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Die neuen Fälle des Dr. K.: Pferde und ihr Herzeleid
07.09.2024 / News

Erstaunlich selten werden bei Pferden „Herzprobleme“ erkannt und diagnostiziert: Zwei reale Fälle aus Dr. K.s Gutachter-Praxis sollen die Aufmerksamkeit von Pferdehaltern schärfen, denn sie sind hier als „Erstdiagnostiker“ gefordert – der Zeitpunkt, zu dem endlich der Tierarzt gerufen wird, ist oft schon spät genug!

 

Ein Blick in das Innere des Pferdeherzens
Ellenberger/Baum: Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere, Springer 1977


Das Herz eines Pferdes ist ein anatomisches und physiologisches und funktionelles Wunderwerk, das den Athleten befähigt, seine Leistung zu erbringen – aber es gilt auch als Sitz von Haltung und Courage – von „Beherztheit“ eben und – man kann einem Pferde nur schwerlich nahelegen „nimm dir die Sache nicht so sehr zu Herzen“, wenn ihm ungerecht, quälerisch oder dumm begegnet wird. Eine sprachlich hohle und leere Phrase, die in Mode gekommen ist, lautet „das macht WAS mit einem“ – es ist höchste Zeit, immer nachzufragen, welchen Inhalt dieses WAS hat!! Und immer verbunden mit Frage: Was macht was mit dem Pferde??

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Anatomen haben Gewichte und Maße dieses autonomen, muskulösen, sensiblen Organs erhoben:
Wallache weisen ein durchschnittliches Herz-Gewicht von etwa 3 kg auf, Stuten von 2,80 kg, das relative Herzgewicht (also Herzgewicht in Prozenten des Körpergewichts) beträgt im Durchschnitt 0,78 %; das geringst relative Herzgewicht von nur 0,6 % besitzen die durch ihren massigen Körperbau charakterisierten Kaltblutpferde als Schrittpferde.
Demgegenüber schwankt das relative Herzgewicht bei Halbblutpferden zwischen 0,62 und 0,99 % des Körpergewichts, bei Vollblutpferden erreicht es extreme Werte mit 1,04 % ihres Körpergewichts.
[Quelle: Nickel, Schummer, Seiferle: Lehrbuch der Anatomie der Haustiere III, Parey 1976]

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Es ist für den Autor dieser Zeilen verwunderlich, dass erstaunlich selten bei unseren Pferden „Herzprobleme“ erkannt und diagnostiziert werden – zwei Realfälle sollen die Aufmerksamkeit schärfen, denn „Erstdiagnostiker“ müssen die Pferdehalter selber sein – der Zeitpunkt, zu dem endlich die Medizin bemüht wird, ist oft schon spät genug!

Ein gerichtsanhängiger Fall
Die Klägerin kaufte vom Beklagten auf Grund einer Annonce auf einer Billigplattform die Stute „C“ (Noriker – Quarterhorse Kreuzung) um € 2500.00. Das Pferd war zuvor von der Klägerin und einer beigezogenen Beraterin zur Probe geritten worden, wobei keine Auffälligkeiten zutage getreten sind.

Beim Beklagten war das verfahrensgegenständliche Pferd bereits intensiv als Fahrpferd vor einem Kremser und als Reitpferd genutzt worden und hatte sich durch besondere Ausdauer ausgezeichnet.

Kurze Zeit nach Übergabe des Pferdes an die Klägerin trat „Husten“ auf, dessen Provenienz verschiedenen Ursachen zugeordnet wurde, aber dessen Behandlung im Sinne einer Heilung in den Augen der Klägerin, trotz mehrfacher tierärztlicher Intervention, nicht gelungen ist. Da nach Ansicht der Klägerin das Pferd zum ausbedungenen Gebrauch als Freizeitpferd nicht zu verwenden ist, wird eine Rückabwicklung des Kaufvertrages angestrebt.

Gutachtensauftrag:
– Kann die, von der Klägerin behauptete Erkrankung des Pferdes „C“ in ihrer Wurzel entweder beim Kauf oder bei Übergabe vierzehn Tage später bereits vorhanden gewesen sein?
– Bejahendenfalls möge ausgeführt werden, ob die Erkrankung tatsächlich bereits vorhanden war.

Befunde:

Aus dem Akt: [jeweils zitiert!!]
– (Klage): Die beklagte Partei hat der klagenden Partei ein Pferd verkauft, welches zum bedungenen Gebrauch nicht tauglich und krank ist;

– (Klageerwiderung): Richtig ist am Klagsvorbringen lediglich, dass ich der Klägerin die Noriker – Quarterhorse Stute „C“, als Vierjährige um € 2500.00 verkauft habe. [….] Insbesondere wurde das Pferd intensiv probegeritten…[….] Die Stute befand sich seit ihrer Geburt bei mir, gehalten haben wir das Pferd – wie unsere anderen Pferde – in Offenstallhaltung. Vor rund eineinhalb Jahren begannen wir, mit „C“ Wagen zu fahren, (gemeinsam mit einem älteren erfahrenen Pferd), der Wagen ist ca. 600 kg schwer, Platz finden bis zu 10 Personen, mit „C“ haben wir zum Training bis zu 6 Personen mitgenommen. Wir setzten „C“ regelmäßig – zumindest zweimal in der Woche – zum Wagenfahren ein.

Eingeritten habe ich „C“ im Februar als Dreijährige… und machten in der Folge zwei bis drei Mal pro Woche Ausritte … und zwar pro Ausritt in der Dauer von 2-3 Stunden …. Im Sommer auch erheblich länger.
 

Symbol-Foto Archiv Dr. Kaun/Gestütsparade Ganschow MVP

(….)
Bis zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme mit der Klägerin waren wir mit „C“ ab Jänner mit der jetzt Vierjährigen zumindest zwei Mal pro Woche ausreiten, darüber hinaus war sie zumindest einmal pro Woche als Zugpferd (im Zweispänner-Betrieb; Anm. d.SV) eingespannt.

– Die Klägerin sah sich „C“ zunächst an und ließ sich die Stute dann von mir (dem Beklagten; Anm. d. SV) vorreiten, und zwar zunächst in der Form, dass die Klägerin mit ihrem PKW hinterherfuhr, als ich mit „C“ zu einer 2-3 km entfernten Wiese geritten bin. Das Vorreiten auf dieser Wiese in allen drei Gangarten war von einer Dauer von gut dreiviertel Stunde.
[…..]

Dann machte die Klägerin mit dem Pferd selbst einen Proberitt….
Sie untersuchte das Pferd eingehend (sie erklärte uns auch, dass sie selbst Tierärztin sei, auf den von uns angebotenen Ankaufstest verzichtete sie daher) und erklärte zuletzt nach eingehender Untersuchung des Pferdes, dass sie das Pferd auch noch durch eine Expertin reiten lassen wolle.
(….)

Vereinbarungsgemäß besuchte uns die Klägerin 3-4 Tage nach diesem ersten Termin mit ihrer Expertin…

Wir ritten wie das letzte Mal wieder in raschem Tempo zu der 2-3 km entfernten Wiese. Die Expertin ließ sich „C“ in allen Gangarten ausführlich vorreiten, wieder ca. eine Stunde. Diese Expertin war eine sehr erfahrene Reiterin, die „C“ danach selbst ca. eine halbe Stunde Probe geritten hat. Dieser Proberitt war (…) sehr scharf…
Auch die Expertin untersuchte „C“ eingehend…..
(…..)
Tatsächlich führten wir mit „C“ zwischen Kaufvertragsunterfertigung und Übergabe noch vier längere Ausritte durch.

Einige Zeit nach Übergabe teilte uns die Klägerin mit, dass „C“ huste; entgegen der Zusagen sei „C“ in einem zugigen feuchten Stall gestanden….

– Vorbringen der Klägerin:
Richtig ist, dass die Klägerin vor dem Kauf das Pferd Probe geritten ist und sich dabei keine Mängel gezeigt haben…
(……)

Das Pferd wurde vereinbarungsgemäß vierzehn Tage nach dem Erstkontakt von der Klägerin beim Beklagten abgeholt.

Fünf Tage später hat man mit der Stute den ersten Ausritt unternommen und hat sie dabei erstmals einen trockenen Husten gezeigt. Die Klägerin verabreichte der Stute das schleimlösende Mittel „Sputolysin“

(……) Bereits damals wurde von der Tierärztin ein verschärftes Lungengeräusch festgestellt.  In der Folge wurde das Pferd auf eine Almwirtschaft gestellt; Schleim begann sich zu lösen, ein grauer, zähflüssiger Schleim aus Nüstern, Husten bleibt bestehen.

Die Klägerin konsultierte daraufhin die befreundete Tierärztin Dr. H., welche die Diagnose „Dyspnoe und Hustenanfälle mit Auswurf“ stellte und das Präparat „Dilaterol“ verordnete – es trat jedoch eine Verschlechterung des Zustandes ein. Die deshalb zusätzlich zugezogene Tierärztin Dr. F. verordnete ohne weitere Untersuchung „Prisulfan“ und „Equimucin“, was eine weitere Verschlechterung zur Folge hatte, weshalb nach einer Woche zusätzlich „Ventipulmin“ verabreicht wurde – die Hustenanfälle wurden seltener und traten vornehmlich bei Anstrengung auf. Nach drei Wochen wurde die Medikamente abgesetzt, nach zehn Minuten Bodenarbeit kam es wieder zu trockenen Hustenanfällen.

– Nach weiteren vier Wochen war keine Änderung des Zustandsbildes eingetreten, das Pferd wurde deshalb an die Interne der VetMedUni Vienna gebracht, wo nach einer Endoskopie die Diagnosen RAO (Recurrent Airway Obstruction) Grad 2 und IAD (Inflammatory Airway Disease) gestellt wurden. Es wurde dort auch festgehalten, dass bei den festgestellten Diagnosen keinesfalls von einem akuten Ereignis auszugehen ist, sondern von einer chronischen Erkrankung der Stute.

– Weiters war für die Klägerin im Nachhinein auffällig, dass das Pferd zu Beginn der Übernahme extrem fressgierig war, was jedenfalls auf eine Behandlung mit Cortison zwecks Unterdrückung der Krankheitssymptome hinweist.

Vorbringen des Beklagten:
– Laut Mitteilung der Klägerin dem Beklagten gegenüber seien die Unterbringungsbedingungen während dieser Zeit nicht optimal gewesen.

Symbol-Foto: Archiv Sachverständigenbüro Dr. Kaun


Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen

Die verfahrensgegenständliche Stute „C“: der Vater des nun vierjährigen Pferdes gehörte der Rasse Noriker (Kaltblut) an und war ein schwarz – weißer Schecke, die Mutter, die bereits auf den ewigen Weidegründen weilt, war eine Schimmelstute und zur Hälfte Quarter Horse. (Amerikanische Pferderasse, Warmblut). Es wurde mitgeteilt, dass die nunmehrige Klägerin dem Pferde einen neuen Namen gegeben hatte – Gründe dafür kamen nicht zutage.
Das braune Pferd war in gutem Pflege-, Allgemein – und Ernährungszustand. Nach Angaben der beklagten Partei entsprach der Zustand etwa dem bei der Übergabe.

 

Foto 3: An den Vorderhufen waren auffällige Hufrillen zu erkennen, die vom Saumband ca. 5-6 cm zum Sohlenrand gewachsen waren. Distal der markanten Hufrillen (roter Pfeil) ist das Hufhorn glatt und ohne Rillen.

Foto 4: An den Hinterhufen sind kaum Rillen zu erkennen, hier fällt eine dunklere Verfärbung des Hufhorns ins Auge.

Bei der Untersuchung des Pferdes wurden folgende Befunde erhoben:

 

 

Befund: Kein Pulsdefizit, sowohl Ruhe-, wie auch Belastungswerte von Puls und Atmung im unteren bzw. sehr niedrigen Bereich. Der Ruhe- Herzblock (Aussetzen einzelner Herzaktionen) löste sich bei Belastung auf.  Insgesamt deutet der Vital-Check auf ein gut trainiertes Pferd mit einer Herzmuskelhypertrophie hin – einem Sportlerherzen!
Hufrillen an den Vorderhufen lassen eine zeitliche Zuordnung zur Übergabe zu.

Das Pferd war – wie aufgetragen- seit dem Vorabend in seiner Box aufgestallt gewesen; es war sehr lebhaft, speziell an der Longe war starker Bewegungsdrang mit „Buckeln“ feststellbar (Stallmut).
Die Stute war lebhaft, aufmerksam und wirkte rein äußerlich gesund.

Ergänzende informative Befragung durch den SV    

Klägerin:
– Sie ist zwar Tierärztin, führte aber beim Kauf keinerlei medizinische Untersuchungen durch;
– Sie ritt das Pferd etwa 15-20 Minuten zur Probe und machte anschließend eine Besichtigung und Überprüfung nach hippologischen Kriterien;
– Diese Feststellung trifft auch für die „Expertin“ zu;
– Ab dem 17.6. war das Pferd zur Angewöhnung bis zum 22.6. in einer Box und hatte Freilauf;
– Fütterung erfolgte mit Heu und Mineralstoffen;
– Der erste Ausritt dauerte etwa 1 ½ Stunden;
– Die Tierärztinnen H. und F. führten jeweils Lungen bezogene Untersuchungen durch, Dr. H. überprüfte das Pferd nicht nach Belastung; beide Tierärztinnen stellten keine klare Diagnose;
– Blutbild oder EKG wurden nicht angefertigt.
– In der Folge wurde das Pferd zweimal pro Woche 30 Minuten an der Longe bewegt und war sonst nur auf der Koppel.
– Im 1.Stall wurde das Pferd in einer Box (3 x 3 m) kombiniert mit Paddock (3 x 3 m) gehalten, dort war das Pferd vier Wochen lang;
– Im zweiten Stall verfügte das Pferd über eine Außen-Box und Koppelgang; dort war das Pferd für zwei Monate;
– Der Tierärztin H. wurde die Stute zum ersten Mal 14 Tage nach Übernahme vorgestellt.
– Auf Vorhalt durch den SV zu dem im Befund der Vetmeduni Vienna ermittelten niedrigen Ruhepulses von 28 pro Minute gab die Klägerin zu bedenken, dass dieser Wert erhoben worden sein könnte, als das Pferd bereits zur Endoskopie sediert war. (Siehe dazu später; Anm. d. SV)

Beklagte Partei:
– Vater der Stute: Noriker-Hengst, schwarz- weißer Schecke
– Mutter der Stute: Quarter Horse (zur Häfte), Schimmel
– Das Einfahren am Kremser erfolgte zweispännig und wurde knapp dreijährig begonnen. Die verfahrensgegenständliche Stute ging dabei immer als Sattelpferd (links), weil sie im Verkehr verlässlich war;
– Eingeritten wurde das Pferd mit dreieinhalb Jahren.
– Die Stute war bis zum Verkauf an die Klägerin (dauerhaft) in keiner Box und hatte immer großzügigen Auslauf.
– Seitens der klagenden Partei wurde der Klägerin eine Ankaufsuntersuchung angeboten, was diese mit Hinweis auf ihren Beruf abgelehnt hat.


Am Tag nach der Befundaufnahme traf im SV Büro per Mail ein Schreiben der Klägerin ein, indem sie den SV ersuchte, mit der Erstattung des schriftlichen Gutachtens zuzuwarten, weil sie der beklagten Partei einen Vergleich anzubieten beabsichtigt.

Der SV antwortete der Klägerin per Mail, dass der Gutachtensauftrag nur vom Gericht widerrufen bzw. gestoppt werden könne und er aus Unparteilichkeitsgründen keinen privaten Schriftverkehr führen könne.

Zum Schreiben der Klägerin wird außerdem expressis verbis festgehalten, dass der SV regelmäßig im Rahmen der ergänzenden informativen Befragung – als Teil der Befundaufnahme – den Parteien großen Spielraum für zweckdienliche Vorbringen lässt. Naturgemäß stellt der SV alle jene Fragen, deren Antwort er zur Erstattung des Gutachtens als Befund benötigt. Es ist jedoch nicht möglich, jede denkmögliche Frage zu stellen. Zudem sind die Parteien anlässlich der Befundaufnahme regelmäßig von ihren rechtsfreundlichen Vertreten (wie auch im vorliegenden Falle) begleitet und erging auch vorliegend dreimal die Frage an die Rechtsvertretung beider Parteien, ob zusätzliche Fakten in die Befunde einfließen sollen.
 


Anfrage des SV an die Vetmeduni Vienna:

Um die Bedenken der Klägerin anlässlich der Befundaufnahme bzw. ergänzenden informativen Befragung zu klären, frug der SV per Mail am an der Internen für Pferde an, unter welchen Umständen der Pulswert von 28 pro Minute erhoben worden ist.

Eine Antwort ist bis zur Fertigstellung des Gutachtens und auch später nicht eingelangt.
Aus sachverständiger Sicht wird angemerkt, dass lege artis eine klinische Allgemeinuntersuchung nie in Sedierung erfolgt!


Sachverständige Analyse

Das Pferd „C“/ nunmehr neuer Name „P“: Die Klägerin gab der Stute grundlos einen neuen Namen – dieser Unfug, der meist in irgendwelchen Kleinkinder-Träumen fußt, ist aus hippologischer Sicht abzulehnen, weil der Name Teil der Identität ist – dies ist für das Pferd verstörend, insbesondere wenn der „neue Name“ ein völlig anderes Klangbild aufweist als der bisher Gewohnte!

Ein Noriker – Vater des verfahrensgegenständlichen Pferdes – ist ein kräftiges, ausdauerndes Kaltblutpferd, in der Regel gutmütig, manchmal etwas stur.

Auf Mutterseite stammt die Stute von einem Quarterhorse – Mischling ab. Das amerikanische Quarterhorse ist zahlenmäßig die häufigste Pferderasse der Welt, gut bemuskelt, gutmütig und in der Regel leicht trainierbar. Der Name leitet sich daher ab, dass in den frühen Siedlerzeiten „Quarter of a mile Races“ sehr beliebt waren und diese Pferde über „one quarter of a mile“ (ca. 400 m) extrem schnelle Zeiten erzielten.

Aus der Kreuzung eines schwarz – weißen Schecken mit einer Schimmelstute entsprang eine braune Stute mit nur wenigen weißen Abzeichen und „grünen Beinen“.
Bei beiden Rassen ist üblich, dass sie mit gut 3 Jahren angeritten werden, das Einfahren vor dem Wagen ist beim Noriker ebenfalls mit drei Jahren üblich, Quarters werden hauptsächlich geritten.

Auf Grund der enormen Muskelkapazität beider Ursprungsrassen entstand auch mit „C“/ („neu P“) ein kräftiges und muskulöses Pferd. Das von der beklagten Partei geschilderte Aufbautraining an der Deichsel macht einen durchdachten und solide geplanten Eindruck, auf Grund dessen zum Zeitpunkt des Kaufes bzw. der Übergabe zu erwarten und zu erkennen war, dass dieses Pferd sowohl in Hinblick auf Kraft wie auch auf Ausdauer sehr gut aufgebaut war.

Davon überzeugten sich die Klägerin und ihre „Expertin“ durch Beobachtung des Pferdes auf dem 2-3 km langen Weg zu einer Wiese, auf der dann auch der Proberitt in allen drei Gangarten erfolgte, nachdem der Beklagte zur Demonstration zuvor das Pferd vorgeritten hatte. Die Klägerin spricht von einem Zeitaufwand von 15 – 20 Minuten für die Proberitte, der Kläger von einer Stunde in scharfem Tempo.

Fest steht, dass beide Proberitte sowie die anschließende hippologische Musterung zur Zufriedenheit der Klägerin ausgefallen sind, weil sie anschließend ohne Einschränkungen dem Kauf nähergetreten ist.

Bei der Befundaufnahme hat die Klägerin mitgeteilt, einmal eine recht gute Reiterin gewesen zu sein, jedoch nach langer, durch Studium und Mutterschaft erzwungener Pause an reiterlicher Erfahrung verloren zu haben.

Nicht nachvollziehbar ist der Umstand, dass die Klägerin das Pferd nicht einer medizinischen Überprüfung unterzogen hat. Die einfache Erhebung klinischer Parameter war auf Grund ihres Berufes zumutbar, auch wenn sie im tierärztlichen Beruf kleine Haustiere betreut. Das Angebot, eine Ankaufsuntersuchung durch einen dritten Tierarzt durchführen zu lassen, schlug sie aus. Ein niedriger Ruhepuls hätte bereits zu diesem Zeitpunkt ein wichtiger Indikator für einen hohen Trainingsstatus des Pferdes sein können.

Grundlegende Auffassungsunterschiede als Ursache für die spätere Entwicklung des Falles scheinen darüber bestanden zu haben, welcher Zeitaufwand für die Haltung eines – gut auftrainierten – Pferdes zu veranschlagen ist. Dies scheint jedenfalls „Thema“ bei der Besichtigung des Pferdes gewesen zu sein.

Ein Pferd, das in der geschilderten Form „auf-trainiert“ ist, benötigt, um physisch und psychisch gesund zu bleiben, ein hohes Maß an täglicher Arbeit – Koppel- oder Weidegang alleine oder kurzer Beritt auf einem Viereck reichen hier nicht mehr aus – Steh-Tage sind aus gesundheitlichen Gründen verboten.

Wird ein auf-trainiertes Pferd plötzlich aus seinem gewohnten Bewegungsmaß genommen, kommt es unweigerlich zunächst zu funktionellen und psychischen Problemen seitens des vegetativen Nervensystems, die sich dann in organischen Funktionsstörungen – speziell am „Ausdauerorgan Herz-Lungensystem“ äußern. Darauf wird im nächsten Punkt näher eingegangen.

Zu beachten ist speziell im Zeitraum ab dem 17.6., dass – für 6 bis 12 Wochen – die psychische Belastung durch Verlust der gewohnten Umgebung und Pferdeherde, Standortwechsel und Klimawechsel, Eingliederung in eine neue Herde (und unbotmäßiger Änderung des Namens als Teil der Identität eines Pferdes) usw. sehr groß ist und das Abwehrsystem negativ und überfordernd  beeinflusst wurde.

Dieser Umstand findet seinen Niederschlag an der Glasurschicht der Hufe, auf denen an den Vorderextremitäten des verfahrensgegenständlichen Pferdes deutliche und markante „Hufrillen“ erkennbar sind, die (bei einem Hufwachstum von etwa 5 – 7 mm pro Monat) klar dem Zeitraum von Kauf und Übergabe zuzuordnen sind.

Unterhalb der Hufrillen an den Vorderhufen und an den Hinterhufen sind keine Hufrillen zu erkennen, was für eine problemlose und gesunde Zeit davor spricht.

Dass die Hufrillen deutlich nur an den Vorderhufen ausgeprägt sind, liegt darin begründet, dass die Energiebahnen „Herzmeridian“ und „Lungenmeridian“ fast parallel (weil funktionell untrennbar miteinander verbunden) dort verlaufen.

Dr. Reinhard Kaun: Das Meridiansystem des Pferdes, Poster, Eigenverlag 1993

Im Falle einer schweren Allgemeinerkrankung wären Hufrillen an allen 4 Hufen nachweisbar.

Die von der klagenden Partei vorgebrachte Vermutung, dass auf Grund einer „extremen Fressgier“ davon ausgegangen werden könne, dass das Pferd zur Unterdrückung klinischer Symptome unter „einer Behandlung mit Cortison“ gestanden habe, ist unbewiesen und wurde (z.B. durch Blut- oder Haaranalyse) nicht überprüft. Es ist bei Hunden und Katzen der Fresslust fördernde Effekt von Cortison gut bekannt, eine ähnliche Wirkung wurde beim Pferde jedoch nicht beobachtet.  
 
Festzuhalten ist zu diesem Punkt abschließend, dass das Pferd seit der nun gerichtsanhängigen Episode eine lange Behandlungsgeschichte aufweist, ohne tatsächlich krank gewesen zu sein!  Bei sämtlichen Betrachtungen die in Zukunft in gesundheitlicher Sicht zu diesem Pferde angestellt werden, ist davon auszugehen, dass das verfahrensgegenständliche Pferd in seiner Beschaffenheit nicht mehr 1:1 dem Tag des Kaufes bzw. der Übergabe entspricht.

 

Die (vermeintliche) „Erkrankung“ des Pferdes und die Rolle der behandelnden Tierärzte:
Aus den Schilderungen der beklagten Partei ist der Schluss zu ziehen, dass das verfahrensgegenständliche Pferd ab Februar 20XX unter dem Sattel und später an der Deichsel systematisch in Bezug auf Kraft- und Ausdauertraining gearbeitet worden ist und ab Jänner 20XX das Pferd „zumindest zwei Mal pro Woche ausreiten und darüber hinaus zumindest einmal pro Woche als Zugpferd eingespannt war“.  Die Ausritte werden mit 2-3 Stunden Dauer angegeben, im Geschirr wird eine kontinuierliche Steigerung der Zugleistung durch Erhöhung der Personenzahl am Wagen angeführt.

Dieses Aufbautraining zeigte seinen Erfolg auch bei den Proberitten, wo das Pferd
– den Weg zur Wiese
– das Vorreiten durch den Beklagten
– den Proberitt durch die Klägerin bzw. deren Expertin
und den Weg zurück offenkundig ermüdungsfrei bewältigte.

Guter Trainingszustand bewirkt eine bessere Belastungsfähig des Herz- Kreislauf – Lungensystems, mit dem Erfolg, dass die Herzschlag- (und Puls-) Frequenz sowie die Atemfrequenz (pro Minute) sowohl in der Ruhe wie auch unter Belastung sinkt, weil die Pumpkapazität des Herzens und das Herzminutenvolumen durch Ausdauertraining steigt.
Hätte die Klägerin und die konsultierten Tierärztinnen auch nur eine minimale Herz-Kreislaufuntersuchung vorgenommen, wäre ihnen vermutlich dieser Umstand aufgefallen. Sehr wohl wird aber anlässlich der Untersuchung an der Vetmeduni Vienna der Wert von „28“ für Pulsschläge pro Minute sowie „16“ für Atemzüge pro Minute festgehalten. Die Werte sind als relative Ruhewerte (fremde Umgebung, unbekanntes Personal) zu interpretieren, es ist anzunehmen, dass die absoluten Ruhewerte (stressfreie, ruhige und gewohnte Umgebung) noch niedriger waren.
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Als Normwerte dienen
Puls  28 – 40/min  Atmung 10-14/min
(Jaksch/Glawischnig: Klinische Propädeutik, 1976, Parey

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Da das Herz-Kreislauf – und das Lungensystem untrennbar über den (kleinen)Lungenkreislauf miteinander direkt verbunden sind, ist lege artis bei jedem „Lungenverdacht“ auch eine grundlegende Herz-Kreislaufuntersuchung vorzunehmen – nur so kann man einem (häufigen) sogenannten „Herzhusten“ auf die Spur kommen,
dazu zählen:
– Ruhepuls/-atmung
– Belastungspuls/-atmung
– Beruhigungspuls/-atmung
– Überprüfung der Farbe der Lidbindehäute
– Überprüfung der Farbe der Nasenschleimhaut
– Überprüfung der Farbe der Mundschleimhaut
– Überprüfung der Kapillarfüllungszeit
– Überprüfung der Venenstauprobe
– Auskultation des Herzens auf beiden Seiten
– Untersuchung des Pferdes in Ruhe und nach Belastung

Diese Untersuchungen sind ohne besondere Hilfsmittel schnell und problemlos im Stall und am Reitplatz durchführbar.

Sollte sich – wie vorliegend – auf Grund einer Therapieresistenz eine vertiefende Untersuchung aufzwingen, so wären die nächsten sinnvollen Schritte
– Untersuchung des Hämatokrit-Wertes (Fließeigenschaften des Blutes)
– Leistungsblutbild
– EKG.

Die bei der Befundaufnahme durch den bestellten SV erhobenen Befunde sind oben dargestellt und können in der Weise interpretiert werden, dass sich der Pferde-Körper auf die veränderten Haltungs- und Bewegungsbedingungen mittlerweile eingestellt hat, der gute Trainingszustand ansatzweise erhalten geblieben ist (Ruhe-, Belastungspuls), aber der Herzmuskel bei erhaltener Hypertrophie (Akzentuierung des 2. HT)  doch empfindlich reagiert (beschleunigte Venenstauprobe in Ruhe).

Diese - möglicherweise als ausschweifend empfundene - bisherige Darstellung der physiologischen Situation ist notwendig, um verstehen zu können, welche Folgen der, nach Übergabe vollzogene Standortwechsel des Pferdes neben dem gesamten Spektrum der Umwelt- und Sozialveränderungen im System des Pferdekörpers ausgelöst hat.
Das bisher im Sinne eines Leistungssportlers über eineinhalb Jahre arbeitende Pferd wurde plötzlich zum Müßiggänger-Tum mit etwas Koppelgang und gelegentlichem leichtem, nicht forderndem Beritt reduziert und hatte zunächst tagelang keine „Arbeit“ – vermutlich bei gleicher Fütterung.

Infolge der dadurch entstehenden Druckbelastung im Herz-Kreislaufsystem auf der Basis der Arbeitshypertrophie des Herzmuskels entstand eine funktionelle Störung in der von vorne herein schwächeren Muskulatur des rechten Herzens und in deren Folge eine venöse Lungenstauung mit inspiratorischer oder gemischter Dyspnoe (Atemstörung) – die Folge waren Husten und Erhöhung der (Ruhe-)Atemfrequenz.

Dieses Phänomen ist jedem Veterinärmediziner, der mit Sportpferden zu tun hat, bekannt, wenn nämlich ein auf-trainiertes Pferd eine unfreiwillige, meist verletzungsbedingte Wettkampfpause einlegen muss, ohne „abtrainiert“ worden zu sein. Für das „Ab-Trainieren“ ist nämlich erfahrungsgemäß eine Zeitspanne von etwa drei Wochen einzuplanen.  Geschieht dies nicht, kann eine Reihe von Konsequenzen eintreten: venöse Stauung in der Lunge mit Einengung von Lungenbläschen und kleinsten luftführenden Gängen, Ermüdung des Herzens im Sinne einer Insuffizienz oder auch Klappenfehler. Aus der Herzmuskelhypertrophie wird dann mit einer Zeit eine Dilatation (Erweiterung mit Erschlaffung) – der erste Herzton wird akzentuiert!

Es liegt im Lichte der bisherigen Ausführungen nahe, dass eine ursächliche Behandlung dieser Funktionsstörung durch Weiterführung der Bewegungsintensität, Förderung der Fließeigenschaften des Blutes und in einer Unterstützung des Herzens ansetzen muss.

Folgt man der Chronik dieses Falles, so ist Husten das erste Mal kurz nach der Übergabe aufgetreten. Die in der Folge beigezogenen Tierärztin hat das Pferd wenig später untersucht und „bei der klinischen Untersuchung keinerlei Auffälligkeiten“ gefunden, ja sie hat in der Folge das Pferd sogar gegen Pferdegrippe und Tetanus geimpft, was nur bei absolut gesunden Pferden zulässig ist.

Dennoch riet sie zur Verabreichung von Sputolysin ©, einem Präparat zur Verflüssigung von Schleim. Ein anhaltender Erfolg war – nach vorübergehender kurzer Besserung – nicht zu verzeichnen.

Bei der Nachkontrolle acht Tage später war Husten und Schwer-Atmigkeit vorhanden, woraufhin das Medikament Dilaterol © zum Einsatz kam. Dieses Präparat hat zwar eine cardioprotektive Wirkung, allerdings bei Hochdruck, stabiler Angina pectoris und chronischen Herzfehlern des Menschen – vorliegend war es kontraindiziert, weil eine Reihe von unerwünschten Begleiterscheinungen zu erwarten waren und es bei unkontrollierten Herzproblemen, COPD und Asthma ein Verabreichungsverbot (laut Beipack-Text) gibt.
Nach Auskunft der Klägerin hat sich der Husten aber nie gebessert;
festzuhalten ist, dass eine Diagnose als Behandlungsgrundlage nicht nachvollziehbar ist.

Die wenige Tage später wurde dann eine weitere Tierärztin beigezogen, die ebenfalls keine Diagnose stellte, sondern nur Befunde erhob, die sich auf den Atmungstrakt bezogen.
Auf ihre Initiative geht der Einsatz folgender Arzneimittel zurück:
Equimucin © zur Verminderung der Zähigkeit von Bronchialschleim bei COPD. Es wird in der Produktinformation auf mögliche Überempfindlichkeitsreaktionen hingewiesen.
Prisulfan 400 mg Granulat© wird zur Behandlung von dafür empfindlichen Mikroorganismen eingesetzt.  In der Produktinformation wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vor dem Einsatz eine Empfindlichkeitsbestimmung der Erreger erfolgen sollte und dass eine Therapieumstellung erfolgen muss, wenn nach maximal drei Behandlungstagen kein durchgreifender Erfolg zu erkennen ist.

Obwohl nach einer Woche nur „eine leichte Verbesserung“ zu verzeichnen war, wurde die Therapie mit diesem Präparat auf insgesamt drei Wochen ausgedehnt. Wie sich bei der späteren Erregertypisierung und Resistenzbestimmung   an der Vetmeduni Vienna zeigen sollte, war zumindest einer der beiden, in geringgradigem Maße vorhandenen Erreger, die aus der Lavage (Spülflüssigkeit) isoliert werden konnten, gegen Prisulfan© resistent.
Ventipulmin Granulat© ist ein Bronchienerweiterer, der Wirkstoff Clenbuterol bewirkt u.a. eine Hemmung der antigeninduzierten Histaminfreisetzung, was in diesem Zusammenhang dem Immunstatus nicht förderlich ist. Als Indikation wird wieder u.a. COPD angeführt. In der Produktbeschreibung wird unter unerwünschten Nebenwirkungen die Senkung des Blutdruckes und Schwankungen in der Herzfrequenz angeführt, es wird zudem auf die gefährlichen Konsequenzen einer gleichzeitigen Glukocorticoid – Verabreichung hingewiesen.

Als das verfahrensgegenständliche Pferd schlussendlich an die Pferdeklinik der Veterinärmedizinischen Universität kam, wurden dort folgende Diagnosen gestellt:
RAO Recurrent Airway Obstruction = rezidivierende Atemwegsobstruktion; frühere Bezeichnung: COPD = chronic obstructive pulmonary disease.

Es hat sich – weil für modern und fortschrittlich erachtet – ein gewisser Amerikanismus bzw. Anglizismus bei der Bezeichnung von Erkrankungen eingebürgert, unterstützt vermutlich dadurch, dass moderne und junge Mediziner der lateinischen Sprache nicht mehr mächtig sind.
Die Diagnose RAO kann – wie der Terminus mit seinem „recurrent“ ausdrückt – mit einer einzigen Untersuchung nicht seriös gestellt werden, weil hierbei der definitionsgemäß reproduzierbare Wechsel von Exazerbation (schimmeliges Heu oder Stroh) und Symptomfreiheit nicht nachweisbar ist.
[Quelle: Dietz, Huskamp: Handbuch der Pferdepraxis,3. Auflage 2005, Enke]
 
Diese Diagnose wurde offensichtlich lediglich auf Grund des Vorberichts und der Endoskopie gestellt.

IAD Inflammatory Airway Disease
Diese Diagnose ist über den endoskopischen Nachweis vermehrten Tracheobronchialsekrets und dessen zytologische Untersuchung definiert. Bronchospasmen liegen nicht vor.  Ätiologisch und pathogenetisch ist über Ursache und Auslösung nichts bekannt. Staubbelastung wird als Auslöser vermutet.

Zu einer möglichen Verbindung zwischen RAO und IAD liegen keine Erkenntnisse vor.
[Quelle: Dietz, Huskamp: Handbuch der Pferdepraxis,3. Auflage 2005, Enke]

Als die Diagnose unterstützend mögen die im Trachealsekret in geringgradiger Menge gefundenen Erreger Actinobacillus equuli und alpha-hämolysierende Streptokokken, sowie vereinzelt Schimmelpilze erachtet worden sein.  Beide „Erreger“ gehören zur Normal-Flora der Maulhöhle von Pferden und vagabundieren ubiquitär.

Als die von der Veterinärmedizinischen Universität angeratene medikamentelle Therapie mit Ventiplus© (= Clenbuterol) und Prednisolon© (siehe zu den Gefahren weiter oben!) durch einen erfahrenen Fachtierarzt für Pferde und Pferdesporttierarzt im Auftrag der Klägerin  in Angriff genommen werden sollte, erkannte dieser das damit verbundene Risiko und wählte zum therapeutischen Prozedere neben dem Cortisonpräparat Prednisolon © die Verabreichung des Antibioticums  Serocillin©, ein Präparat, auf das beide vorher erwähnten Erreger auch empfindlich waren.

Festzuhalten ist jedoch, dass bereits zu Behandlungsbeginn weder Atemstörung noch Spontanhusten verzeichnet werden konnten, lediglich ein geringgradiger seröser Nasenausfluss – welcher als normal anzusehen ist - wird berichtet. (Die vornehmste Aufgabe einer Schleimhaut ist es, Schleim zu produzieren!)

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass als das wahre gesundheitliche Problem des verfahrensgegenständlichen Pferdes in erster Linie durch abruptes Bewegungsdefizit - im Sinne von plötzlich verminderter Arbeitsleistung  nach  der Übernahme, verbunden mit Wechsel der Standortes, des Klimas und des sozialen Umfeldes - zu einer funktionellen Störung des rechten Herzens verbunden mit respiratorischen Symptomen geführt hat.

Die durchgeführte Diagnostik ist als Defizit behaftet anzusehen, keine oder vordergründige Diagnosen, die unter dem Motto „Variationen über ein Thema“ zusammengefasst werden können, waren die Behandlungsgrundlagen.

Sämtliche Atemweg-bezogene Therapien blieben wirkungslos.

Zum Zeitpunkt der Befundaufnahme durch den bestellten Sachverständigen war das Pferd ein halbes Jahr unter den „neuen“ Bedingungen der Klägerin gehalten. Es hat den Anschein, als ob das Pferd im Sinne der Anpassung sich an die nunmehrigen Bedingungen gewöhnt hat. Dennoch war auch zu diesem Zeitpunkt festzustellen, dass die, für die Befundaufnahme aufgetragene Boxenruhe für nur einige Stunden beim Pferde erheblichen „Stallmut“ aufgestaut hatte.
Ob das Pferd die Episode ab seiner Übernahme bis zum aktuellen Zeitpunkt ohne Folgeerscheinungen überstanden hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, die Anzeichen hierfür sind aber vielversprechend.

 

Gutachten

Gutachtensauftrag: Kann die von der Klägerin behauptete Erkrankung des Pferdes „C“ in ihrer Wurzel entweder beim Kauf oder bei der Übergabe bereits vorhanden gewesen sein?

Gutachten:
Aus sachverständiger Sicht war eine „Erkrankung“ des Pferdes – per se oder in ihrer Wurzel zum Zeitpunkt des Kaufes bzw. der Übergabe mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden.
Guter Trainingszustand und ein damit verbundenes „Sportlerherz“ mit all seinen Konsequenzen haben keinen Krankheitswert.
Beweisend für diese Darstellung ist in hohem Maße die Geschichte des Pferdes vor der Übergabe und das Versagen jedweder Lungen-spezifischen Therapie.

Gutachtensauftrag: Bejahendenfalls möge ausgeführt werden, ob die Erkrankung tatsächlich bereits vorhanden war.

Gutachten:
Es wurde zunächst keine Diagnose > Erkrankung definiert. Die gestellten Diagnosen RAO + IAD sind aus fachlicher Sicht nicht schlüssig, weil einerseits die Bezeichnung „recurrent“ eine mehrmalige Untersuchung über einen längeren Zeitraum voraussetzt und anderseits die Entzündungsparameter in Hinblick auf das Symptomenbild keine nachvollziehbare Kongruenz aufweisen.

 

 
Als Computer, Internet und Email ihren Einzug in meine tierärztliche Praxis und mein Sachverständigenbüro hielten – Postsendungen, Telefon und Telefax in den Hintergrund traten, begann ich sehr früh, ziemlich regelmäßig Lehrbriefe als „Newsletter“ an einen großen Kreis von Interessierten zu versenden, die wichtige Themen zur Pferdegesundheit enthielten, meist aus aktuellem Anlass von Patienten in meinem Pferdespital PRO EQUO oder meiner ambulanten Praxis.

Großes – positives – Echo rief der Newsletter mit dem Titel „Der Schmerz ums Herz“ hervor – jahrelang blieben Pferdeleute, denen dieser Aufsatz geholfen hatte, mit mir in Kontakt, Pferdeleute aus Österreich, der Schweiz, aus Deutschland und in Italien.

 

Das typische „Herzgesicht“: verkniffenes, faltiges Mündchen, mürrischer Ausdruck, eingezogene bzw. geblähte Nüstern.

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Pferdespital  PRO EQUO
Univ. Lektor VetR. Mag. Dr. med. vet. Reinhard Kaun
Fachtierarzt für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin
Fachtierarzt für Pferdeheilkunde
A 4813 Altmünster, Kalvarienbergweg 40
www.pferd.co.at / tierarztdr.kaun@aon.at
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PRO EQUO – Newsletter November 2004
Der Schmerz ums Herz

Im Frühjahr dieses Jahres brachte Martina ihren Wallach in mein Pferdespital, weil das Pferd an der Hinterhand seit geraumer Zeit lahmte und vermehrt vorne vielfach stolperte. Der 12 Jährige war von einigen Tierärzten bereits behandelt worden, unter anderem hatte ein Akupunkteur mehrere Rückenbehandlungen ohne jeden Erfolg durchgeführt. Eine richtige Diagnose war nie gestellt worden, sondern es wurde immer bei Vermutungen belassen.

Bei der Untersuchung des Pferdes zeigte sich ein geradezu katastrophaler Beschlags-Zustand, der dem Pferd mit großer Sicherheit Dauerschmerzen verursacht hatte. Auffällig war auch ein erschöpfter Ausdruck im Gesicht des Pferdes sowie eine verkniffene, kleine Maulspalte. Insgesamt wirkte das Pferd missmutig, lustlos und älter, als es tatsächlich (verbrieft) war.

Die klinische und energetische Untersuchung wurde durch Blutuntersuchung und das EKG untermauert: die Diagnose „mittelgradige cardiale Insuffizienz“ (Herzschwäche) wurde gestellt.
Das therapeutische Konzept sah parallel mit dem Beginn der Herzbehandlung eine Korrektur des Hufbeschlages durch einen verlässlichen Huf-Schmied vor, korrektes „Hinstellen“ nach den Prinzipien der Schmiedekunst genügte, Firlefanz war unnötig.

Der Wallach wurde nach einer Woche gezielter Herzbehandlung aus dem Spital entlassen, Stolpern und Hinterhand-Lahmheit waren ohne zusätzliche Lahmheitsbehandlung verschwunden und nicht mehr aufgetreten. Der Wallach wirkte bei den Nachkontrollen „jünger“, voller Bewegungslust und seine Reiterin bestätigte, dass er seit der Behandlung und Beschlags-Korrektur so gut geht wie nie zuvor.

Unterbauch-Ödem – ein Hinweis auf Herzschwäche

Latente Herzschwächen sind bei Pferden sehr verbreitet und treten unabhängig von Alter und Verwendungszweck auf. In manchen Fällen lässt sich eine definierbare „Überforderung“ nachweisen, die jedoch nicht zwingend mit hohem Tempo verbunden sein muss, sondern auch durch „Zurückhalten“ z.B. beim Reiten in Umzügen oder Prozessionen ausgelöst werden kann: ein Pferd, das gewohnt ist, einen „guten Siebener-Schritt“ (7 km/h) zu gehen, baut und regt sich auf, wenn es mit 3 -4 km/h hinter der Blasmusik oder Goldhauben-Gruppe dahinschleichen soll.  
 Andere oder zusätzliche wichtige Ursachen konnte ich in meiner langjährigen Praxis als folgende Faktoren feststellen:

– Bluteindickung infolge zu geringer Wasseraufnahme
(Polyglobulie, Hämatokritwert über 42 %)
– Psychische Überforderung: Dauerschmerzen durch Krankheit, Hufbeschlag, Sattel usw.; Abverlangen von Leistungen, die Angst hervorrufen; grober Umgang bei der Sportausübung; Transporte; Mobbing in der Offenstallhaltung; Dauerstress durch Boxennachbarn; Dauerstress durch zu geringe Ruhephasen; schweres Trauma usw.
– Körperliche Überforderung: zu hohe Belastung in jungen Jahren, schlechtes oder falsches Training; zu hohe Wettbewerbsanforderungen; klimatischer Stress; Transportstress; falsche Zäumung: zu enger Nasen – oder Sperr-Riemen (O2-Mangel); schweres körperliches Trauma (z.B. Unfall)
– zu hohes Körpergewicht
– zu eiweißreiche Fütterung z.B. „wenn der Hafer sticht!“
– Eisen- und Magnesium – Mangel
– Und: alle Emotionen, die auch einem Menschen „zu Herzen“ gehen: Trauer, Trennungsschmerz, Wut, Aggression, Überforderung, ungerechte Behandlung…..

Die Diagnostik der gering- bis mittelgradigen cardialen Insuffizienz ist deshalb so schwierig, weil das Erscheinungsbild sehr vielfältig sein kann und von Veterinären viel Erfahrung verlangt, die kaum aus Lehrbüchern zu erlangen ist – sportmedizinische und hippologische Erfahrung ist gefordert!
 Die auftretenden Symptome lassen nicht immer sofort an ein Herzproblem denken, Husten als ein Kardinalsymptom lenkt die Aufmerksamkeit auf die Lungen. Bei den nachfolgend aufgelisteten Zustandsbildern sollte aber zumindest an „Herzschwäche“ gedacht werden:

– Husten-Stöße beim Anziehen des Sattelgurts, beim Aufsitzen und Antraben
– Angelaufene Beine, die nach Bewegung klar werden.
– Unwilligkeit, Boxengrant, leichte Erregbarkeit, Fahrigkeit
– Wegdrehen und Zurückbeißen beim Satteln und Aufsitzen
– Unmotiviertes „Heißwerden“ , bis zum Durchgehen
– Triebigkeit
– vermehrtes Stolpern besonders Vorne
– Wesensveränderung
– „verkniffenes“ Mündchen
– Nachschwitzen1-2 Stunden nach Rückkehr in die Box
– absoluter Ruhepuls über 48 / Min.
– Wertumkehr nach Belastung: Atemfrequenz höher als Herzfrequenz
– und Husten meist trocken, manchmal tonlos.


Wie vor Beginn jeder Therapie muss auch bei der Herzschwäche eine klare Diagnose am Anfang stehen.
 Erst dann kann ein sinnvolles Therapiekonzept erstellt werden:

– Abstellen der vermutlichen Ursache(n): Schmerzen, Überforderung, Dauerstress, Fütterungsfehler, zu geringe Wasseraufnahme usw.
– Abstellen von Zäumungs-, Sattelungs- und Beschirrungsfehlern
– Herstellen der körperlichen Regulationsfähigkeit (Hämatokrit auf
       38 %, volle O2 – Kapazität ermöglichen, Mangelbehebung in der Fütterung)
– Medikamentöse Einstellung: in leichten Fällen genügen häufig
pflanzliche oder homöopathische Therapeutika, das „gute, alte Digitalis“ gehört noch längst nicht auf den Müll, auch wenn die junge Kollegenschaft kopfschüttelnd und spöttisch lächelnd dieser Ansicht ist.
– Gezielte Bewegungsprogramme unter ständiger PAT-Kontrolle: das Herz ist ein trainierbarer Muskel!


Eine Herztherapie ist in der Regel weder kostspielig noch aussichtslos, ganz im Gegenteil: über 90 % der Patienten kehren wieder zur gewünschten Leistungsfähigkeit zurück. Die Dauer der medikamentösen Unterstützung ist unterschiedlich lang. Eine große Zahl von – insbesondere jungen – Pferden kann völlig geheilt werden, ältere Pferde benötigen die Herzmedikamente manchmal ein Leben lang, was bei Wettbewerben eine unerlaubte Medikation darstellt.

Es ist Tierquälerei, ein Pferd mit Herzinsuffizienz nicht behandeln zu lassen, denn neben den körperlichen Einschränkungen lebt das Pferd in der ständigen Angst vor Überforderung – beklemmende Angst ist die dominierende Empfindung eines Herzpatienten.

Mein Rat:  
– Beachten Sie neu auftretende „Erscheinungen“ wie Husten, Stolpern, Missmut.
– Lernen Sie, im Gesicht Ihres Pferdes zu lesen
– Lernen Sie, Wesensveränderungen zu hinterfragen
– Lassen Sie nicht wertvolle Zeit verstreichen, bevor Sie erfahrene Fachleute beiziehen
– Gehen Sie zum „Schmied“ und nicht zum „Schmiedl“
– Lassen Sie die Finger von „guten Ratschlägen“: der Boxen-Nachbarn, selbst ernannten „Experten“ und „Heilern“.


Altmünster im November 2004 – Pro Equo News


Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zur Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die,  von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!

 

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