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Neuer Test soll Stress und Leid beim Pferdetransport verringern
27.09.2022 / News

Für nicht-zahme Pferde sind die EU-Transportvorschriften strenger: Nicht-zahme Tiere dürfen nicht auf Fahrten über acht Stunden transportiert, während des Transports angebunden oder in Einzelbuchten transportiert werden. Sie müssen in Gruppen von vier oder weniger befördert werden.
Für nicht-zahme Pferde sind die EU-Transportvorschriften strenger: Nicht-zahme Tiere dürfen nicht auf Fahrten über acht Stunden transportiert, während des Transports angebunden oder in Einzelbuchten transportiert werden. Sie müssen in Gruppen von vier oder weniger befördert werden. / Symbolfoto: Archiv/World Horse Welfare
Das BUT-Schema soll es ermöglichen, zahme von nicht-zahmen Pferden rasch und einfach zu unterscheiden.
Das BUT-Schema soll es ermöglichen, zahme von nicht-zahmen Pferden rasch und einfach zu unterscheiden. / Foto: Maria Giorgia Riva et.al.

Italienische ForscherInnen haben einen Test entwickelt, mit dem rasch und einfach zwischen zahmen und nicht-zahmen Pferden unterschieden werden kann, was fundamental für ihre jeweiligen Transportbedingungen ist. Bei einer ersten praktischen Überprüfung hat sich das Verfahren schon während des Verladevorgangs bewährt.


Pferde mit geringer Zahmheit haben ein höheres Risiko für transportbedingte Erkrankungen und Verletzungen, aus diesem Grund sind die europäischen Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport für nicht-zahme Pferde strenger: Nicht-zahme Tiere dürfen nicht auf Fahrten über acht Stunden transportiert, während des Transports angebunden oder in Einzelbuchten transportiert werden, sondern müssen in Gruppen von vier oder weniger transportiert werden. Ein nicht-zahmes Pferd ist nach der geltenden EU-Transportverordnung definiert als ein Pferd, das „nicht mit einem Halfter angebunden oder geführt werden kann, ohne dass bei ihm vermeidbare Aufregungen, Schmerzen oder Leiden verursacht werden“. Diese Definition wird jedoch nicht von entsprechenden Überprüfungsverfahren begleitet – es gibt in der Praxis nach wie vor kein gültiges Verfahren, um festzustellen, ob ein Pferd zahm oder nicht-zahm ist, so das Studienteam. Dies stellt eine eklatante Lücke in den Transportvorschriften, die bis heute viele Pferde unnötigem Stress und Leid aussetzt.

Um diesem Missstand abzuhelfen, entwickelten italienische WissenschaftlerInnen einen Test, mit dessen Hilfe man auf einfache Weise erkennen kann, ob ein Pferd zahm ist oder nicht – nämlich den sogenannten „Broken/Unbroken-Test“ (= BUT). Er besteht aus zwei Phasen – erstens dem Annäherungs- bzw. Halfer-Test sowie zweitens dem Handling-Test. Pferde werden in jeder Phase mit einem Score von 0 bis 2 bewertet, basierend auf ihren Reaktionen, die sich am gezeigten Grad der Umgänglichkeit und anderer Verhaltensweisen orientieren.

Ein Score von 0 bedeutet jeweils starke Abneigung bzw. sogar aggressives Verhalten gegen die jeweilige Maßnahme (also beim annähern, haltern oder Sich-führen-Lassen), ein Score von 1 bedeutet mittelstarke Reaktionen – und ein Score von 2 keinerlei negative Reaktionen, das Pferd lässt die gewünschte Maßnahme bereitwillig und gehorsam zu. Am Ende werden die vergebenen Scores der beiden Phasen zusammengezählt: Diejenigen, die 2 oder mehr Punkte erzielen, gelten als zahm bzw. ans Halfter gewöhnt, während diejenigen, die weniger als 2 Punkte erzielen, als nicht-zahm bzw. ,roh’ gelten.

Um den Test – der vor etwas mehr als einem Jahr erstmals vorgestellt wurde – eingehender zu überprüfen, unternahmen die WissenschaftlerInnen der Universität Mailand und der Universität Bologna einen weiteren Validierungsschritt.  Sie führten ein Experiment durch, um festzustellen, ob es eine Übereinstimmung zwischen der BUT-Klassifikation und den allgemeinen Verhaltensreaktionen der Pferde gibt. Insgesamt 100 gesunde italienische Kaltblutpferde wurden während der Bewertung mit dem Test per Video aufgezeichnet. Insgesamt entsprachen 90 Videos (48 zahme und 42 nicht-zahme Pferde) den Einschlusskriterien und wurden für die Studie näher analysiert.

Das Verhalten jedes Pferdes wurde von drei Beobachtern bewertet, die keinerlei Vorinformation über den jeweiligen Ausbildungsstand der Pferde hatten. Ihre Verhaltensweisen wurden in vier Kategorien eingeteilt: Stress, Vermeidungsverhalten, Ersatzverhalten und Aggression. Die Forscher fanden heraus, dass nicht-zahme Pferde nicht nur eine signifikant längere Annäherungszeit zeigten (es also deutlich länger dauerte, wenn sich ihnen eine Person nähern wollte), sondern auch mehr Vermeidungs- und Fluchtreaktionen. Auch das Schnuppern dauerte bei nicht-zahmen Pferden signifikant länger als bei zahmen. Keine signifikanten Unterschiede wurden hingegen zwischen den Gruppen in der Häufigkeit von Lecken/Kauen, Kopfschütteln, Schweifschlagen, Beißversuchen oder Drängeln/Stossen gefunden. Das Drehen des Kopfes wurde bei nicht-zahmen Pferden ebenfalls häufiger gezeigt als bei zahmen.

„Als Beutetiere können Pferde durch vom Menschen erzwungene Annäherungen bemerkenswert gestresst werden, insbesondere wenn diese Annäherungen in einer ungewohnten Umgebung stattfinden“, so das Studienteam. „Zum Zwecke unserer Forschung wurden alle Pferde auf ihrer/m heimischen Koppel/Paddock getestet. Wenn der Test jedoch in einer unbekannten Umgebung durchgeführt würde, beispielsweise in der Sammelstelle für einen Transport, wären die Verhaltensreaktionen wahrscheinlich deutlicher.“

Die Forscherinnen meinten auch, dass die korrekte Einstufung des Zahmheitsgrades von Pferden als fundamentaler Bestandteil einer guten Transportpraxis angesehen werden sollte, und zwar sowohl aus Gründen des Tierschutzes als auch wegen der Sicherheit des Personals. Sie stellten fest, dass die Definition des „nicht-zahmen Pferdes“ in der EU-Verordnung 1/2005 über den Schutz von Tieren beim Transport für Fehlinterpretationen anfällig ist, da keine angemessenen Mittel bzw. Methoden zur Unterscheidung zwischen zahmen und nicht-zahmen Pferden angegeben werden.

Ihr Resümee: Der BUT sei gut und einfach durchführbar, sehr zuverlässig und stimme in hohem Maße mit dem gezeigten Pferdeverhalten überein: „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass BUT die mit dem Transport befassten Personengruppen anleiten konnte, nicht-zahme Pferde während des Verladevorgangs korrekt zu identifizieren und so die Risiken für die menschliche Sicherheit und das Tierwohl während des Transports sowie der damit verbundenen Prozeduren verringern konnte."

Und weiter: „Die Einführung des BUT könnte hilfreich sein, um pferdebedingte Verletzungen beim Menschen zu minimieren – und er könne bei regelmäßiger Anwendung vor dem Verladen dazu beitragen, das Wohlbefinden und die Gesundheit von Pferden während des Transports zu schützen.“ In diesem Sinne plädieren die AutorInnen dafür, den Test in künftige Rechtsvorschriften als Instrument zur Klassifizierung von Pferden vor einem Transport zu integrieren.

Die Studie „Unhandled horses classified with broken/unbroken test (BUT) exhibit longer avoidance, flight reactions, and displacement behaviors when approached by humans" von Maria Giorgia Riva, Lucia Sobrero, Laura Menchetti, Michela Minero, Barbara Padalino und Emanuela Dalla Costa ist am 26. Sep. 2022 in der Zeitschrift ,Frontiers in Veterinary Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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