Tierärzte warnen vor giftigen Samen und Sprösslingen des Bergahorns 18.10.2024 / News
Die Samen und Sprösslinge des Bergahorns können die Vergiftung durch das Toxin Hypoglyin A (HGA), die meist tödlich verläuft, bei Pferden auslösen. / Symbolfoto: BEVA
Britische Tierärzte weisen eindringlich daraufhin, dass jetzt – da noch Blätter an den Bäumen hängen – der richtige Zeitpunkt ist, um Bergahorne zuverlässig zu erkennen und das Vergiftungsrisiko durch gezielte Maßnahmen zu reduzieren.
Die Britische Tierärztliche Vereinigung (British Equine Veterinary Association = BEVA) erinnert in einer Aussendung Pferdebesitzer daran, ihre Tiere von Bergahorn-Bäumen fernzuhalten, da deren Samen und Sprößlinge eine tödliche Weidekrankheit, die als ,atypische Myopathie' bekannt ist, verursachen können.
„Jetzt, da die Blätter noch an den Bäumen hängen, ist es an der Zeit, Bergahorne in der Nähe der Weiden ihrer Pferde zu identifizieren und das zukünftige Risiko abzuschätzen“, so Lucy Grieve von BEVA. „Sobald die Blätter anfangen, sich zu verfärben und dann abfallen, wird es viel schwieriger, Bergahorne zu erkennen.“
Die Samen (Masten oder Helikopter) und Sprößlinge des Bergahorns (Acer pseudoplatanus) enthalten das Toxin Hypoglycin A (HGA) in mitunter hohen Konzentrationen (besonders in den Sprößlingen). Es ist dieses Toxin, das die Energieproduktion in den Muskelzellen verlangsamt oder stoppt. Wenn Pferde die HGA-haltigen Samen oder Sprösslinge fressen – sei es aus Versehen oder weil ihnen andere Futtermöglichkeiten fehlen – erleiden einige Pferde schwere und oft tödliche Muskelschäden, die als atypische Myopathie bezeichnet werden.
Starke Winde können dazu führen, dass die Samen vom Baum weggetragen werden und beträchtliche Entfernungen zurücklegen können. Idealerweise sollten Pferde davon abgehalten werden, in der Nähe von Bergahorn-Bäumen zu grasen. Wenn es jedoch keine andere Möglichkeit gibt, hilft zusätzliches Futter auf dem Feld, sie zu beschäftigen und zu verhindern, dass sie Samen fressen. Es ist unbedingt erforderlich, sofort einen Tierarzt aufzusuchen, wenn Pferde, die Zugang zu Platanensamen haben, Anzeichen einer Krankheit zeigen.
Zu den Symptomen gehören u.a.:
– allgemeine Schwäche: Betroffene Pferde haben Probleme beim Gehen, Stehen und Atmen
– viele Pferde entwickeln Herzprobleme
– Pferde wirken deprimiert und hängen mit dem Kopf tief
– Muskelzittern
– Anzeichen einer Kolik – aber oft haben sie noch Appetit
– brauner oder dunkelroter Urin
– schwer betroffene Pferde können nicht stehen
Eine sofortige tierärztliche Versorgung ist unerlässlich, da 75 % der betroffenen Pferde sterben.
Risiko reduzieren
Um atypischer Myopathie vorzubeugen, rät sie, das Risiko durch eine Reihe von Maßnahmen zu reduzieren:
– Bergahorne in der Nähe von Feldern identifizieren und das Risiko beurteilen, bevor die Blätter fallen. Auch benachbarte Grundstücke untersuchen, da die Helikopter-Samen bis zu 200 m weit ,reisen' können.
– Samen einsammeln oder Pferde mithilfe von Elektrozäunen oder Stallungen von betroffenen Arealen fernhalten.
– zusätzliches Futter bereitstellen, um die Aufnahme von Samen zu verhindern.
– amenbeladene Bäume nicht fällen, da dies die Kontamination verschlimmern kann.
– ferde sorgfältig überwachen, auch nachdem sie von der betroffenen Weide weggebracht wurden, da die Krankheit bis zu vier Tage nach der Exposition auftreten kann.
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Tödliche Weidekrankheit: So kann man das Risiko für seine Pferde senken 26.02.2020 / News
Nahezu jede Pferdeweide hat auch Bäume oder ist von sochen umgeben – umso wichtiger ist es, die gefährlichen Ahorn-Arten zu erkennen. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Die atypische Weidemyopathie fordert Jahr für Jahr zahlreiche Pferdeleben, obwohl der Auslöser für die tödliche Krankheit seit einigen Jahren bekannt ist. Eine aktuelle Studie gibt nun Empfehlungen, durch welche Maßnahmen man das Vergiftungsrisiko herabsetzen kann.
Lange Zeit gab der plötzliche Tod von Weidepferden, der vor allem im Frühjahr und im Spätherbst zu beobachten war, Tierärzten und Wissenschaftlern Rätsel auf. Erst im Jahr 2012 gelang es, die Ursache der bis dahin rätselhaften sogenannten „atypischen Weidemyopathie" (AM) aufzudecken: Wissenschaftler der University of Minnesota in St. Paul (USA) um Dr. Stephanie Valberg konnten in einer Studie nachweisen, daß ein Gift hinter der meist tödlich verlaufenden Muskelerkrankung steckt, konkret eine abnormale Aminosäure namens Hypoglycin A – kurz HGA genannt –bzw. deren Metaboliten (Stoffwechselprodukte) MCPA.
HGA kommt in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer Negundo) vor und führt zu einer massiven Schädigung der aeroben Muskelfasern, die in der Mehrzahl der Fälle tödlich endet – man geht von einer Todesrate bis zu 70 % aus. 2015 gelang deutschen Wissenschaftlern im Rahmen einer umfangreichen Studie der Nachweis, dass HGA auch in den Samen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus) enthalten ist, der in Europa weit verbreitet und auch auf zahlreichen Pferdeweiden anzutreffen ist. Das Resümee der Wissenschaftler: „Es ist daher dringend zu empfehlen, Pferde am besten nicht auf Weiden grasen zu lassen, auf denen sich Bergahorne befinden"
Obwohl damit die Ursache für die atypische Weidemyopathie eindeutig geklärt und auch über diverse Medien und Pferdeportale kommuniziert worden war, ist es seither zu keiner nennenswerten Abnahme der tödlichen Krankheitsfälle gekommen – wie eine nun erschienene Studie zeigt, in der umfangreiche statistische Daten zu den Myopathie-Fällen der letzten Jahre veröffentlicht sind. Die Zahlen stammen aus einem Forschungsprojekt der Universität Lüttich, die ein europaweites Meldesystem für derartige Fälle etabliert hat – die sogenannte ,Atypical Myopathie Alert Group’. Obwohl die Zahlen wohl nur die Spitze des Eisbergs zeigen – die Meldungen erfolgen auf freiwilliger Basis und sind daher unvollständig – geben sie einen einzigartigen Überblick über die Entwicklung der Krankheitsfälle.
Insgesamt verzeichnet die Universität Lüttich zwischen 2006 und 2019 exakt 3.039 Krankheitsfälle in insgesamt 14 europäischen Nationen. Die höchste Zahl an Erkrankungen wurde im Jahr 2018 (424 Fälle) verzeichnet, die geringste im Jahr 2012 (31 Fälle). Die extremen jährlichen Schwankungen weisen daraufhin, dass die Zahl der Krankheitsfälle offenkundig stark vom Wettergeschehen beeinflusst wird: Treten zu bestimmten kritischen Zeitpunkten starke Winde auf, welche die Samen in großen Mengen von den Bäumen reißen und über einen weiten Radius verteilen, so erhöht dies offenbar die Belastung von Weiden und das damit verbundene Erkrankungsrisiko deutlich. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder Jahre mit auffallend wenig Erkrankungen (2008: 41 Fälle, 2015: 68 Fälle).
Die Zahl der Erkrankungen scheint also sehr von ungünstigen Witterungsbedingungen und weniger vom Verhalten der Pferdebesitzer beeinflusst zu werden – obwohl diese eigentlich über den Auslöser, nämlich den Bergahorn, Bescheid wissen sollten. Dies könnte zwei naheliegende Ursachen haben: 1) Die Pferdebesitzer können den Bergahorn nicht korrekt erkennen bzw. von anderen ungiftigen Ahorn-Arten unterscheiden, und 2) Die Pferdebesitzer wissen nicht, dass ihre Weiden möglicherweise mit Bergahorn-Samen oder -Sprösslingen kontaminiert sind, weil die Bäume vielleicht weiter entfernt stehen und daher nicht als Gefahrenquelle betrachtet werden. Beides könnte zutreffen, wie die Forscher in ihrer aktuellen Studie ausführen – und das hat Jahr für Jahr gravierende Folgen für Pferde, die auf belasteten Weiden grasen und so einer beträchtlichen Gefahr ausgesetzt sind.
Wie aber können Pferdebesitzer dieser Gefahr begegnen – oder sie zumindest durch bestimmte Weide-Praktiken und Vorsichtsmaßnahmen verringern? Diese Frage steht im Zentrum der Studie – und die Wissenschaftler geben darauf eine ganze Reihe von Empfehlungen und Verhaltensregeln.
1) Gefahrenbereiche erkennen
Von entscheidender Bedeutung ist für alle Pferdebesitzer das Wissen, ob sich auf seinen Weiden oder im weiteren Umfeld Bergahorn-Bäume befinden, von denen eine Vergiftungs-Gefahr ausgeht. Die verfügbaren Daten zeigen, dass 20 % aller Besitzer eines an Myopathie erkrankten Pferdes nicht beantworten konnten, ob sich auf seiner Weide Bergahorn-Samen oder -Sprösslinge befinden oder nicht. Trotz der im Internet verfügbaren Materialien und Infos (z. B. Wikipedia) haben Pferdebesitzer und sogar Tierärzte immer noch Schwierigkeiten, die unterschiedlichen Ahorn-Bäume zu unterscheiden – immerhin gibt es weltweit 561 Ahorn-Arten. Der Rat der Wissenschaftler: „Im Zweifelsfall sollte man sich professionelles Fachwissen holen, um einen Baum zu identifizieren – Botaniker oder Forstwirte können dabei hilfreich sein.“
2) Kontakt mit giftigem Pflanzenmaterial unterbinden
Je nach Wetterlage können bestimmte Ahorn-Arten ihre Samen bis zu mehreren hundert Metern verbreiten, daher ist eine Kontamination der Weide mit Samen oder Sprösslingen nicht unbedingt mit dem Vorhandensein eines Baumes auf der Weide verbunden. Im Frühherbst, insbesondere nach windigen oder stürmischen Tagen, ist Pferdebesitzern zu empfehlen, den Belastungsgrad ihrer Weide zu überprüfen. Das Entfernen von Samen kann helfen, Myopathie-Fälle zu verhindern. Wenn die Ahorn-Samen jedoch zu zahlreich und/oder zu weit innerhalb des Geländes verteilt sind, sollte die Weide für Pferde gesperrt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Weide zu unterteilen und die Beweidung auf jene Flächen zu beschränken, die frei von abgefallenen Samen bzw. Sprösslingen sind. Auch die Verteilung von Pferdemist-Resten auf der Weide (z.B. mit einer Kettenegge) kann das Risiko einer Myopathie-Erkrankung erhöhen, so die Wissenschaftler: Dabei werde offenbar auch das toxische HGA über eine größere Fläche verteilt und das Vergiftungsrisiko vergrößert.
3) Überweidung und Feuchtwiesen vermeiden
In mehreren Untersuchungen wurde die dauerhafte Benutzung einer Weide als Risikofaktor ermittelt. Dies ist höchstwahrscheinlich auf die damit verbundene Überweidung, sprich: einer Abnahme der Grasnarbe zurückzuführen, die letztlich die Aufnahme der giftigen Ahorn-Samen und -Sprösslinge begünstigt. Aus den Daten ergibt sich, dass in 64% der gemeldeten Myopathie-Fälle die Weide weitgehend kahl war oder sogar keine Grasnarbe mehr aufgewiesen hat. Diese Beobachtung deckt sich auch mit früheren epidemiologischen Studien. Ein durchdachtes Weidemanagement mit entsprechender Rotation ist daher unbedingt zu empfehlen, um seinen Pferden stets intakte Weideflächen anbieten zu können. Eine saftige, grüne Weide ist die beste Garantie dafür, dass die Pferde hauptsächlich Gras fressen und die Aufnahme von Samen und Sprösslingen unterbleibt.
Weiden, die besonders Myopathie-gefährdet sind, haben Bergahorn-Bäume (Acer pseudoplatanus) in ihrer Nähe. Die Benutzung dieser Weiden sollte während der riskanten Jahreszeiten vermieden werden.
4) Gesonderte Tränkmöglichkeiten bieten
Wie sich ebenfalls herausgestellt hat, stellen feuchte Weiden bzw. Feuchtwiesen ein besonderes Risiko für die atypische Weidemyopathie dar, weshalb man sie meiden sollte. HGA ist ein wasserlösliches Toxin, das durch direkten Kontakt von den Pflanzen ins Wasser gelangen kann. Diese Löslichkeit stellt einen erheblichen Risikofaktor dar, weshalb auf gefährdeten Weiden jedenfalls eine gesonderte Versorgung mit frischem Trinkwasser (etwa über eigene Tränken bzw. Tanks) zu gewährleisten ist. Auch sollten in den risikoträchtigen Zeiten nur Weiden genutzt werden, die keine Flüsse und/oder freistehende Gewässer haben.
5) Weidezeit begrenzen
Neben dem bereits erwähnten durchdachten Weidemanagement – mit häufiger Rotation sowie dem Absperren besonders belasteter Flächen – hat sich interessanterweise auch die Begrenzung der Weidezeit auf weniger als sechs Stunden täglich als schützender Faktor herausgestellt. Bei 97,5 % der gemeldeten Myopathie-Fälle hatten die betroffenen Pferde mehr als sechs Stunden täglich auf der Weide zugebracht, was auch durch entsprechende Zahlen aus Großbritannien bestätigt wird. Je länger Pferde auf der Weide dem Toxin ausgesetzt sind, umso höher ist auch ihr Risiko. an atypischer Myopathie zu erkranken.
6) Für ausgewogene Ernährung sorgen
Wie Studien zeigen konnte, verringert auch das Verabreichen von ergänzenden Futtermittel (Heu, Stroh, Mischfutter, Hafer, Gerste, Mais etc.) während des ganzen Jahres das Risiko einer Erkrankung. Atypische Myopathie resultiert aus einem energetischen Ungleichgewicht nach HGA- und MCPG-Vergiftung. Eine ausgewogene Ration liefert dem Pferd nicht nur Energiesubstrate (insbesondere Kohlenhydrate), die den Energiestoffwechsel unterstützen, sondern auch Vitamine und Antioxidantien, von denen bekannt ist, dass sie die Überlebenschancen bei einer Myopathie-Erkrankung erhöhen. Auch ein Salzleckstein sollte den Pferden zur Verfügung stehen – dieser schützt natürlich nicht umfassend, stellt aber jedenfalls einen begünstigenden Faktor dar.
7) Heu von belasteten Weiden vermeiden
Dies gilt freilich nicht für Futtermittel, die von verunreinigten bzw. belasteten Weiden stammt. Wie britische Wissenschaftler unter der Leitung von Sonia Gonzalez-Medina herausgefunden haben, ist das Toxin HGA überaus hartnäckig und auch nach Maßnahmen wie Mähen, Trocknen, Silieren oder dem Einsatz von Herbiziden immer noch in bedenklichen Konzentrationen nachweisbar. HGA-hältige Bestandteile des Bergahorns waren auch nach 6 bis 8 Monaten Lagerung in Heu oder Silage immer noch vorhanden.
8) Besondere Vorsicht in Hochrisiko-Zeiten
Wie die Daten ebenfalls zeigen, traten 94 % aller gemeldeten Krankheitsfälle in den Hochrisiko-Zeiten im Frühjahr sowie im Herbst auf. Diese erstrecken sich über eine Periode von drei Monaten und beginnen jeweils im Oktober (also Oktober, November, Dezember) sowie im März (also März, April und Mai). Zu diesen Zeiten ist die Gefahr einer Aufnahme von Bergahorn-Samen bzw. -Sprösslingen am allergrößten – und in diesen Zeiträumen ist daher auch besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten.
Das Resümee der Wissenschaftler: „Alle erwähnten vorbeugenden Maßnahmen sollten daher auch in diesen Hochrisiko-Zeiten – also zweimal jährlich jeweils über drei Monate hinweg – angewendet werden, beginnend im März für die „Frühlingsfälle“ und erneut im Oktober, um die sogenannten „Herbstfälle“ zu verhindern. Dies sind die kritischen Jahreszeiten, in denen die giftigen Samen und Sprösslinge auf gefährdeten Weideflächen vorhanden sind.“
Die Studie „Answers to the Frequently Asked Questions Regarding Horse Feeding and Management Practices to Reduce the Risk of Atypical Myopathy" von Dominique-Marie Votion, Anne-Christine François Caroline Kruse, Benoit Renaud, Arnaud Farinelle, Marie-Catherine Bouquieaux, Christel Marcillaud-Pitel und Pascal Gustin ist am 24. Februar 2020 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und steht in englischer Originalfassung hier zum Download zur Verfügung.
03.06.2019 - Tödliche Weidekrankheit bei Pferden: Auch Heu, Silage und Regenwasser enthalten das Gift
Tödliche Weidekrankheit bei Pferden: Auch Heu, Silage und Regenwasser enthalten das Gift 03.06.2019 / News
Forscher empfehlen, dass mit Bergahorn kontaminierte Weiden nicht zur Erzeugung von Heu oder Silage verwendet werden sollten, da sowohl Sprösslinge als auch Samen, die in den Ballen vorhanden sind, auch noch nach Monaten eine Vergiftungsgefahr darstellen können. / Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Das in Ahorn-Samen und -Sprößlingen enthaltene Toxin Hypoglycin A (HGA), Auslöser der gefährlichen ,atypischen Weidemyopathie’, kann ganze Weiden kontaminieren – und bleibt auch in Heu oder Silage aktiv, sogar das Regenwasser kann belastet sein, wie aktuelle Studien zeigen.
Seit dem Jahr 2012 ist bekannt, dass das Toxin Hypoglycin A (HGA) hinter der bis dahin rätselhaften tödlichen Weidekrankheit – der sogenannten atypischen Weidemyopathie – steckt. Hypoglycin A konnte in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer negundo) nachgewiesen werden, später auch in den Samen und Sprösslingen des Bergahorns (Acer pseudoplatanus). Forscher haben nun in neuen Untersuchungen den genauen Quellen und Wegen der HGA-Vergiftung von Pferden nachgespürt – und auch die Erfolgschancen allfälliger Vermeidungs- bzw. Bekämpfungsstrategien ausgelotet. Was sie dabei herausfanden, ist durchaus alarmierend.
So haben britische Wissenschaftler unter der Leitung von Sonia Gonzalez-Medina herausgefunden, dass das Toxin HGA überaus hartnäckig und resistent ist und auch nach Maßnahmen wie Mähen, Trocknen, Silieren oder dem Einsatz von Herbiziden immer noch in bedenklichen Konzentrationen vorhanden ist. Für die Versuchsreihen wurden Sprösslings-Gruppen des Bergahorns gemäht und mit einem Unkrautbekämpfungsmittel auf Dimethylamin- bzw. Picolinsäure-Basis besprüht. Sprösslinge wurden dabei vor dem Eingriff, nach 48 Stunden sowie 1 und 2 Wochen danach abgesammelt. Gras in der Umgebung von geschnittenen Sprösslingen wurde vor dem Mähen sowie eine Woche danach eingesammelt. Samen- und Sprösslings-Proben, die in Heulage bzw. Silage verarbeitet worden waren, wurden ebenfalls geammelt. Mittels aufwendiger Chromatografie wurden die exakten HGA-Konzentrationen in sämtlichen Proben sowohl vor als auch nach den jeweiligen Maßnahmen festgestellt.
Die Resultate werden Pferdefreunde alles andere als beruhigen. In ihrer Zusammenfassung schreiben die Wissenschaftler: „Es gab keinen signifikanten Rückgang des HGA-Gehalts bei gemähten oder mit Herbiziden besprühten Sprösslingen; Tatsächlich führte das Mähen sogar zu einem vorübergehenden signifikanten Anstieg des HGA-Gehalts von Sprösslingen. Die HGA-Konzentration stieg auch im Gras, das mit den Sprösslingen geschnitten wurde, nach einer Woche signifikant an, wenn auch auf ein niedriges Niveau. HGA-hältige Bestandteile des Bergahorns waren auch nach 6 bis 8 Monaten Lagerung in Heu oder Silage immer noch vorhanden.“
Weiter heißt es: „Weder beim Mähen noch beim Besprühen mit Herbiziden wird die HGA-Konzentration in Bergahorn-Sprösslingen bis zu 2 Wochen nach dem Eingriff verringert. Beim Mähen ist eine Kreuzkontamination zwischen Gras- und Bergahorn-Sprösslingen möglich. Das Mähen und anschließende Sammeln von Bergahorn-Sprösslingen scheint derzeit die beste Option zur Vermeidung von HGA-Toxizität bei Pferden zu sein, die auf kontaminierter Weide weiden. Mit Bergahornmaterial kontaminierte Weiden sollten nicht zur Erzeugung von verarbeitetem Heu oder Silage verwendet werden, da sowohl Sprösslinge als auch Samen, die in den Ballen vorhanden sind, ein Vergiftungsrisiko darstellen.“
Die Untersuchung „Atypical myopathy‐associated hypoglycin A toxin remains in sycamore seedlings despite mowing, herbicidal spraying or storage in hay and silage" von S. González‐Medina, F. Montesso, Y.‐M. Chang, C. Hyde und R. J. Piercy ist am 10. Jänner 2019 in der Zeitschrift ,Equine Veterinary Journal' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
Toxin HGA sogar im Regenwasser nachweisbar
Wie weit die Gefahr einer Verunreinigung mit HGA gehen kann, das konnten Forscher der Universität von Liege rund um Dominique Votion in einer weiteren Studie zeigen. Die Wissenschaftler sammelten im Frühjahr 2016 – und zwar im Abstand von jeweils zwei Wochen – die zu Boden gefallenen Früchte sowie die Spösslinge von Bergahorn, Spitzahorn (Acer platanoides) und Feldahorn (Acer campestre). Anfang April sammelten sie nach einer verregneten Nacht das Regenwasser von nassen Sprösslingen ein, um dieses näher zu analysieren. Mitte Mai wurden die Früchte des Eschen-Ahorns (Acer negundo), der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) und die Blüten des Bergahorns von den Bäumen eingesammelt. Mittels chemischer Analyse wurde die exakte HGA-Konzentration in sämtlichen Proben festgestellt – Hypoglycin A wurde dabei in allen Proben einschließlich des gesammelten Regenwassers nachgewiesen – nicht jedoch im Spitzahorn (Acer platanoides) und im Feldahorn (Acer campestre). Die Früchte des Eschen-Ahorns (Acer negundo), die im Untersuchungsgebiet gefunden wurden, enthielten keine Samen in ihrer Schale und wurden daher ebenfalls negativ getestet. Aus den nachgewiesenen maximalen HGA-Konzentrationen konnten die Wissenschaftler errechnen, dass in bestimmten Zeiträumen und an bestimmten Orten bereits 20 g Früchte, 50 Sprösslinge, 150 g Blütenstände oder 2 l Wasser, das mit Sprösslingen in Kontakt gekommen war, ausreichen würden, um die maximal tolerierbare Tagesdosis für ein Pferd zu erreichen.
Die Untersuchung „Potential new sources of hypoglycin A poisoning for equids kept at pasture in spring: a field pilot study" von Dominique M Votion, Jean Adelite Habyarimana, Marie-Louise Scippo, Eric A Richard, Christel Marcillaud-Pitel, Michel Erpicum und Pascal Gustin kann in englischer Kurzfassung hier nachgelesen werden.
27.10.2018 - Tod durch Ahornsamen: 15 Pferde in Salzburg an Weidemyopathie gestorben
Tod durch Ahornsamen: 15 Pferde in Salzburg an Weidemyopathie gestorben 27.10.2018 / News
Die Weide eines betroffenen Betriebes war von Ahornbäumen umgeben. / Symbolfoto: Irene Gams Die Samen des Bergahorns werden von den Pferden oft unabsichtlich mit Laub und Gras vermischt aufgenommen ... / Foto: doi:10.1371/journal.pone.0136785.g003
Das Landesveterinäramt Salzburg hat bekanntgegeben, dass heuer bereits 15 Pferde an der atypischen Weidemyopathie verendet sind, nachdem sie giftige Ahornsamen gefressen hatten.
Das Vergiftungsrisiko ist in diesem Jahr besonders groß – Tierärzte hatten, wie auch ProPferd berichtete, bereits vor einem Monat auf die Gefahren einer möglichen Vergiftung durch die Samen des Bergahorns aufmerksam gemacht. Diese enthalten den Wirkstoff Hypogylcin A, der bei Pferden zu der gefürchteten atypischen Weidemyopathie führen kann – eine schwere Muskelerkrankung, ähnlich wie der Kreuzschlag, bei der jedoch mehr und größere Muskelpartien betroffen sind, insbesondere auch die Atmungs- und Schlundmuskulatur (viele Pferde sterben an Schluck- oder Atemlähmung). Die ersten Symptome können wie eine Kolik aussehen, die Pferde zeigen eine allgemeine Schwäche, haben eine erhöhte Herzfrequenz, zittern, schwitzen und kollabieren schließlich. Typisch ist auch der dunkelrot gefärbte Urin. Die Behandlungsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt, da die Krankheit extrem rasch voranschreitet und bei einem Großteil der betroffenen Pferde – bis zu 90 % – tödlich endet.
Wie die Salzburger Landesveterinärdirektion bestätigte, sind heuer bereits 15 Pferde allein in Salzburg an den tückischen Krankheit verstorben, darunter auch viele wertvolle Zuchttiere wie jene von Norikerzüchter Rupert Mayr in St. Veit: Durch die Vergiftung haben wir leider letzte Woche drei Rösser verloren, das war eine gute Mutterstute, ein Fohlen und eine Jungstute. Das hat natürlich die ganze Familie massiv getroffen“, so der schwer geschockte Züchter gegenüber dem ORF. Die Pferde standen auf einer Weide, die u. a. durch Ahornbäume begrenzt ist. Die Pferde haben die Samen – mit Gras und Laub vermischt – beim Fressen aufgenommen, offenkundig in so großer Zahl, dass die tödliche Erkrankung ausgelöst wurde.
Landesveterinärdirektor Dr. Josef Schöchl: „Es war im Frühjahr eine sehr starke Baumblüte, daher auch eine sehr starke Samenproduktion – und jetzt gibt es durch das trockene Wetter kaum einen Aufwuchs auf den Weiden, und daher fressen dann die Tiere diese Samen – und da brauchts nur einige Hundert Samen, und das ist dann schon tödlich.“ Zudem wurden die Ahornsamen durch den warmen Herbst früher als sonst abgeworfen, begünstigt auch durch die starken Winde in der zweiten September-Hälfte. Zudem waren die Pferde aufgrund der milden Außentemperaturen auch länger als üblich auf der Weide – und hatten daher mehr Gelegenheit, die giftigen Samen aufzunehmen.
Vergiftungsgefahr ist im Herbst besonders groß
Lange Zeit haben die Wissenschaftler über die Ursache der atypischen Weidemyopathie gerätselt. Erst im Jahr 2012 konnten Forscher der University of Minnesota in St. Paul (USA) um Dr. Stephanie Valberg den Verursacher dieser gefährlichen Muskelerkrankung ermitteln: Auslöser ist eine abnormale Aminosäure namens Hypoglycin A bzw. deren Metaboliten (Stoffwechselprodukte) MCPA. Hypoglycin A (HGA) kommt in den Samen des Eschen-Ahorns (Acer Negundo) vor und führt zu einer massiven Schädigung der aeroben Muskelfasern, die in vielen Fällen tödlich endet.
2015 konnten deutsche Wissenschaftler nachweisen, daß das tödliche Hypoglycin A auch in den Samen des in Europa weit verbreiteten Bergahorns (Acer pseudoplatanus) enthalten ist – und zwar in sehr unterschiedlichen Konzentrationen (zwischen 1,7 und 319 Mikrogramm HGA pro Samen). Speziell im Herbst, wenn die ersten Samen zu Boden fallen, ist der Prozentsatz an stark belasteten Samen besonders hoch – Pferde sind dann besonders gefährdet, schon in kurzer Zeit eine womöglich tödliche Menge aufzunehmen. Der Rat der Forscher: „Es ist daher dringend zu empfehlen, Pferde am besten nicht auf Weiden grasen zu lassen, auf denen sich Bergahorne befinden."
2016 konnten Wissenschaftler der Universität Utrecht weitere Erkenntnisse liefern: Sie fanden heraus, daß andere Ahorn-Arten wie der Feldahorn sowie der Spitzahorn das tödliche Gift nicht enthalten und daher keine Gefahr darstellen – und daß beim Bergahorn nicht nur die Samen, sondern insbesondere auch die Sprösslinge hohe Konzentrationen von HGA enthalten können und man daher auf diese besonders achten sollte.
Was Pferdebesitzer tun können: gefährdete Weiden meiden, Heu zufüttern
Um die Gefahr einer Vergiftung weitestgehend auszuschließen, haben die Britische Tierärztliche Vereinigung (British Veterinary Association, BVA) und Vereinigung Britischer Pferde-Tierärzte (British Equine Veterinary Association, BEVA) für Pferdebesitzer eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen ausgearbeitet, die helfen sollen, das Krankheitsrisiko zu minimieren. Die wesentlichsten Verhaltensregeln wären:
– Absperren von Arealen rund um Bergahorn-Bäume bzw. von Gebieten, wo man deren Samen entdeckt hat;
– Zufüttern von Heu bzw. Mischfutter (in Raufen – nicht auf dem Boden!), um die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass Pferde die Samen unabsichtlich oder auch gezielt aufnehmen;
– regelmäßiges Überprüfen der Weideflächen nach Samen;
– sicherstellen, dass alle Pferde ausreichend Futter erhalten – nötigenfalls den Koppelgang reduzieren, um ein Überweiden zu vermeiden.
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