Der wegen Misshandlung seiner Pferde angeklagte Schweizer Springreiter Paul Estermann ließ die Beschwerdefrist gegen ein Urteil des Kantonsgerichts Luzern ungenutzt verstreichen – er ist daher rechtskräftig wegen Tierquälerei verurteilt. Auch der Schweizer Pferdesportverband hat Konsequenzen angekündigt.
Der jahrelange Rechtsstreit rund um den Schweizer Springreiter Paul Estermann hat ein überraschendes Ende gefunden: Wie die ,Luzerner Zeitung’ meldet, ließ der Springreiter eine Beschwerdefrist gegen das letzte Urteil des Kantonsgericht Luzern ungenutzt verstreichen, wodurch dieses Rechtskraft erlangte und Estermann damit rechtskräftig wegen Tierquälerei verurteilt ist. Genau dagegen hatte sich Estermann zuvor mit allen rechtlichen Mitteln gewehrt.
Dem Schweizer war in dem Verfahren vorgeworfen worden, mehrere seiner Pferde im Jahr 2016 misshandelt zu haben, ein früherer Mitarbeiter hatte die Übergriffe angezeigt und auch mit Fotos belegt. Ein erstes Urteil war bereits im November 2019 gefällt worden, als das Bezirksgericht Willisau den Springreiter schuldig gesprochen hatte. Estermann reichte dagegen Beschwerde ein, der Fall landete daher beim Luzerner Kantonsgericht, das im Jänner 2021 erneut zu einem Schuldspruch kam und Estermann zu einer bedingten Geldstrafe von insgesamt 16.800,– Franken verurteilte (siehe auch unseren Bericht dazu).
Estermann ging auch gegen dieses Urteil vor und reichte Beschwerde vor dem Schweizerischen Bundesgericht – und erreichte zumindest einen Teilerfolg: Wegen formaler Mängel – im Strafbefehl fehlten präzise Angaben zu den Misshandlungen des Pferdes Lord Pepsi hinsichtlich Tatort und Tatausführung – wurden im März 2022 Teile des Urteils aufgehoben und an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Anfang Dezember 2022 hat das Kantonsgericht schließlich einen neuen Entscheid gefällt, bei dem Estermann mit einem vergleichsweise milden Urteil davonkam: Das Gericht hielt zwar an seinem früheren Schuldspruch der mehrfachen vorsätzlichen Tierquälerei betreffend des Pferdes Milly fest, doch das Verfahren betreffend des Pferdes Lord Pepsi wurde eingestellt, weil eine Anklageänderung oder -ergänzung nicht mehr zulässig war. Zudem wurde die Geldstrafe gegen Estermann von 90 auf 70 Tagessätze zu je 160 Franken reduziert, bedingt vollziehbar bei einer zweijährigen Bewährungsfrist. Damit hatte das Kantonsgericht das Strafmass im Vergleich zu seinem ersten Urteil um einen Drittel – da waren es noch 105 Tagessätze – gesenkt.
Es blieb jedoch vorerst unklar, ob der Rechtsstreit mit dem neuen Urteil des Kantonsgerichts ein Ende haben würde, denn die Parteien hatten das Recht, den Entscheid innerhalb einer Frist von 30 Tagen beim Bundesgericht anzufechten.
Von dieser Möglichkeit hat Paul Estermann jedoch nicht Gebrauch gemacht, wie die ,Luzerner Zeitung’ nun berichtet: Die Frist ist ungenutzt verstrichen und damit das Urteil des Kantonsgericht von Anfang Dezember 2022 rechtskräftig geworden. Dies kam für Insider durchaus überraschend, denn bislang hatte Paul Estermann alle rechtlichen Möglichkeiten ergriffen, um eine Verurteilung wegen Tierquälerei – zweifellos ein dauerhafter Makel an seiner ohnehin angeschlagenen Reputation – abzuwenden.
Der Schweizerische Verband für Pferdesport reagierte umgehend und kündigte am Montag in einer Aussendung an, den Reiter vorläufig sperren zu wollen. Wörtlich heißt es in der Mitteilung:
„Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand des SVPS umgehend bei der Sanktionskommission (SAKO) des SVPS eine vorläufige Sperre von Paul Estermann beantragt – gestützt auf Artikel 11.3 Absatz 2 des Generalreglements (Anhang I). Die SAKO wird aufgefordert, diesen Antrag nun dringlich zu bearbeiten. Unter Berücksichtigung des Rechts auf rechtliches Gehör von Paul Estermann wird ein SAKO-Entscheid bezüglich der vorläufigen Sperre in den nächsten Wochen erwartet.
Im ordentlichen Sanktionsverfahren liegt der Ball nun bei der SAKO. Erfahrungsgemäss wird diese umgehend das Verfahren eröffnen und nach der Stellungnahme und allfälligen Anhörung von Paul Estermann voraussichtlich im Frühling 2023 gestützt auf Artikel 11.3 lit. h des Generalreglements (Anhang I) eine Sanktion aussprechen.
Aufgrund des laufenden Verfahrens gibt der SVPS bis zum Entscheid der SAKO keine weiteren Auskünfte.“