So nutzen sie die Superkräfte ihres Pferdes, um ihre Verbindung zu stärken! 30.07.2023 / News
Pferde kriegen alles mit – deshalb sollte man seine Stimmungen und Emotionen (ganz besonders die negativen!) gut kontrollieren, wenn man bei ihnen ist. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Pferde sehr gut darin sind, menschliche Stimmungen und Emotionen zu erkennen und darauf zu reagieren. Doch wie können wir diese „Superkräfte“ unserer Pferde nutzen, um eine starke Bindung aufzubauen? ExpertInnen geben Tipps!
Pferde sind Fluchttiere und sehr soziale Lebewesen, deren Überleben von der genauen Interpretation von Hinweisen aus der Umgebung abhängt – sei es, um Gefahren frühzeitig zu erkennen, potenzielle Raubtiere zu identifizieren oder den sozialen Zusammenhalt ihrer Gruppe zu schützen.
Das Erkennen visueller Signale und das Reagieren auf emotionale Veränderungen bei anderen Pferden ist überlebenswichtig für sie. Dadurch kann das Pferd richtig reagieren, z. B. Wachsamkeit gegenüber einem bestimmten Areal zeigen, wenn auch ein anderes Pferd dies tut, oder sich von einem anderen Pferd entfernen, wenn dieses ablehnende oder aggressive Körpersignale sendet.
Pferde haben von Natur aus die Fähigkeit entwickelt, sehr subtile Signale von anderen Pferden zu erkennen, um so enge Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, die dem Überleben der Art zugute kommen. Forscher haben in den letzten Jahren daher ein besonderes Interesse daran herauszufinden, ob sich diese Fähigkeit auch auf die Erkennung von Emotionen beim Menschen erstreckt.
Mehrere Studien haben untersucht, ob Pferde in der Lage sind, die emotionale Wertigkeit menschlicher Körpersprache und Ausdrücke zu erkennen. Der Konsens ist, dass sie es können – und dass sie sogar sehr gut darin sind (vielleicht besser als wir darin, ihre zu erkennen)!
In einer britischen Studie aus dem Jahr 2017 fanden Amy Smith und ihre KollegInnen etwa heraus, dass Pferde eher dazu neigen, sich jemandem in einer unterwürfigen Haltung (geschlossene Haltung) frei zu nähern als jemandem in einer dominanten Haltung (offene Haltung), und insgesamt bevorzugte kein Pferd die dominante Haltung.
Mit ähnlichen Methoden haben andere Studien gezeigt, dass Pferde neben der Körpersprache auch Emotionen in der menschlichen Stimme und im Gesichtsausdruck erkennen – auch dann, wenn diese nicht direkt auf sie gerichtet sind!
So präsentierten Miléna Trösch und ihre Kollegen 2019 Pferden eine Audioaufnahme einer wütenden Stimme und einer freudigen Stimme. Es überrascht nicht, dass die Pferde während der wütenden Stimme deutlich wachsamer und während der freudigen Stimme deutlich entspannter waren. Während der Wiedergabe der wütenden Stimme stieg auch die Herzfrequenz, was auf eine Stressreaktion hindeutet.
Um weitere Beweise dafür zu liefern, wie gut Pferde unsere Emotionen erkennen, präsentierten sie den Pferden in derselben Studie Fotos von wütenden und freudigen Ausdrücken und spielten die Sprachaudios ab, die nicht zu den Ausdrücken passten, sowie mit Bildern, die zu den Aufnahmen passten. Sie fanden heraus, dass Pferde deutlich länger damit verbrachten, die nicht übereinstimmenden Bilder und Aufnahmen zu betrachten und zu untersuchen.
Die ForscherInnen erklären, dass die Tatsache, dass die Pferde das Missverhältnis von Stimme und Gesichtsausdruck faszinierend fanden, stark darauf hindeutet, dass sie Emotionen beim Menschen erkennen und richtig interpretieren können.
Was bedeutet das für die Beziehung zu unseren Pferden?
Dr. Lea Lansade, eine der Forscherinnen dieser Studie, zeigte sich besonders überrascht darüber, wie schon „ein einfaches Stöhnen oder ein Seufzer der Unzufriedenheit“ die Herzfrequenz des Pferdes in die Höhe schnellen ließ … und ein Lächeln sie beruhigen konnte. Unsere Pferde können positive und negative Emotionen in uns erkennen, sobald wir im Stall auftauchen. Deshalb empfahl Dr. Lansade, sorgfältig mit unseren Emotionen im Umgang mit unseren Pferden umzugehen.
Andere Forscher haben dem noch mehr Gewicht verliehen, indem sie gezeigt haben, dass Pferde nicht nur Emotionen erkennen, sondern sich auch an Menschen erinnern und lernen, sie aufgrund früherer Erfahrungen zu unterscheiden. Die Studien von Serenella d'Ingeo und ihren Kollegen (2019) und dem Team um Leanne Proops (2018) haben gezeigt, dass ein Pferd entsprechend auf eine frühere positive oder negative Erfahrung, die es mit jemandem gemacht hat, reagiert, indem es seine Ohren nach hinten auf die Person richtet, die es hat habe überwiegend oder nur negative Erfahrungen damit gemacht.
Was können wir aus der Forschung lernen?
Die Autorin Cristina Wilkins hat diese Erkenntnisse kürzlich auf einprägsame Weise zusammengefasst und illustriert: Man sollte die Beziehung zu seinem Pferd bzw. seinen Pferden als ein Spar- bzw. Vertrauenskonto betrachten – und sich jede Interaktion als eine Einzahlung oder eine Abhebung darauf vorstellen: Wenn wir eine positive Interaktion ausführen, zahlen wir auf das Konto ein und stärken es dadurch – und wenn wir so weitermachen, werden wir mit der Zeit über ein großartiges, üppiges Vertrauensguthaben bei unserem Pferd verfügen.
Im Gegensatz dazu ist jede negativ geladene Interaktion so, als würde man von diesem Konto abheben – bis das Guthaben eines Tages vollständig aufgebraucht ist. Das geht leider schneller als man glaubt – denn schlechte Erfahrungen wiegen leider doppelt so schwer als gute, und jede einzelne schlechte Interaktion entzieht dem Guthaben zwei „Vertrauensmünzen“. Je mehr Sie von diesem Guthaben abheben, desto näher kommen Sie einem leeren Treuhandkonto! Oder noch schlimmer: Sie könnten in die roten Zahlen geraten!
Jede Interaktion mit ihrem Pferd stärkt oder schwächt das gemeinsame Vertrauenskonto. Egal, ob sie mit ihrem Pferd aufs Turnier fahren, es reiten, füttern, pflegen, ob sie in schlechter Laune im Stall ankommen, mit jemandem am Telefon streiten, wenn sie gerade beim Pferd sind, oder wenn sie im Training ungeduldig oder gar grob zu ihm sind: Ihr Pferd hört immer zu und lernt etwas, im Guten wie im Schlechten. Pferde nehmen – auch wenn sie scheinbar unbeteiligt danebenstehen – ständig die positiven und negativen Signale ihrer Umgebung wahr, darin sind sie mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar viel besser als wir.
Es hilft daher nichts – auch wenn es uns einiges abverlangt und es manchmal ziemlich anstrengend ist: Wir müssen uns der emotionalen Wertigkeit unserer Interaktionen bewusst sein und ständig darauf achten, wie viel wir auf unser gemeinsames Vertrauenskonto einzahlen und abheben. Wir müssen alles tun, was wir können, damit unser Vertrauenskonto ständig ein Guthaben aufweist – je mehr, desto besser!
Cristina Wilkins Ratschlag daher: „Auch sie können das Vertrauenskonto ihres Pferdes gesund und positiv halten, indem sie sich dessen bewusst sind, wie sich ihre Stimmungen und Emotionen auf ihre gemeinsame Beziehung auswirken." Wenn wir diese Stimmungen und Emotionen gut kontrollieren und „managen“, wenn wir mit unserem Pferd zusammen sind – ganz besonders die negativen Emotionen, die sich sehr unmittelbar auf unsere Pferde auswirken – so ist dies die beste Basis für eine erfüllte, starke und innige Partnerschaft – und ein prall gefülltes gemeinsames Vertrauenskonto …
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:18.12.2019 - Pferde reagieren enorm sensibel auf menschliche Gefühle
Pferde reagieren enorm sensibel auf menschliche Gefühle 18.12.2019 / News
Pferde können in den Emotionen von Menschen lesen wie in einem offenen Buch – und sie reagieren unmittelbar darauf, vor allem auf negative Gefühlslagen, so eine französische Studie. / Symbolfoto: Simone Aumair
Pferde sind nicht nur Meister im Interpretieren menschlicher Emotionen, sondern werden von diesen auch unmittelbar beeinflusst, wie eine Studie aus Frankreich nahelegt.
Hatten Sie bisher schon mitunter den Eindruck, dass sie ihrem Pferd nichts vormachen können und dass es intuitiv spürt, wie es ihnen im Innersten geht und ob sie gute oder schlechte Laune haben? Nun, mit diesem Eindruck liegen sie goldrichtig, wie eine aktuelle Untersuchung französischer Wissenschaftler zeigt: Ihr Pferd kann in ihren Emotionen lesen wie in einem offenen Buch – und mehr noch: Es nimmt sich ihre Gefühle auch sehr zu Herzen, ganz besonders ihre negativen.
In ihrer Studie führten die Wissenschaftler einer Gruppe von insgesamt 34 Testpferden kurze Video-Sequenzen (ohne Ton!) vor, die jeweils eine Frau mit unterschiedlichem Gesichtsausdruck zeigten: auf einem Video waren positive Emotionen der Freude und des Glücks zu sehen, auf dem anderen negative Emotionen von Ärger und Wut. Die Videos wurden den Pferden gleichzeitig auf einem Bildschirm rechts und links von ihnen vorgespielt – während über einen Lautsprecher kurze Audioclips einer anderen Frau liefen, die entweder Wut oder Freude ausdrückten (nur stimmliche Laute, aber keine Worte). Während dieser Tests wurden nicht nur die Verhaltensreaktionen der Pferde – festgehalten mit drei Video-Kameras – detailliert erfasst, sondern mit einem Herzüberwachungsgerät auch deren Herzfrequenz aufgezeichnet.
Die Testpferde – allesamt Welsh Pony Stuten – reagierten auf die optisch und akustisch präsentierten Gefühlszustände des Menschen sehr unmittelbar und auf bemerkenswerte Art und Weise:
– Die Pferde konnten – was sich mit der Hypothese der Forscher deckte – sehr eindeutig zwischen den beiden unterschiedlichen menschlichen Gesichtsausdrücken (Freude vs. Zorn) unterscheiden, und zwar anhand der Übereinstimmung mit der stimmlichen Gefühlsäußerung. Diese Fähigkeit zu einer multi-modalen (also auf unterschiedliche Weise – im konkreten Fall optisch sowie akustisch) Wahrnehmung menschlicher Emotionen deckt sich mit den Ergebnissen früherer Studien: Pferde können die Bedeutung bzw. Wertigkeit des Gesichtsausdrucks in Einklang mit der wahrgenommenen Stimme bringen, was bedeutet, dass sie diesen beiden unterschiedlichen Reize derselben emotionalen Kategorie korrekt zuordnen können.
– Bemerkenswert war, dass die Testpferde konsequent auf das „falsche“ Gesicht gestarrt haben – also auf dasjenige, das nicht zum stimmlichen Ausdruck gepasst hat: Wurde ein freudvoller akustischer Laut abgespielt, blickten sie auf den zornigen Gesichtsausdruck – und umgekehrt. Dies ist bemerkenswert, weil es sich bei Primaten und Hunden bei gleicher Versuchsanordnung genau umgekehrt verhält – sie blicken auf das ,richtige’ Bild bzw. Video, also dasjenige, das mit der stimmlichen Gefühlsäußerung übereinstimmt.
Die Wissenschaftler erklären diesen Unterschied durch die Art und Weise, wie verschiedene Spezies auf Umweltreize reagieren bzw. diese verarbeiten. Wie bereits in anderen Studien gezeigt werden konnte, wenden Pferde einer inkongruenten, also widersprüchlichen Situation besonders hohe Aufmerksamkeit zu, weil ihnen diese offenkundig besonders interessant erscheint. Dies mag mit ihrer Natur als Fluchttier in Zusammenhang stehen: Pferde starren länger auf Dinge, die sie nicht kennen bzw. nicht verstehen und die daher möglicherweise bedrohlich für sie sein können. Und sie sind offenkundig von Dingen bzw. Situationen beunruhigt, die ihre „Erwartungen verletzen“, wie es die Forscher ausgedrückt haben.
– Interessant war noch eine andere Entdeckung der französischen Wissenschaftler: Die Pferde reagierten unmittelbar auf die jeweilige akustische Gefühlsäußerung – und zwar nicht nur durch ihr Verhalten, sondern auch durch ihre Herzfrequenz. Wenn sie einen freudigen Stimmausdruck hörten, verbrachten sie doppelt soviel Zeit in einer entspannten Position und weniger Zeit in einer Haltung der Aufmerksamkeit – als beim Wahrnehmen einer zornigen Stimme. Und wenn sie die freudige Stimme hörten, war auch die Herzfrequenz niedriger. Ob die Pferde dachten, dass diese Emotionen auch tatsächlich auf sie gerichtet waren oder nicht, spielte dabei keine Rolle – sie waren trotzdem direkt davon betroffen.
– Besonders spannend war für die Wissenschaftler vor allem, wie schnell und unmittelbar die Pferde auf den akustischen Gefühlsausdruck reagierten. Obwohl die Testpferde zuvor nur sehr wenig mit Menschen zu tun hatten (was auch so gehandhabt wurde, um den geplanten Test nicht zu verfälschen), reagierten sie „höchst sensibel“ auf die menschlichen Emotionen: „Es war unglaublich zu beobachten, wie ein einfaches Stöhnen oder ein Seufzer der Unzufriedenheit ihre Herzfrequenz schlagartig in die Höhe schnellen ließ – aber auch, wie ein bloßes Lächeln sie besänftigen konnte“, so Studienautorin Léa Lansade.
Das Resümee der Wissenschaftler: „Die Pferde reagierten auf unterschiedliche Weise, sowohl durch physiologische Reaktionen (Herzfrequenz) als auch in ihrem Verhalten, wenn sie Stimmen der Freude und des Zorns hörten. Besonders wichtig erscheint, dass Pferde Töne und Bilder in die modalübergreifende Erkennung menschlicher Emotionen einbeziehen können, was darauf hindeutet, dass Pferde in der Lage sind, emotionale Reize unabhängig von ihrer Modalität (optisch/akustisch) und basierend auf ihrer Bedeutung zu zu erfassen und zu interpretieren.
Es ist wichtig zu verstehen, wie Pferde menschliche Emotionen wahrnehmen und auf sie reagieren, da dies direkte Auswirkungen auf ihre Haltung und ihr Wohlbefinden hat. In der Tat kann ein Mensch, der negative Gefühle ausdrückt, beim Pferd Stress verursachen, eine Angstreaktion und im schlimmsten Fall sogar Unfälle auslösen. Ein Mensch, der positive Gefühle ausdrückt, kann dagegen für das Pferd beruhigend und sogar wohltuend sein – und dies könnte man auch im Trainingskontext vorteilhaft einsetzen.“
Anders ausgedrückt: Zu wissen, wie unglaublich sensibel Pferde sind, kann uns dabei helfen, besser mit ihnen zu kommunizieren, eine bessere Partnerschaft zu ihnen aufzubauen und auch ein besseres, humaneres Training zu entwickeln. Es bedeutet aber auch, unseren Gefühlen nicht immer freie Bahn zu lassen, wenn wir beim Pferd sind – und vor allem unsere negativen Emotionen so gut wie möglich zu kontrollieren, denn die wirken sich unmittelbar auch auf unsere geliebten Vierbeiner aus, wie wir jetzt wissen …
Die Studie „Horses Categorize Human Emotions Cross-Modally Based on Facial Expression and Non-Verbal Vocalizations" von Miléna Trösch, Florent Cuzol, Céline Parias, Ludovic Calandreau, Raymond Nowak und Léa Lansade ist am 24. Okt. 2019 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
06.03.2023 - Pferde können menschliche Emotionen wie Freude und Angst riechen
Pferde können menschliche Emotionen wie Freude und Angst riechen 06.03.2023 / News
Pferde sind in der Lage, zwischen menschlichen Gerüchen zu unterscheiden, die mit Angst und Freude verbunden sind – das konnten französische ForscherInnen in einer Studie demonstrieren. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass Pferde menschliche Emotionen nicht nur durch Hören und Sehen, sondern auch über den Geruchssinn wahrnehmen können.
Ein Beispiel einer der Welsh Pony-Stuten, die ihr linkes bzw. rechtes Nasenloch benutzt, um an der Probe zu schnüffeln. Foto: Plotine Jardat
Studienautorin Plotine Jardat und ihre ForscherkollegInnen wiesen einleitend darauf hin, dass es allgemein angenommen wird, dass Tiere menschliche Emotionen durch Geruch wahrnehmen. Tatsächlich ist die Chemorezeption das wohl ursprünglichste und universellste Sinnesorgan, und Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von Gerüchen verantwortlich sind, gehören zu den ältesten Strukturen in der Evolution von Säugetieren.
Die WissenschaftlerInnen der Universität von Tours gingen von der Hypothese aus, dass Chemosignale auch an der Kommunikation zwischen Arten beteiligt sein könnten. „Die Kommunikation von Emotionen ist für soziale Interaktionen unerlässlich, aber nur sehr wenige Studien haben eindeutig gezeigt, dass Tiere menschliche Emotionen durch Geruch wahrnehmen können“, sagten sie.
In ihrer Studie verwendeten die ForscherInnen ein detailliertes Gewöhnungs- und Unterscheidungs-Protokoll, um zu testen, ob 30 Welsh Pony-Stuten zwischen menschlichen Gerüchen unterscheiden konnten, die erzeugt wurden, während die Testpersonen Angst oder Freude empfanden. Die verwendeten Gerüche waren Achselschweiß, gesammelt von 15 Erwachsenen, die zwei 20-minütige Videos ansahen, von denen eines Angst (ein Horrorfilmausschnitt) und das andere Freude hervorrief.
Die Teilnehmer wurden zudem gebeten, zwei Tage vorher keine stark riechenden Speisen zu essen, die ihren Schweiß beeinflussen könnten, wie Knoblauch oder Blauschimmelkäse, und trugen für das Experiment auch geruchsneutrale, unparfümierte T-Shirts.
Gemäß dem Protokoll wurden die Pferde mit einem der gesammelten Gerüche auf einem Stück Stoff am Ende eines Holzstabs in einem kleinen Stand konfrontiert. In der Gewöhnungsphase wurde jedem Pferd für zwei Minuten der Geruch präsentiert, den sie erschnüffeln durften. Eine Minute später wurde eine zweite Probe des gleichen Geruchs für weitere zwei Minuten präsentiert.
Von den 30 Pferden beschnüffelten fünf während der Gewöhnungsphase keine der Proben und wurden daher von der weiteren Analyse ausgeschlossen.
Dann, nachdem eine weitere Minute verstrichen war, wurden den verbliebenen Pferden in der Unterscheidungsphase zwei Proben auf Stöcken im Abstand von 50 cm präsentiert. Einer trug eine dritte Probe des ursprünglichen Geruchs, und der andere trug eine Probe, die von der entgegengesetzten Emotion gesammelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde jedes Pferd zwei Gerüchen desselben Menschen im Angst- oder Freudenzustand ausgesetzt.
Das verwendete Gewöhnungs- und Unterscheidungs-Protokoll (habituation/discrimination) der Studie: a zeigt eine schematische Darstellung des Versuchsaufbaus; während b die Geruchsproben-Präsentation zeigt. (Fotos mit freundlicher Genehmigung von Plotine Jardat)
Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Das Studienteam stellte fest, dass die Pferde den neuartigen Geruch länger schnupperten als den wiederholten Geruch, was darauf hindeutet, dass sie zwischen menschlichen Gerüchen unterschieden, die in den Kontexten ,Angst’ und ,Freude’ erzeugt worden waren.
Und auch ein anderer Umstand war für das Forscherteam erstaunlich: „Wenn der wiederholte Geruch und der neuartige Geruch während der Unterscheidungsphase gleichzeitig dargeboten wurden, benutzten Pferde bevorzugt ihr linkes Nasenloch, um den wiederholten Geruch zu schnüffeln, und ihr rechtes Nasenloch, um den neuartigen Geruch zu schnüffeln. Dazu die WissenschaftlerInnen: „Dieser Befund stimmt mit der früheren Beobachtung überein, dass Pferde bevorzugt ihr rechtes Nasenloch zum Schnüffeln neuartiger Objekte verwendeten, und liefert zusätzliche Beweise dafür, dass Pferde zwischen den beiden Gerüchen unterschieden haben.“
Daraus ergibt sich für die AutorInnen eine weitere spannende Frage: „Wenn Pferde die emotionalen Gerüche des Menschen wahrnehmen können, stellt sich die Frage, welche Verbindungen die chemische Grundlage für eine solche Kommunikation zwischen verschiedenen Spezies sind.“
Beim Menschen wurden mehrere Verbindungen im Schweiß, wie Adrenalin oder Androstadienon, als Kandidaten vorgeschlagen, die emotionale Informationen transportieren. Die Wahrnehmung menschlicher emotionaler Informationen, die in Schweißgerüchen enthalten sind, impliziert die Existenz von Rezeptoren für solche Verbindungen. „Diese Rezeptoren könnten in Pferden vorhanden sein, entweder als Ergebnis der Domestikation oder durch Vererbung von einem gemeinsamen Säugetier-Vorfahren.“
Die ForscherInnen wiesen darauf hin, dass Geruch der älteste und universellste Sinn ist, und die Gehirnstrukturen, die Gerüche verarbeiten, entwickelten sich sehr früh bei Säugetieren. Die Evolutionshypothese wird auch durch die jüngste Erkenntnis gestützt, dass Menschen Angst- und Nicht-Angst-Gerüche im Pferdeschweiß erkennen könnten, was durch das Vorhandensein gemeinsamer chemischer Verbindungen und ihrer Rezeptoren in allen Säugetieren erklärbar wäre.
Die Tatsache, dass die Pferde während der Gewöhnungsphase ihr linkes Nasenloch deutlich häufiger als ihr rechtes Nasenloch benutzten, deutet darauf hin, dass sie diese menschlichen Körpergerüche mit einer Ausrichtung auf die linke Hemisphäre untersuchten. „Eine solche Präferenz wird normalerweise beobachtet, wenn positive oder vertraute Reize bei Haussäugern untersucht werden; Diese Ergebnisse deuten also darauf hin, dass die Pferde in diesem Experiment menschliche Körpergerüche als positive oder vertraute Reize wahrnahmen, was durch eine insgesamt positive Beziehung zum Menschen erklärt werden kann.“
Im Gegensatz dazu benutzten die Pferde in der Unterscheidungsphase ihr rechtes Nasenloch signifikant mehr als das linke. „Es ist möglich“, so die AutorInnen, „dass Pferde, nachdem sie in der Gewöhnungsphase erkannt hatten, dass die beiden Proben in derselben emotionalen Verfassung von derselben Person produziert wurden, etwas überrascht waren über die unterschiedliche emotionale Verfassung, die sie in Probe B rochen. In der Tat haben andere Studien festgestellt, dass die rechte Hemisphäre für die Bewertung neuartiger Reize und Situationen bevorzugt wird, die schnelle Reaktionen erfordern können“, so ihre Erklärung
Insgesamt habe ihre Studie gezeigt, „dass Pferde zwischen menschlichen Gerüchen unterscheiden können, die in einem Kontext von Freude und Angst erzeugt werden. Darüber hinaus deuten Unterschiede in der Gewöhnungsgeschwindigkeit und der asymmetrischen Verwendung der Nasenlöcher je nach Geruch auf eine unterschiedliche emotionale Verarbeitung der beiden Gerüche hin. Diese Studie fügt dem Hören und dem Sehen somit auch den Geruchssinn als Sinnesorgan hinzu, durch die Pferde menschliche Emotionen wahrnehmen und von ihnen beeinflusst werden können“, so das Resümee des Forscherteams.
Die Studie „Horses discriminate human body odors between fear and joy contexts in a habituation-discrimination protocol" von Plotine Jardat, Alexandra Destrez, Fabrice Damon, Zoé Menard-Peroy, Céline Parias, Philippe Barrière, Matthieu Keller, Ludovic Calandreau und Léa Lansade ist am 25. Feb. 2023 in der Zeitschrift ,Scientific Reports' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
09.11.2022 - Pferde sind feine Beobachter menschlicher Emotionen
Pferde sind feine Beobachter menschlicher Emotionen 09.11.2022 / News
Für Pferde ist das Verständnis und die Interpretation des menschlichen Gesichtsausdrucks ein wichtiger Faktor in der sozialen Interaktion. / Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Dass Pferde sehr gut darin sind, menschliche Gesichtsausdrücke zu interpretieren, konnte schon in einigen Studien anhand von Fotos demonstriert werden. Für eine kanadische Studie haben erstmals reale Schauspieler Pferden unterschiedliche Emotionen vorgespielt – mit ebenso eindeutigem Ergebnis.
Dr. Katrina Merkies, Forscherin und außerordentliche Professorin an der Universität von Guelph in Ontario (Kanada), und ihr Team wollten die Fähigkeit von Pferden, menschliche Emotionen zu interpretieren, in einer Studie mit 20 Schulponys und einigen talentierten Schauspielern überprüfen, wie die Universität auf ihrer Website berichtete.
In früheren Untersuchungen wurde diese Fähigkeit lediglich anhand von Karteikarten bzw. Fotos, die Pferden gezeigt wurden, getestet – dies war nun die erste Studie, die die Reaktion von Pferden dokumentiert, denen fröhliche, traurige, wütende und neutrale Gesichtsausdrücke durch reale, leibhaftige Schauspieler vorgeführt wurden.
Pferde haben, wie Prof. Merkies erklärte, eine ganz bestimmte Art, emotionale Reize zu verarbeiten: „In Bezug auf das Verhalten im Allgemeinen verarbeitet die rechte Gehirnhälfte Emotionen und insbesondere negative Reize“, erklärt Merkies, „während die linke Gehirnhälfte mehr mit sozialen Interaktionen und erlerntem Verhalten zu tun hat.“
Pferde sehen mit dem linken Auge Dinge auf ihrer linken Seite und mit ihrem rechten Auge Dinge auf der rechten Seite – im Gegensatz zu Menschen gibt es sehr wenig Verbindungen zwischen ihren Sehnerven, weshalb ihr binokulares Sehen (also das gemeinsame Sehen mit beiden Augen, das einen plastischen, dreidimensionalen Tiefeneindruck ermöglicht, Anm.) sehr eingeschränkt ist.
Grafik: University of Guelph
Der Sehnerv bringt Informationen vom Auge zum Gehirn und kreuzt vom linken Auge zur rechten Gehirnhälfte und vom rechten Auge zur linken Gehirnhälfte. Da sich bei Pferden die Augen mit weitgehend monokularem Sehen an den Seiten des Kopfes befinden, ist es leicht zu erkennen, was sie mit dem linken Auge sehen, wird in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet und umgekehrt.
Nachdem ein erstes Clicker-Training mit den Schulponys stattgefunden hatte, um sie mit den menschlichen Schauspielern vertrauter zu machen, präsentierten ihnen zwei Darsteller Ausdrücke von Glück, Traurigkeit, Wut und Neutralität.
Wie angenommen, führten die wütenden und traurigen Gesichter dazu, dass die Ponys die Schauspieler häufiger mit dem linken Auge zuerst ansahen. Der Blick des linken Auges korrespondiert mit der rechten Gehirnhälfte, die für die Verarbeitung negativer Reize zuständig ist. Umgekehrt betrachteten die Ponys den freudigen Gesichtsausdruck häufiger mit dem rechten Auge und interessanterweise ergab der neutrale Gesichtsausdruck eine 50/50-Reaktion!
Die Ponys zeigten – was ebenfalls bemerkenswert war – auch mehr orale Reaktionen wie Lecken und Kauen beim Anblick der neutralen Gesichter, und sie richteten ihre Ohren mehr auf den Schauspieler und standen weiter weg von freudigen oder traurigen Gesichtsausdrücken. Auch die Herzfrequenz der Pferde wurde während des Tests gemessen, doch diese wurde von keinem der dargestellten Gesichtsausdrücke beeinflusst.
„Ich denke, es ist wichtig zu beachten, dass die Pferde zwar auf die verschiedenen Gesichtsausdrücke reagiert haben und sie klar zwischen ihnen unterscheiden, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass sie verstehen, was wir fühlen, oder dass sie fühlen, was wir fühlen“, sagt Merkies. Pferde reagieren zwar eher auf ein wütendes Gesicht, so Merkies weiter – aber das bedeutet nicht, dass sie unseren Zorn tatsächlich nachfühlen können. Sie beachten und berücksichtigen zweifellos auch andere Faktoren – etwa die Körpersprache, die Art und Weise, wie wir uns bewegen und was sonst noch in der Umgebung passiert – und ziehen aus all dem ihre Schlüsse.
Merkies fasst zusammen: „Viele verschiedene Hinweise beeinflussen, wie ein Pferd in einem bestimmten Moment reagiert, aber das Verständnis unseres Gesichtsausdrucks ist zweifellos wichtig für soziale Interaktionen. Es ist äußerst interessant, dass die Gesichtsausdrücke zwischen den Arten hochgradig ,konserviert' sind. Obwohl wir sehr unterschiedliche Physiognomien haben können – wir also sehr unterschiedlich aussehen, etwa eine Maus im Vergleich zu einem Pferd oder zu einem Menschen – sind Gesichtsausdrücke erstaunlich ähnlich, was sehr interessant ist und sehr hilfreich, denn wenn man den Gesichtsausdruck eines anderen Wesens oder einer anderen Spezies verstehen kann, weiß man auch, wie man angemessen reagiert.“
Und in dieser Disziplin haben sich Pferde schon mehrfach als besonders feine und aufmerksame Beobachter entpuppt – was auch die aktuelle Studie nachhaltig bestätigt, so Prof. Merkies ...
19.02.2020 - Pferde reagieren empfindlich auf negative Emotionen des Menschen
Pferde reagieren empfindlich auf negative Emotionen des Menschen 19.02.2020 / News
Die Testanordnung: Eine Assistentin (A) hält das Pferd, während die Experimentleiterin (E) hinter der Absperrung unterschiedliche Gesichtsausdrücke zeigt – und zwar als Reaktion auf einen Blick hinter den verdeckten Bereich. / Foto: Dr. Ayaka Takimoto-Inose/animals Die Experimentleiterin zeigte jedem der insgesamt 14 Testpferde drei unterschiedliche emotionale Signale: freudig/glücklich, neutral sowie angewidert. / Foto: Dr. Ayaka Takimoto-Inose/animals
Eine Studie aus Japan konnte zeigen, dass Pferde sehr sensibel auf Menschen reagierten, die einen angewiderten Gesichtsausdruck zeigten. Man sollte daher seine negativen Emotionen in Zaum halten, wenn man bei seinem Pferd ist, so der Rat der Wissenschaftler.
Für Tiere mit ausgeprägtem Sozialverhalten ist es wichtig, sensibel für die emotionalen Signale anderer zu sein, da sie wertvolle Informationen des sozialen Zusammenlebens und der Umwelt effizienter verarbeiten und besser darauf reagieren können, wenn sie die emotionalen Zustände anderer Individuen verstehen können. Eine solche ,emotionale Empfindlichkeit’ scheint auch in der Tierkommunikation sowohl zwischen Artgenossen als auch mit artfremden Individuen zu bestehen, insbesondere für Hunde und Pferde, da diese Tiere seit Beginn der Domestizierung mit Menschen kooperieren. Studien haben gezeigt, dass Hunde sehr empfindlich auf menschliche Signale wie Gesten und Gesichts- oder Stimmausdrücke reagieren. Bislang wurde jedoch nur in wenigen Studien untersucht, ob Pferde eine Empfindlichkeit gegenüber menschlichen emotionalen Hinweisen aufweisen, die mit der Empfindlichkeit von Hunden vergleichbar ist.
Eine Gruppe japanischer Wissenschaftler rund um Dr. Ayaka Takimoto-Inose vom Institut für Verhaltensforschung der Hokkaido-Universität in Sapporo hat deshalb untersucht, ob Pferde empfindlich auf menschliche emotionale Signale reagieren und auch ihr Verhalten entsprechend anpassen. Die Auswirkungen menschlicher Emotionen auf Pferde und andere Haustiere seien ein wesentliches Feld wissenschaftlicher Studien, so Dr. Takimoto-Inose. „Haustiere, insbesondere Hunde und Pferde, haben eine enge und kooperative Beziehung zum Menschen aufgebaut, was darauf hindeutet, dass soziale Signale und emotionale Informationen eine wichtige Rolle für das Leben und die Interaktion dieser Tiere mit Menschen spielen", sagte Takimoto-Inose. „Daher ist es wichtig zu untersuchen, wie diese Tiere emotionale Signale wahrnehmen und welche Rolle die Signale spielen."
Dr. Takimoto-Inose und ihre Kollegen verwendeten für ihre Tests insgesamt 14 Pferde, deren Verhaltensweisen sie detailliert beobachteten, wenn ein vor dem Pferd stehender Mensch entweder Freude, Abscheu oder einen neutralen Gesichtsausdruck zeigte, und zwar als Reaktion auf einen Blick hinter einen verdeckten Bereich. Die Forscher hatten dafür bewegliche undurchsichtige Absperrungen errichtet, um den Pferden den Eindruck zu vermitteln, dass etwas dahinter verborgen war, auf das der Mensch reagierte. Der Experimentleiter (E) hinter die Absperrung brachte eine bestimmte Reaktion zum Ausdruck: Er lächelte glücklich und sagte „Wow!“), zeigte einen unbeteiligten, neutralen Ausdruck (also keine emotionale Reaktion) oder machte ein angewidertes, zerknittertes Gesicht mit zusammengekniffenen Augen und gerümpfter Nase und sagte „Uuuuuuh!“).
Die Ergebnisse waren eindeutig und zeigten, dass die emotionalen Signale des Menschen die Reaktionen und Verhaltensweise der Pferde sehr deutlich beeinflussten – und zwar besonders dann, wenn negative Emotionen ausgedrückt wurden. Pferde vermieden es häufiger, dem menschlichen Blick zu folgen, und schauten für einen kürzeren Zeitraum in ihre Richtung, wenn der Experimentleiter einen Ausdruck von Ekel zeigte. „Vielleicht haben sie das versteckte Objekt gemieden, weil der Mensch es ekelhaft fand, oder vielleicht haben sie den Menschen gemieden, weil dieser einen angewiderten Gesichtsausdruck gezeigt hat – wir wissen es nicht“, so Dr. Takimoto-Inose.
Zur Überraschung der Forscher zeigten die Pferde jedoch keine signifikanten Verhaltensunterschiede zwischen dem glücklichen und dem neutralen Ausdruck. Dies könnte daran liegen, dass die Pferde in Gruppen auf der Weide lebten und wenig Zeit mit Menschen verbrachten. „Es ist möglich, dass sie nicht genug Kontakt mit Menschen hatten, um deren Gesichts- und Stimmausdruck mit positiven Emotionen zu verbinden", sagte sie. Negative Emotionen könnten für Pferde aber auch deshalb kritischer sein, da sie auf eine Bedrohung hinweisen könnten, so die Wissenschaftlerin – also auf eine für das Fluchttier Pferd sehr wichtige, weil möglicherweise lebensrettende Information. „Es hat sich auch gezeigt, dass Hunde Schwierigkeiten haben, zwischen neutralen und positiven Gesichtsausdrücken beim Menschen zu unterscheiden. Diese Differenzierung ist für Tiere möglicherweise nicht so einfach wie das Erkennen negativer Emotionen", erklärte Takimoto-Inose.
Der Test mit dem neutralen Ausdruck war laut den Forschern ein wichtiges Merkmal ihrer Studie im Vergleich zu mehreren anderen Untersuchungen über die Reaktionen von Pferden auf menschliche Emotionen. „In anderen Studien haben die Wissenschaftler die Reaktionen der Pferde unter den beiden Bedingungen (positiv und negativ) nicht mit denen im neutralen Zustand verglichen", sagte Takimoto-Inose. „Wir haben die Reaktionen der Pferde unter allen drei Bedingungen getestet. Dadurch konnten wir zeigen, dass Pferde menschlichen Ekel absolut als negative Emotion bewerten können (im Gegensatz dazu, einfach „nicht glücklich“ zu sein). “
Dr. Takimoto-Inose zusammenfassend: „Pferde reagieren empfindlich auf die negativen emotionalen Signale des Menschen. Wir sind daher nicht der Meinung, dass Menschen Pferden in ihrem täglichen Leben unvorsichtigerweise negative Emotionen zeigen sollten, da Pferde durch negative Emotionen des Menschen möglicherweise gestresst werden“, so das Resümee – das man sich zweifellos zu Herzen nehmen sollte.
Die Studie „Are Horses (Equus caballus) Sensitive to Human Emotional Cues?“ von Ayaka Takimoto-Inose, Chihiro Baba und Masahit Kawai ist im August 2019 in der Zeitschrifrt ,animals’ erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
02.03.2023 - Florians Blog: Pass auf, wie du über dein Pferd denkst!
Florians Blog: Pass auf, wie du über dein Pferd denkst! 02.03.2023 / Blogs
Wie wir unser Gegenüber sehen, so behandeln wir es auch – bewusst oder unbewusst, und das kann direkten Einfluss auf die Entwicklung und das Verhalten unseres Gegenübers haben. Diesen sogenannten Pygmalion-Effekt gilt es auch im Umgang mit Pferden zu beachten. Denn was wir über unser Pferd denken, könnte Wirklichkeit werden!
Foto: Hannah Assil
Vom „sturen Gaul“ zum sensiblen und intelligenten Pferd
Die meisten Pferd-Mensch-Beziehungen sind emotional. Dazu gehören sowohl positive als auch negative Emotionen. Bei der – beim Reiten im wahrsten Sinne des Wortes – engen Zusammenarbeit von Mensch und Pferd, neigen wir Menschen dazu, unserem Pferd bestimmte Attribute zuzuschreiben, und die sind nicht immer positiv.
In den Augen der Menschen gibt es da nicht nur „brave“, sondern auch „sture“, „dumme“, oder gar „A…loch-“ Pferde. Diese Zuschreibungen sind selten fair – und können sogar sehr problematisch sein.
Einerseits halten wir – unbewusst – ständig Ausschau nach Verhaltensweisen, die unsere Zuschreibung untermauern und sehen über gegenteilige Indizien hinweg. In der Psychologie nennt man das den Bestätigungsfehler.
Andererseits beeinflusst unsere Bewertung des Pferdes die Behandlung des Tieres: Behandeln wir unser Pferd als „sturen Gaul“, wird es ein solcher bleiben (oder eher werden!). Behandeln wir es als sensibles und intelligentes Lebewesen, wird es uns als solches begegnen. Ob positive oder negative Zuschreibungen, das Pferd wird sich ihnen anpassen!
Wissenschaftlicher Hintergrund
Dieser Effekt ist in der Psychologie als Rosenthal oder Pygmalion-Effekt bekannt. Er geht auf eine bahnbrechende Studie in den 1960er Jahren zurück. Dabei wurde Lehrkräften mitgeteilt, dass einige Kinder in ihren Klassen besonderes Potenzial in ihrer intellektuellen Entwicklung hätten. Diese Kinder waren jedoch nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden. Doch siehe da, acht Monate später wiesen genau diese Kinder ein signifikant höheren IQ auf.
Die Forscher, die diese Studie durchgeführt hatten, Robert Rosenthal und Lenore Jacobson, zogen aus diesem Ergebnis den Schluss, dass die Lehrer diese Schüler durch ihre positive Erwartung unbewusst anders behandelt hatten und so ihre Entwicklung besonders positiv beeinflussten.
Dieses Prinzip wurde im Vorfeld schon mit Ratten getestet und es folgten viele Nachfolge-Studien. Immer korrelierte die Erwartungshaltung der Lehrenden mit der Leistung der Schülerinnen und Schüler.
Mein erster Kontakt mit dem Pygmalion-Effekt im Pferdetraining
Zu Beginn meiner Trainertätigkeit wurde mir in meinen Horsemanship-Kursen die Relevanz des Pygmalion-Effekts im Umgang mit Pferden zum ersten Mal bewusst. In den Vorstellungsrunden zu Beginn der Kurse beschrieben die BesitzerInnen ihr Pferd häufig als „blöd“, „stur“ oder „böse“, untermauert von diversen Anekdoten.
Ich ließ mich von diesen scheinbaren Fakten beeinflussen und erwartete vierbeinige Gegner. Überraschenderweise traf ich später aber immer „nur“ auf Pferde. Auf liebe, nette Pferde sogar, die nur noch nicht ganz verstanden worden waren.
Behandelte ich dann die Pferde so, wie ich sie empfand, merkte ich in vielen Fällen nichts von den beschrieben negativen Tendenzen. Ließ ich die Worte aus der Vorstellungsrunde jedoch nachhallen, ertappte ich mich dabei, genau diese Eigenschaften in den Tieren hervorzurufen.
So wurde ich erstmals für dieses Thema sensibilisiert, ohne es benennen zu können. Bis heute erlebe ich regelmäßig, wie das Verhalten von Pferden sich mit der Einstellung ihrer Besitzer verändern kann.
Leichter gesagt als getan
In der Praxis ist es nicht immer einfach, nur das Gute in seinem Pferd zu sehen. Je unerwünschter sein Verhalten wird, umso schwerer fällt uns das in der Regel. Das erlebe ich beispielsweise oft bei aggressivem Verhalten.
Hat ein Pferd einmal gelernt zu beißen, zu buckeln oder gar den Menschen zu attackieren, neigen viele Menschen dazu, es für „böse“ zu halten. Warum das Pferd sich so verhält, wird dabei leicht aus den Augen verloren. Stattdessen behandeln wir das „böse“ Pferd natürlich auch als solches. In der Regel trägt aber genau solch eine Behandlung dazu bei, dass das Pferd „böse“ ist.
Der böse Normen
Vor nicht allzu langer Zeit durfte ich mit Normen arbeiten. Der große Warmblüter zeigte sich alles andere als kooperativ. Er hatte gelernt, den Menschen anzusteigen, wenn ihm etwas gegen den Strich ging oder sich seines Reiters durch Steigen zu entledigen. Ging man hinter ihm vorbei, lief man Gefahr, einen Tritt abzubekommen.
In seinem Stall galt Normen als „A…loch“. Wurde mit ihm gearbeitet, versuchte man durch entsprechenden Druck, eine Eskalation zu verhindern. Dies hatte den Anschein zu funktionieren, denn wenn der Druck stark genug war, beugt sich ihm Normen. Allerdings geschah dies mit großem Widerwillen und hatte zur Folge, dass Normens Toleranzgrenze für jegliche Einwirkung auf ihn immer niedriger wurde. Mit der Zeit reichte es aus, dass der Mensch die Richtung anzeigte, um Normen ausrasten zu lassen.
Unbeteiligten Dritten fällt es in einem Fall wie diesem leichter, die Schuld nicht beim Pferd zu suchen – ganz anders sieht es aber aus, wenn man tatsächlich einem großen Kerl wie Normen gegenübersteht. Schuldzuweisungen sind daher nicht angebracht.
Als Normen in meine Obhut kam, begann ich sukzessive daran zu arbeiten, ihm den Grund für seine Reaktion (zu viel Druck) zu nehmen. Dass ich ihn als sensibles, missverstandenes Pferd mit weichem Herzen sah, half mir, die Mittel und Wege zu finden, die er brauchte, um auf den richtigen Weg zu kommen.
Richtig verstanden
Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass durch eine positive oder gar naive Sichtweise Probleme einfach verschwinden – dies zu glauben, könnte sehr gefährlich werden, denn selbstverständlich ist ein achtsamer Umgang mit unerwünschten Verhaltensweisen des Pferdes geboten. Es geht vielmehr darum, auch die positiven Seiten des Pferdes zu sehen und diese vielleicht sogar in den Vordergrund zu rücken.
Dazu gehört, das Potential des Pferdes zu erkennen, aber auch nicht zu überschätzen. Jedes Pferd hat natürliche Grenzen. Sich nicht von der Vergabe negativer Attribute hemmen zu lassen, aber auch nicht die natürlichen Grenzen des Pferdes zu übergehen, ist die Kunst bei der Sache.
Halte ich meinen leicht erregbaren Vollblüter für hysterisch, wird er wohl auch so sein und bleiben. Behandle ich ihn im Gegenteil gleich wie ein nervenstarkes Pferd, das weder Großvieh noch Mähdrescher fürchtet, kann es auch schnell mal gefährlich werden. Die Lösung liegt in der Mitte: Sehe ich ihn als ein hochsensibles Pferd mit wunderbaren Fähigkeiten, gelingt es mir am ehesten, mich an sein wahres Potential heranzutasten.
Die positiven Seiten des Pferdes zu sehen, schenkt uns die Geduld, ihm die Zeit zu geben, die es braucht und die Bereitschaft, unser Training auf das Pferd abzustimmen.
Ein positiver Nebeneffekt
Es ist ein tolles Gefühl, ein liebes, feines, sensibles oder gemütliches Pferd zu reiten. Meistens macht es mit bösen, sturen, unsensiblen oder faulen Gäulen nicht so viel Spaß. Dabei sind das alles nur Zuschreibungen, mit denen wir unsere Pferde versehen.
Das Pferd negativ abzustempeln, nimmt uns die Freude am Umgang mit ihm. Das Gute im Pferd zu sehen, tut auch uns Menschen gut.
Florian Oberparleiter
März 2023
Quellenangaben:
Rosenthal, Robert; Jacobson, Lenore (1966). Teachers' Expectancies Determinants of Pupils' IQ Gains, in: Psychological Reports, 19, S. 115-118
Rosenthal, Robert; Fode, Kermit L. (1963), The Effect of Experimenter Bias on the Performance of the Albino Rat, in: Behavioral Science 8, S. 183-189
ZUR PERSON
Florian Oberparleiter ist international bekannter Pferdetrainer und hat sich sein ganzes Leben lang intensiv mit Tieren beschäftigt. In seinen Horsemanship- und Kommunikations-Kursen vermittelt er einen Umgang mit Pferden, der auf Körpersprache und Energie beruht. Er hat sich jahrelang mit verschiedenen Trainingskonzepten, Arbeitsweisen und Denkansätzen befasst und mit Pferdeexperten in den USA und Europa gearbeitet. Er schulte unablässig sein Gefühl und seine Wahrnehmung und entwickelte ein eigenständiges Trainingskonzept, das auf Kommunikation und nicht auf Konditionierung basiert und auch neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt.
Weitere Infos über ihn, seine Arbeit und seine Kurse findet man auf www.florian-oberparleiter.com. Apropos: Kurse mit Florian Oberparleiter können auch auf der eigenen Anlage – egal ob in Österreich, Deutschland, der Schweiz oder einem anderen Land – organisiert werden (Kontakte und Anfragen kann man über die Website, seine Facebook-Seite und seine Instagram-Seite an ihn richten). Zudem bietet Florian auch Online-Kurse an, die sich großer Beliebtheit erfreuen – siehe www.florian-oberparleiter.com/online-schule/!
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