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Neues Tierschutzgesetz: Frankreich schreibt "Pferdeführerschein" für alle Pferdesitzer vor
12.12.2021 / News

Jeder Pferdebesitzer in Frankreich muss künftig ein gewisses Basiswissen um die natürlichen Bedürfnisse von Pferden und die Anforderungen an gute Pferdehaltung haben.
Jeder Pferdebesitzer in Frankreich muss künftig ein gewisses Basiswissen um die natürlichen Bedürfnisse von Pferden und die Anforderungen an gute Pferdehaltung haben. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Als eines der ersten Länder weltweit führt Frankreich eine Art „Pferdeführerschein“ für Pferdebesitzer ein – sprich: einen gesetzlich vorgeschriebenen Wissens- bzw. Sachkundenachweis, der zur Haltung eines Pferdes befähigen und berechtigen soll.

 

Das neue Gesetz wurde am 1. Dezember 2021 im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht – und Frankreich macht damit ohne Zweifel einen großen Sprung in Sachen Tierschutz. Tatsächlich hat es das umfangreiche Gesetz, das als Prestigeprojekt der aktuellen französischen Regierung gilt, in sich – und es sorgte in den letzten Wochen auch international für Schlagzeilen: So wurden etwa die Strafen für Tierquälerei empfindlich erhöht – so können künftig, je nach Schweregrad des Delikts, Geldstrafen bis zu 75.000,– Euro sowie Gefängnisstrafen bis zu fünf Jahren verhängt werden. Käufer eines Haustieres müssen ab sofort eine ,Verpflichtungs- und Einverständniserklärung’ unterzeichnen und an die französischen Behörden übermitteln – zudem muss eine Bedenkzeit von einer Woche verstreichen, ehe das Tier übernommen werden kann. Damit möchte man sogenannte ,Spontan- bzw. Impulskäufe’ einschränken, die ein Hauptgrund für das häufige Aussetzen von Tieren sind, so die Begründung. Auch der Onlinehandel wird eingeschränkt und der Verkauf von Hunden und Katzen in Zoohandlungen ab 2024 verboten. Längst überfällig war für Tierschützer auch das Verbot der Haltung von Wildtieren in Zirkussen, das nun ebenfalls ins Gesetz aufgenommen wurde – allerdings mit längeren Übergangsfristen bis 2028. Die Zucht von Wildtieren für Zirkusvorführungen wird nur noch bis 2023 erlaubt. Bis 2026 wird auch die Haltung und Aufzucht von Orcas und Delfinen in Gefangenschaft sowie ihre Nutzung für öffentliche Vorführungen verboten. Sofort in Kraft tritt hingegen das Verbot von Pelzfarmen – diese müssen, sofern noch vorhanden, sofort geschlossen werden, auch die Einrichtung neuer Pelzfarmen für Wildtiere ist ab sofort nicht mehr zulässig.

Wie der französische Pferdesportverband FFE (Federation Francaise d’Equitation) vor wenigen Tagen in einer Aussendung mitteilte, wird das neue Tierschutzgesetz aber auch für Pferdefreunde einige wichtige Veränderungen mit sich bringen. Konkret enthalten die Vorschriften drei Neuerungen, die nicht nur das Pferdewohl besser schützen, sondern auch Reitvereine und pferdehaltende Betriebe unterstützen sollen.

1) Sachkundenachweis für alle PferdebesitzerInnen
Die Neuerung mit der größten Tragweite ist zweifelsohne die Einführung eines ,Wissenszertifikats' für private PferdebesitzerInnen: Das bedeutet, dass PferdebesitzerInnen künftig eine Ausbildung absolvieren und dabei einen Sachkunde- bzw. Befähigungsnachweis für die Haltung von Pferden erwerben müssen. Bevor sie ein Pferd verkaufen oder an eine andere Person weitergeben, muss der Verkäufer seinerseits sicherstellen, dass der Käufer ebenfalls ein derartiges Zertifikat hat und somit zur Haltung eines Pferdes befähigt und berechtigt ist. Ziel dieser Gesetzgebung ist es, dafür zu sorgen, dass Pferde künftig nur von Personen gehalten werden, die über ein entsprechendes Basiswissen verfügen, damit sie ihr/e Pferde gut betreuen und versorgen können.

Der französische Pferdesportverband FFE darf durchaus als Vorreiter dieser Regelung bezeichnet werden, worauf er auch nicht ohne Stolz in seiner Aussendung hinweist: Bereits seit dem Jahr 2019 ist ein entsprechender Befähigungsnachweis für FFE-Mitglieder verpflichtend vorgeschrieben. Die aktuellen Anforderungen umfassen ein Theoriemodul, das online besucht werden kann, sowie ein Praxismodul, das in einem FFE-Mitgliedsverein absolviert werden kann und entsprechen dem Niveau „Galop® Level 4". Die „Galops®" sind das gängige Ausbildungssystem in Frankreich, sie reichen je nach Schwierigkeitsgrad von Stufe 1 bis zu Stufe 7. Die Stufen 1 bis 4 bilden die Basisstufen und sind grundsätzlich für junge (Pony-)ReiterInnen oder erwachsene Anfänger gedacht, während Fortgeschrittene die Stufen 5 bis 7 durchlaufen können, um sich in einer bestimmten Disziplin fortzubilden und zu spezialisieren.

An diesem System bzw. an seinen vermittelten Inhalten dürfte sich wohl auch der neue Wissens- bzw. Sachkundenachweis orientieren – die Details über den genauen Inhalt und Anforderungen, die Modalitäten der Ausstellung etc. müssen noch durch weitere Erlässe bzw. Dekrete festgelegt werden. Die Pflicht zur Vorlage eines solchen Nachweises tritt innerhalb eines Jahres in Kraft.

2) Eintragung von Neurektomien in den Pferdepass
Eine weitere wichtige Maßnahme zum Schutz des Pferdewohls ist die Eintragung einer Neurektomie (Nervenschnitt) in das Identifikationsdokument eines Pferdes, sprich: den Pferdepass. Eine entsprechende Registrierung dieses Eingriffs in den Dokumenten des betroffenen Pferdes ist ab sofort verpflichtend durchzuführen.

Die Neurektomie ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem ein Nerv durchtrennt wird, um die Schmerzen von Pferden mit ansonsten nicht behandelbarer/chronischer bzw. schwerer Lahmheit zu lindern. Als tierärztliche Behandlung sind Neurektomien nicht grundsätzlich verboten, sondern oft die letzte verbliebene Möglichkeit, einem Pferd zu Schmerzfreiheit zu verhelfen und seine Lebensqualität zu verbessern. Pferde, die einem solchen Eingriff unterzogen wurden, dürfen jedoch nicht mehr bei sportlichen Wettkämpfen eingesetzt werden, da ihr Wohlergehen jedenfalls beeinträchtigt ist und sich bestehende Verletzungen verschlimmern können – sie sind daher von Turnieren, Pferderennen etc. lebenslang ausgeschlossen.  

Mit der verpflichtenden Registrierung einer Neurektomie im Pferdepass soll die entsprechende Kontrolle bei Turnieren und sonstigen Wettbewerben erleichtert und die notwendige Rückverfolgbarkeit und Transparenz verbessert werden, so die Begründung.

3) Unbezahlte Einstellgebühren: ein wichtiges Thema für Pferdebetriebe
Die dritte bedeutsame Neuerung betrifft die Einsteller von Pferden – und das Ärgernis nicht bezahlter Einstellgebühren. Diese bringen den Einstellbetrieb in eine schwierige Lage: Er bekommt für seine Dienstleistung am fremden Pferd zwar kein Geld mehr – steht aber weiter als Pferdehalter in der Pflicht und Verantwortung, sich um das fremde Pferd zu kümmern, es zu füttern, zu versorgen etc. und auch alle dadurch verursachten finanziellen Lasten zu übernehmen. Durch eine neue Bestimmung im Tierschutzgesetz wird seine rechtliche Stellung künftig gestärkt: Demnach gilt die Nichtbezahlung von Einstellgebühren künftig als „Aufgabe" bzw. „Verlassen" des Tieres – und ermöglicht es dem Einstellbetrieb künftig rascher, dagegen gesetzlich vorzugehen. Konkret kann sich der Gewerbetreibende nach einer Mahnung des Besitzers und einer gesetzlichen Frist von 3 Monaten an das zuständige Gericht wenden, das nach Prüfung des Falles die Versteigerung des Pferdes genehmigen kann.

Die Verabschiedung dieses Gesetzes stelle einen „großen Fortschritt" dar, so FFE-Präsident Serge Lecomte – der allen ausdrücklich dankte, die daran mitgewirkt und diese Initiative unterstützt haben. Es ist – so muss man anerkennen – zweifellos ein wichtiger Schritt vorwärts im Hinblick auf ein verbessertes Tierwohl, der wohl auch andere Länder unter Zugzwang bringen wird ... Auch an die neue deutsche Bundesregierung wurde bereits appelliert, „längst fällige Verbesserungen für die Tiere hierzulande zu beschließen." Dieser Ruf wird wohl angesichts des französischen Beispiels künftig noch lauter werden – in Deutschland, aber gewiss auch in Österreich ...

Hier geht's zur vollständigen Aussendung des französischen Pferdesportverbandes FFE (natürlich in französischer Sprache)!

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