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Gerichtsurteil: Stallbesitzer haftet für Eingliederung eines Pferdes
06.07.2022 / News

Bei der Integration eines Neuankömmling auf einer Junghengstweide sind Rangordnungskämpfe unvermeidlich – doch könne durch einfache und zumutbare Maßnahmen der Stress und das Verletzungsrisiko minimiert werden, was im konkreten Fall leider unterblieben sei, so das Gericht.
Bei der Integration eines Neuankömmling auf einer Junghengstweide sind Rangordnungskämpfe unvermeidlich – doch könne durch einfache und zumutbare Maßnahmen der Stress und das Verletzungsrisiko minimiert werden, was im konkreten Fall leider unterblieben sei, so das Gericht. / Symbolfoto: Archiv/Pixbay

Ein Urteil des OLG Brandenburg macht deutlich: Bei der Eingliederung eines Pferdes in einen Herdenverband trägt der Stallbetreiber eine hohe Verantwortung und muss umfassende Sorgfaltspflichten erfüllen, für die er letztlich auch haftbar gemacht werden kann.

 

Ein langjähriger Rechtsstreit ist im Vorjahr vor dem Oberlandesgericht Brandenburg zu Ende gegangen – und es bestätigt einmal mehr, dass ein Stallbesitzer für die bei ihm eingestellten Pferde ein hohes Maß an Verantwortung trägt und dabei insbesondere auch für eine sorgfältige und fachgerechte Eingliederung neu hinzukommender Pferde zu sorgen hat. Konkret ging es um einen Junghengst, der nach Abschluss eines Einstellvertrags im August 2012 auf eine Pferdepension gebracht wurde, wo er ohne weitere Eingliederungsmaßnahmen auf die Junghengstweide des Betriebs gestellt wurde, auf der sich bereits fünf andere Tiere im Alter von eineihalb bis zweieinhalb Jahren befanden. In der Folge erlitt der Junghengst zahlreiche Wunden, ein trübes Auge und Bewegungsstörungen, ein Tierarzt diagnostizierte zudem eine spinale Ataxie – allesamt Verletzungen, die ihm von den anderen Hengsten zugefügt worden waren. Der Besitzer des Junghengstes klagte daraufhin den Stallbetreiber auf Schadenersatz, der u. a. auch die beträchtlichen Tierarztkosten für die div. Behandlungen beinhaltete.

Im Verfahren ging es um mehrere strittige Punkte – ein zentraler war etwa die Frage, ob es sich bei dem abgeschlossenen Einstellvertrag um einen Mietvertrag oder um einen Verwahrungsvertrag handeln würde. Die Beklagte hatte behauptet, der streitgegenständliche, nach Mietrecht zu beurteilende, Vertrag und insbesondere die dortigen Vereinbarungen zu §§ 11 und 14 seien zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt worden (Unter § 14 des Vertrages versicherte der Kläger, der sein Pferd „auf eigene Gefahr zusammen mit anderen gleichaltrigen Pferden ... auf die Weide stellte“, im Schadensfall an seinem Pferd gegen die Beklagte keine Schadenersatzansprüche zu richten.) ; inhaltlicher Schwerpunkt sei die Vermietung des Platzes in einer Herde gewesen, wohingegen die Fütterungs- und Obhutspflichten in den Hintergrund getreten seien und damit auch keine Haftungsansprüche begründen könnten.

Während das Erstgericht dieser Argumentation noch folgte, widersprach das OLG Brandenburg (Entscheidung 3 U 6/17) dieser rechtlichen Beurteilung ganz entschieden – und stellte fest: „Die Vereinbarungen der Parteien stellen sich im Rechtssinne als Verwahrungsvertrag (§ 688 ff BGB) dar.“ Die „vertragliche Hauptpflicht“ bestünde eben nicht in der Überlassung eines umschlossenen Raums (eines Stalls, einer Box etc.), sondern auch in der Versorgung und Fütterung des Tiers, so das OLG Brandenburg: „Beim Einstellungsvertrag kommt hingegen als vertragswesentlich und typusprägend die Pflicht zur Übernahme der Fürsorge und Obhut für das Lebewesen hinzu; entsprechende Vereinbarungen haben schwerpunktmäßig verwahrungsrechtliche Elemente mit der Folge, dass der Vertrag als Verwahrungsvertrag anzusehen ist.“

Diese rechtliche Einordnung als ,Verwahrungsvertrag’ wurde auch schon in diversen anderen OLG-Urteilen bestätigt und hat in rechtlicher Hinsicht weitreichende Folgen: Der Pensionsbetreiber hat die Pflicht zur Obhut und Fürsorge für das ihm überlassene Tier – und ist daher auch verantwortlich dafür, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden vom Tier fernzuhalten – und diese Forderung ist rechtlich weit gefasst und stellt hohe Anforderungen an den Stallbetreiber hinsichtlich Fürsorge, Aufsicht, Überwachung und Kontrolle.

Im konkreten Fall – also der korrekten, fachgerechten Eingliederung eines neu hinzukommenden Junghengstes in eine bestehende Gruppe – seien dem Pensionsbetreiber gravierende Fehler anzulasten, so das Gericht: So sei der Junghengst direkt und damit unsachgemäß in die bestehende Junghengstgruppe eingegliedert worden, was der gerichtlich beeidete Sachverständige wörtlich als „sträflichen Leichtsinn“ bezeichnete: Zwar könne es bei der Integration von Neulingen in eine bestehende Herde von Pferden immer zu „mehr oder minder starken“ Rangordnungskämpfen kommen, ob die Integration in einem Laufstall oder auf einer Weide erfolge: Das Verletzungsrisiko sei grundsätzlich unabhängig vom Platzangebot, und die Herde werde den Neuling „immer verfolgen und die Rangordnung klären“ (Bl. 17 des Gutachtens, Bl. 292 GA). Und weiter: „Der Sachverständige hat jedoch unter Vorlage überzeugender Belege (Fotos, Skizzen etc.) nachgewiesen, dass eine behutsame, das Verletzungsrisiko minimierende und schrittweise Eingewöhnung „(X)“ entgegen der Behauptung der Beklagten problemlos durch das Abtrennen und Unterteilen der Weidefläche der Junghengstweide hätte realisiert werden können, ohne dass bei den Tieren dadurch Stress entstanden wäre, auch weil diese sich nicht aus dem Sichtfeld verloren hätten (...)."

Auch die Tatsache, dass täglich nur eine einmalige Kontrolle der Herde durchgeführt worden war, entspräche nicht der nötigen Sorgfalt, wie der Sachverständige ebenfalls feststellte. Dazu heißt es im Urteil: „Schon vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die nicht erfüllten, allgemein bekannten wissenschaftlichen Vorgaben bei der Integration von Junghengsten hat er (der Sachverständige, Anm.) zudem eingeschätzt, die der Zuführung des Fohlens nachfolgende lediglich täglich einmalige Kontrolle des Herdenverhaltens sei „zu wenig“, angesichts der bestehenden Risiken vielmehr eine engmaschigere Kontrolle im Abstand von höchstens 3 bis 4 Stunden notwendig gewesen, bis sich hätte feststellen lassen, dass das Tier sich in die Gruppe integriert habe. Auch diese Ausführungen des Sachverständigen erscheinen logisch und überzeugen, hätte doch eine engmaschigere Überwachung der Herde das Verletzungsrisiko für „(X)“ tatsächlich verringern können, indem Attacken der Herdenmitglieder gegen ihn hätten mutmaßlich früher erkannt, die Gruppe danach zeitnah getrennt und weitere Verletzungen des Tieres verhindert werden können.“

Sachgemäß und korrekt wäre es demnach gewesen, für das Tier – nach einer mindestens dreiwöchigen Eingewöhnungsphase am Betrieb – zuerst einen separaten Integrationsbereich einzurichten, in dem sich der Neuankömmling langsam und vorsichtig den anderen Tieren gleichsam ,vorstellen’ kann. Sachverständige empfehlen, dass das Tier zwar auf die gleiche Weide wie die Herde gestellt wird, aber separat eingezäunt werden muss. So können die Tiere Blickkontakt aufnehmen, sich beschnuppern und bekannt machen – aber nicht aufeinander losgehen. Die im strittigen Fall durchgeführte „Direktintegration“ des Junghengstes in eine altersgemischte Herde, noch dazu ohne engmaschige Kontrolle, entsprach dem in keinster Weise und wurde vom OLG Brandenburg wörtlich als „grob fahrlässig“ eingestuft. Und das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass die Haftung für ein derartiges Fehlverhalten auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden könne, wie dies die § 11 und 14 des Einstellvertrages vorgesehen hatten. Das Gericht dazu: „Es ist vielmehr zu konstatieren, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Verletzungen durch eine grob fahrlässige Verletzung der von ihr übernommenen Obhutspflichten verursacht hat und die Regelung gemäß § 14 des Vertrages ihrer Haftung nicht entgegensteht. Danach kommt es nicht streitentscheidend darauf an, ob es sich bei den entsprechenden Regelungen um wirksam vereinbarte allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.“

Auch wenn das OLG Brandenburg der Sache nach für den Kläger urteilte und dessen Schadenersatzansprüche grundsätzlich bejahte, musste auch dieser Abstriche machen – nämlich hinsichtlich der Höhe seiner Ansprüche: Während der Kläger einen Gesamtschaden von ca. 56.000,– Euro einklagte, sah das Gericht lediglich einen Ersatz von Behandlungs- und Tierarztkosten von ca. 13.000,– Euro sowie 6.000,– Euro Wertminderung als berechtigt an, was nur rund einem Drittel der begehrten Schadenssumme entspricht …

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