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Studie: Auch ältere und lahme Pferde holen sich den nötigen Schlaf
09.11.2021 / News

Lahmheit und Alter haben keinen signifikanten Einfluss auf die Liegezeit von Pferden, wie WissenschaftlerInnen der Vetmeduni Wien herausfanden.
Lahmheit und Alter haben keinen signifikanten Einfluss auf die Liegezeit von Pferden, wie WissenschaftlerInnen der Vetmeduni Wien herausfanden. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Weder Alter noch Lahmheit aufgrund chronischer Erkrankungen des Bewegungsapparats beeinflussten in einer aktuellen Studie österreichischer WissenschaftlerInnen die Liegezeit von Pferden signifikant. Um zu ausreichend Schlaf zu kommen, bedienten sich die Pferde sogar ziemlich schlauer Tricks ...


Wie wichtig ausreichender und erholsamer Schlaf für die Pferdegesundheit ist, konnte mittlerweile in vielen Untersuchungen nachgewiesen werden. Erwachsene Pferde schlafen 2,5 bis 5 Stunden am Tag, davon 80 Prozent im Stehen. Pferde müssen jedoch mindestens 30 Minuten pro Tag für die 3,5 bis 4,5 Minuten REM-Schlaf liegen, die erforderlich sind, um einen vollständigen, nachhaltig erholsamen Schlafzyklus zu erreichen. Pferde als mögliche Beutetier legen sich nur hin, wenn sie sich absolut sicher und wirklich wohl fühlen. Pferde, die sich aus Umweltgründen oder weil sie sich nicht wohlfühlen nicht hinlegen können oder wollen, können an REM-Schlafmangel leiden. REM-Schlafentzug kann zu übermäßiger sekundärer Schläfrigkeit und sogar zu Zusammenbrüchen führen, die häufig fälschlicherweise als Narkolepsie diagnostiziert werden. Ob bei einem solchen Schlafdefizit aber das Alter oder chronische Erkrankungen des Bewegungsapparats eine Rolle spielen und einen nachweisbaren Einfluss auf die Liegezeit von Pferden haben, das haben nun Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersucht.

Zsofia Kelemen und ihre Forscherkollegen statteten 83 alte und junge ausgewachsene Pferde in einem Tierheim mit tragbarer automatisierter Sensortechnologie aus, um die Zeit zu messen, die sie im Liegen, in Bewegung oder im Stehen verbrachten. Es handelte sich dabei um 39 Warmblüter, 17 Kaltblüter und 27 Pferde anderer Rassen im Alter zwischen 2 und 32 Jahren, die – je nach Alter und Gesundheit – in insgesamt vier Gruppen aufgeteilt wurden. Das Studienteam konnte so die täglichen Zeitbudgets von älteren Pferden mit und ohne chronischer Lahmheit mit jüngeren erwachsenen Pferden – sowohl gesund als auch lahm – vergleichen.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert: „Interessanterweise beeinflussten weder Alter noch Lahmheit aufgrund einer chronischen orthopädischen Erkrankung die Liegezeit signifikant“, so die Wissenschaftler. Die Liegezeiten reichten von 0 bis 319 Minuten pro Tag, mit einem Gesamtdurchschnitt von 67,4 Minuten. Das durchschnittliche Zeitbudget für die Fortbewegung betrug 19,1%, für das Stehen (Essen oder Ruhen) 75,6%.

Acht Pferde in der Studie wurden mit Symptomen eines REM-Defizits bewertet. „Diese Pferde hatten deutlich kürzere Liegezeiten und ein geringeres Zeitbudget für die Fortbewegung als die anderen Pferde, die an dieser Studie teilnahmen, was auf eine allgemeine Beeinträchtigung des Wohlbefindens hinweist“, berichteten die Forscher.

Das Studienteam hatte erwartet, dass ältere Pferde und solche mit chronischen orthopädischen Beschwerden weniger Zeit im Liegen verbringen würden als gesunde erwachsene Kontrollpferde. Doch das war – durchaus zur Überraschung der Wissenschaftler – nicht der Fall. „Ältere Pferde und Pferde mit chronischen orthopädischen Erkrankungen können Liegezeiten erreichen, die mit denen von jüngeren, gesunden Pferden vergleichbar sind, sie benötigen aber möglicherweise optimierte Haltungsbedingungen“, so das Resümee der AutorInnen.

Weder Faktoren wie Weidezugang noch die Haltungsbedingungen (Einzelboxenstall versus Gruppenhaltung) beeinflussten die Liegezeiten signifikant. Dies könnte an der stabilen Gruppenzusammensetzung und der Verfügbarkeit ausreichender Liegeflächen im Tierheim liegen.

Die Autoren hoben die Wirksamkeit der tragbaren Sensor-Technologie hervor, die ihrer Meinung nach eingesetzt werden kann, um Pferde mit kurzen Liegezeiten mit einem Risiko für REM-Schlafmangel zu identifizieren. Um potenziell REM‐defiziente Pferde zu identifizieren, erwies es sich jedoch als unerlässlich, sie über längere Zeiträume hinweg zu überwachen, um festzustellen, ob sie sich überhaupt nicht oder nur bei Erschöpfung oder unter bestimmten Umweltbedingungen hinlegen. Um zu ausreichend Schlaf zu kommen, bedienten sich die Pferde mitunter auch ziemlich schlauer Tricks: „Zum Beispiel hat sich ein Pferd, das aufgrund einer schweren Arthrose in beiden Karpalgelenken Probleme mit dem Hinlegen hatte, auf der Weide auf einem Abhang niedergelegt, wodurch es die Schräglage nutzen konnte und ihm das Aufstehen leichter fiel.“

Die Forscher betonten, dass sich die tragbare Sensor-Technologie sehr gut dafür eignet, um das Pferdewohl objektiv zu beurteilen und zu überwachen und die Haltungsbedingungen zu optimieren, sodass alte Pferde und solche mit chronischen orthopädischen Erkrankungen Liegezeiten erreichen können, die mit jüngeren, gesunden Pferden vergleichbar sind.

Die Studie „Recumbency as an Equine Welfare Indicator in Geriatric Horses and Horses with Chronic Orthopaedic Disease" von Zsofia Kelemen, Herwig Grimm, Mariessa Long, Ulrike Auer und Florien Jenner ist am 8. November 2021 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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