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Wie es ist, ein Maultier zu reiten: "Mit Druck funktioniert gar nichts!"
13.10.2020 / News

Feivel ist, wie alle Mulis, sehr intelligent und lernfähig – und er besitzt Humor, ebenso wie seine Besitzerin Tanja Schwarz ...
Feivel ist, wie alle Mulis, sehr intelligent und lernfähig – und er besitzt Humor, ebenso wie seine Besitzerin Tanja Schwarz ... / Foto: privat
Feivel liebt das Springen im Gelände – allerdings nur bis ca. 60–70 cm ...
Feivel liebt das Springen im Gelände – allerdings nur bis ca. 60–70 cm ... / Foto: privat
Es waren Feivels blaue Augen, die Tanja sofort in ihren Bann zogen: „Ich liebe einfach blaue Augen!"
Es waren Feivels blaue Augen, die Tanja sofort in ihren Bann zogen: „Ich liebe einfach blaue Augen!" / Foto: privat

Tanja Schwarz hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine Lanze für Maultiere zu brechen: Sie trainiert für ihren ersten Turnierstart auf einem Muli und arbeitet sogar an einer Muli-Reitlehre. ProPferd hat sie zum Interview getroffen.

 

ProPferd: Wie bist Du überhaupt zu Deinem Maultier Feivel gekommen – kannst Du kurz Eure gemeinsame Geschichte erzählen?

Tanja Schwarz: Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Pferd. Am liebsten Spanier oder Portugiese, und am aller liebsten mit blauen Augen, weil ich die einfach liebe. Also habe ich herumgesucht, wie man das heute so macht – Internet, Videos, Inserate geschaut, und plötzlich sah ich ein Inserat von Feivel. Dabei habe ich früher noch Witze darüber gemacht, dass ich mir wirklich einmal ein Maultier kaufe, weil ich schon immer viel in den Alpen geritten und gewandert bin und Maultiere ja so besonders trittsicher sein sollen ... Aber wirklich ernst war es mir eigentlich nicht. Aber dann kam alles doch anders: Ich sah das Bild von Feivel – das war im April 2019 – und musste ihn einfach kaufen. Und so begann dann meine Affinität zu Maultieren und Esel.

ProPferd: Wie alt war Feivel damals?

Tanja Schwarz: Er war sechs Jahre alt und wirklich noch roh. Er stammt aus Irland und ist das Kreuzungsprodukt einer Irish Cob Mutter und einem Irish Donkey. Mit 142 cm ist er zwar nicht der Grösste, aber sehr kompakt und stabil gebaut.

ProPferd: Was ist so besonders daran, auf einem Maultier zu reiten – wodurch unterscheidet sich ein Maultier von einem Pferd?

Tanja Schwarz: Das kann man nicht verallgemeinern, je nach Ausprägung der Eltern kann es sehr ähnlich wie ein Pferd sein, wenn's eher nach der Mutter geht, aber auch sehr ähnlich wie ein Esel, wenn's eher nach dem Vater geht. Feivel hat den Körper seines Vaters und ist somit doch sehr unterschiedlich zu einem Pferd. Er ist z. B. im Schritt von Natur aus ein Passgänger, wie die meisten Esel. Er spurt auch extrem – wie ein Model auf dem Laufsteg. Er kann wahnsinnig schnell laufen, jedoch nur, wenn er will. Und wahnsinnig langsam – unfassbar langsam. Und auch der Galopp ist total anders als bei einem Pferd. Ich habe über sechs Monate gebraucht, um zu begreifen, wie ich diesen Galopp überhaupt reiten soll. Denn er springt mit der Hinterhand eseltypisch sehr hoch, während die Vorhand sehr tief bleibt, man wird also immer gleichsam ständig von hinten nach vorne katapultiert, echt schwierig ... Zusätzlich ist er vorne tiefer als hinten und besitzt eine eseltypische schmale Schulter, die Gurtlage scheint fast vor den Vorderbeinen zu liegen, was dazu führt, dass kein Sattel auf Dauer an seinem Platz bleibt. Das hat zur Folge, dass man ein sogenanntes "Britchen" benötigt, ein Hintergeschirr bzw. eine doppelte Begurtung.

ProPferd: Welche Eigenheiten schätzt Du an Deinem Maultier am meisten?

Tanja Schwarz: Alle – weil es soviele sind (lacht)! Aber im Ernst: Feivel und auch die anderen Maultiere, die ich bisher kennenlernen und ausbilden durfte, haben eines gemeinsam, was sie sehr vom Pferd unterscheidet: Sie entschleunigen mein Wollen – und das finde ich einfach großartig. Mir scheint auch, dass sie tatsächlich Humor besitzen. Sie sind alle absolute Ein-Mann- bzw. Ein-Frau-Tiere. Sie verhalten sich tatsächlich ähnlich wie ein Hund, laufen einem nach, beschützen dich und sich usw. Ihr Territorialverhalten ist enorm ausgeprägt, und da Esel keine soziale Hierarchie kennen – also nicht wie bei Pferden einen Herdenchef, dem sie folgen – ist ein Maultier tatsächlich nur dann auf deiner Seite, wenn es das für logisch hält und sich dabei gleichwertig fühlt.

ProPferd: Aus alledem kann man schließen, dass man ein Maultier wohl auch anders ausbilden muss als ein Pferd. Wie gehst Du da genau vor – und wo liegen denn die wesentlichen Unterschiede?

Tanja Schwarz: Ja es gibt anatomisch sehr viele Eigenheiten, insbesondere bei eseligen Maultieren – bei den pferdigen gibt es weniger Probleme. Für die Eseligen jedoch gibt es schlicht und ergreifend noch gar keine Reitlehre, auch keine Studien darüber, was anatomisch sinnvoll wäre für diese Tiere. Viele Dinge probiere ich noch und lasse auch manches von Tierärzten überprüfen – aber insgesamt steht man noch ganz am Anfang, und das Wissen ist sehr begrenzt. Was ich definitiv bestätigen kann ist, dass bei Maultieren absolut gar nichts mit Druck funktioniert. Das kann bei Maultieren tatsächlich zu sehr agressivem Verhalten führen, das man besser nicht provoziert.

Die klassische Ausbildung, wie man sie von Pferden kennt, funktioniert somit nur bedingt. Die Aufmerksamkeit von Maultieren scheint geringer zu sein, nach 15 min ist meist bereits alles langweilig und der Elan weg. Andererseits lernen sie aber enorm schnell, daher ist es extrem wichtig, total sicher und klar mit ihnen umzugehen. Daher eigenen sich Maultiere absolut nicht als Anfänger-Reittiere, davor würde ich dringend abraten.

ProPferd: Wie sieht es denn turniersportliche mit Maultieren aus: Darf man lt. ÖTO überhaupt mit ihnen an Bewerben teilnehmen – dem wollte die FEI doch im Vorjahr einen Riegel vorschieben? Weißt Du da Näheres?

Tanja Schwarz: Ja, man darf, was wohl einer Petition für den in Großbritannien sehr bekannten Dressurmuli Wallace und einem ähnlichen Fall in den USA zu verdanken ist. Danach wurde beschlossen, dass Maultiere weiterhin an Turnieren teilnehmen dürfen. Bei der damaligen Diskussion innerhalb der FEI ging es wohl eher um internationale Turnierteilnahmen – die, wie ich denke, eher gar nicht oder höchst selten zustandekommen werden, allenfalls in Trail oder Orientierungsreiten, kaum aber in Dressur oder Springen.

Davon abgesehen denke ich, dass im nationalen Bereich fast jedes Maultier bis L unter dem richtigen Reiter und der richtigen Ausbildung und Ausrüstung turnierfähig ist. Aber darüber wird es sehr schwer – es bleibt eben immer ein halber Esel ...

ProPferd: Wie geht es weiter mit Dir persönlich und Feivel – was sind Eure sportlichen Pläne?

Tanja Schwarz: Ich würde am allerliebsten Vielseitigkeit starten, Feivel liebt das Springen im Gelände! Wir sprechen hier freilich von 60 bis 70 cm ... Daher denke ich, dass unser erster Start nächstes Jahr eher in der Klasse E Dressur sein wird oder bei einem 40 km Distanzritt. Dort wären Mulis tatsächlich konkurrenzfähig, in den USA gab es bereits mehrere Maultier-Sieger bei Distanzritten. Nächstes Jahr Ende Frühling soll es soweit sein, und ich werde beim ersten Turnierstart sicher sooo nervös sein, dass ich wahrscheinlich von Feivel runterpurzel (lacht).

ProPferd: Mittlerweile beschäftigst Du Dich ja sehr intensiv mit Maultieren – was machst Du denn alles?

Tanja Schwarz: Das stimmt, ich bin voll in diese Materie reingekippt und habe riesigen Spaß daran. Ich schreibe mehrmals wöchentlich in meinem Facebook-Blog ,Feivel der Muliwanderer', schreibe Beiträge für Zeitschriften und arbeite auch an einem Buch über Maultiere, Maulesel und Esel. Für das habe ich – und das freut mich am meisten – sogar mehrere Tierärzte gefunden, dazu Mathematiker und Physiker, die mit mir zusammen diese Reitlehre für Esel erforschen, anschauen, Berechnungen durchführen etc..
Aber das ist noch ganz im Anfangsstadium ...

ProPferd: Was treibt Dich an – was ist Deine Motivation dahinter?

Tanja Schwarz: Naja – weil es so wenig darüber gibt! Ich konnte selber kaum jemanden fragen, also musste ich selbst alles nachlesen und recherchieren. Bis nach Südamerika, den USA, Spanien und Frankreich habe ich Menschen angeschrieben, die Erfahrungen mit Maultieren haben, insbesondere auch reiterliche. In fünf Sprachen lief das alles ab, was für mich schon enorm kompliziert war.
Je mehr ich aber lernte, umso mehr erkannte ich, wie missverstanden Maultiere und Esel immer noch sind und wie viel Irrglaube rund um diese Tieren existiert, besonders im deutsprachigem Raum, wo immer wieder davon die Rede ist, wie faul, stur, wild, bösartig diese Tiere angeblich sind, ist alles zu finden. Ich möchte einfach den Menschen und vor allem Reitern diese Tiere näherbringen, ohne Klischees, aber auch ohne falsche Romantik. Mir geht es einfach um die Liebe zu diesen Tieren, die aus meiner Sicht total missverstanden werden.

ProPferd: Liebe Tanja, Danke für das Gespräch!

Das Interview mit Tanja Schwarz führte Leopold Pingitzer

Noch mehr Infos, Fotos und Videos über Tanja und Feivel gibt's auf dem genannten Facebook-Blog ,Feivel der Muliwanderer', wirklich sehens- und lesenswert!

 


Wissenswertes rund um Mulis – zusammengestellt von Tanja Schwarz
Seinen Ursprung hat das Muli wohl schon im alten Orient, wobei eine genaue Datierung schwer möglich ist. Tatsächlich galt in der Antike das Maultier/Muli als das edelste unter den Reit- bzw. Tragtieren, weshalb man früher Tierärzte auch „mulomedici" nannte. Erst später wurde genauer zwischen Maulesel und Maultier unterschieden: Das Maultier stammt aus einer Pferdemutter und ist durch deren Aufzucht und der mütterlichen Prägung eher wie ein Pferd zu betrachten und zu behandeln, während der Maulesel aus einer Eselmutter stammt und daher eher Esel-Merkmale aufweist.

Optisch sind beide Tiere kaum zu unterscheiden, während jedoch Maultiere und Maulesel sehr stark in ihrem Verhalten variieren, je nach Elternteil und phenotypische Ausprägung. Da Esel eine andere Anatomie und ein anderes Grundverhalten aufweisen als Pferde, kann ein Muli alle möglichen Facetten zwischen Pferd und Esel zeigen.

Maultiere werden heute noch vorrangig in Südamerika und Spanien gezüchtet, aber auch in den USA und Frankreich. In den USA dienen sie vor allem als Reittiere, wärend in Europa ihre Verwendung als Lasttiere oder vor dem Wagen im Vordergrund steht. Mulis sind hochintelligent, worin sie Pferde deutlich übertreffen. Das führt auch dazu, dass sie schneller lernen – Maultiere sind somit als Beisteller absolut ungeeignet.

Anatomisch gibt es gewisse Merkmale, die – aufgrund des Esel-Anteils – sehr häufig bei Maultieren vorkommen: Die Schulter ist V-förmig und nicht A-förmig, zudem rotiert die Schulter nicht nur zurück, sondern auch aufwärts. Der Rippenbogen ist sehr breit und formt sich eher L-förmig nach unten. Zudem besitzen Esel nur fünf Lendenwirbel, was auch bei Mulis manchmal der Fall ist. Auch ist die ganze Wirbelsäule anders geformt als bei einem Pferd und die Gliedmaßen sind beweglicher. Die Hufe sind schmaler und steiler als jene von Pferden. Meist neigen Mulis dazu, leicht überbaut zu sein und einen sehr geraden brettartigen Rücken zu besitzen. Mulis haben eine dickere Haut als Pferde und vertragen Sonne und Wärme besser. Dafür kann das Fell eher dem Esel gleichen und somit einen schwächeren Schutz vor Nässe und Kälte bieten. Männliche Mulis haben zwei Zitzen im Genitalbereich, ebenso wie der Esel. Ihre Halsmuskulatur ist kräftiger als die eines Pferdes. Alle Mulis sind steril, da sie 63 Chromosomen besitzen und die Meiose (Zellteilung) daher nicht funktionieren kann (der Esel besitzt 62 Chromosomen zu 31 Paaren, das Pferd 64 zu 32 Paaren).

Fütterungstechnisch sind Mulis eher leichtfuttrig und kommen auch mit kargem Futter gut aus. Zuviel Eiweiß und Zucker sollte vermieden werden. Mulis gibt es in der Grösse von 1 Meter bis 1,78 m (durch die Einkreuzung des Mamoth Jacks, des Riesenesels in den USA) Es gibt auch spezielle Gangmulis (Brasilien), die gezielt aus Marcha Marchador und Pega-Esel gezüchtet werden.

Maultiere sollten nicht fälschlicherweise als Pferde betrachtet und behandelt werden – schon gar nicht als einfachere oder minderwertige Tiere. Tatsächlich sind diese Tiere hochkomplex und haben nur zu 50 Prozent etwas mit dem Pferd zu tun. Ihre Gangmechanik, ihr Körper, ihr Lernverhalten etc. unterscheiden sich grundlegend vom Pferd. Es gibt kaum Sättel für diese Tiere, die Allgemeine Reitlehre kann zum Teil nicht angewendet werden. Durch ihr ausgeprägtes Territorial-Verhalten kann es zu massiven Problemen kommen, insbesondere bei unterforderten Mulis (Angriffe etc.)

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