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Ein großer Reiter und Ausbilder ist gegangen: Zum Tod von Norbert Tschautscher
27.11.2020 / News

Eine besondere Ehre war der Auftritt der Spanischen Hofreitschule am 19. November 1982 auf dem Südrasen des Weißen Hauses: Den Lipizzanerhengst Maestoso Blanca-76 – ein Geschenk der Republik Österreich, überbracht vom damaligen Präsidenten der Wirtschaftskammer Rudolf Sallinger – empfing US-Präsident Ronald Reagan aus den Händen von Oberbereiter Norbert Tschautscher.
Eine besondere Ehre war der Auftritt der Spanischen Hofreitschule am 19. November 1982 auf dem Südrasen des Weißen Hauses: Den Lipizzanerhengst Maestoso Blanca-76 – ein Geschenk der Republik Österreich, überbracht vom damaligen Präsidenten der Wirtschaftskammer Rudolf Sallinger – empfing US-Präsident Ronald Reagan aus den Händen von Oberbereiter Norbert Tschautscher. / Foto: Ronald Reagan Library
Norbert Tschautschers reiterliche Kompetenz und Vielseitigkeit waren legendär: Auf und über der Erde und am Langen Zügel – überall bildete er meisterhaft aus und ritt vorbildlich.
Norbert Tschautschers reiterliche Kompetenz und Vielseitigkeit waren legendär: Auf und über der Erde und am Langen Zügel – überall bildete er meisterhaft aus und ritt vorbildlich. / Foto: Spanische Hofreitschule
Auch nach seiner Pensionierung mochte Norbert Tschautscher nicht ohne Pferde sein ...
Auch nach seiner Pensionierung mochte Norbert Tschautscher nicht ohne Pferde sein ... / Foto: privat/Anna-Maria Hauser

Am 21. November ist Norbert Tschautscher, der ehemalige Erste Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule, im 78. Lebensjahr verstorben. Er war ein begnadeter Reiter und Ausbilder, dessen Name untrennbar mit der goldenen Ära der Schule verbunden bleibt. Ein Nachruf von Martin Haller.

 

Die Spanische Hofreitschule war 1956 noch im Welser Exil, als man ein Zeitungsinserat schaltete, in dem Bereiter-Nachwuchs gesucht wurde. Ein 14-jähriger Knabe namens Norbert Tschautscher aus Seewalchen am Attersee folgte dem Ruf und fuhr mit dem Radl dorthin, sprach beim legendären Oberst Podhajsky vor – und wurde prompt genommen. Wieder daheim, erzählte der junge Norbert seiner Mutter, dass er nach Wien an die Reitschule engagiert war, worauf diese ihm wütend gebot: „Zum Zirkus gehst ma net!“ Er ging trotzdem, begann den mühevollen, langen Weg des Eleven und erklomm über die Jahre die Erfolgsleiter im damals noch sehr hierarchisch und streng geführten Institut in der Hofburg.

Tschautscher bewies als Reiter ein rares und vielseitiges Talent, das den wahren Klassiker unbedingt auszeichnen sollte. Auf und über der Erde und am Langen Zügel – überall bildete er meisterhaft aus und ritt vorbildlich. Seine reiterliche Kompetenz und Vielseitigkeit waren auffallend, und so wurde er 1981 zum Oberbereiter ernannt; 1985 folgte er seinem berühmten Vorgänger Ignaz Lauscha als Erster Oberbereiter nach. Diesen Rang hatte er bis zu seiner Pensionierung 1997 inne, als Arthur Kottas-Heldenberg ihm nachfolgte. Norbert Tschautscher war ein ruhiger, konsequenter Ausbildner seiner Pferde und ein Oberbereiter von großer fachlicher Autorität und umgänglicher Natur. Geformt durch Vorbilder wie Podhajsky, Irbinger, Weibold, Lauscha und andere, konnte er während der goldenen Ära der Schule selbst auch prägend wirken. Seine Hengste gingen in allen Programmpunkten und Lektionen vorbildlich und waren – so das Urteil berufener Kollegen – besonders gut nachzureiten. Wer einen Tschautscher-Hengst übernahm oder nachreiten durfte, konnte sich glücklich schätzen…

Ich erinnere mich gut an ihn; schon als Knabe war ich bei den großen Gala-Vorführungen in Schönbrunn oder der Wiener Stadthalle Zuschauer. Der athletische, ruhige Reiter, dessen Levaden, Langer Zügel oder erstklassige Gänge und Touren immer präzise und harmonisch waren, blieb einem im Gedächtnis. In den unzähligen Morgenarbeiten, deren Besuch ich anstelle eines Studiums absolvierte, konnte man noch deutlicher erkennen, welche Geduld und konzentrierte Ruhe Tschautscher ausstrahlte und auf die Hengste übertrug. Er war mit Leib und Seele Mitglied und Stütze der Hofreitschule, dem es stets um den guten Ruf und die hohe Qualität des Instituts ging. Oberbereiter Johann Riegler drückt es so aus: „Norbert ging es immer zuerst um die Schule. Wenn jemand etwas unbegründet Abfälliges sagte oder etwas tat, was ihr schadete, krampfte es ihn richtig zusammen. Er litt darunter….“

Aus Tschautschers erster Ehe stammen ein Sohn und eine Tochter, seine beiden weiteren Ehen blieben kinderlos. Das Familienleben war ihm sehr wichtig, die Besuche am heimatlichen Attersee bei den Brüdern oder die Wanderurlaube in Kärnten waren Fixpunkte im Kalender; der Ossiacher See war das Ferienziel in Österreich. Ins ferne Ausland zog es den begeisterten Schwimmer und Taucher mit Freunden und Kollegen vor allem zum Tauchen. Bergwanderungen boten den geruhsamen Ausgleich zum Reiten an der Schule oder als privater Trainer. Trotz dieser sportlichen Lebensweise trat ab dem 57. Lebensjahr eine Herzschwäche auf, welche immer wieder zu Gesundheitskrisen führte und letztlich auch das Leben Norbert Tschautschers im 78. Jahr beendete.

Seine Witwe Anna-Maria – von allen stets Nina genannt und ebenfalls ganz dem Pferdesport verbunden – hat uns die Informationen zu diesem kleinen Nachruf zur Verfügung gestellt, wofür wir uns herzlich bedanken. Möge dieser große Reiter in Frieden ruhen, dort, wo man nie mehr Grund zum „Zusammenkrampfen“ hat. Norbert Tschautscher verstarb am 21. November 2020.

Martin Haller

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