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Wie das Pferdeleben so spielt: eine Connemara-Weihnachtsgeschichte
23.12.2020 / News

Christy Haller als Junghengst in Kladrub ...
Christy Haller als Junghengst in Kladrub ... / Foto: privat
Ein Bild des Jammers: Christy Haller vor dem Kauf 2018 in Tschechien ...
Ein Bild des Jammers: Christy Haller vor dem Kauf 2018 in Tschechien ... / Foto: privat
Mit seiner Retterin Noeleen verbindet Christy Haller eine ganz spezielle Beziehung ...
Mit seiner Retterin Noeleen verbindet Christy Haller eine ganz spezielle Beziehung ... / Foto: privat
Christy Haller als stolzer Pascha auf der grünen Insel ...
Christy Haller als stolzer Pascha auf der grünen Insel ... / Foto: privat

Das Leben schreibt oft die unglaublichsten Geschichten – so auch jene des Connemara-Hengstes Christy Haller, der nach langer Odyssee einem traurigen Ende entgegenzugehen schien. Doch das Schicksal wollte es anders – eine wahre Geschichte, erzählt von ProPferd-Autor und Züchter Martin Haller.

 

Vor etwas über 20 Jahren, als ich aus meiner Wahlheimat Irland wieder nach Österreich zurückkehrte, erwachte mein Interesse an den alten Pferderassen der Monarchie erneut. Es sollte auch keine pferdelose Zeit anbrechen, also rief ich meinen Freund Norbert Zalis an, damals Direktor des Hofgestüts Kladrub in Böhmen. Ja, ich habe einen braven Wallach für dich, hieß es, eine Minusvariante: zu klein geblieben und daher günstig zu haben. Günstig? – Ich hatte zwar absolut kein Geld, aber den dringenden Wunsch nach einem Kaiserschimmel. Norbert brauchte zwar die Minusvariante nicht in seinem renommierten Gestüt, dafür aber dringend einen Ponyhengst zur Zucht und als Probierhengst. Den konnte er gerne haben, denn ich hatte ja noch junge Connemaras an der Hand. Also wurde ein Tausch vereinbart: Ein grauer Connemara-Bub Jahrgang 1997 ging nach Tschechien – und ein etwas zu kleiner Kladruberwallach nach Graz.

Wir kamen in den darauffolgenden Jahren oft nach Kladrub und besuchten den irischen Emigranten in seiner neuen Heimat, die ungewohnten Luxus und vor allem einen neuen, exklusiven Namen bot: Man hatte ihn, der bis dahin nur eine lapidare Zuchtbuchnummer trug, auf den schönen Doppelnamen „Christy Haller“ getauft. Als solcher führte er nun ein komfortables Leben zwischen Müßiggang, reiterlicher Ausbildung und erotischen Abenteuern – jedoch vergessen von der weiten Welt der Connemarazucht. Christy war ein Robinson Crusoe geworden, anonym im kaiserlichen Gestüt, umgeben von anderen Pferden und genetisch unerreichbar für Stuten seiner Rasse – obwohl er als Sohn des berühmten Hengstes Windy Day und der Stute Kilfenora Trixie durchaus als züchterischer Schatz gelten konnte. Doch Connemara Ponys waren damals, nach der Wende, im Osten noch unbekannt …
Die Jahre gingen ins Land – und Windy Day starb im hohen Alter, ohne in Irland einen gekörten Sohn hinterlassen zu haben. Er war „politisch unerwünscht“ gewesen, hatte den Ruf großer Charakterstärke und verbrachte zudem seine zweite Lebenshälfte außerhalb der Region Connemara. Die örtlichen Zucht-Zampanos sahen und sehen es nicht gerne, wenn Außenseiter gute Ponys besitzen oder züchten … und so blieb auch Windy Day züchterisch unterschätzt und weitgehend ungenützt.

Seinem Sohn Christy im fernen Kladrub erging es durchaus ähnlich: Er wurde nach drei Jahren aufgrund politischer Wirren im Gestüt verkauft und erlebte als „Sportpony“ eine zweite Karriere im Springsport. Er war ein wunderschöner Hengst von bestem Charakter geworden, inzwischen strahlend weiß und muskulös, wenn auch nicht besonders groß – eine exakte Kopie seines Vaters. Seine Karriere verlief nicht immer optimal, denn seine neue Eigentümerin konnte sich zeitweise Futter und Pflege nicht leisten. Die Betreiberin des Mietstalls bei Prag, wo er schließlich gelandet war, fütterte ihn trotz ausbleibender Einstellgebühren notdürftig weiter; allerdings war die Situation auf Dauer nicht tragbar – weder für die Stallbesitzerin, noch für das Pony. So verlor sich hier, in der tschechischen Provinz, allmählich die Spur des Connemarahengstes mit den seltenen Genen und dem tollen Springtalent, der einem traurigen Ende zuzustreben schien.

Doch dann nahmen die Dinge eine schicksalhafte Wendung: Vor einigen Jahren erhielt ich eines Tages einen Anruf aus Irland. Noeleen, die Tochter von Windy Days Vorbesitzer Henry Prendergast, der ihn mir und zwei Nachbarn in den 1990er Jahren verkauft hatte, hatte auf verschlungenen Wegen erfahren, dass noch ein Sohn des alten Hengstes in Tschechien existieren würde. Seit dem Jahr 2013 hatte sie versucht, diesen ausfindig zu machen und zu erfahren, ob das Pony eventuell zu haben war … Klar, sie war ihrem Vater als Züchterin gefolgt und hatte wärmste Erinnerungen an Windy Day. Sie wusste auch, dass ich wieder in Europa lebte und daher bessere Chancen hatte, den verlorenen Sohn ausfindig zu machen.

Nach vielen erfolglosen Telefonaten konnte ich 2017 einen guten Freund und Pferdeexperten – den Prager Michael Rosenfeld – dazu gewinnen, sich der Suche nach Christy Haller zu widmen. Er nahm dessen Fährte auf und fand nach langer, mühsamer Detektivarbeit und vielen Stunden im Auto ein vernachlässigtes, klapperdürres Pony in einem verfallenen Stall bei Prag. Seine Eigentümerin wollte sich jedoch trotz finanzieller Not nicht von ihm trennen, da er ihre Tochter zu so vielen Erfolgen getragen hatte. Alle Überredungsversuche scheiterten über lange Zeit – und der betagte Hengst schien hoffnungslos verloren; es war abzusehen, dass er aus Mangel an Futter, Betreuung und medizinischer Versorgung nicht viel älter werden würde.

Doch dann folgte der zweite Wink des Schicksals, den man durchaus als kleines „Weihnachtswunders“ im Leben des Christy Haller bezeichnen könnte: Zwei Jahre lang blieben wir im Kontakt mit der Pony-Besitzerin, legten Angebote, argumentierten und erklärten … und endlich, endlich war sie bereit, den angeschlagenen Hengst in eine bessere Zukunft zu entlassen. Michael Rosenfeld konnte den Verkauf erwirken und die notwendigen Formalitäten einleiten. Ihm ist es zu verdanken, dass Kaufabwicklung, ärztliche Untersuchungen und „schonende Zwischenlagerung“ des Seniors rasch und problemlos verliefen. Sein Schwager in Böhmen nahm Christy in seinem Stall auf, fütterte und „sanierte“ den alten Herrn, und nach einigen Monaten ging die große Reise zurück auf die Grüne Insel vonstatten.

Dort erwachte schnell das Interesse an Christys kostbaren Genen … Sein erster Deckeinsatz erfolgte schon vor dessen Ankunft in seiner Heimat Irland: Denn Connemarazüchter Benno Hellwig in Deutschland nützte die Gelegenheit, Christy auf der Durchreise züchterisch zu verwenden: „Christy war einige Tage hier und wurde in dieser Zeit vorgestellt und ins Hengstbuch II des Z.f.d.P. eingetragen. Er ist ein sehr umgänglicher Hengst mit Springtalent, den ich innerhalb kürzester Zeit mit zwei Stuten auf einer großen Weide laufen lassen konnte, ohne dass es zu prekären Situationen gekommen wäre. Das waren Garavan Cream Lass und Rheingold Grey Delilah. Aus letzterer fiel das Stutfohlen RG Darina, ein ungewöhnlich menschenbezogenes und in der Herde soziales Fohlen. Vielleicht, weil sie unter Aufsicht von Ruths Praktikantin und "Tante" Lass auf der Weide geboren wurde. Wegen ihres guten Gebäudes und guter Bewegungen erhielt sie eine Fohlenprämie. Darina ist der erste als Connemarapony eingetragene Abkömmling von Christy und ein wahres Geschenk. Sie wird auf jeden Fall in der Zucht bleiben.“ Es hatte große Zweifel an der Fortpflanzungsfähigkeit des alten Hengstes gegeben, doch nun gab es Hoffnung, die sich inzwischen bestätigt hat. Teil zwei des kleinen Weihnachtswunder ist, dass Christy entgegen aller Erwartungen noch fruchtbar ist und Fohlen zeugen kann – wertvolle, robuste Connemara-Kinder bester Abstammung.

Inzwischen ist Christy Haller in exakt  jener Box aufgestallt, in der sein Vater Windy Day einst lebte; er galoppiert über dieselbe Weide wie jener; er genießt einen wunderbaren Lebensabend bei bester Gesundheit und in der rührenden Fürsorge jener Frau, Noeleen Predergast, die seinen Vater als Mädchen liebte … Er schenkt ihr dafür Fohlen (drei Stuten sind trächtig von ihm!) und gibt seiner Rasse in Irland genau das zurück, was er geben kann, nämlich seine guten Eigenschaften und jene seltene Lebenskraft, die den Connemaras früher zu eigen war. Er und sein Vater sind Zeugnis dafür … Manchmal gibt es noch Weihnachtswunder, selbst in der Pferdewelt! Es tut gut, solch eines miterlebt zu haben und ein ganz kleines bisserl daran beteiligt gewesen zu sein ….

Martin Haller

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