Am 8. Oktober ist Emmy Tauffkirchen im 89. Lebensjahr nach schwerer Krankheit in Wien verstorben. Sie war die Doyenne der Hippotherapie in Österreich und 1977 auch Gründungsmitglied des heutigen Österreichischen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten (OKTR).
Das Ehepaar Emmy und Willi Tauffkirchen mit den Pferden Limbo und Dandy Anfang der 1980er Jahre (Familienarchiv Dr. Nina Pecha).
Emmy Brandner wurde 1936 in Wien geboren und wuchs in einem musikbegeisterten Elternhaus im 19. Bezirk auf. Nach Realgymnasium und Matura absolvierte sie eine Ausbildung zur Assistentin für Physikalische Medizin, die sie 1956 abschloss. Dann nahm sie eine Tätigkeit an einem Zentrum für Poliomyelitis in der Schweiz auf. 1958 kehrte sie nach Österreich zurück und begann als erste Physiotherapeutin für Pädiatrie an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Universität Wien zu arbeiten.
Privat erlitt die junge Frau einen schweren Schicksalsschlag, als sie 1959 binnen kurzem beide Eltern verlor. 1963 heiratete sie den Diplom-Ingenieur Dr. Friedrich Wilhelm Graf von Tauffkirchen zu Guttenburg auf Ybm, den sie liebte und der sie zeitlebens in all ihrem Tun unterstützte. Die engagierte Physiotherapeutin nahm an etlichen Fortbildungen im In- und Ausland teil, lernte dabei neue Therapiekonzepte kennen, setzte sich für deren Etablierung in Österreich ein und kümmerte sich auch darum, dass das stetig anwachsende Fachwissen durch Vorträge, Vorlesungen und Publikationen innerhalb ihrer eigenen Kollegenschaft sowie der Ärzteschaft weitere Verbreitung fand. Emmy Tauffkirchen war in mehrfacher Hinsicht eine Pionierin.
Ein Herzstück ihrer Arbeit war die Hippotherapie, eine physiotherapeutische Behandlung auf dem Pferd, die sich die rythmischen Bewegungen des Pferderückens zunutze macht und vor allem Menschen mit zentralen Bewegungsstörungen, etwa Patienten mit Cerebralparese, zugutekommt. Diese Therapie wurde in den 1960er und 1970er Jahren vor allem in Deutschland, Österreich und Schweden entwickelt. Emmy bildete sich zunächst in Deutschland zur Hippotherapeutin aus. Sie sorgte dann dafür, dass die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Universität Wien ein ebenfalls in Deutschland ausgebildetes Therapiepferd bekam. Der Wallach Dandy wurde mit Spendengeldern zuerst im Wiener Reitinstitut in der Barmherzigengasse, dann in der Veterinärmedizinischen Universitätsklinik in Floridsdorf untergebracht und stand dort ihren jungen Patienten für Therapiestunden zur Verfügung, bis er selbst mit 36 Jahren starb.
Emmy Tauffkirchen und Hauptsattelmeister Karl Neidhardt bei einem der Reitkurse im Hessischen Landgestüt Dillenburg (Privatarchiv Eugenie Flick).
Emmy gestaltete diese Therapiestunden, die den oft schon therapiemüden Kindern und Jugendlichen auch neuen Lebensmut gaben, beteiligte sich an Lehrgängen zur Hippotherapie in Deutschland und leitete entsprechende Lehrgänge in Österreich. Eine wichtige Mitstreiterin im Bemühen um die Einführung dieser Therapieform sowie ihre Anerkennung als physiotherapeutische Maßnahme durch den Obersten Sanitätsrat war die Salzburger Kinderärztin Dr. Liselotte Ölsböck, die Emmy als eine sehr kritische und zielstrebige Person erlebt hat. Emmys Arbeit hat bei den nachfolgenden Generationen von Physiotherapeuten tiefe Spuren hinterlassen.
Mit Dr. Ölsböck gehörte Emmy Tauffkirchen auch zu den Gründungsmitgliedern des Österreichischen Kuratoriums für Hippotherapie, das heute Österreichisches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (OKTR) heißt und neben der Hippotherapie in noch drei weiteren Sparten pferdegestützter Interventionen (Heilpädagogische und Therapeutische Förderung mit dem Pferd, Integratives Reiten und Ergotherapie mit Pferd) aktiv ist. Die weiteren Gründungsmitglieder waren DDr. Ernst Huber (Vorstand des Sbg. Kinderspitals) sowie Prof. Dr. Carl Klüwer – die Gründungsveranstaltung fand anlässlich des Symposiums "Physiotherapie auf dem Pferd" vom 10.–12. Nov. 1977 in Wien statt, ein denkwürdiges, ja, historisches Datum und gleichsam die offizielle Geburtsstunde der pferdegestützten Therapie in Österreich.
In ihrer Freizeit war Emmy Tauffkirchen selbst begeisterte Reiterin. Als etwa Vierzigjährige absolvierte sie Reitkurse im Hessischen Landgestüt Dillenburg und besaß auch zwei eigene Reitpferde, eines davon der dressurbegabte Hannoveraner Limbo. Weggefährten von damals erinnern sich noch heute an ihr besonderes Geschick im Umgang mit Pferden sowie ihren festen Entschluss, klassisches Reiten immer weiter erlernen zu wollen. Charmant, humorvoll und souverän, wie sie war, meisterte sie schwierige Situationen, ob mit Hengsten des Hessischen Landgestüts in der Reitbahn, schwerkranken Kindern und Jugendlichen im beruflichen Alltag oder sonst in ihrem Leben.
Ihre berufliche Tätigkeit, die sie bis zu ihrer Pensionierung 1997 an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der Universität Wien, zuletzt als Leitende Physiotherapeutin, versah, war von Erfolgen gekrönt. Für ihre vielfältigen Verdienste um Physiotherapie und Therapeutisches Reiten erhielt sie mehrere Auszeichnungen, die 1997 in der Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens der Universität Wien gipfelten.
Sogar im Ruhestand engagierte sie sich ehrenamtlich weiter in der Hippotherapie, und es wäre nicht Emmy, wenn sie nicht auch noch erfolgreich Seminare der Theologie besucht hätte. Ihr offenes Wesen, ihr beständiger Wille zu lernen und das Gelernte mit anderen Menschen zu teilen, kennzeichneten sie ebenso wie ihre vornehme, geschmackvolle, stets lebensfrohe Erscheinung. Sie war Pionierin und Grande Dame, ein einzigartiger Mensch, eine besondere Persönlichkeit und ein Vorbild für Generationen. Die Beisetzung von Emmy Gräfin Tauffkirchen zu Guttenburg auf Ybm erfolgt am 31. Oktober 2024 um 11 Uhr auf dem Döblinger Friedhof.
Friederike Bubenheimer-Erhart
Emmy Tauffkirchen im Jahr 2020 (Familienarchiv Dr. Nina Pecha).