anderen Menschen übertragen. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Die Beschäftigung mit Pferden wirkt sich vorteilhaft auf die emotionale Entwicklung und das Verhalten von Jugendlichen aus – das ist das Ergebnis einer vergleichenden Studie in Ungarn: Die Unterschiede zwischen Jugendlichen, die mit Pferden zu tun haben, und jenen ohne solchen Kontakt waren in einigen Bereichen sehr tiefgreifend.

 

Der Umgang mit Pferden prägt den Charakter in positiver Weise – das weiß man spätestens seit einer umfangreichen Studie, welche die FN im Jahr 2012 in Auftrag gegeben hat und die eindrucksvoll zeigen konnte, dass der enge Kontakt zu Pferden den Charakter in vielfältiger Weise positiv beeinflusst und die Persönlichkeit nachhaltig prägt (hier nachzulesen). Eine nicht minder eindrucksvolle Bestätigung für diese Ergebnisse liefert nun eine aktuelle Untersuchung ungarischer Wissenschaftler rund um Imre Zoltán Pelyva. Das Forscher-Team konzentrierte sich in der Studie auf insgesamt 525 junge Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 18 Jahren an zehn landwirtschaftlichen Fachschulen in Ungarn. Es handelte sich um Schüler ohne sonderpädagogische Bedürfnisse oder sonstige Probleme bzw. Einschränkungen. nahmen an einem vierjährigen Pferdeprogramm teil. Diese Schüler hatten keine diagnostizierten physischen oder psychischen Schwierigkeiten.

Ein Teil der Schüler – die sogenannte Testgruppe – nahm dabei an einem speziellen Ausbildungsprogramm für Pferdepfleger teil, das vier Jahre lang dauerte. Im Rahmen dieses Lehrgangs verbrachten sie jeweils zwei Tage – insgesamt 9 bis 13 Stunden pro Woche – mit Pferden: Sie fütterten, pflegten und versorgten die Tiere, säuberten die Stallungen und arbeiteten mit den Pferden an der Longe sowie im Sattel und unternahmen auch Kutschfahrten.

Der andere Teil der Schüler – die sogenannte Kontrollgruppe – aus denselben Schulen hatten keinerlei Kontakt zu Pferden und widmeten sich anderen Ausbildungszweigen,  etwa Lebensmittelberufen, Gartenbau, Fleischverarbeitung, Backen usw. Sie nahmen auch an keinen sonstigen Aktivitäten mit Pferden teil.

Sämtliche 525 Schüler beider Gruppen wurden zu Beginn und am Ende ihrer Ausbildung durch einen speziellen Fragebogen – den sogenannten ,Stärken-und-Probleme-Fragebogen (Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ) evaluiert, um die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Teilnehmer zu messen. Anschließend wurden die Ergebnisse zwischen den Schülern mit Pferdekontakt (im folgenden kurz ,Pferdeschüler’ genannt) und der Kontrollgruppe verglichen.

Wie die Auswertung zeigte, waren Aktivitäten im Zusammenhang mit Pferden ein wesentlicher Faktor, der zu günstigen Verhaltensmerkmalen führte. Das Studienteam, das in der Zeitschrift Environmental Research and Public Health schrieb, stellte fest, dass die Pferdeschüler weniger emotionale und Verhaltensprobleme hatten und ihr prosoziales Verhalten etwa viermal besser war als das der Schüler aus der Kontrollgruppe. (Als ,prosozial’ wird ein soziales Verhalten bezeichnet, das anderen Menschen oder der Gesellschaft insgesamt zugute kommt, z. B. Helfen, Teilen, Spenden, Zusammenarbeiten und Freiwilligenarbeit, Anm.).

Die diesbezüglichen Unterschiede bezeichnete die Wissenschaftler in ihrem Resümee als bemerkenswert: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Schüler mit pferdebezogenen Berufen hilfreicher und einfühlsamer sind und weniger Verhaltensprobleme haben als diejenigen, die andere Berufe studieren.“ Es wurde auch festgestellt, dass die Pferdeschüler schon bei der Aufnahme an ihre Schule weniger Verhaltensprobleme hatten (alle hatten bereits zuvor regelmäßigen Kontakt mit Pferden gehabt) – und auch, dass diese Probleme im Laufe der Ausbildung deutlich stärker und schneller abnahmen als bei der Kontrollgruppe.

Nach Einschätzung der Wissenschaftler könnte die Tatsache, dass günstige Eigenschaften schon bei der Aufnahme von Pferdeschülern an die Schule vorhanden waren, darauf hindeuten könnten, dass Jugendliche mit stärker ausgeprägten sozialen Fähigkeiten generell eher von Pferden angezogen werden. „Andererseits lässt die Tatsache, dass der Rückgang von Verhaltensproblemen in der Pferdegruppe bemerkenswerter ist als in der Kontrollgruppe, darauf schließen, dass pferdegestützte Aktivitäten eine positive Rolle bei der Stärkung dieser Fähigkeiten spielen könnten." Ihre Analyse bestätigte jedenfalls, dass Aktivitäten im Zusammenhang mit Pferden ein wesentlicher Faktor waren, der zu diesen günstigen Verhaltensmerkmalen führte.

Den StudienautorInnen war aber auch die Feststellung wichtig, „dass diese positiven Auswirkungen pferdegestützter Aktivitäten hauptsächlich auf dem Verständnis und der Empfänglichkeit bzw. Offenheit der Schüler für die Kommunikation mit Pferden beruhen. Die bloße Anwesenheit eines Pferdes wäre wahrscheinlich weniger wirkungsvoll, wenn der anwesende Ausbilder dem Verhalten des Pferdes keinen Sinn gibt. Die Schüler müssen lernen, die Pferde als Subjekte und nicht als Objekte zu behandeln, um wirklichen Kontakt aufbauen zu können und für positive Einflüsse innerhalb der Interaktion empfänglich zu sein.“

Die Forscher weiter: „Gleichzeitig ist dieses Wissen – also das Verstehen der Kommunikation und des Verhaltens von Pferden – auch wichtig, um sicher und effektiv mit diesen Tieren arbeiten zu können. Dies bedeutet, dass keine therapeutischen Ziele nötig sind, um den Schülern beizubringen, auf Pferde zu achten und sie zu respektieren. Dies ist die Grundlage aller Interaktionen mit Pferden im beruflichen Umfeld."

Aus diesem Grund kann schon der normale Schulalltag – ohne jegliches therapeutische Element – zu solchen positiven Ergebnissen führen, so die Wissenschaftler: „Wir glauben fest daran, dass die Beziehung, die Menschen zu Pferden aufbauen, ihnen einen Weg zeigt, Vertrauen, Akzeptanz und Verständnis auch gegenüber Menschen aufzubauen. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass junge Menschen, die lernen, auf das Pferd zu hören und es zu pflegen, dieses Wissen auch auf die Kommunikation und das Verhalten zu anderen Menschen übertragen können. Das prosoziale Verhalten von Pferdeschülern ist viermal besser als das von Nicht-Pferdeschülern – dieses Ergebnis ist bemerkenswert und unterstützt die Idee, dass der Umgang mit Pferden die sozialen Kompetenzen der Schüler verbessert.“

Die Pubertät sei eine schwierige Lebensphase in der Entwicklung junger Menschen – sie haben in diesen Jahren mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, so die Wissenschaftler abschließend: „Sie brauchen Hilfe, um ihren Platz in der Welt zu verstehen und zu finden und sich im Leben erfolgreich zu behaupten. Die Glücklichen erhalten genug Unterstützung von ihrer Familie und ihren Freunden, andere – eine sehr begrenzte Anzahl – erhalten professionelle Hilfe bei ernsteren Problemen. Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass auch ganz normale Schulprogramme mit ein wenig Sorgfalt und Aufmerksamkeit Kompetenzen verbessern können, die im Leben nützlich sind. Wenn Pferde dafür eingesetzt werden können, um Jugendlichen bei ihrer Entwicklung zu helfen – warum nicht die Möglichkeit nutzen? Mit einer kleinen Investition könnten die Gewinne für die Gesellschaft groß sein. “

Die Studie „How Equine-Assisted Activities Affect the Prosocial Behavior of Adolescents" von Imre Zoltán Pelyva, Réka Kresák, Etelka Szovák und Ákos Levente Tóth ist in der Zeitschrift ,International Journal of Environmental Research and Public Health' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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