An den Tod – gleich ob bei einem Menschen oder einem Pferd – gewöhnt man sich nie, aber man kann sich auf diese Begegnung mental vorbereiten und lernen, ihm mit gefasster Haltung zu begegnen und auch in Extremsituationen richtig zu handeln.
Im Spätherbst des Jahres 1998 entkamen im Morgengrauen aus einer, nahe an einer vielbefahrenden Bundesstraße gelegenen Weide des Beklagten zwei Pferde, ein Fuchs und ein Schimmel, liefen auf die Bundesstraße und kollidierten dort mit einem LKW der klagenden Partei – beide Pferde wurden bei dem Zusammenstoß getötet, der Lastkraftwagen erheblich beschädigt.
Der Verfasser war vom erkennenden Gericht zum Sachverständigen bestellt worden und hatte den Auftrag, im Rahmen der mündlichen Verhandlung, die an Ort und Stelle anberaumt war, Befunde zu erheben und anschließend ein mündliches Gutachten zu erstatten, wobei auf die Ausführungen des ebenfalls anwesenden Verkehrssachverständigen einzugehen sein wird.
Folgende Befunde konnten aus dem Akt, Zeugeneinvernahmen und am Unfallort erhoben werden:
– Plötzlich und für den Fahrer des LKW (des Klägers) völlig unerwartet stürmten zwei Pferde, von links kommend, auf die Fahrbahn und stießen links gegen den LKW. Beide Pferde verendeten an der Unfallstelle.
– Die Pferde werden seit Jahren vom Beklagten auf einer 2 ha großen Weide gehalten, die mit einem Elektrozaun eingegrenzt ist. Es ist bisher noch nie zu einem Ausbruch gekommen.
– Am Unfalltag waren am frühen Morgen die Pferde auf die Weide geführt worden, von wo sie kurz darauf aus unbekannter Ursache ausbrachen.
– Das Unfallprotokoll der erhebenden Gendarmerie hält fest:
o Niederschläge: keine
o Lichtverhältnisse: Dämmerung
o Witterung: heiter
o Fahrbahn: Asphalt
Befundaufnahme durch den bestellten hippologischen Sachverständigen
o Umzäunung mit nur einem 3 cm breiten Weideband (Alter 4a)
o Gehalten von Plastik-Stehern
o Bandhöhe 90-95 cm
o Pferde: Großpferd-Schimmel, Quarterhorse -Fuchs
o Ausbruch-Stelle: nahe dem Stall, Weideband gerissen
o Länge der Umzäunung etwa 900 m, die im Gendarmerie-Bericht angeführten Flick- und Knüpfstellen konnten bei der Befundaufnahme nicht mehr nachgewiesen werden.
o Das Elektro- Weideband war an vielen Stellen von stromabführender Vegetation überwuchert.
o Das verwendete Weidezaumgerät Gallagher High Power, Nr. 150878, 220-240 V, Power Fence M 400. Anschluss an Hausstrom, Erdung ordnungsgemäß.
o Vom Gerät bis zur Einbindung in den Weidekreislauf beträgt die Strecke 30 m, in deren Verlauf drei stromableitende Schwachstellen (nicht isoliertes Kabel) nachgewiesen werden konnten.
Eigene Untersuchungen:
Im Zuge der ersten Streitverhandlung wurde vor der Tagsatzung an Ort und Stelle auch das Thema der „Sichtbarkeit“ der Pferde erörtert, da die beklagte Partei die Ansicht vertrat, dass die Pferde mutwillig und ohne zu bremsen vom Lenker des LKW angefahren und in der Folge getötet wurden – durch aufmerksames Fahren hätte er dies verhindern können. Der Lenker als Zeuge gab demgegenüber an, dass er die Pferde wegen deren Schnelligkeit des Vorfalles und der herrschenden Dämmerung nicht früher sehen konnte.
Der bestellte hippologische Sachverständige stellte deshalb vorbereitend vergleichbare Szenarien nach und fotografierte aus einem mit 50 km/h fahrenden Wagen.
Im mündlich erstatteten Gutachten wurde vom bestellten hippologischen Sachverständigen ausgeführt:
Zur Verwahrung:
– Die Verwendung eines einzelnen Weidebandes, selbst wenn es ordnungsgemäßen Strom geführt hätte, entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Verwahrung, speziell im unmittelbaren Nahbereich einer extrem vielbefahrenen Bundestraße.
– Die in Verwendung befindlichen Plastiksteher als einzige Umzäunungshilfe ist wegen deren Instabilität unzureichend und entspricht nicht einer ordnungsgemäßen Verwahrung.
– Die Stromführung im Weideband war mit vielen Schwachstellen versehen, die eine abschreckende Wirkung durch einen Stromschlag nicht nur in Frage stellen, sondern ohne Wirkung sehen.
– Der Umstand, dass diese Form der Verwahrung von Warmblut-Pferden 12 Jahre lang ohne negative Vorfälle in Anwendung war, ist als zufälliger Glücksfall zu sehen, erhebt jedoch die angeführten Mängel nicht zur fachlich richtigen und tolerierbaren Norm.
Zum Unfallhergang und der Erkennbarkeit von Pferden in der Dämmerung:
Die beiden Pferde, ein Schimmel und Fuchs, kamen aus verbautem Gebiet zur linken Hand des LKW-Fahrers in hohem Tempo der Bundesstraße näher. Die Sicht des Lenkers war nicht frei auf jene Nebenstraße, auf der die Pferde liefen, sondern durch Gebäude und eine Baumallee reduziert.
Wie die, vom bestellten hippologischen Sachverständigen angestellten Untersuchungen ergaben, ist ein 10 Meter neben einer Fahrbahn stehendes Fuchs-farbenes Pferd – bei freier Sicht – im Abblendlicht kaum zu erkennen. Selbst ein Schimmel ist nur schemenhaft wahrzunehmen.
Von den Schäden am Unfallfahrzeug ist abzuleiten, dass jenes Pferd, das zuerst mit dem LKW kollidierte, mit dem Schädel gegen den linken, unteren Teil der Windschutzscheibe geprallt war und dann das zweite Pferd in einer Rotationskurve mitriss. Beim erstkollidierenden Pferd ist mit hoher Wahrscheinlichkeit als Todesursache ein Genickbruch anzunehmen, während das zweite Pferd sehr wahrscheinlich durch eine Aufprall-bedingte Druckerhöhung an einer Aortenruptur starb. Hohe Sicherheit hätte eine Autopsie der beiden Pferde verschafft, diese wurde jedoch unterlassen.
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Es ist ein Irrtum, zu glauben, man gewöhne sich daran, einem Toten – Mensch oder Tier – gegenüberzustehen, zu einzigartig ist jede Begegnung mit dem Tod – man kann aber lernen, ihm mit professioneller Distanz und aufrechter, gefasster Haltung zu begegnen.
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Die folgenden Fotos, die mir im Laufe der Jahre von verschiedenen Einsatzorganisationen zu Lehrzwecken zur Verfügung gestellt wurden – wofür ich mich noch einmal sehr bedanke – sollen Betrachtern die Möglichkeit bieten, in ihrem augenblicklichen, geschützten Umfeld diese „Bilder“ anzusehen und sich so mental darauf vorzubereiten, später einem „Real-Fall“ zu begegnen:
– ruhig die Situation zu erkennen
– kühl zu überlegen
– und anschließend fachlich richtig zu handeln
- das Alles kann erlernt, muss aber vorher bewusst geübt werden!
Gespann-Unfall mit ertrunkenen Pferden
Unfalltod eines Friesen nach Unstimmigkeiten mit dem zweiten Pferd des Gespannes bei der Wegwahl
Nachdem mein Beitrag der vergangenen Woche auf PRO PFERD erschienen war, in dem ich unter anderem über meine frühere Gepflogenheit, Newsletter zu verschicken, berichtet hatte, erreichte mich die Mailnachricht einer – wie sie mitteilte – jungen Dame, die zwar ihre Bewunderung über meine vielfältigen Tätigkeiten zum Ausdruck brachte, doch blieben mir als aufmerksamer Zwischen-den-Zeilen-Leser die „leichten“ Zweifel am Wahrheitsgehalt bzw. die Vermutung der Übertreibung keineswegs verborgen.
Deshalb ergänze ich hier jetzt ein typisches Lehr-Halbjahr – das Wintersemester 2007/2008 – dessen Programm neben der laufenden tierärztlichen Praxis – ambulant und im Pferdespital, neben meiner Gutachtertätigkeit und neben der, damals nur mehr sehr reduziert ausgeübten Funktion als Turnierrichter und Turniertierarzt, pünktlich und – wie ich hoffe – qualitätsvoll absolviert wurde: der Preis war der Verzicht auf Freizeit und Privatleben, der Verzicht auf die bisherige eigene, aktive Ausübung des Reit- und Fahrsports, Verzicht auf längere Urlaube; manche Leser könnten nun glauben, dass damit meine Lebensqualität verloren ging: nein, das tat sie nicht, denn ich hatte einen vielgestaltigen, immer hochinteressanten Lebensinhalt – neben den bereits geschilderten rein beruflichen Bindungen war es auch meine Tätigkeit als psychologischer Debriefer und als jahrelanges Mitglied des Kriseninterventions- Teams des Österreichischen Roten Kreuzes, die mein Leben reich an Sinn gestalteten – vor Allem reich an Erfahrung auch in Grenzbereichen des Lebens.
Zeitverschwendung war und ist mir fremd, in sozialen Medien verkehre ich deshalb bis heute nicht; die Tage waren und sind lang, strukturiert und mit Disziplin gestaltet: Überforderung- ein heutzutage habituelles und salonfähig gewordenes Befinden - war und ist mir fremd; fordernde Aufgaben habe ich immer geliebt, sie allein erlauben geistiges und psychisches Wachstum zur Reifung und vermitteln auch ebenjene Ruhe, die Pferde von ihren sicheren Partnern erhoffen und erwarten.
Vorlesungen – VetMedUni Vienna 2008
Präklinisches Notfallmanagement und Katastrophenmedizin für Tierärzte
Aufmerksamer „Hörer“ im Vordergrund: Univ. Prof. Dr. Yves Moens
Pro Equo – News: Seminare, Vorträge, Lehrveranstaltungen
von Dr. Reinhard Kaun
Wintersemester 2007/2008
Anmeldungen zu den Seminaren, die im Pferdespital PRO EQUO stattfinden, können Sie ab sofort direkt über > tierarztdr.kaun@aon.at senden.
Anmeldungen bei anderen Veranstaltern wollen Sie bitte direkt über die dort angeführte Verbindung durchführen.
20./21. Oktober 2007: Pferdespital PRO EQUO, Pinsdorf bei Gmunden
Ausbildung zum/zur Fire & Emergency VET Teil I
Zielgruppe: Tierärzte
2. November 2007: 18:00 Uhr: Freiwillige Feuerwehr Scharnstein:
Einführung in den Umgang mit Pferden in Notsituationen und Übungen mit dem Rettungsgeschirr
Zielgruppe: Feuerwehr, Rettungsdienst
3./4. November 2007: Pferdespital PRO EQUO, Pinsdorf bei Gmunden
Ausbildung zum/zur Fire & Emergency VET Teil II
9./10.November 2007: Veterinärmedizinische Universität Wien,
Hörsaal 4: Vorlesung: Der Tierarzt als Sachverständiger
9. 11. 2007: 17:00 bis 20:00 Uhr
10.11.2007: 9:00 bis 12:00 Uhr
Zielgruppe: Wahlfach für Studenten der Veterinärmedizin und Pferdewissenschaften
17. November 2007: 10:00 Uhr: Dressurstall Mayr, St. Marienkirchen
Lehrveranstaltung für Innviertler Freiwillige Feuerwehren:
Umgang mit Pferden in Notsituationen und Übungen für die Rettung von Pferden und mit dem Rettungsgeschirr
Zielgruppe: Feuerwehr, Rettungsdienst
21. November 2007: Akademie für Recht und Steuern, 1010 Wien,
Schallautzerstr. 2-4 (Details/Anmeldung: www.ars.at/office@ars.at)
Ausbildung zum Sicherheitsmanager PFERD (Risk Awareness Manager)
Sicherheitskonzepte für gewerbliche Reit- und Fahrbetriebe sowie für touristisches Reiten in Hotels und Reitanlagen im Lichte der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht. (Tagesseminar)
Zielgruppe: Betreiber von Pferdewirtschaften, Reit- und Fahrbetrieben,
Touristischem Reiten (Hotels, Pensionen, Urlaub am Bauernhof), Wanderreitführer und Reit- und Fahrlehrer, Rechtsanwälte, Tierärzte, Stallbaufirmen usw.
24. November 2007: Pferdespital PRO EQUO, Pinsdorf bei Gmunden
Jenseits von Doping - Alternative Behandlungsformen beim Sportpferd
Zielgruppe: alle Freizeit- und Sportreiter/-fahrer, Pferdesanitäter(#), interessierte Personen.
1. Dezember 2007: 14:00 Uhr: Landwirtschaftsschule Edlhof, Zwettl
Vortrag Dr.Kaun: Gesundheitsprogramme und methodisches Training beim Pferd
Zielgruppe: Veranstaltung des Edlhof, eingeladener Teilnehmerkreis
15. Dezember 2007: Pferdespital PRO EQUO, Pinsdorf bei Gmunden
Richtige Fütterung des Sportpferdes in der Winterpause und während der Turniersaison (#)
Zielgruppe: alle Freizeit- und Sportreiter/-fahrer, Pferdesanitäter(#), interessierte Personen.
21. Jänner 2008: Kongresszentrum Bad Hofgastein
Vortrag: Tiere als Verkehrsteilnehmer
Gemeinsame Tagung der Verkehrssachverständigen, Techniker, Juristen und Richter.
Veranstalter: Hauptverband der Gerichtssachverständigen Österreichs
Zielgruppe: Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, Techniker und Verkehrssachverständige.
26. Jänner 2008: Team Tirol/Fahrparcoursbaureferat des Bundesfachverbandes für Reiten und Fahren in Österreich:
14:00 Uhr:
Vortrag Dr. Kaun: Pferdegerechter Parcours- und Geländebau im Fahrsport
Zielgruppe: Fahrparcours- und -Geländebauer
25. Feber 2008: Akademie für Recht und Steuern, 1010 Wien,
Schallautzerstr. 2-4 (Details/Anmeldung: www.ars.at/ office@ars.at)
Sport- Lieblings- und Nutztiere im Zivil- und Strafprozess aus der Sicht des Gerichtssachverständigen. (Tagesseminar)
Zielgruppe: Pferdehalter, Reit- u. Fahrlehrer, Sachbearbeiter in Versicherungsunternehmen, Rechtsanwälte, Sachverständige, Tierärzte.
29. März 2008 : Donau Universität Krems (Lehrveranstaltung)
Vortrag Dr. Kaun: EU Regulatory Affairs in Veterinary Products
Zielgruppe: geschlossene Veranstaltung
(#) so gekennzeichnete Veranstaltungen werden als Fortbildungsveranstaltung für PferdesanitäterInnen anerkannt.
Univ. Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun
Fachtierarzt für Pferdeheilkunde
Fachtierarzt für Physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin
Gerichtssachverständigenbüro – VET & HIPPO - Consulting
Ausbildungszentrum für präklinisches Notfallmanagement und Katastrophenveterinärmedizin
A 4813 Altmünster, Kalvarienbergweg 40
www.pferd.co.at / tierarztdr.kaun@aon.at
Pferdespital PRO EQUO, Rittham bei Pinsdorf
Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zu Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!