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Rechnungshof-Kritik zur Spanischen: "Die Bankrotterklärung eines Systems!"
10.11.2021 / News

Die Kritik des Rechnungshofs an der Entwicklung der Spanischen Hofreitschule fiel „vernichtend" aus, so die Einschätzung der befragten Experten.
Die Kritik des Rechnungshofs an der Entwicklung der Spanischen Hofreitschule fiel „vernichtend" aus, so die Einschätzung der befragten Experten. / Symbolfoto: Archiv/Birgit Popp
Die früheren Oberbereiter Johann Riegler (ganz links), Klaus Krzisch (Mitte) sowie der Zuchtexperte und langjährige ZAP-Geschäftsführer Dr. Leopold Erasimus haben sich den Fragen von ProPferd gestellt.
Die früheren Oberbereiter Johann Riegler (ganz links), Klaus Krzisch (Mitte) sowie der Zuchtexperte und langjährige ZAP-Geschäftsführer Dr. Leopold Erasimus haben sich den Fragen von ProPferd gestellt. /

Der Rechnungsbericht zur Spanischen Hofreitschule sorgt in der Pferdeszene nach wie vor für Gesprächsstoff. ProPferd hat mit Experten – darunter die früheren Oberbereiter Johann Riegler und Klaus Krzisch – sowie dem langjährigen ZAP-Geschäftsführer Dr. Leopold Erasimus die zentralen Kritikpunkte diskutiert.

 

Kritikpunkt 1: Hengste sind öfter krank und werden früher pensioniert

Wie der Rechnungshof-Bericht (siehe unseren ausführlichen Artikel dazu) aufzeigt, sind im untersuchten Zeitraum von 2014 bis 2019 die Reitschul-Hengste immer früher in den Ruhestand geschickt worden – das Pensionsantrittsalter lag 2015 und 2016 noch bei 23,8 Jahren, sank dann aber rapide auf 17,5 Jahre (2018) bzw. 19 Jahre (2019). Die Anzahl der Hengste, die in einem Alter von über 20 Jahren noch im Einsatz waren, war rückläufig – dabei war es stets der besondere Stolz der Hofreitschule, ihre Pferde bis ins hohe Alter fit halten und bei Vorführungen präsentieren zu können. Für die beiden ehemaligen Oberbereiter ist dies eine bestürzende und beunruhigende Entwicklung – ebenso wie die Zunahme an Krankheitsfällen: Die Anzahl der Hengste, die nicht mehr für Vorführungen eingesetzt werden konnten, stieg lt. Rechnungshofbericht im überprüften Zeitraum von 9 auf 20.

Riegler: Dieser Kritikpunkt des Rechnungshofes ist für mich besonders schmerzlich und alarmierend. Denn es war früher relativ normal, dass ein Pferd bis in ein Alter von 23, 24 oder 25 Jahren in den Vorführungen eingesetzt werden konnte, natürlich immer mit Bedacht auf seine Leistungsfähigkeit. Ich kann mich gut erinnern: Der Lauscha war 65 Jahre alt und sein Pferd 25 – und wir haben gesagt: Schau, da springen 90 Jahre Courbette. Aber die Pferde waren immer noch fit in diesem Alter. Und nach 25 haben wir sie noch zwei, drei Jahre verwendet, um die Eleven zu unterrichten – das waren natürlich hervorragende Lehrmeister für sie.

Krzisch: Bevor es noch Heldenberg gegeben hat, hat es in der Schule in etwa 70 Pferde gegeben, davon waren rund 30 bis 35 ausgebildet und der Rest waren Jung- und Nachwuchspferde. Doch die ausgebildeten Pferde konnten in der Regel bis zum 25. Lebensjahr eingesetzt werden, und das ist jetzt tatsächlich total zurückgegangen – jetzt haben sie 120 oder noch mehr Pferde, aber es sind ständig irgendwelche Pferde krank oder lahm. Ich war fast 50 Jahre an der Schule, aber es waren in diesem Zeitraum nie soviele Pferde lahm wie zuletzt – das kannten wir überhaupt nicht, das hat’s einfach nicht gegeben. Auch die vielen Krankheits-Probleme gab es in dieser Form nicht.

Einen einzigen Punkt möchte ich aber richtigstellen, damit kein falscher Eindruck entsteht: dass nämlich die Pferde zuwenig Bewegung erhalten würden. Das stimmt so wirklich nicht – die Pferde wurden immer ausreichend bewegt, zumindest zu unserer Zeit. Man kann ein Pferd eben nicht nach Uhr arbeiten – einmal brauche ich etwas länger, ein andermal geht’s schneller. Wenn ein Bereiter seine Pferde korrekt arbeitet und ausbildet, spürt er ganz genau, was ein Pferd gerade braucht – und dann ist es auch wurscht, ob er einmal eine Stunde früher weggeht, ich muss mich doch dem Lebewesen anpassen und kann nicht alles streng nach Stechuhr machen.


Kritikpunkt 2: Aufgeblähter Personalstand – nur nicht in der Reitbahn

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die im RH-Bericht dargestellte Personalentwicklung – die eine erhebliche Dynamik aufweist: Der Personalstand ist von 2014 bis 2019 um 20 % angestiegen – aber eben in den falschen Bereichen, wie die Experten kritisieren.

Krzisch: Für mich besonders erschütternd ist, wie aufgebläht der gesamte Apparat ist. Da arbeiten mittlerweile 200 Leute, das muss man sich einmal vorstellen – während in der Reitbahn selbst immer weniger Leute tätig sind, nämlich statt 26 im Jahr 2014 nur noch 24 im Jahr 2019. Mittlerweile sind ja in der Verwaltung und im Marketing mehr Leute als in der Reitbahn, das ist für mich einfach unbegreiflich. Mir will auch nicht in den Kopf, wieso man unbedingt zwei Geschäftsführer braucht – früher gab's einen Direktor und fünf Leute im Büro, die den Laden geschupft haben, und das ohne Computer. Mittlerweile gibt’s zwei Geschäftsführer und – zu Höchstzeiten – 16 Leute in der Verwaltung, das ist doch verrückt. Auf der anderen Seite sparen sie bei allem, was mit den Pferden zu tun hat – ein Pferdepfleger kriegt 1.400,– Euro netto, was einfach skandalös wenig ist für die Verantwortung, die diese Leute haben, und deshalb findet man auch niemanden mehr, und die, die man findet, bleiben nicht lang.

Riegler: Die Gesellschaft, so wie sie jetzt geführt wird, ist einfach viel zu teuer, das wird in dieser Form niemals zu finanzieren sein. Ich kann mich genau erinnern: Es gab vor der Ausgliederung einen Geschäftsführer für Wien und Piber, fünf Leute in Wien im Büro, vier in Piber – das war’s, der Rest waren Bereiter, Pferdepfleger usw, also Leute, die für die Pferde gearbeitet haben. Mit diesem schlanken Apparat hat man damals lt. Dr. Oulehla ein Gesamtdefizit von 4 Millionen Schilling gehabt, Schilling wohlgemerkt. Und Dr. Oulehla hat zu mir gesagt: Wenn wir von der Gemeinde Wien 1 Million Schilling Zuschuss bekommen, von der Steiermark 1 Million, vom Landwirtschaftsministerium 1 Million und vom Bund 1 Million – dann sind wir hochweiß und wir bräuchten sonst nichts. Heute geht es um Millionen von Euro – und wir müssen im Rechnungshofbericht lesen, dass die Gesellschaft von 2014 bis 2019 8,49 Millionen Euro an öffentlichen Zuwendungen benötigt hat, um über die Runden zu kommen, und einen Schuldenstand von 26 Millionen Euro aufweist.

Krzisch: Wir hätten schon den Heldenberg damals nicht gebraucht, das war eine rein politische Entscheidung und sachlich völlig ungerechtfertigt. Wir hatten früher die Hermesvilla in Lainz, die für uns hervorragend war und die man nur etwas herrichten hätte müssen, um sie weiter zu nutzen. Die war leicht und schnell erreichbar, da sind die Bereiter mit der Straßenbahn hingefahren. Heute pendeln sie mit Dienstautos zwischen Wien und Heldenberg hin- und her – kostet alles Geld und Zeit und funktioniert hinten und vorne nicht, weil letztlich viel zu wenig Zeit für die Ausbildung der Pferde übrig bleibt.  


Kritikpunkt 3: Entmündigung des Reitbahn-Personals

All diese offensichtlichen Fehlentwicklungen haben – so die Experten – ursächlich mit einem weiteren ,Erbe’ der Ära Gürtler zu tun: nämlich der weitgehenden Entmündigung des Reitbahn-Personals, namentlich der beiden damaligen Oberbereiter Krzisch und Riegler, die nicht zuletzt aufgrund ihrer Kritik an Gürtlers Plänen in den Jahren 2008 und 2009 dienstfrei gestellt wurden. Damit sei ein über Jahrzehnte bewährter Kommunikationskanal zwischen Institutsleitung und Reitbahn gekappt worden – mit weitreichenden Folgen.

Klaus Krzisch: Ich will wirklich nicht ,nachtreten’, aber die Verantwortung für die aufgezeigten Missstände liegt ganz klar in den zwölf Jahren, in denen Fr. Gürtler die Schule geleitet hat. Sie hat sie das Institut – das 450 Jahre alt ist – aus meiner Sicht ruiniert, und das in nur zwölf Jahren. Sie hat auf niemanden gehört und hat geglaubt, dass sie als einzige alles weiß. Früher war es immer so, dass der jeweilige Leiter gemeinsam mit den Oberbereitern den Jahresplan erstellt und sich mit ihnen abgesprochen hat, weil die Leute in der Reitbahn einfach gewusst haben, was mit den Pferden möglich ist und was nicht. Das hat Fr. Gürtler überhaupt nicht mehr gemacht – sie hat einfach bestimmt, wann und wie oft Vorführungen sind, ohne Rücksicht auf die Verfassung der Pferde oder der Bereiter. Wohin das geführt hat, sieht man jetzt. Dabei hatte sie lange Jahre noch das Glück, dass sie von unseren Pferden gelebt hat, die von Kottas, Bauer, Riegler usw. ausgebildet worden waren.

Johann Riegler: Der Bericht des Rechnungshofs bestätigt im Wesentlichen das, was wir die ganze Zeit gesagt haben. Als Frau Gürtler 2007 die Geschäftsführung übernommen hat, gab es ca. zwei Wochen nach Amtsantritt eine Besprechung, bei der ich auch dabei war – und das erste, was die neue Geschäftsführung da gesagt hat, war, dass man die Vorführungen nächstes Jahr verdoppeln werde. Ich habe mich daraufhin zu Wort gemeldet und gesagt: Das geht nicht! Die Antwort war: Doch, doch, das geht! Und ich habe ihr dann versucht zu erklären, dass wir das ja schon einmal gemacht hatten, nämlich Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre, als wir jeden Mittwoch und jeden Sonntag die ganze Saison hindurch Vorführung hatten – und sehr bald bemerken mussten, dass wir einfach keine Zeit mehr hatten, die Pferde anständig auszubilden oder sie zu korrigieren, wenn irgendein Problem aufgetaucht ist. Es war ein Dauerstress und eine Belastung für die Pferde, die an die Substanz ging und erst unter der Ära von Dr. Oulehla wieder schrittweise abgebaut wurde. Aber man braucht sich gar nicht auf die Pferde ausreden – es ist auch so, dass die Reiter irgendwann durch die Anzahl der Vorführungen abstumpfen. Aber meine Bedenken wurden weggewischt, und als ich dann erkennen musste, dass Argumente und Erfahrungen nicht zählen, war für mich klar, dass das für mich bald zu Ende gehen wird (Anm.: Johann Riegler wurde 2008 dienstfrei gestellt).

Dr. Leopold Erasimus: Es hat ohne Zweifel zur aktuellen Misere beigetragen, dass man zwei Oberbereiter über viele Jahre hinweg dienstfrei gestellt hat – im Wesentlichen deshalb, weil sie eine kritische Grundhaltung eingenommen haben, die sich, siehe Rechnungshofbericht, nachträglich als völlig richtig herausgestellt hat. Da frage ich mich schon auch als Staatsbürger: Wie ist soetwas möglich? Wie ist es möglich, dass diese hochqualifizierten Leute fast ein ganzes Jahrzehnt außer Dienst sind, dem Staat trotzdem Geld kosten – aber ihr einzigartiges Know-how nicht in der Institution einbringen dürfen? Gibt es da nicht eine Verantwortung der Geschäftsführung oder auch des Aufsichtsrates? Es kann doch nicht sein, dass eine derartige Fehlleistung keine Konsequenzen hat.

Erschwerend kommt hinzu: Die verantwortlichen Stellen – da meine ich vor allem den Aufsichtsrat und das zuständige Ministerium – waren zu jeder Zeit über die Missstände und die negative Entwicklung informiert. Es hat eine Fülle von Schreiben, Eingaben, Informationen, Beschwerdebriefe usw. gegeben, dass man keinesfalls sagen kann: Das haben wir nicht gewusst. Man hat es sehr wohl gewusst, man hat es nur ignoriert und nichts getan.


Kritikpunkt 4: Vorrang für den Kommerz – mit fatalen Konsequenzen

Ein weiteres Ärgernis sehen die Experten im sturen Fokus auf wirtschaftliche Parameter, die einer kulturellen Einrichtung völlig unangemessen sind und letztlich sogar den gesetzlichen Auftrag konterkarieren, nämlich die Erhaltung und Pflege der klassischen Reitkunst sicherzustellen. Zur dauerhaften Finanzierung rät der Rechnungshof dazu, eine mehrjährige Basisabgeltung einzuführen, die sich an den Regelungen für andere Kultureinrichtungen (Museen, Bundestheater etc.) orientiert. Diese Empfehlung wird von allen drei Experten unterstützt.

Erasimus: Für mich ist dieser Bericht die Bankrotterklärung eines Systems, das von Anfang an falsch aufgesetzt war. Ich erinnere mich, wie das Ausgliederungsgesetz seinerzeit veröffentlicht wurde, haben wir von der ZAP gesagt, dass es ein völlig falscher Ansatz ist, wenn man vorgibt, dass die Spanische innerhalb weniger Jahre ausgeglichen bilanzieren muss. Das ist einfach falsch. Es ist eine weltweit einmalige kulturelle Einrichtung, die nachweislich eine so hohe Umwegrentabilität bringt, dass sie selbst nicht ausgeglichen bilanzieren muss. Man hat das zwar viele Jahre später in einer Neufassung korrigiert, aber das war ein wesentlicher Grund für viele Fehlentwicklungen, insbesondere in den allerersten Jahren – ein Geburtsfehler, wenn man so will. Dazu sind Leute genommen, die einen falschen wirtschaftlichen Ehrgeiz an den Tag legten, und somit hat sich das Institut so entwickelt, wie es heute leider dasteht. In Wirklichkeit müsste man ja die Entwicklung des Jahres 2006 oder 2007 bis 2019 vergleichen – und da ist ja alles noch viel dramatischer. Denn im Jahr 2014 – dem Ausgangspunkt des Rechnungshofberichts – war ja ein Großteil des Schadens schon angerichtet, da war das Niveau ja schon deutlich schlechter als die Jahre davor. Und von diesem schlechten Niveau ist es eben nochmals deutlich nach unten gegangen. Für mich ist das eine einzige Bankrotterklärung – es haben nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch der Aufsichtsrat und die verantwortlichen Eigentümervertreter versagt.

Riegler: Die ausschließliche Orientierung an wirtschaftlichen Parametern ist für ein Institut, das im Wesentlichen Reitkultur bewahren soll, einfach völlig falsch. Wenn eine Schule nach 450 Jahren immer noch Vorbild für die Reiterei insgesamt sein soll – was ja der zentrale gesetzliche Auftrag ist – dann darf es nicht darum gehen, ob man ein paar Vorstellungen mehr oder weniger hat. Die Spanische Reitschule soll Pferde klassisch ausbilden, darin liegt ihr wesentlicher Auftrag und ihre Daseinsberechtigung. Was aber heißt klassisch ausbilden? Das heißt nichts anderes, als Pferde richtig zu gymnastizieren. Hans Handler hat gesagt: Unter klassischer Reitkunst versteht man die Durchgymnastizierung der Gesamtmuskulatur. Er hat nicht gesagt: Klassische Reitkunst ist Piaffe mit Uniform – auf irgendeinem Spanier oder anderen Pferd. Wenn ich klassisch reite und ausbilde ist es vollkommen egal, ob ich dann Springreiter bin oder gesichert ins Gelände reiten kann. Klassisch reiten und ausbilden bedeutet, Pferde richtig zu gymnastizieren, schön zu machen, elegant zu machen, gesund zu erhalten – und all das will ich in einer Vorführung vorstellen und vermitteln. Das muss das Ziel sein – und nicht den Pferden irgendetwas beizubringen, damit wir eine Show machen können.

Erasimus: Das kann ich nur unterstreichen. Die Anforderung, die klassische Reitkunst zu erhalten, kann man nicht an Besucherzahlen, Deckungsbeiträgen oder ähnlichem festmachen – da ist das Auge des Fachmanns gefragt, darum kommt man nicht herum. Ob ein Pferd wirklich gut geritten ist, ob es losgelassen, versammelt etc. ist, das kann nur ein Fachmann beurteilen und kein Buchhalter. Darum gehören in die entscheidenden Funktionen Fachleute hin – oder müssen maßgeblich eingebunden sein. Es ist auch ein Unterschied, ob jemand ein Pferdefachmann bzw. eine -fachfrau ist, oder eben ein Pferdeliebhaber bzw. Pferdeliebhaberin. Und die Fachleute sind eben die Bereiter und Oberbereiter, die beurteilen können, ob der Ausbildungsweg eines Pferdes stimmt oder nicht. Und in der Zucht sind es wieder andere Experten. Aber es gehören Fachleute an die wichtigen Positionen berufen – nur die sind in der Lage, die Qualität nachhaltig sicherzustellen.

Wir haben ja schon öfter vorgeschlagen, dass eine Basisfinanzierung für die Spanische Hofreitschule grundsätzlich auf eine breitere Basis gestellt werden sollte. Es ist ja wirklich nicht einzusehen, warum das ganze Geld vom Landwirtschaftsministerium kommen soll – denn es profitiert ja auch der Tourismus massiv, ebenso die Stadt Wien, das Land Steiermark, das Land Niederösterreich etc. Eine solche gesicherte finanzielle Basis wäre die Voraussetzung dafür, dass die Spanische auch tatsächlich ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommen kann. Dieser muss einfach im Mittelpunkt stehen – und alles andere muss dem untergeordnet sein. Dann würde dieser Betrieb auch laufen, davon bin ich felsenfest überzeugt – und man hätte auch keine Tierschutz-Diskussionen, keine Debatten über die Wirtschaftlichkeit usw. Was aber nicht geht ist, dass man auf der einen Seite ein sattes Defizit macht, dass auf der anderen Seite die Pferde krank und überlastet sind, dass die Qualität der Reiterei schlecht ist und der gesetzliche Auftrag nicht erfüllt wird. Das geht nicht, genau das ist aber der Status quo, und das ist völlig unakzeptabel. Man kann nach diesem vernichtenden Rechnungshof-Bericht nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, es muss Konsequenzen geben, das ist für mich völlig klar. Es wäre die Aufgabe der veranwortlichen Stellen – Geschäftsführung, Aufsichtsrat, Eigentümervertreter – ein entsprechendes Konzept für einen grundlegenden Neuanfang zu erstellen.  


Kritikpunkt 5: Zweite Equipe geistert weiter herum

Auch im adaptierten Unternehmenskonzept 2019–2023 ist lt. Rechnungshofbericht der langfristige Aufbau einer zweiten Equipe vorgesehen, um ab 2027 rund 100 Vorführungen pro Jahr bestreiten zu können – die Reduktion der Vorführungen in den nächsten Jahren hätte demnach nur vorübergehenden Charakter. Auch diese Pläne stoßen auf entschiedenen Widerespruch seitens der Experten.

Erasimus: Für mich ist die Fortschreibung dieser Idee einer zweiten Equipe einmal mehr eine Themenverfehlung, die nur dem wirtschaftlichen Druck geschuldet ist. Schon Fr. Gürtler ist am Aufbau einer zweiten Garnitur gescheitert – und zwar krachend und mit fatalen Konsequenzen, wie der RH-Bericht zeigt, und auch Fr. Klima wird daran scheitern, da bin ich mir absolut sicher.

Krzisch: Eine zweite Garnitur wird es nie geben, obwohl das schon seit 15 Jahren herumgeistert. Als ich an die Schule gekommen bin – noch unter Podhajsky – hat der damalige Oberbereiter zu mir gesagt: Seien wir froh, wenn wir eine gescheite Garnitur haben! Daran hat sich bis heute nichts geändert – eine zweite Garnitur kann und wird es nie geben, das ist einfach Unfug, weil keiner die zweite Garnitur sehen will, in der Oper nicht und auch nicht in der Spanischen. Ich habe stattdessen immer dafür plädiert, dass wir die Anzahl der Pferde auf 70 reduzieren, mehr brauchen wir nicht – und allein das würde sehr viel Geld einsparen. Damit sind wir ganzes Jahr Vorführungen geritten, haben eine Auslandstournee gemacht und auch eingeschobene Vorführungen, etwa für Staatsbesuche, bestritten. Das geht alles mit deutlich weniger Personal, und der Betrieb war insgesamt persönlicher, lieblicher und sympathischer. Damals war eine Vorführung noch etwas Besonderes, die Schule hatte Flair – ich erinnere mich, dass die Menschen bis zum Josefsplatz in Schlangen gestanden sind, um noch an Karten heranzukommen, heute ist es ein Massenbetrieb geworden, und sie werfen sie einem die Tickets im Supermarkt nach. Alles ein Wahnsinn! Klein, aber fein – so müsste es sein und so hat das 400 Jahre lang funktioniert, bevor man dem Größenwahn verfallen ist.

Erasimus: Eine Empfehlung aus dem Rechnungshofbericht ist für mich zentral, und zwar wo es heißt: „Der Erhaltung des Kulturguts sowie die Qualität der klassischen Reitweise und der Ausübung der Hohen Schule im Sinne des gesetzlichen Auftrags wäre Vorrang einzuräumen.“ Genau darum geht’s. Das ist der zentrale gesetzliche Auftrag, der erfüllt werden sollte, das müsste eigentlich im Mittelpunkt stehen – und alles andere müsste sich an dem orientieren. Doch genau das ist in der Vergangenheit nicht gemacht worden, stattdessen stand immer die Wirtschaftlichkeit und die Ausgeglichenheit der Bilanz im Mittelpunkt – die man trotzdem niemals erreicht hat. Das muss endlich in die Köpfe der verantwortlichen Leute hinein. Das würde bedeuten, es müssen die besten Leute an die Schule, die Pferde dürfen nicht überlastet werden, die Vorführungen sind so anzusetzen, dass die Qualität wieder passt und die Pferde lange gesund und fit bleiben.


Ausblick: Ist die Spanische Hofreitschule noch zu retten?

Hier gehen die Meinungen auseinander: Während Klaus Krzisch die Möglichkeit eines Neuanfangs eher optimistisch sieht, ist Johann Riegler skeptisch – es sei viel Zeit ungenutzt verstrichen und das traditionelle Erbe der Schule, das die Bereiter von einer Generation zur nächsten mündlich weitergegeben haben, unterbrochen worden. Ist – mit dem derzeitigen Reitbahn-Personal und den vorhandenen Pferden – überhaupt ein Neubeginn möglich, und wenn ja in welchem Zeitraum?

Krzisch: Es würde gehen – unter einer Bedingung: dass sich die Politik nicht mehr einmischt und der jeweilige Chef bzw. die Chefin 200%ig hinter einem steht. Denn man muss in vielem bei null beginnen, müsste die aussuchen, die wirklich gut sind und mit denen alles neu aufbauen. Man braucht eine beinharte Bestandsaufnahme von allen Bereitern, Bereiteranwärtern und Eleven und allen Pferden – aber wenn man das macht, dann laufen sicher viele in die Direktion oder sogar ins Ministerium, denn viele Freunde macht man sich damit sicher nicht. Der Job ist jedenfalls hart, es müsste auch wieder die nötige Disziplin einkehren, die in den letzten Jahren zusehends verlorengegangen ist.  

Riegler: Aus meiner Sicht müsste man als ersten Schritt die Vorführungen drastisch reduzieren und sich wieder mehr Zeit nehmen, um die Reiter auszubilden, denn das ganze Institut kann und wird nur bestehen, wenn es dementsprechend gute, talentierte, künstlerische Reiter gibt, weil nur die können die Pferde ausbilden. Die Pferde können sich nicht von selbst ausbilden. Und diese Reiterinnen und Reiter muss ich zuerst einmal ausbilden, und es ist eine Tatsache, dass ich oftmals zwei, drei, vier Jahre in einen jungen Reiter investiere – um dann zu erkennen, dass er doch nicht gut genug für diese Anforderungen ist. Und dann muss ich wieder von vorn beginnen. Darum kann ich auch nicht sagen, dass wir das in 10 oder auch in 15 Jahren schaffen, um wieder auf das frühere Niveau zu kommen. Aber eine andere Möglichkeit sehe ich nicht – egal, wie lange es dauert, wir müssen in die jungen ReiterInnen investieren, damit sie wieder so gut werden, damit sie ihrerseits wieder Reiter und Pferde ausbilden können. In Summe würde ich schon sagen, man könnte es schaffen, doch es ist mittlerweile soviel Tradition kaputt, dass es sehr schwer sein würde. Vieles von unserem traditionellen Erbe ist verlorengegangen – es wäre eine enorme Kraftanstrengung, wieder an dieses Erbe anzuknüpfen. Und allein schafft das sowieso keiner – man würde ein ganzes Team brauchen, und es wäre nicht unter zehn Jahren zu machen.

Krzisch: Wir werden ja auch älter – ich stelle mich mit 80 Jahren sicher nicht mehr in die Reitbahn, bis dahin müsste jemand aufgebaut werden. Sollte etwas geschehen, dann muss es rasch geschehen – nochmal ein paar Jahre zu vergeuden, die Zeit hat von uns keiner mehr.

Das Gespräch führte Leopold Pingitzer.

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