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New Yorks Fiakern droht 2024 das endgültige Aus
01.12.2022 / News

Bei Touristen enorm beliebt, bei der New Yorker Bevölkerung aber zusehends umstritten: Fiaker im Central Park
Bei Touristen enorm beliebt, bei der New Yorker Bevölkerung aber zusehends umstritten: Fiaker im Central Park / Symbolfoto: Archiv/Fotolia - Topanga

Pferdekutschen in New York sind zwar bei Touristen beliebt, nach einer Reihe von Zwischenfällen aber bei der Bevölkerung zusehends umstritten. Nun könnte eine neue Gesetzesinitiative den traditionsreichen Pferdefuhrwerken im Central Park den Garaus machen – sie sollen ab Juni 2024 durch Elektrokutschen ersetzt werden.

 

Seit vielen Jahren kämpfen Tierschutzorganisationen und Tierrechtsaktivisten mit Vehemenz und Hartnäckigkeit gegen die traditionsreichen Pferdekutschen, die im berühmten Central Park unterwegs sind und für viele BesucherInnen untrennbar mit der Romantik New Yorks verbunden sind. Bei Touristen erfreuen sich die Fuhrwerke nach wie vor großer Beliebtheit – New Yorks Kutschenpferdeindustrie setzt jährlich etwa 15 Millionen US-Dollar um, und Kutschenfahrten im Central Park sind auf TripAdvisor die beliebteste Outdoor-Aktivität der Stadt.

Pferdekutschen gibt es im Central Park seit seiner Eröffnung im Jahr 1858; Landschaftsarchitekt Frederick Law Olmsted legte die Wege bewusst so großzügig an, damit sie auch von Kutschen problemlos benutzt werden konnten. Die Popularität der Fuhrwerke wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg, und bis heute werden jährlich Tausende von Touristenfahrten in den 68 lizenzierten Kutschen unternommen, die innerhalb des Parks verkehren.

Doch die touristische Attraktion geriet in den letzten 15 Jahren zusehends in Bedrängnis: Bereits im Jahr 2014 schien ein Ende der Fuhrwerke nah, doch Bürgermeister Bill de Blasio konnte das von ihm propagierte Fiaker-Verbot nicht im Stadtrat durchsetzen – die Fiaker blieben, doch sie blieben auch weiter Zielscheibe von Protesten und Verbots-Forderungen, die sich in den letzten Monaten wieder bedrohlich gesteigert und aufgeschaukelt haben.

Im Juli dieses Jahres brachte Robert Holden, Mitglied des Rats der Stadt New York, einen Gesetzentwurf ein, um die Fuhrwerke zu verbieten. Die Rufe nach einem Verbot wurden im August noch lauter, als innerhalb weniger Tage gleich zwei Videos – eines vom 11. und eines vom 16. August – viral gingen, in denen zu sehen war, wie zwei Pferde im New Yorker Stadtverkehr zusammengebrochen waren und hilflos und erschöpft auf dem Asphalt lagen – ein älteres, 26-jähriges Pferd namens Ryder musste Wochen später sogar eingeschläfert werden (wobei . Ryders Zusammenbruch rief Erinnerungen an einen Vorfall im Jahr 2020 wach, bei dem eine 12-jährige Stute namens Aisha kollabiert war und in der Folge ebenfalls eingeschläfert werden musste.

Tatsächlich kommt es immer wieder zu Unfällen, wenn die Pferde von ihren Stallungen außerhalb des Centrals Parks sich ihren Weg durch das dichtbewohnte Viertel ,Hell’s Kitchen’ bahnen. Das kam zwar auch in der Vergangenheit immer wieder vor – doch die Sprengkraft derartiger Zwischenfälle hat sich im Zeitalter der Smartphones und der sozialen Medien bedrohlich erhöht: Jeder Passant, der zufällig einen solchen Vorfall mitbekommt, zückt sein Handy, nimmt alles auf und stellt den Clip sofort online oder schickt ihn an Organisationen wie PETA, die ihn bereitwillig und millionenfach geteilt unter Volks bringen.

Dieses mediale Dauerfeuer hinterlässt Spuren: Während 2014 die öffentliche Meinung bezüglich der New Yorker Fiaker noch weitgehend ausgeglichen war, ergab eine Umfrage des ,Animal Legal Defense Fund', dass mittlerweile 71 % der New Yorker Wähler für ein Verbot sind. Und das hat – wie könnte es anders sein – auch politische Folgen: Der Rückhalt für die Fiaker im Rat der Stadt New York bröckelt.

Befürworter von Arbeitspferden bestehen darauf, dass in der Debatte zwischen ideellen Tierrechten und konkretem Tierschutz unterschieden werden müsse – letzterer sei im Fall der New Yorker Kutschpferde sehr wohl gegeben: „Den Pferden geht es grundsätzlich gut“, sagt Christina Hansen, Sprecherin und oberste Vertrauensfrau der ,Transport Workers Union Local 100’, die viele Kutscher vertritt, gegenüber dem Magazin GEO. „Natürlich ging der Ryder-Vorfall viral – das Video ist sehr erschütternd. Aber Pferde werden krank – und der Fall ist nicht repräsentativ für alle 216 zugelassenen Kutschenpferde.“

Im Gegensatz zu anderen touristischen Pferdekutschenbetrieben auf der ganzen Welt, von denen viele zweifelhafte bis nicht vorhandene Tierschutzstandards aufweisen, sind die Kutschenpferde im Central Park durch eine ganze Reihe von Vorschriften geschützt, so Hansen weiter. Sie dürfen nicht bei Temperaturen über 32 °C oder unter -7 °C eingesetzt werden, es sind maximal neun Stunden Arbeit pro Tag erlaubt, weiters sind regelmäßige tierärztliche Kontrollen und fünf Wochen Jahresruhe vorgeschrieben.

Tierschützern geht das alles nicht weit genug – und immer mehr Politiker schließen sich dieser Haltung an: Ratsmitglied Robert Holden drängt darauf, dass Pferdekutschen bis Juni 2024 durch elektrische ersetzt werden. Sein Vorbild ist die mexikanische Stadt Guadalajara, wo eine derartige Umstellung 2017 trotz anfänglicher Ablehnung der Kutscher erfolgreich umgesetzt wurde. „Sie dachten, sie würden den Charme von Pferd und Kutsche verlieren“, sagt er. „Sie haben tatsächlich das Gefühl, dass es jetzt eine bessere Fahrt ist – und lukrativer für sie.“

Im September schlug die ,Transport Workers Union’ weitere Verbesserungen für die Kutschenpferde vor, darunter mehr Wassertröge und Stallungen direkt im Park. Die Gegner haben die Anträge jedoch als Versuch einer „Schadensbegrenzung“ zurückgewiesen. Für sie haben Pferdekutschen schlicht keinen Platz mehr im touristischen Angebot einer modernen Metropole.

Christina Hansen ist weiter davon überzeugt, dass es auch noch in 50 Jahren Pferde im Central Park geben wird – doch das klingt mittlerweile sehr nach Zweckoptimismus. Der Zeitgeist – was immer das genau sein mag – scheint sich immer deutlicher gegen die traditionsreichen Pferdefuhrwerke zu wenden, und auch immer mehr Influencer und Social-Media-Größen haben sich auf die Seite der Tierschützer geschlagen: Superstar Bella Hadid postete nach dem Drama um Fiakerpferd Ryder auf ihrem Instagram-Account: „Es ist barbarisch, Pferde wie Ryder zu zwingen, schwere Kutschen bei extremer Hitze im geschäftigsten Teil der geschäftigsten Stadt Amerikas zu schleppen, ohne einen Ort zum Ausruhen oder Fressen. Wir müssen jetzt etwas tun. Das hätte man schon vor Jahren machen sollen. Eric Adams (Bürgermeister der Stadt New York, Anm.), die Welt schaut zu!! Bitte tun Sie das Richtige für diese Tiere. Handeln Sie!“ Das Posting erhielt 638.575 Likes.

Kein Wunder also, dass auch Ratsmitglied Robert Holden optimistisch ist, dass er genug Unterstützer zusammenbekommt, um seine E-Kutschen-Initiative durch den Stadtrat zu bringen. Für ihn ist die Zukunft der New Yorker Fiaker definitiv frei von Pferden: „Elektrokutschen sind genauso charmant, günstiger … und man muss dafür kein Tier missbrauchen. Wir befinden uns nicht im Jahr 1822 – wir haben das Jahr 2022, und wir haben die Technologie dafür.“

Und auch das sei angemerkt: Wie das Duell zwischen Tierschützern und Fiakern in New York letztlich ausgeht, wird man wohl nirgendwo genauer beobachten als in der traditionsreichen Fiaker-Hochburg Wien …

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