Zwei weitere Todesfälle in Bayern: Borna-Virus bleibt Gefahr für Mensch und Tier 25.11.2020 / News
In Österreich wurden 2015/2016 insgesamt vier Infektionsfälle mit dem Borna-Virus bei Pferden nachgewiesen – bei Menschen ist noch kein Fall aufgetreten. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat mitgeteilt, dass 2020 zwei weitere Menschen an einer Infektion mit dem Borna-Virus gestorben sind. Der tödliche Erreger ist für Mensch und Tier gefährlich, in Österreich sind zuletzt vier Krankheitsfälle bei Pferden aufgetreten.
Wie das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit bestätigte, sind 2020 zwei weitere Menschen am gefährlichen Borna-Virus gestorben. Obwohl die Krankheit vergleichsweise selten auftritt, gibt es eine auffallende Häufung der Todesfälle in Bayern: Erst Anfang dieses Jahres war eine Studie im Fachmagazin „The Lancet Infectious Diseases“ erschienen, aus der hervorging, dass zwischen 1999 und 2019 insgesamt 14 Infektionsfälle mit dem Borna Disease Virus (BoDV-1) in Bayern aufgetreten sind. Neben den aktuellen Krankheitsfällen konnte das Virus dabei auch in archivierten Fällen durch die Analyse aufbewahrter Gewebeproben nachgewiesen werden.
Auch wenn die absoluten Infektionszahlen und damit die Ansteckungsgefahr von Experten als sehr gering bezeichnet werden, nimmt man die Gefahr von Seiten der Wissenschaft und auch der Politik durchaus ernst: So wurde per 1. März 2020 eine Meldepflicht für ganz Deutschland eingeführt – zudem richtete das bayerische Gesundheitsministerium diesen Sommer eine zentrale Stelle zur Erforschung der klassischen Borna-Viren ein, nämlich den ,Borna Focal Point Bayern’.
Das Reservoir des Erregers stellt die Feldspitzmaus dar, die das Virus ein Leben lang in sich trägt, ohne selbst zu erkranken. In der Mehrzahl der Fälle ist laut der Studie von einer Ansteckung durch Kontakt mit einer infizierten Feldspitzmaus bzw. ihren Ausscheidungen auszugehen. Bei einer kürzlich präsentierten Studie des Robert Koch-Instituts wurden die Angehörigen von acht an dem Virus verstorbenen Patienten befragt, wobei sich zeigte, dass alle auf dem Land lebten und sieben von acht eine Katze hatten. Möglicherweise kamen diese mit den Spitzmäusen bzw. deren Urin, Kot oder Speichel in Kontakt – und übertrugen so das Virus auf ihre Besitzer. Der genaue Übertragungsweg ist jedoch nach wie vor ungeklärt. Eine Übertragung auf natürlichem Wege von Mensch zu Mensch, Pferd zu Pferd oder Pferd zu Mensch wird jedoch nach den heutigen Erkenntnissen ausgeschlossen.
Bei Menschen ist in Österreich noch kein Fall einer durch Borna-Viren verursachten Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) aufgetreten, auch Erkrankungsfälle bei Tieren sind sehr selten: In den 1990-er Jahren gab es zwei Fälle bei Pferden und einen Fall beim Hund in Vorarlberg. Vorarlberg gilt als Gebiet, in dem das klassische Bornavirus endemisch ist. 1998 wurde ein Einzelfall bei einem Pferd in der Steiermark diagnostiziert. In den Jahren 2015 und 2016 erkrankten vier Pferde in einer Region Oberösterreichs (siehe auch unseren Bericht dazu).
Klinische Symptome bei Tieren sind Verhaltensänderungen, Bewegungsstörungen, Zwangsbewegungen, Leerkauen, gesenkte Kopfhaltung, Zähneknirschen, Schreckhaftigkeit, im Endstadium Festliegen. Ähnliche Symptome können durch Enzephalitis-Erreger wieWest-Nil-Virus, FSME, Japanisches Enzephalitis-Virus oder Tollwut sowie durch verschiedene Vergiftungen hervorgerufen werden.
In Österreich sind alle klinischen Formen von Enzephalitis beim Pferd anzeigepflichtig (§16 Tierseuchengesetz). Verendete/euthanasierte Tiere (Organe) mit Enzephalitisverdacht müssen an das zuständige Nationale Referenz-Labor für Pferdeenzephalomyelitiden (AGES Mödling) geschickt werden.
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Bei Pferden ist das Bornavirus seit mehr als 100 Jahren bekannt – nun gibt es die ersten wissenschaftlich bestätigten Krankheitsfälle beim Menschen. / Symbolfoto: Irene Gams
In Deutschland sind drei Patienten an den Folgen der gefährlichen Bornavirus gestorben, die bislang hauptsächlich bei Pferden und Schafen aufgetreten ist – es sind die ersten wissenschaftlich bestätigten Todesfälle bei Menschen.
Wie das Friedrich Löffler-Institut auf seiner Website mitteilte, kann das bisher nur bei Tieren nachgewiesene klassische Bornavirus (Borna disease virus 1, BoDV-1; Spezies Mammalian 1 Bornavirus) offenbar auch Menschen infizieren und zu einer tödlichen Entzündung des Gehirns führen. Drei Patienten in Deutschland sind an dem Virus gestorben. Die Erkrankungen traten bei drei Empfängern von Spenderorganen desselben Spenders auf, zwei der transplantierten Patienten verstarben im weiteren Verlauf. Ein weiterer Fall steht nicht in Zusammenhang mit dieser Transplantation. Bei keinem der Patienten konnten andere Erreger nachgewiesen werden, die als Verursacher von Enzephalitiden bekannt sind. Derzeit gehen die beteiligten Einrichtungen und das Robert Koch-Institut übereinstimmend davon aus, dass es sich bei den BoDV-1-Erkrankungen der beschriebenen Organempfänger um einen sehr seltenen Einzelfall handelt.
BoDV-1 wurde in den 90er-Jahren als Auslöser für psychiatrische Erkrankungen beim Menschen kontrovers diskutiert, aber diese Vermutung konnte wissenschaftlich nicht bestätigt werden. Die neuen Untersuchungsergebnisse belegen nun die ersten gesicherten BoDV-1- Erkrankungen (akute Enzephalitis) des Menschen, so das Robert-Löffler-Institut weiter. BoDV-1 unterscheidet sich von dem im Jahr 2015 bei Züchtern exotischer Hörnchen als Verursacher von Enzephalitis beschriebenen Bornavirus der Hörnchen (VSBV-1, Variegated Squirrel Borna Virus 1; Spezies Mammalian 2 Bornavirus). Benannt ist das Virus nach dem Ort Borna bei Leipzig.
Seit 100 Jahren beim Pferd bekannt
Das „klassische“ Bornavirus ist der Erreger der seit dem 19. Jahrhundert bekannten Bornaschen Krankheit bei Tieren, einer seltenen chronisch-fortschreitenden Entzündung des Gehirns (Meningoenzephalitis). Hauptsächlich tritt diese bei Pferden und Schafen auf und führt zu Gehirnentzündungen mit vielfach schweren Folgeerscheinungen: Erkrankte Tiere zeigen Bewegungsstörungen und weitere Verhaltensauffälligkeiten, die Todesrate ist sehr hoch. Generell tritt das Virus laut RKI selten auf: in abgegrenzten Gebieten in Ost- und Süddeutschland sowie in Teilen Liechtensteins, Österreichs und der Schweiz. Feldspitzmäuse gelten als natürliches Reservoir für BoDV-1.
In Österreich hat es in den letzten Jahrzehnten nur wenige Krankheitsfälle bei Pferden gegeben: In den Jahren 1993 und 1997 war je ein Pferd in Vorarlberg betroffen, 1998 ein Tier in der Steiermark. Für internationales Aufsehen sorgte ein vergleichsweise heftiger Bornavirus-Ausbruch in den Jahren 2014/2015: Vier Pferde erkrankten in nur zwei Jahren und innerhalb von 17 Kilometern in Oberösterreich. Tests zeigten, dass dort angesiedelte Feldspitzmäuse und sogar eine Waldspitzmaus ebenfalls virus-positiv waren. Die gefundenen Bornaviren waren genetisch nur entfernt mit Erregern in benachbarten Regionen, wie Bayern, verwandt, sondern eher einem Virusstamm aus Rheinland-Pfalz zuzuordnen (siehe auch unseren ausführlichen Artikel dazu).
Das Robert-Löffler-Institut empfiehlt aufgrund der aktuellen Studienergebnisse, bei unklaren menschlichen Enzephalitis-Erkrankungen auch auf BoDV-1 zu untersuchen – insbesondere bei Enzephalitis-Fälle nach Organtransplantitionen: „Hier muss zukünftig auch eine Infektion mit Bornaviren als Differentialdiagnose in Betracht gezogen werden.“
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Die Viren, die die Bornasche Krankheit – eine Hirnentzündung – beim Pferd auslösen, werden von infizierten Feldspitzmäusen übertragen. / Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni Vienna
In Oberösterreich ist es zu einem ungewöhnlich heftigen Ausbruch der Bornaschen Krankheit gekommen – innerhalb von zwei Jahren erkrankten vier Pferde in einer Region. Forscher der Vetmeduni Wien konnten nun den Auslöser aufspüren – es ist die Spitzmaus.
Verhaltensstörungen und Desorientierung sind bei Pferden und Schafen Anzeichen der sogenannten Bornaschen Krankheit. Dabei lösen für den Menschen ungefährliche Erreger, die Bornaviren, eine für die Tiere tödliche Entzündung des Gehirns und Rückenmarks aus. Übertragen werden die Viren ausschließlich über einen Zwischenwirt, der unter Artenschutz stehenden Feldspitzmaus. Infizierte Spitzmäuse sind ihr Leben lang Träger des Bornavirus, zeigen aber keinerlei Symptome.
Trotz rückläufiger Zahlen kommt es bis auf Österreich in Mitteleuropa gelegentlich zum sporadischen Auftreten dieser Krankheit. Nun bestätigten Forschende der Vetmeduni Vienna und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) erstmals einen Ausbruch der Bornaschen Krankheit in einem bisher nicht betroffenen Gebiet. Vier Pferde erkrankten in nur zwei Jahren und innerhalb von 17 Kilometern in Oberösterreich. Tests zeigten, dass dort angesiedelte Feldspitzmäuse und sogar eine Waldspitzmaus ebenfalls virus-positiv waren. Die gefundenen Bornaviren sind genetisch nur entfernt mit Erregern in benachbarten Regionen, wie Bayern, verwandt.
Erster Ausbruch in Oberösterreich dank Diagnose lokaler TiermedizinerInnen erkannt
Den Hinweis auf einen möglichen Ausbruch der Bornaschen Krankheit gaben zwei aufmerksame TiermedizinerInnen aus der Region. Sie diagnostizierten bei vier oberösterreichischen Pferden eine neurologische Erkrankung und vermuteten, dass Bornaviren dafür verantwortlich sein könnten. Eine Untersuchung der erkrankten Pferde bestätigte die Diagnose und die Vermutung. „Parallel dazu testeten wir auch die möglichen lokalen Überträger, Spitzmäuse, um die mehrfachen Krankheitsfälle dem lokalen Aspekt zuordnen zu können “, so Herbert Weissenböck vom Institut für Pathologie und Gerichtliche Veterinärmedizin. Mehr als fünfzig Prozent der gefangenen Feldspitzmäuse wurden in diesen Tests als Träger des Virus bestätigt. Dazu kam unerwartet ein positiver Befund für eine andere in Oberösterreich ansässige Spitzmausart.
Virenstamm aus Rheinland-Pfalz auch in Waldspitzmäusen?
Unter den Tieren, die in der betroffenen Region gefunden wurden, waren auch Waldspitzmäuse. Bislang galt diese Art nicht als möglicher Träger der Bornaviren. „Nun wurde von uns erstmals auch eine hochgradig infizierte Waldspitzmaus identifiziert. Ob diese Art auch einen Zwischenwirt darstellt oder ob es sich um einen Einzelfall handelt, müssen weitere Studien zeigen“, sagt Norbert Nowotny vom Institut für Virologie.
Die Forschenden verglichen die nachgewiesenen Bornaviren außerdem mit den bisher in Mitteleuropa erfassten Stämmen. „Anders als man aufgrund der räumlichen Nähe vermuten könnte, waren die oberösterreichischen Bornaviren genetisch nicht mit jenen aus Bayern am nächsten verwandt, sondern mit einem Virusstamm aus Rheinland-Pfalz. Dieser Stamm ist seit seiner Beschreibung auch in anderen Gebieten Deutschlands und nun auch in Österreich aufgetaucht“, erklärt Nowotny. „Dadurch zeigt sich, dass uns noch wichtige Erkenntnisse zur Verbreitung der verschiedenen Bornavirus-Stämme fehlen. Die Identifizierung eines bisher unbekannten Bornavirus-Endemiegebietes in Oberösterreich war jedenfalls für uns Alle überraschend.“
Bornaviren nutzen Spitzmaus als lebenslängliches Reservoir
Eine frühere Studie des Teams bestätigte, dass die Feldspitzmaus ein sogenanntes Reservoir für Bornaviren darstellt. Die Erreger sind hochgradig in allen Organen nachweisbar, ohne dass die Spitzmäuse selbst irgendwelche Symptome zeigen. „Nach einer Infektion bleiben Spitzmäuse lebenslang mit dem Virus infiziert und scheiden dieses auch aus“, sagt Nowotny. Bei einem geschützten Tier stellt sich allerdings die Frage, wie man zukünftig gegen Bornavirus-Infektionen vorgehen kann. Es gilt die Spitzmäuse von den Stallungen fernzuhalten, etwa durch selbstschließende Türen oder Barrieren. Hygienestandards und regelmäßige Kontrollen spielen auch eine wesentliche Rolle.
„Die Studie hat gezeigt, dass am Beginn einer wissenschaftlichen Studie die aufmerksame diagnostische Tätigkeit von praktizierenden Tierärzten steht. Dieses Bewusstsein gilt es weiter zu stärken. Die gute Zusammenarbeit mit der AGES hat gezeigt, dass wir schnell gemeinsam vorgehen können. Der gleichzeitige Nachweis der Bornaviren in Pferd und Spitzmaus bestätigte nicht nur die Diagnose der TiermedizinerInnen, sondern hilft uns auch zukünftige Strategien zu entwickeln“, so Weissenböck.
Der Artikel „Infections of horses and shrews with Bornaviruses in Upper Austria: a novel endemic area of Borna disease” von Herbert Weissenböck, Zoltán Bagó, Jolanta Kolodziejek, Barbara Hager, Günter Palmetzhofer, Ralf Dürrwald und Norbert Nowotny wurde am 21. Juni 2017 in der Zeitschrift ,Emerging Microbes & Infections' veröffentlicht und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
Quelle: Pressemitteilung der Vetmeduni Vienna
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