FEI-Messkeil soll zu eng verschnallte Nasenriemen künftig verhindern 22.10.2024 / News
Der neue FEI-Messkeil soll helfen, die korrekte Nasenriemen-Verschnallung schnell und unkompliziert zu überprüfen. / Foto: FEI Design und Dimensionen des neuen FEI-Messkeils ... / Foto: FEI
Die FEI hat nach jahrelangen Diskussionen und anhaltender Kritik ein neues Messgerät vorgestellt, mit dem sichergestellt werden soll, dass Nasenriemen in Zukunft nicht mehr zu eng verschnallt werden können. Das neue Tool wird im ersten Quartal 2025 schrittweise bei FEI-Veranstaltungen eingeführt.
Wie die FEI in einer Aussendung mitteilte, wurde das Design des neuen Messgeräts nun –nach einer erfolgreichen Testphase – fertiggestellt und der Öffentlichkeit präsentiert. Das Tool war zuvor in mehr als 600 Tests bei FEI-Veranstaltungen in den Disziplinen Springreiten, Dressur, Vielseitigkeitsreiten, Distanzreiten und Fahren auf seine Tauglichkeit und Praktikabilität erprobt worden. Die Tests wurden von den teilnehmenden Pferden, Athleten, Pferdepflegern und Offiziellen gut angenommen, so die FEI.
Die Verschnallung des Nasenriemens bei FEI-Veranstaltungen in allen FEI-Disziplinen wird künftig mithilfe des neuen Geräts – eines einfachen Messkeils – beurteilt, der von der FEI in Zusammenarbeit mit externen Experten entwickelt wurde.
Das FEI-Messgerät ist ein ,Tool zum Durchziehen', das unter dem Nasenriemen über dem Nasenbein eingeführt und von oben nach unten durchgeschoben wird. Der Test ist schnell und unkompliziert und dauert nur wenige Sekunden. Wenn der Messkeil hindurchgeht, ist der Nasenriemen locker genug. Wenn das Gerät jedoch nicht leicht hindurchgeht, gilt der Nasenriemen als zu eng und es gelten die in Artikel 1044.8 der FEI-Veterinärvorschriften beschriebenen Konsequenzen.
Diese lauten in der ab 1. Jänner 2025 geltenden Version:
Ein zu fest verschnallter Nasenriemen, der mit einem von der FEI zugelassenen Messgerät festgestellt wird, zieht folgende Konsequenzen nach sich:
– Vor dem Wettkampf: Die Kombination aus Pferd und ReiterIn darf nicht starten, wenn der Nasenriemen nicht wieder so verschnallt wird, dass er genügend Spielraum bietet.
– Während des Wettkampfs: Die Kombination aus Pferd und ReiterIn wird aus dem betreffenden Wettbewerb ausgeschlossen, der/die ReiterIn erhält eine Gelbe Verwarnungskarte.
Der FEI-Messkeil wird im ersten Quartal 2025 schrittweise bei FEI-Veranstaltungen eingeführt. Er kann von jedem erworben werden, und weitere Informationen hierzu werden zu einem späteren Zeitpunkt bereitgestellt. Darüber hinaus werden disziplinspezifische Protokolle und Schulungsmaterialien für FEI-Funktionäre, Athleten und deren Hilfspersonal erstellt.
Die FEI bedankte sich ausdrücklich bei allen Athleten, ihren Hilfsteams, FEI-Funktionären, Organisationskomitees, Vertretern der FEI-Interessengruppen und nationalen Verbänden, die an der Testphase dieses Projekts teilgenommen oder dazu beigetragen haben.
Kommentar: Die FEI und der Nasenriemen – ein schwieriges Thema
In den letzten 15 Jahren ist der Nasenriemen als Teil der Pferdeausrüstung und seine Verschnallung immer mehr in die Kritik geraten – nicht zuletzt durch eine Reihe wissenschaftlicher Studien, in denen die Auswirkungen von zu eng verschnallten Nasenriemen unter die Lupe genommen wurden.
Bereits im Jahr 2010 haben Dr. Kathrin Kienapfel und Prof. Holger Preuschoft eine vielbeachtete Untersuchung vorgelegt, die anhand der Anatomie eines Pferdeschädels zeigen konnte, daß es keine Rolle spielt, ob der Nasen- oder der Sperrriemen zu fest verschnallt wird – in beiden Fällen kann das Pferd das Maul nicht mehr öffnen und dadurch auch nicht kauen.
2013 untersuchten irische Wissenschaftler rund um Orla Doherty von der Universität Limerick, wie eng Nasenriemen in der Praxis verschnallt werden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Von 201 jungen Vielseitigkeits- und Hunterpferden, die untersucht wurden, hatten nur 12% die Nasenriemen locker genug angelegt, um zwei Finger darunter zu führen. 47% hatten die Nasenriemen so eng verschnallt, dass gar keine Finger darunter gepasst haben. Zudem entwickelten die Wissenschaftler erstmals eine Methode, um mittels spezieller Sensoren die Druckbelastung zwischen dem Nasenriemen und dem Nasenrücken bzw. der Pferdehaut überprüfen. Die Messungen zeigten deutliche Druckhöhepunkte bei bestimmten Reitlektionen, etwa bei Wendungen, Übergängen oder beim Rückwärtsrichten – demzufolge könnte die Druckbelastung durch zu eng verschnallte Nasenriemen zu ernsten Gewebe- und Nervenschäden führen.
Auch 2016 bestätigte eine umfassende australische Studie: Zu eng verschnallte Nasenriemen führen bei Pferden zu erhöhtem Stress und unterbinden normale Verhaltensweisen wie Gähnen, Kauen oder Lecken. Wörtlich heißt es: „Die vorliegende Studie erbringt den Beweis, daß Pferde physiologischem Stress ausgesetzt sind, wenn sie einen eng verschnallten Nasenriemen in Kombination mit einer Kandare tragen. Es zeigen sich erhebliche Veränderungen in der Herzschlagrate, der Herzschlagvariabilität sowie der Augentemperatur, was darauf hinweist, daß Pferde Schmerz und Unbehagen verspüren, wenn der Nasenriemen so eng verschnallt ist, daß kein Abstand mehr zum Nasenrücken besteht. Gähnen, Lecken und Kauen sind praktisch nicht mehr festzustellen – und die Schluck-Frequenz halbiert sich bei der engsten Nasenriemen-Verschnallung."
Erkenntnisse wie diese führten letztlich dazu, dass die Internationale Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES) im Jahr 2019 ein Positionspapier verfasste, um den Stand der Forschung zusammenzufassen und gegen zu eng verschnallte Nasenriemen im Pferdesport vorzugehen. Darin wurde auch die bis dahin geltende Haltung der FEI implizit kritisiert: FEI-Stewards werden seit 2016 angehalten, die Verschnallung des Nasenriemens zu überprüfen, indem ein Finger zwischen der Wange des Pferdes und dem Nasenriemen eingeführt wird. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass selbst ein extrem enges Reithalfter es weiterhin ermöglicht, einen Finger oder ein Messgerät leicht zwischen die Wange des Pferdes und das Reithalfter zu platzieren, da das Gesicht des Pferdes an der Seite viel flacher und stellenweise konkav bzw. hohl ist. Eine Messung an dieser Stelle sei daher schlicht sinnlos und ohne jede Aussagekraft, so der Tenor der Kritiker.
Die FEI hat diese Argumente jahrelang weggewischt – hat aber zuletzt wohl immer deutlicher wahrgenommen, dass diese Haltung letztlich die wissenschaftliche Evidenz ignoriert und eine dauerhafte Angriffsfläche bietet, zumal in einer Zeit, in der sich die Diskussionen um Tierschutz und Pferdewohl im Turniersport immer mehr verschärfen. Diesem wachsenden Druck hat die FEI mit der nun beschlossenen Änderung nachgegeben – spät, aber doch – sodaß man die nun vorgestellte Neuregelung jedenfalls als Fortschritt und als positiven Beitrag zum Schutz des Pferdewohls im Sport bezeichnen kann.
In diesem Video der FEI wird vorgezeigt, wie der neue Messkeil verwendet wird ...
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:05.05.2016 - Studie: Zu enge Nasenriemen verursachen „Schmerzen, Stress und Unbehagen"
Studie: Zu enge Nasenriemen verursachen „Schmerzen, Stress und Unbehagen" 05.05.2016 / News
Der bloße Anblick tut weh: Ein derart zugeschnürtes Pferd leidet – so eng verschnallte Nasenriemen sind durch nichts zu rechtfertigen. / Foto: Kseniya Abramova/Fotolia.com So sollte es sein: Zwei Finger sollten bequem zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz finden. / Foto: Archiv
Eine aktuelle australische Studie bestätigt: Zu eng verschnallte Nasenriemen führen bei Pferden zu erhöhtem Stress und unterbinden normale Verhaltensweisen wie Gähnen, Kauen oder Lecken.
Über die negativen Auswirkungen von zu eng verschnallten Nasenriemen ist in den letzten Jahren viel diskutiert und auch in beträchtlichem Umfang geforscht worden. Bereits im Jahr 2010 haben Dr. Kathrin Kienapfel und Prof. Holger Preuschoft eine vielbeachtete Untersuchung vorgelegt, die anhand der Anatomie eines Pferdeschädels zeigen konnte, daß es keine Rolle spielt, ob der Nasen- oder der Sperrriemen zu fest verschnallt wird – in beiden Fällen kann das Pferd das Maul nicht mehr öffnen und dadurch auch nicht kauen.
2013 untersuchten irische Wissenschaftler rund um Orla Doherty von der Universität Limerick, wie eng Nasenriemen in der Praxis verschnallt werden. Die Ergebnisse waren ernüchternd: Von 201 jungen Vielseitigkeits- und Hunterpferden, die untersucht wurden, hatten nur 12% die Nasenriemen locker genug angelegt, um zwei Finger darunter zu führen. 47% hatten die Nasenriemen so eng verschnallt, dass gar keine Finger darunter gepasst haben. Zudem entwickelten die Wissenschaftler erstmals eine Methode, um mittels spezieller Sensoren die Druckbelastung zwischen dem Nasenriemen und dem Nasenrücken bzw. der Pferdehaut überprüfen. Die Messungen zeigten deutliche Druckhöhepunkte bei bestimmten Reitlektionen, etwa bei Wendungen, Übergängen oder beim Rückwärtsrichten – demzufolge könnte die Druckbelastung durch zu eng verschnallte Nasenriemen zu ernsten Gewebe- und Nervenschäden führen. Es seien jedoch noch eingehendere wissenschaftliche Untersuchungen notwendig, um die Auswirkungen von hohen Druckbelastungen auf Tierverhalten und Tiergesundheit zweifelsfrei zu belegen, so Orla Doherty damals.
Diesen Nachweis konnte nun eine australische Forschergruppe im Rahmen einer umfangreichen Untersuchung erbringen. Das Ziel ihrer Studie mit dem Titel „The Effect of Noseband Tightening on Horses Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses" war es, die Verbindung zwischen zu eng verschnallten Nasenriemen und Verhaltensänderungen (insbesondere der natürlichen Maultätigkeit) sowie physiologischen Stress-Symptomen (etwa einem Anstieg der Augentemperatur oder der Herzschlagrate bzw. einer verringerten Herzschlagvariabilität) zu überprüfen.
In der Studie wurden insgesamt zwölf Reitpferde unterschiedlichen Geschlechts und unterschiedlicher Rassen (Durchschnittsalter 6,6 Jahre) eingesetzt. Die Pferde waren alle angeritten und auf unterschiedlichem Niveau ausgebildet worden – hatten jedoch bis zum Test keine Kandaren-Zäumung mit Nasenriemen getragen.
Die Test-Anordnung
Vor Beginn des Tests konnten sich die Pferde kurz akklimatisieren und an die Überwachungsgeräte (Herzschlag-Messgerät) sowie an das Kandaren-Gebiss gewöhnen, wobei der Nasenriemen vorerst noch unverschnallt blieb. Die Pferde wurden danach in zufälliger Reihenfolge in ein vorbereitetes Test-Abteil geführt, das man in einem Stallgebäude aus abgedeckten Strohballen gebaut hatte: Die Seitenwände waren 1 m noch, das Abteil hatte eine Fläche von 3 Meter mal 2 Meter, sodaß sich das Pferd nicht umdrehen und den Thermographie- und Video-Kameras nicht ausweichen konnte.
Nachdem das Pferd in das Test-Abteil geführt worden war, begann eine zehn Minuten lange Basis-Messung, bei der die Augentemperatur ebenso festgestellt wurde wie die Herzschlagrate. Auch das Verhalten des Pferdes wurde mittels Video-Aufzeichnung dokumentiert.
Danach wurden die Pferde dem eigentlichen Test unterzogen, in dem jeweils eine von vier verschiedenen Nasenriemen-Einstellungen angewendet wurde:
1. mit unverschnalltem Nasenriemen (UN = unfastened noseband)
2. mit regulärem Abstand unterhalb des Nasenriemens (CAUN = conventional area under noseband), sodaß zwei Finger zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz hatten (gemessen mit der von der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften ISES empfohlenen Schablone)
3. mit halbem regulärem Abstand unterhalb des Nasenriemens (HCAUN = half conventional area under noseband), sodaß ein Finger zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz hatte
4. kein Abstand unterhalb des Nasenriemens (NAUN = no area under noseband), d. h. der Nasenriemen lag so eng am Nasenrücken, daß die ISES-Schablone nicht zwischen Nasenriemen und Nasenrücken geschoben werden konnte.
Jedes Pferd wurde einmal pro Tag einer dieser vier Test-Einstellungen unterzogen und absolvierte sämtliche vier Einstellungs-Varianten an vier aufeinanderfolgenden Tagen. Es wurden vier Pferde pro Tag getestet, und das über einen Zeitraum von drei Wochen (Juli/August 2015) hinweg. Jeder Test dauerte zehn Minuten (einschließlich des Anpassens des Nasenriemens). Während des Tests wurde das im Abteil stehende Pferd kontinuierlich überwacht, es wurden die erwähnten gesundheitlichen Parameter (Augentemperatur, Herzschlagrate) erhoben und auch das Verhalten des Pferdes mittels Video-Aufzeichnung dokumentiert.
Nach jedem Test wurde die Zäumung entfernt, das Pferd blieb aber noch für eine zehnminütige Erholungsphase – in der ebenfalls sämtliche Parameter weiter aufgezeichnet wurden – im Abteil stehen. Erst dann wurde es wieder aus dem Stallgebäude hinausgeführt.
Alarmierende Ergebnisse
Die Ergebnisse der Auswertungen ließen an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig: Während der engsten Verschnallung des Nasenriemens (Einstellung 4, ohne Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken) zeigte sich bei den Pferden ein signifkanter Anstieg der Herzschlagrate sowie eine Verringerung der Herzschlagvariabilität, auch die Augentemperatur war erhöht – allesamt deutliche Hinweise für eine physiologische Stressreaktion. Auch im Verhalten der Pferde zeigten sich erhebliche Veränderungen: Die Kautätigkeit war sowohl bei Einstellung 3 (halber regulärer Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken) sowie bei Einstellung 4 verringert. Gähnen wurde in allen vier Einstellungs-Varianten kaum beobachtet, Lecken war bei Einstellung 4 gar nicht mehr feststellbar.
Nach der Entfernung der Zäumung in der Erholungsphase nahmen orale Verhaltensweisen wie Gähnen, Schlucken und Lecken signifikant zu, was darauf hindeutet, daß diese Verhaltensweisen während des Tests unterdrückt werden mussten und später nachgeholt wurden, die Pferde also in einer Art Entzugs-Zustand waren, den sie danach kompensieren wollten.
„Schmerz und Unbehagen"
Der Befund der Wissenschaftler ist somit eindeutig: „Die vorliegende Studie erbringt den Beweis, daß Pferde physiologischem Stress ausgesetzt sind, wenn sie einen eng verschnallten Nasenriemen in Kombination mit einer Kandare tragen. Es zeigen sich erhebliche Veränderungen in der Herzschlagrate, der Herzschlagvariabilität sowie der Augentemperatur, was darauf hinweist, daß Pferde Schmerz und Unbehagen verspüren, wenn der Nasenriemen so eng verschnallt ist, daß kein Abstand mehr zum Nasenrücken besteht. Gähnen, Lecken und Kauen sind praktisch nicht mehr festzustellen – und die Schluck-Frequenz halbiert sich bei der engsten Nasenriemen-Verschnallung. Sobald die Zäumung abgenommen ist, nehmen Gähnen, Schlucken und Lecken signifikant zu, was auf einen Kompensations-Effekt infolge vorheriger Unterdrückung dieser Verhaltensweisen schließen lässt. Es ist davon auszugehen, daß sich all diese Effekte noch weiter verschärfen, wenn auch noch die Zügelspannung durch einen Reiter hinzukommt."
„Ethisch nur schwer zu rechtfertigen"
Weiter heißt es: „Die vorliegenden Daten zeigen, daß eng verschnallte Nasenriemen ohne jeglichen Abstand zum Nasenrücken des Pferdes Stressreaktionen hervorrufen und das Pferd daran hindern, normale Verhaltensweisen zu zeigen. Stewards auf einem Turnier sollten verpflichtend überprüfen, ob die Zäumung jedes Pferdes mit den Regeln übereinstimmt, die ein zu enges Verschnallen des Nasenriemens verbieten. Die Regeln des Dressursports, nach denen die Pferde ,Gehorsam' zeigen sollten, indem sie willig das Gebiss akzeptieren, lassen sich nicht aufrechterhalten, wenn die verwendete Ausrüstung ein normales orales Verhalten unterbindet und das Pferd genau das Gegenteil zeigt, nämlich Unbehagen und einen Mangel an Gehorsam. (...) Wie man es auch betrachtet – die Anwendung von großem Druck, um natürliche orale Verhaltensweisen zu unterbinden und dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu haben, ist ethisch nur schwer zu rechtfertigen."
Die Studie „The Effect of Noseband Tightening on Horses Behavior, Eye Temperature and Cardiac Responses" von Paul McGreevy, Kate Fenner, Samuel Yoon, Peter White und Melissa Starling ist am 3. Mai 2016 im Journal PLOSOne erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
27.07.2020 - Nasenriemen: Wissenschaftler kritisieren Kontroll-Praxis der FEI scharf
Nasenriemen: Wissenschaftler kritisieren Kontroll-Praxis der FEI scharf 27.07.2020 / News
Die einzige – und von der Wissenschaft nachdrücklich empfohlene – objektive Methode, die Nasenriemen-Verschnallung zu überprüfen, ist die ISES-Schablone, die aber in der Reitsport-Community noch weithin unbekannt ist, wie sich in der Studie zeigte. / Foto: Archiv
Australische Wissenschaftler haben in einer aktuellen Studie erhoben, wie und aus welchen Gründen Nasenriemen in der sportlichen Praxis eingesetzt werden – und wie ihre korrekte Verschnallung kontrolliert wird. Dabei zeigen sich erstaunliche Defizite – auch beim internationalen Dachverband FEI.
Das Ziel der Untersuchung war es, eine aktuelle Bestandsaufnahme über die Verwendung von Nasenriemen im Pferdesport zu liefern und herauszufinden, wie und aus welchen Gründen Besitzer, Reiter und Trainer diesen Ausrüstungs-Teil im Training und im Wettkampf verwenden, welches Design bzw. welche Variante in den verschiedenen Disziplinen zum Einsatz kommt, wie die korrekte Verschnallung überprüft wird und welche negativen Auswirkungen man bei der Verwendung von Nasenriemen beobachten konnte.
Mittels einer umfassenden und detaillierten Online-Umfrage konnte man eine breit gefächerte internationale Reitsport-Community in mehreren Ländern (neben Australien und Neuseeland auch Schweden, Großbritannien, die USA, Kanada und Irland) erreichen – insgesamt erhielt man dabei 3.040 gültig ausgefüllte Fragebogen. Fast 40 % der Befragten gaben dabei an, dass sie immer Nasenriemen verwenden; 19 % gaben an, normalerweise mit Nasenriemen zu reiten, 11 % benutzten sie mnachmal, 7 % selten – und immerhin 23 % gaben es, niemals einen Nasenriemen bei ihrem Pferd einzusetzen.
Die in der Umfrage angegebenen Gründe für die Verwendung von Nasenriemen wurden in drei große, sich gegenseitig ausschließende Kategorien eingeteilt: 1) anatomische Gründe, 2) sogenannte ,Folgegründe' und 3) sogenannte ,passive Gründe'. Diese letztgenannte Kategorie war mit 32,9 % die größte und bedeutet, dass die ReiterInnen dieser Gruppe nicht unbedingt eine aktive, entschlossene Wahl für die Verwendung des Nasenriemens getroffen hatten. Sie gaben z. B. an, den Nasenriemen nur deshalb einzusetzen, weil das auch andere tun bzw. um den Ausrüstungs-Regeln ihrer jeweiligen Disziplin zu genügen – oder einfach deshalb, weil das Zaumzeug mit einem Nasenriemen verkauft wurde.
Die sogenannten ,Folgegründe' bildeten mit 30,6 % die zweitgrößte Gruppe und umfasste jene ReiterInnen, die den Nasenriemen aufgrund seiner Auswirkungen verwendete. Ganz oben auf dieser Liste stand beispielsweise die Verbesserung der Akzeptanz des Gebisses bzw. des Kontakts zum Pferd, aber auch ein verbessertes äußeres Erscheinungsbild des Pferdes.
Mit 29,5 % folgten die ,anatomischen Gründe' auf Platz drei – diese Gruppe griff zum Nasenriemen, weil er eine bestimmte physische/anatomische Funktion beim Pferd ausübe. Die wichtigsten anatomischen Gründe waren zu verhindern, dass das Pferd die Zunge über das Gebiss legen bzw. sein Maul zu weit öffnen kann.
Bei der Frage nach der Überprüfung der korrekten Nasenriemen-Verschnallung gaben die meisten an, diese am Nasenrücken zu überprüfen (62,1%, n = 1426), einige (10,4%, n = 238) gaben jedoch an, den Sitz bzw. die Enge des Nasenriemens auf der Seite des Gesichts zu kontrollieren – und wieder andere unter dem Kinn (21,5%, n = 496).
In der Umfrage wurde auch nach möglichen Problemen im Zusammenhang mit der Verwendung von Nasenriemen gefragt. Immerhin 18,6% (n = 434) berichteten von mindestens einem körperlichen oder verhaltensbedingten Problem – am häufigsten genannt wurde dabei Haarausfall unter dem Nasenriemen (39,9%, n = 173).
Ein besonders interessanter Punkt war die Frage nach der jeweils verwendeten Nasenriemen-Variante. Wie sich zeigte, variierte diese erheblich – je nach der bevorzugten Disziplin. In den populären Disziplinen Dressur, Springen und Vielseitigkeit kamen zumeist der normale englische Nasenriemen (Dressur: 43,1 %, Springen: 32,7 %, Vielseitigkeit: 39,2 %) sowie das Hannoversche Reithalfter (Dressur: 32,0 %, Springen: 35,0 %, Vielseitigkeit: 33 %) zum Einsatz. Insgesamt war der normale englische Nasenriemen mit rund 50 % aller Befragten die am häufigsten verwendete Variante. Rund ein Viertel verwendete das Hannoversche Reithalfter, 14 % eine Micklem-Zäumung, 7 % ein Mexikanisches Reithalfter.
Kritisch bemerkten die australischen Wissenschaftler, dass immerhin 28,9% (n = 665) der Befragten angaben, Nasenriemen mit verstellbarem Anzieh-System verwendeten, wie es u. a. das schwedische Reithalfter mit seiner Umlenkverschnallung aufweist. Dies ist für die Forscher besorgniserregend, „da derartige Nasenriemen übermäßig festgezogen werden können, wodurch Kiefer- und Zungenbewegungen minimiert werden und das Wohlbefinden der Pferde beeinträchtigt werden kann. Tatsächlich zeigen die aktuellen Daten in unserer Studie, dass diese Art Ausrüstung mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Problemen verbunden ist", so die Wissenschaftler.
Ernüchterung stellte sich auch in einem anderen Punkt ein: Interessanterweise erkannten nur 4 % der Befragten ein Bild des sogenannten ,taper gauge', einer Mess-Schablone, die von der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES) entwickelt wurde, um den korrekten Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenrücken objektiv bestimmen zu können. Diese bemerkenswerte Wissenslücke ist für die Wissenschaftler ein „ernstes Problem", da nur objektive Messungen sicherstellen können, dass Nasenriemen auch tatsächlich korrekt und pferdeschonend eingesetzt werden.
In diesem Zusammenhang wird auch der Internationale Dachverband des Pferdesports – die FEI – hart kritisiert: Diese weigert sich seit Jahren beharrlich, die ISES-Schablone verpflichtend bei der Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung auf Turnieren einzusetzen, was bei Studien-Autor Dominic Weller auf völliges Unverständnis stößt: „Wenn wir beispielsweise die FEI betrachten, dann empfehlen sie immer noch, den Nasenriemen nicht so fest zu befestigen, dass das Pferd Schaden nimmt – und zugleich empfehlen sie, dies zu überprüfen, indem man einen Finger unter den Riemen seitlich am Gesicht schiebt. Bei allem Respekt – das ist nicht hilfreich angesichts der Tatsache, dass die Fingergröße von Mensch zu Mensch erheblich variiert. Die einzige Möglichkeit, dies objektiv zu überprüfen, ist die Verwendung eines standardisierten Geräts, wie es die ISES-Schablone darstellt. Wir stehen nach wie vor zu der Forderung, dass diese ISES-Schablone ein verpflichtendes Hilfstool für Stewards sein sollte, um die Verschnallung des Nasenriemens häufiger und präziser überprüfen zu können."
Die Studie „The Reported Use of Nosebands in Racing and Equestrian Pursuits" von Dominic Weller, Samantha Franklin, Glenn Shea, Peter White, Kate Fenner, Bethany Wilson, Cristina Wilkins und Paul McGreevy ist im Mai 2020 in der Zeitschrift ,animals' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.
06.11.2019 - Kritik an der FEI: ISES veröffentlicht Positionspapier über zu eng verschnallte Nasenriemen
Kritik an der FEI: ISES veröffentlicht Positionspapier über zu eng verschnallte Nasenriemen
06.11.2019 / News
Überprüfungen auf Turnieren zeigen: Je enger der Nasenriemen, desto häufiger sind auch Maulverletzungen zu beobachten. / Symbolfoto: Fotolia/Kseniya-Abramova
Die Internationale Gesellschaft für Pferdewissenschaften ISES hat ein neues Positionspapier vorgestellt, das sich der Frage von zu engen Nasenriemen insbesondere im Pferdesport stellt. Erster und wichtigster Adressat ist die FEI, deren bisherige Praxis zur Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung offen kritisiert wird. Hier das vollständige Positionspapier in deutscher Übersetzung.
ISES schickt voraus, dass – in Anbetracht der Ergebnisse mehrerer kürzlich durchgeführter Studien zum Nasenriemen – diese neue, aktuelle Stellungnahme eine frühere Version aus dem Jahr 2012 ersetzt und zusätzliche wissenschaftliche Belege für mögliche negative Auswirkungen einschränkender Nasenriemen auf Pferde berücksichtigt. (Anmerkung: Als ,einschränkend’ (,restrictive’) werden hier Nasenriemen bezeichnet, die so eng verschnallt sind, dass weniger als zwei Finger eines Erwachsenen zwischen Nasenriemen und Nasenrücken Platz haben.)
ISES gibt deshalb ein neues, aktualisiertes Positionspapier zu diesem Thema heraus, weil einschränkende Nasenriemen
– in vielen Pferdesportdisziplinen nach wie vor weit verbreitet sind;
– mit erhöhten physiologischen Stressreaktionen und einem erhöhten Vorkommen von Maulverletzungen verbunden sind, wodurch das Wohlergehen von Pferden beeinträchtigt wird;
– die Fähigkeit des Pferdes verringern, frei zu schlucken, zu gähnen, zu kauen und zu lecken;
– hohen Druck auf viele empfindliche Gewebsteile im und um den Kopf des Pferdes ausüben;
– Schmerzen, Beschwerden und Trainingsmethoden verdecken können, die nicht mit der Lerntheorie übereinstimmen;
– Reitern, die sich auf anhaltenden und restriktiven Druck stützen, anstatt angemessene und ethische Trainingsmethoden anzuwenden, einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen können
– Einschränkende Nasenriemen sollten daher während des Wettbewerbs einer Regulierung und einer standardisierten Überprüfung auf dem frontalen Nasenrücken unterliegen.
Hintergrund
Pferde werden vor allem durch den Einsatz von Druck und durch das Lösen bzw. Entlasten von Druck trainiert – ein Vorgang, der als negative Verstärkung bekannt ist. Bei negativer Verstärkung erfolgt das Lernen, wenn der Druck nach Durchführung des gewünschten Verhaltens wieder gelöst wird (siehe ISES First Principles of Horse Training). Pferde wollen Druck vermeiden und werden verschiedene Reaktionen ausprobieren, um ihn zu reduzieren. Unglücklicherweise birgt das Anwenden von Druck das Risiko, übermäßigen Druck auszuüben oder ihn nicht zu lösen (siehe ISES-Positionserklärung zu aversiven Stimuli im Pferdetraining). In solchen Fällen ist das Lernen mit geringerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich – und das Wohlergehen des Pferdes kann beeinträchtigt werden. Ein eng anliegendes Reithalfter (also mit weniger als 2 Finger eines Erwachsenen zwischen Nasenriemen und Nasenrücken) ist ein Beispiel für ein Hilfsmittel, das einen konstanten Druck ausübt, der sich nicht lösen kann, wenn das Pferd eine gewünschte Reaktion bietet, anders als bei normaler Verwendung einer negativen Verstärkung. Es schränkt die Bewegungen von Mund, Kiefer und Zunge ein und kann Schmerzen und Verletzungen verursachen.
Das Wohlergehen der Pferde hat im Pferdesport einen hohen Stellenwert. Der Verhaltenskodex der Federation Equestre Internationale (FEI) zum Wohle des Pferdes besagt, dass „Ausrüstung so konstruiert und angebracht sein müssen, dass das Risiko von Schmerzen oder Verletzungen vermieden wird“ (FEI, 2019). Weiter heißt es, dass Pferde „keinen Methoden ausgesetzt werden dürfen, die mit Missbrauch verbunden sind oder Angst verursachen“. In Bezug auf Reithalfter heißt es in den FEI-Dressurregeln (Artikel 428): „Bei jedem Turnier darf ein Reithalfter niemals so fest angezogen sein, dass es dem Pferd Schaden zufügt, und muss entsprechend dem Nasenriemen-Protokoll lt. Stewards-Handbuch überprüft werden.“
Aktuelle Trends bei der Verwendung von Nasenriemen
Traditionelle Richtlinien für das Verschnallen des Nasenriemens empfehlen, diesen so locker anzulegen, dass beim Befestigen zwei Finger darunter Platz haben (siehe etwa Reiner Klimke: Grundausbildung des jungen Reitpferdes). Jüngste Studien haben jedoch gezeigt, dass bei international eingesetzten Turnierpferden, hauptsächlich in den Sparten Vielseitigkeit und Dressur (n = 737), nur 7% der überprüften Nasenriemen locker genug verschnallt waren, um zwei Finger zwischen Nasenriemen und frontalem Nasenrücken zu platzieren (Doherty et al., 2016). Im Gegensatz dazu waren 44% so fest angezogen, dass gar kein Messgerät an dieser Stelle unter den Nasenriemen gepasst hat (Doherty et al. 2016).
Die Anwendung von übermäßigem Druck oder unzureichender Druckentlastung während des Reitens und Trainings kann auf mangelnde Kenntnis der Lerntheorie zurückzuführen sein (Brown und Connor 2017, Warren-Smith und McGreevy 2008, Wentworth-Stanley 2008). Unangemessene Trainingstechniken basieren häufig auf erhöhtem Druck, um bestimmte gewünschte Reaktionen zu erzwingen (McLean und McGreevy 2010). Die aktuellen Trends bei der Verwendung des Nasenriemens sind wohl ein weiteres Indiz für diesen weit verbreiteten Mangel an Kenntnissen der Lerntheorie in der Welt des Pferdesports.
Die Auswirkungen von zu engen Nasenriemen auf Gesundheit, Verhalten und Leistungsfähigkeit
Eine Studie an Turnierpferden (n = 3143) hat einen signifikanten Zusammenhang zwischen einschränkenden Nasenriemen und Verletzungen an den Maulwinkeln aufgezeigt und nahegelegt, dass solche Verletzungen durch eine Beschränkung der Nasenriemenspannung verringert werden könnten (Uldahl und Clayton 2019). In der Studie wurde die Nasenriemen-Verschnallung in drei Kategorien gemessen: weniger als 2 cm, 2-3 cm und mehr als 3 cm Abstand unter dem Nasenband. Die Häufigkeit von Maulverletzungen war bei Pferden in der Kategorie mit dem lockersten Nasenriemen um 68% niedriger als bei Pferden in der Kategorie mit dem engsten Nasenriemen (weniger als 2 cm). Es wurde auch gezeigt, dass einschränkende Nasenriemen die Fähigkeit von Pferden verringern, zu schlucken, zu gähnen, zu kauen und zu lecken (Fenner et al. 2016). Darüber hinaus waren sie mit einer erhöhten mittleren Herzfrequenz und einer erhöhten Augentemperatur bei Pferden verbunden, die nicht an das Tragen von Nasenriemen gewöhnt waren (McGreevy et al. 2012). Die Reduzierung des Nasenriemen-Spitzendrucks führte zu verbesserter Gangqualität mit erhöhter Hankenbeugung und verbesserter Vorderbein-Aktion (Murray et al. 2015).
Das gerittene Pferd wird versuchen, seine Zunge zu bewegen oder das Maul zu öffnen, um Schmerzen bzw. Beschwerden, die durch den Druck des Gebisses verursacht werden, abzumildern oder zu beseitigen. Einschränkende Nasenriemen verhindern offenkundig solche Verhaltensweisen, verstärken den Druck und verdecken Anzeichen von Schmerz und Unbehagen (Fenner et al. 2016).
Studien haben gezeigt, dass Pferde kurzfristig einen geringeren Gebissdruck benötigen, um auf das Anziehen des Nasenriemens zu reagieren (Randle und McGreevy 2013, Pospisil et al. 2014). Diese erhöhte Empfindlichkeit gegenüber dem Gebissdruck beim Verschnallen des Nasenbands weist auf ein erhöhtes Unbehagen beim Anwenden des Gebissdrucks hin (möglicherweise aufgrund des Zusammenpressens oraler Strukturen wie der Zunge). Während ein geringerer Gebissdruck wünschenswerter und auch für den Reiter angenehmer wäre, ist die Verwendung von einschränkender Ausrüstung zur Erzielung einer erhöhten Reaktionsfähigkeit ethisch inakzeptabel. Im Gegensatz dazu bieten lockerer verschnallte Nasenriemen, mit denen das Pferd ein positives Verhalten zeigen kann, Reitern die Möglichkeit, in allen Disziplinen korrekt trainierte Selbsthaltung und das Reagieren schon auf feinste Hilfen zu demonstrieren.
Bereiche, in denen weitere Studien benötigt werden
Einschränkende Nasenriemen können extrem hohe Kräfte (bis zu 95 Newton) und Druckspitzen (über 1.000 mmHg) auf Haut, Nerven und Knochen unterhalb des Nasenriemens ausüben (Casey et al. 2013, Murray et al. 2015, Doherty 2016). Dies kann zu Beschwerden, zu Schmerzen und sogar zuVerletzungen führen. Die Auswirkungen derart eng verschnallter Nasenriemen auf die darunter liegenden Strukturen wurden bislang noch nicht untersucht.
Die Folgen von hohem Druck auf Schmerzrezeptoren in darunter liegenden Weichteilen oder anderen Strukturen des Pferdes sind bislang unklar. Angesichts der Tatsache, dass Pferde als empfindsame Wesen gelten (also Schmerz und Leid fühlen können), ist es wahrscheinlich und naheliegend, dass sie hohen Druck als unangenehm oder schmerzhaft empfinden. Polsterungen unter dem Nasenriemen könnten wohl einige dieser Folgen abmildern, aber auch die Oberfläche des Nasenriemens und somit den Bereich der Wange vergrößern, der gegen die Vormahlzähne (Prämolaren) gedrückt wird. Dies kann das Risiko einer Verletzung der weichen Innenseite der Wange erhöhen.
Nasenriemen-Verschnallung in pferdesportlichen Wettbewerben
Die Vorschriften und Richtlinien, die von den zuständigen Verbänden und Ausbildungsgremien des Pferdesports festgelegt werden, können das Wohlergehen von Pferden, die an einer Vielzahl von Disziplinen auf allen Ebenen teilnehmen, erheblich beeinflussen. Diese Institutionen sollten daher die Verwendung eines Standardmessgeräts zur Überprüfung der Nasenriemen-Verschnallung befürworten und gegebenenfalls durchsetzen. Die zuverlässigste und geeignetste Stelle zur Messung der Nasenriemen-Spannung ist die frontale Nasenebene. Diese Stelle ist leicht zu finden, verformt sich unter Druck nicht und spiegelt deutlich die tatsächliche Verschnallung des Nasenbands über benachbarten markanten Knochenstrukturen (linker und rechter Nasenknochen) wider. FEI-Stewards werden seit 2016 angehalten, die Verschnallung des Nasenriemens zu überprüfen, indem ein Finger zwischen der Wange des Pferdes und dem Nasenriemen eingeführt wird. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass selbst ein extrem enges Reithalfter es weiterhin ermöglicht, einen Finger oder ein Messgerät leicht zwischen die Wange des Pferdes und das Reithalfter zu platzieren, da das Gesicht des Pferdes an der Seite viel flacher und stellenweise konkav bzw. hohl ist (Doherty et al. 2017).
Der Mangel an gemeldeten Verstößen, bei denen Reiter für zu straffe Nasenriemen im Wettbewerb bestraft werden, deutet darauf hin, dass die Richtlinien und Empfehlungen zum Nasenriemen nicht objektiv überwacht werden. Subjektive Überprüfungen der Nasenriemen-Verschnallung, die ohne einen einheitlichen Ansatz und ohne Verwendung eines standardisierten Messinstruments an der frontalen Nasenebene durchgeführt werden, führen zu inkonsistenten Messungen und Ergebnissen. Dies kann eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Pferde zur Folge haben.
In Anerkennung der wachsenden Anzeichen für die nachteiligen Auswirkungen von zu engen Nasenbändern haben Reitsportverbände in Neuseeland, Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Schweden ihrerseits Vorschriften für die Verwendung von Nasenriemen erlassen. Diese Vorschriften sehen einen Abstand von 1 Finger (Neuseeland), 1,5 cm (Dänemark, Schweden und Niederlande) oder 2 cm (Schweiz) unter dem Nasenband in der frontalen Nasenebene vor, geben jedoch im Allgemeinen nicht die genauen Ausmaße eines Messinstruments an, mit dem dies überprüft werden soll. Während das ISES Noseband Taper Gauge in mindestens drei veröffentlichten Studien (McGreevy et al. 2012, Doherty et al. 2016, Fenner et al al. 2016) gibt es noch keine wissenschaftlichen Belege für die verhaltensbezogenen oder physiologischen Konsequenzen für das Pferd, wenn 1 Finger, 1,5 cm oder 2 cm Platz zur Verfügung gestellt werden.
Angesichts der wissenschaftlich fundierten Beweise für das hohe Vorkommen zu engen Nasenriemen und ihrer Folgen für das Wohlbefinden der Pferde sollte die Überwachung der Nasenriemen-Verschnallung bei allen Pferdesportarten Vorrang haben.
Weitere Maßnahmen sind erforderlich
Die ISES stimmt darin überein, dass weitere Forschungen zu folgenden Themenfeldern erforderlich sind:
– optimale Anpassung des Nasenriemens, um zu gewährleisten, dass das Wohlbefinden gerittener Pferde nicht beeinträchtigt wird.
– Auswirkungen auf das Wohlbefinden eines Pferdes, wenn natürliche orale Verhaltensweisen (Schlucken, Kauen und Lecken) aufgrund eines zu engen Nasenriemens eingeschränkt sind.
– Unterschiede zwischen akzeptablen Maulbewegungen während des Reitens und solchen, die auf Schmerzen/Beschwerden bzw. Verwirrung und daraus resultierende Konflikte beim Pferd zurückzuführen sind.
– Ausbildung von Pferdetrainern, Betreuern und Reitern in der richtigen Anwendung der Lerntheorie ist erforderlich, um zu verhindern, dass über die Ausrüstung zuviel Druck während des Reitens oder Trainings auf das Pferd ausgeübt wird
– Es ist erforderlich, dass die Wettbkampfrichter geschult werden, damit sie zwischen erwünschtem „Ansprechen auf das Gebiss“ und einem Verhalten unterscheiden können, das möglicherweise auf eine Abwehr bzw. Ablehnung bzw. eine Reaktion auf Schmerz oder Unbehagen hinweist.
– Es liegt in der Verantwortung der Verbände und Leitungsgremien im Pferdesport, sich an der weiteren Forschung zu beteiligen – in Form von Finanzierung, Zusammenarbeit, offener Kommunikation und aktiver Teilnahme – und so dazu beizutragen, dass die verbleibenden Fragen in Bezug auf mögliche, durch zu enge Nasenriemen verursachte Gefahren für das Wohlergehen gerittener Pferdes beantwortet oder auch hinterfragt werden können.
Empfehlungen
Sofern wissenschaftliche Erkenntnisse nichts anderes nahelegen, empfiehlt ISES den leitenden Institutionen und Verbänden folgende Maßnahmen:
A. Einführung und Durchsetzung entsprechender Nasenriemen-Regeln in allen Pferdesportdisziplinen, wobei in allen Fällen ein objektives Messinstrument mit Standardumfang wie die ISES-Nasenriemen-Messschablone (ISES Noseband Taper Gauge) mit Zwei-Finger-Messumfang zu verwenden ist;
B. vorzuschreiben, dass die Messung des Abstands unter dem Nasenriemen zu jeder Zeit in der frontalen Nasenebene (Nasenbein) durchgeführt wird;
C. zur Kenntnis nehmen, dass das Öffnen des Mauls auf unerwünschte Faktoren wie Schmerzen, Unwohlsein und Fehler im Training zurückzuführen ist und kein Anzeichen von Widerstand darstellt; und akzeptieren, dass jede körperliche Einschränkung der Kieferbewegung das Wohlergehen des Pferdes gefährden kann;
D. eine größere Transparenz darüber einräumen, wie Entscheidungen in Bezug auf zulässige Ausrüstung und deren Anwendung getroffen werden, und ausreichende Nachweise dafür erbringen, dass die Reglements die Pferde tatsächlich vor Schäden und Verletzungen schützen;
E. die Regeln und Praktiken, die sich auf das Wohlergehen der Pferde auswirken, kontinuierlich überpfüfen und überarbeiten – und zwar mit einem evidenzbasierten Ansatz, der die neuesten Forschungen hinsichtlich Tierschutz und Veterinärwissenschaften berücksichtigt.
Das vollständige ISES-Positionspapier zu einschränkenden Nasenriemen kann man in englischer Originalfassung hier nachlesen.
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