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Bundesminister Rauch: Fiaker in der Stadt nicht mehr zeitgemäß
16.05.2022 / News

Bald ein Bild der Vergangenheit? Fiaker seien in der Stadt „aus Gründen des Tierschutzes" nicht mehr zeitgemäß, so Bundesminister Johannes Rauch.
Bald ein Bild der Vergangenheit? Fiaker seien in der Stadt „aus Gründen des Tierschutzes" nicht mehr zeitgemäß, so Bundesminister Johannes Rauch. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay

Der für Tierschutz zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch ließ in einem ORF-Beitrag aufhorchen: Er hält Pferdekutschen in der Stadt für nicht mehr zeitgemäß – und würde am liebsten darauf verzichten.


Jahr für Jahr kocht in Wien zu Beginn des Sommers die Diskussion über ein gänzliches oder teilweises Verbot der Fiaker hoch. Bekanntlich sind seit dem Jahr 2016 strengere Bestimmungen bezüglich eines Fahrverbots an besonders heißen Tagen (ab 35 Grad) in Kraft, doch Tierschützern geht das nicht weit genug: Sie fordern eine Absenkung des Temperaturlimits auf 30 Grad, was bislang jedoch nicht in Kraft gesetzt wurde. Stadt Wien und Gesundheitsministerium vertreten dabei unterschiedliche rechtliche Standpunkte, wer für ein solches verschärftes Temperaturlimit denn zuständig sei – beide sehen die Zuständigkeit beim jeweils anderen, wenngleich der Verfassungsgerichthof nun bestätigte, dass die Bundesländer selbstständig strengere Regeln erlassen könnten, der Ball demnach primär bei der Stadt Wien liege.

Doch in diesem Jahr wird nicht bloß um Hitzeferien diskutiert, sondern um die Institution der Fiaker insgesamt – soviel steht seit dem heutigen Tag fest: In der ORF-Sendung ,Wien heute’ ließ der für Gesundheit und Tierschutz zuständige Bundesminister Johannes Rauch (Grüne) nämlich eine Bombe platzen: Er halte die Institution der Fiaker in Städten für nicht mehr passend und würde eine Diskussion über allfällige Alternativen begrüßen. Minister Rauch wörtlich: „Zunächst stellt sich die Frage abseits von Hitze, ob der Einsatz von Fiakern in einer Großstadt überhaupt noch zeitgemäß ist. Ich halte das ein bisschen aus der Zeit gefallen, da gibt es moderne Methoden mit elektrogetriebenen Oldtimern, wie es ja auch stattfindet, und ähnlichem mehr. Ich glaube, man sollte sich Gedanken darüber machen, nämlich wirklich aus Gründen des Tierschutzes, ob man ein Pferd diesem Stress – abseits der Hitze – überhaupt noch aussetzen sollte", befand der Minister.

Auf die Frage, ob er somit explizit für ein Fiakerverbot in Wien bzw. auch anderen Städten eintrete bzw. ein solches fordere, antwortete er: „Ich finde, das sollte sich die Stadt Wien einmal genauer anschauen, ob eine moderne Stadt, eine Weltstadt wie Wien das braucht. Ich kenne den historischen Kontext, ich kenne auch die Befindlichkeiten, die daran hängen – für zeitgemäß halte ich es nicht, und ich würde eine Debatte darüber begrüßen, ob man darauf nicht verzichten könnte insgesamt.“

Fiaker Marco Polland sieht in der ständigen Diskussion um die Pferdefuhrwerke vor allem viel Unwissenheit und mangelnde Sachkenntnis – und würde es „sehr wichtig finden, dass wir da ein Stück weit eingebunden werden.  Es ist eben ganz, ganz schlecht, wenn man nur eine Meinung hat, diese aber nicht auf Wissen und Erkenntnissen aufbaut“, so Polland gegenüber dem ORF.

Für die Berufsgruppe der Fiaker verheißt die deutliche Aussage und die klare Positionierung des Gesundheitsministers jedenfalls nichts Gutes – man muss sich auf noch schärferen politischen und medialen Gegenwind einstellen und um nicht weniger als um die eigene Existenz fürchten, auch wenn die Stadt Wien nach wie vor hinter den traditionsreichen Pferdefuhrwerken stehen dürfte. Aus dem Büro des Wiener Tierschutz-Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ) hieß es gegenüber dem ORF, Gespräche zwischen Bund und Stadt zu dem Thema wären für Anfang Juni angesetzt – man möchte miteinander und nicht übereinander reden.

Applaus für Rauchs Vorstoß kam erwartungsgemäß von Seiten der Tierschutzorganisationen. Veronika Weissenböck von den ,Vier Pfoten’ meinte in einer Aussendung: „Wir sind über den mutigen Vorstoß von Bundesminister Johannes Rauch zum Thema Fiaker-Verbot hoch erfreut. Es ist wirklich endlich an der Zeit, diesem Anachronismus für immer ein Ende zu bereiten. Traditionen, die auf dem Rücken von Lebewesen erhalten werden, haben im 21. Jahrhundert einfach keinen Platz mehr."

Und weiter: „Wir schlagen vor, dass ein solches Verbot gleich mit der Novellierung der Tierschutz-Gesetzgebung geregelt wird. Jetzt ist eine tolle Gelegenheit, das Image der österreichischen Städte zu verbessern und Schluss zu machen mit der Ausbeutung der Fiakerpferde. Andere Städte haben uns das ja bereits vorgemacht. Das bisherige Mauern der Fiaker-Branche und der fehlende Mut der PolitikerInnen haben dies bislang verhindert. Wir können Bundesminister Rauch für seinen Vorschlag nur gratulieren.“

Auch für den ,Verein gegen Tierfabriken’ ist ein Fiakerverbot „längst überfällig“ – man fordere ein solches seit vielen Jahren und sei daher über die Aussagen des Gesundheitsministers „erfreut“. Man fordere den Tierschutzminister dazu auf, „zu dem geplanten Runden Tisch zum Thema Fiaker auch den Tierschutz einzuladen. Wenn Entscheidungen über das Wohl der Tiere getroffen werden, muss auch die Sicht der Tiere vertreten werden, nicht nur die derer, die sie nutzen und damit Geld verdienen.“

Fest steht: Die Diskussion um die Fiaker in Österreich hat mit dem heutigen Tag und den Aussagen von Gesundheitsminister Johannes Rauch eine neue Qualität erreicht. Es geht nun nicht mehr um schattige Standplätze oder eine Absenkung des Hitzelimits, sondern es geht um die Fiaker als Institution. Auch wenn sich die Stadt Wien – zweifellos der entscheidende ,Player’ in dieser Causa – zur Zeit noch bedeckt hält, so könnte doch das Endspiel um die Fiaker eingeläutet worden sein. Der ORF-Beitrag beginnt ohne Umschweife mit der Frage: „Gibt es vielleicht bald keine Fiaker mehr in Wien?“ Für die Unterstützer der traditionsreichen Pferdefuhrwerke war ein solches Szenario bislang ein Albtraum – es könnte aber schon bald Realität werden …

Zum Beitrag „Tierschutzminister für Fiakerverbot“ in der ORF-TVThek geht es hier!

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