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Die neuen Fälle des Dr. K.: Gebote, Verbote & Warnungen rund ums Pferd
30.11.2024 / News

Auf nahezu jedem Pferdebetrieb sowie auf öffentlichen und privaten Wegen finden sich oft Warntafeln sowie Hinweis- und Verbotsschilder, die unterschiedliche rechtliche Wirkungen entfalten. Dr. K. hat im Laufe seiner Tätigkeit einige markante und bisweilen auch skurille Beispiele zusammengetragen.

 

Sogenannte „Freizeichnungen“ werden von Anlagenbetreibern oder Veranstaltern als – in der Regel überschätzte – Möglichkeit gesehen, sich von einer eventuellen zukünftigen Haftung zu befreien. Gerichte sehen in Freizeichnungen in der Praxis lediglich Hinweise auf mögliche Situationen mit erhöhtem Gefahrenpotential:

„Die Rechtsfigur „Handeln auf eigene Gefahr“

„Ein Anschlag „Reiten auf eigene Gefahr“ kann daher als bloßer Hinweis auf die Gefährlichkeit dieses Sportes und darauf aufgefasst werden, dass Schäden entstehen können, für die niemand schadenersatzpflichtig ist, zumal auch ein besonders sorgfältiger Reitlehrer nicht in der Lage sein wird, Stürze der Reiter vom Pferd immer zu verhindern…“
[zit. Urteil LG Linz 3 Cg 53/07 h]

Forensische Relevanz
– Hinweis-Tafeln mit Inhalten wie „Reiten auf eigene Gefahr“, können so verstanden werden, dass für Schäden, die der Reiter selbst herbeigeführt hat oder die durch ein nichtvorhersehbares Verhalten des Pferdes entstehen, nicht gehaftet wird.
– Die art-typische Tiergefahr beim Pferd gilt als vorhersehbar.

 

Diese beiden Hinweise (oben/unten links) entsprechen in ihrer Form weder öffentlichen Verbots- oder Gebotstafeln – sie sind jedoch klare Hinweise auf unerwünschte oder nicht tolerierte Tätigkeiten – diese Hinweise zu ignorieren und bewusst gegen ihren Inhalt zu handeln, würde im Schadensfall mit hoher Wahrscheinlichkeit als Vorsatz ausgelegt werden.

Oben rechts: Ob eingeladen oder nicht – Versicherungen ersetzen im Schadensfall Personen- oder Sachschäden. Doch Schadenersatz gibt es nur dann, wenn der Versicherte alles getan hat, um den Schaden abzuwenden oder zumindest möglichst gering zu halten.
Bei der Schadensminderungspflicht handelt es sich um keine Rechtspflicht, sondern um eine bloße Obliegenheit. Eine Verletzung dieser Pflicht kann aber unangenehme Folgen haben.

„Wer sorglos ist, muss auch den daraus folgenden Nachteil tragen."


Forensische Relevanz
– Die wichtigste Verhinderung von Schäden besteht in einem verantwortungsvollem, regel- und gesetzestreuen Verhalten jedes Einzelnen.
– Der Vertrauensgrundsatz, dass sich Mitmenschen verantwortungs-bewusst, regel- und gesetzeskonform verhalten, ist die herausragende Säule gesellschaftlicher Übereinkunft.
– Nicht alles muss durch Hinweise, Verbote oder Gebote geregelt sein, der Hausverstand, der „gesunde Menschenverstand“ eines mündigen und reifen Erwachsenen sollte als Richtschnur dienen und genügen:
    z.B.: Absicherung einer Unfall- oder Gefahrenstelle
– Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht wird nach Ansicht des Obersten Gerichtshof (OGH) auch durch das Nichtergreifen eines Rechtsmittels oder bei der Unterlassung einer, an sich Erfolg versprechenden Prozessführung angenommen.

 

Der Bibelspruch:
„Was Du nicht willst, dass man Dir tut, füg` auch keinem anderen zu!“
(Mat. 7,12)
…….
erwächst beim Philosophen Emanuel Kant (1724-1804) von der bloßen Vermeidung in ein aktives, beabsichtigtes Tun:

„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Dazu muss sich der Mensch an der Seite des Pferdes „stark ins Zeug legen und ziehen , was das Zeug hält!“

 

Ludwig Koch -Documenta hippologica OLMS 1982

 

 

Rechtsfigur „Allgemeine Verkehrssicherungspflicht“

„Wer eine Gefahr schafft, hat für sie einzustehen!“
 

Forensische Relevanz

– Bei der Eröffnung eines Verkehrs ist auf den Umfang, die Intensität und den Teilnehmerkreis Bedacht zu nehmen

– Die Möglichkeit der Gefahr muss klar erkennbar sein

– Auf einen vorhersehbar speziellen Personenkreis ist abzustellen: Kinder, Behinderte, alte Menschen, mögliche Alkoholisierte, Störenfriede

– Bei ausreichender Möglichkeit zum Selbstschutz entfällt diese Pflicht

– Die Zumutbarkeit der Sicherungsmaßnahmen umreißt die Haftungsgrenze

– Kinder und Menschen, denen Gefahren durch die Natur und durch Tiere auf Grund ihres Alters oder ihrer Herkunft nicht bekannt und vertraut sind, müssen auch unter diesem Gesichtswinkel „erzogen“ werden.  

 

Anlagenbetreiber wissen es, arrivierte Pferdeleute wissen es:            

Hallenspiegel sind nicht ungefährlich, wenn sich Pferde unbeaufsichtigt und frei in einer Reithalle aufhalten können – insbesondere Hengste „verwickeln“ ihr eigenes Spiegelbild in einen Hengstkampf, der – wie das rechte Bild oben zeigt – tödlich ausgehen kann. Es mag auch Fälle geben, in denen ein Hallenspiegel für ein „Fenster“ gehalten wurde.

Für die Gutachtenserörterung in diesem Rechtsstreit, in dem es um sehr viel Geld ging, wurde ich als Gutachter bestellt. Der Eigentümer des Hengstes hatte den Einstellbetrieb wegen Vernachlässigung der Verwahrung geklagt, weil das Pferd (ein Deckhengst und im Springsport eingesetzt) zum Zeitpunkt des Vorfalles unbeaufsichtigt in der Reithalle war. Der Einstellbetrieb wehrte sich und führte an, dass der Hengst den Hallenspiegel für ein „Fenster“ gehalten habe und „hinausspringen“ wollte – auch eine Aufsicht hätte dies nicht verhindern können.

Ich habe eine Gegenüberstellung erarbeitet:

Annahme: Verwechslung mit einem Fenster
1.    Beginn:     Plötzlich und schwer abwendbar
2.    Motiv:     schwer erkennbar, Blick auf Reitplatz oder Reiterstüberl
3.    Impulsleistung: 20 Kilowatt oder 26 PS
4.    Tempo:      30 – 50 km/h
5.    Erwartbares Verletzungsmuster
– Bruch des Gesichtsschädels
– Siebbeinbruch mit schwerer Blutung
– Gehirn tritt durch die Augen aus
– Genickbruch 1./2. HW
– Zertrümmerung am Carpus
– Finale Zuckungen sehr wahrscheinlich
6.    Spurenlage: viel Blut, Endlage und Bild der Leiche

Annahme: Kampf mit dem eigenen Spiegelbild
1.    Beginn:     langsam aufbauend, vorhersehbar, noch abwendbar
2.    Motiv:     Kampf mit „Rivalen“ im Spiegel (Vorfall im Frühjahr und zur Decksaison)
3.    Steigen, Kampf mit den Vorderextremitäten, Beißen: Gegner das eigene aggressive Spiegelbild
4.    Verlust von Gleichgewicht und Balance
5.    Eigengewicht und hoher Schwerpunkt drücken gebogenen Hals gegen den Spiegel
6.    Verletzungsmuster gemäß Obduktion: Bruch des 4. HW. verursacht durch Unterkieferast (Deckung), Sekundentod durch Läsion des Rückenmarks, geringe äußere Verletzungen
7.    Spurenlage: Kampfspuren am (zerbrochenen) Spiegelglas, ausgeschlauchter Penis, Kampfspuren durch Hufeisen an der Bande, keine Zeichen eines Todeskampfes, äußere Leiche unauffällig, Endlage > Foto oben.

Foto: Dr. Kaun – Kampfspuren an der Bande

Das erkennende Gericht hat die Version des Sachverständigen „Kampf mit dem eigenen Spiegelbild“ als Todesursache übernommen und den Einstellbetrieb (im Rahmen der Gehilfenhaftung) zum Schadenersatz bestimmt.

 

Diese Konstellation beinhaltet eine klare Verbotssituation – Reiten und Fahren – auch mit Pferden – ist verboten.

 

Eine Fahrerlaubnis besteht nur für Berechtigte der Schweizerischen Eidgenössischen Militärpferdeanstalt Bern– sehr drastisch wird im Bild auf die Folgen hingewiesen – wenn zu schnell gefahren und ein Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird.

 

Dieser Hinweis auf eine „Gefahr wegen querender Berittener“ also Menschen zu Pferde, nicht (zwingend) identisch mit „queeren Berittenen“ – sollte von Fahrzeuglenkern nicht einfach übersehen werden, sondern Ermahnung zu hoher Aufmerksamkeit, ja sogar Temporeduktion sein.

 

Am Feiertag des Heiligen Nikolaus wurde sein ehrwürdiger Vertreter auf Erden  mit einer Kutsche zu den Kindern gefahren – dazu ein Sicherheitshinweis bei einem Gefahrenzeichen – sicher besser als nichts, nach Unfall kaum hilfreich.

 

Mit allerhöchster Genehmigung des erlauchten Grundherrn ist dem gemeinen Volke das Weiterleben und Atmen (noch) erlaubt!

 

Mancherorts lauert die Lebensgefahr – gemeint ist eigentlich Todesgefahr – versteckt und im Verborgenen.

 

Auf dem Einhalten von Rauchverboten am Stallgelände und in Reithallen sollten Anlagenbetreiber unerbittlich bestehen – eine „Pönale-Büchse“ im Reiterstüberl zugunsten „Kaffee für Alle“ wirkt oft Wunder.

 

„Reiten Sie noch oder spielen Sie schon Golf?“

 

Es dürfte Zufall sein, dass alle diese Informationen auf einem Kreuz montiert sind – oder ist darin ein versteckter Hinweis auf die bestehende Gefahr zu sehen?

Bei offiziellen, gemeldeten Veranstaltungen gibt es immer einen Verantwortlichen, der die Sicherheit von Passanten und Zuschauern zu gewährleisten hat, sportliche Teilnehmer gehen „ihr Risiko“ freiwillig und bewusst ein – das „tolerierte Risiko“ bei Sportausübung darf nicht überzogen werden – weder für den sportlichen Teilnehmer noch für dessen Umfeld.

 

 

 

Kinder und Liebespaare verbergen sich gerne auf dem Heuboden, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – das Verbot am Ende der Leiter und in luftiger Höhe von 3 m kommt wohl in jedem Falle zu spät.

 

Wer ist befugt, die Anlage zu betreten – welche Eltern haften für welche Kinder – jeweils für die eigenen oder auch für Kuckuckseier?
Diese Anordnungen des Stallbetreibers machen nur dann Sinn, wenn er sie aktiv und nachweislich überwacht – die Zettel alleine bewirken nichts.

Auf dem eisigen Weg zur Reithalle stürzte ein Pferd und verletzte sich schwer – das angerufene Gericht verurteilte den Anlagebetreiber zu Schadenersatz.

 

Man muss nicht mittendurch oder ganz knapp daneben vorbeireiten!

 

Auffallend und respekteinflößend – aber was wird hier versperrt? Mit Maßnahmen, deren Sinn nicht erkennbar ist, fördert man, dass sie ignoriert werden.

 

 

Nicht-medizinischen Besuchern der Veterinärmedizinischen Universität Wien mögen diese beiden Schilder „sexistisch“ vorkommen – es gibt aber keine unanständigen Hintergedanken bei der künstlichen Besamung von Tieren.   

 

Kleiner „Reminder“ beim Ausgang der Reithalle – eigentlich eine Sache guten Benehmens.

 

Die Eigentümerin des Betriebes zeigt unmissverständlich beim Eingang zur Reithalle auf, was unerwünscht ist.

 

Eine recht vernünftige und nüchterne Aufklärung darüber, dass von Pferden Gefahren ausgehen – sicherlich sinnvoll in einem Betrieb, in dem Publikum verkehrt, das Pferden ferne steht.

 

Das Gebotsschild zeigt ohne Zweifel, wer diesen Steg überqueren darf – Pferde und Reiter gehören nicht dazu. Trotzdem wurde die schmale Brücke bei einem Vielseitigkeitsturnier (mit Billigung durch den Technischen Delegierten) als Teil der Strecke zum Ort der Verfassungsprüfung vorgesehen – die Alternative führte durch den Fluss. Ein an der Hand geführtes Pferd brach ein und verletzte sich schwer – ein mühsames Verfahren führte schließlich zu einem Vergleich mit dem Veranstalter – Grundbedingung war „absolutes Stillschweigen über die Höhe der Entschädigung!

 

Meine Erfahrung aus Gerichtsprozessen hat mich gelehrt, dass ein schlichtes und kategorisches „FÜTTERN VERBOTEN“ wirksamer ist, als romanhafte Begründungen. In einem Prozess, in dem einem Vater vorgeworfen wurde, dass er trotz solcher Hinweise – wie oben dargestellt – seinem Sohn das Füttern der Weidepferde erlaubt hatte, argumentierte dessen Anwalt: „Die auf dieser Weide gehaltenen Pferde waren schon krank, sonst hätte sich der Halter nicht der Mühe solch aufwändiger Erklärung unterzogen1“

Am Rande: Erst drei Wochen nach dieser vorgeworfenen „Tat“ erkrankte ein Pferd an einer leichten Kolik.

 

Um feststellen zu können, ob derzeit Reitunterricht erteilt wird, musste man zuerst die Reithallentüre öffnen, um hineinschauen zu können – eine rote Fahne oder Tafel außerhalb könnte dies besser signalisieren.

 

 

Im Notfall (Evakuierung bei Stallbrand, Hochwasser usw.) bestens bewährt: Vor fast 20 Jahren habe ich die Kennzeichnung für Fluchtwege und Sammelplatz Pferde konzipiert. Die einzelnen Symbole können zur Selbstmontage von www.pferd.co.at/Downloads entnommen werden.

 

Für Hinweise auf spezielle, individuelle Gefahren, die von einzelnen Pferden ausgehen, gibt es Traditionsregeln:

 

Entscheidend ist, dass die „Botschaft“ ankommt……..

 

……..und sich nicht in Windeseile wieder verflüchtigt!!

 

Die „russische“ Anspannung – das Pferd – wenn einspännig gefahren – geht unter der „Duga“, dem Krummholz; die Leitseile sind mit Metallknöpfen bewehrt und werden zum Antreiben auf die Kruppe geschlagen. Für Herrschaftsfahrten wurden zu einem (Orlow-)Traber - als Mittelpferd unter der Duga - links und rechts Galopp-Pferde, ausgebunden zum Außengalopp, als Troika gefahren – dies hatte den Zweck, in hohem Tempo vorwärts zu kommen und dabei Wölfe abzuschrecken.  

 

Vor geraumer Zeit war der Plan gefasst worden, es konnte nur bisher kein gemeinsam freier Abend gefunden werden – heute aber – an diesem schönen Abend Ende Augst sollte die geplante Ausfahrt endlich Wirklichkeit werden. Nach Dienstschluss um 18 Uhr spannte Karl seine Traberstute, eine elfjährige Braune, in den selbst gebauten Einspänner-Wagen und holte das befreundete Ehepaar Susi und Otto bei ihrem Hause ab. Sie fuhren eine Strecke, die dem Pferde wohlbekannt war, die Stute war brav wie immer. Da zu jeder Ausfahrt auch ein „Radbruch“ – also ein kurzer Halt bei einem Gasthaus gehört – wollte man mit dieser Gepflogenheit nicht brechen – Karl kehrte allerdings nicht ein, sondern blieb bei seinem Pferde. Es zog gewittrige Bewölkung auf und frühe Dämmerung kündigte sich, deshalb brach man – drei Personen auf dem Wagen -zügig auf und machte sich fröhlich auf dem Heimweg, als unerwartet schnell Dunkelheit hereinbrach.

Da angesichts des bei der Abfahrt unbewölkten Himmels nicht für Beleuchtung des Wagens gesorgt worden war, beschloss Karl über Nebenwege nach Hause zu fahren, um so der Gefahr auf öffentlichen Straße zu entgehen – er bog von der Landesstraße in einen Nebenweg ab, der zwischen einigen Gehöften durchführte und über eine kurze Distanz steil bergab verlief; mit einem Sprung nach vorne ging die Stute plötzlich durch, nach etwa 30 m wurde Karl, der links gesessen war, von seinem Sitz geschleudert, kurz danach stürzte Susi, die rechts gesessen war, vom Wagen und einen Atemzug später konnte sich Otto, noch in der Mitte sitzend, nicht mehr halten  und fiel mit großer Wucht auf die Straße.

Das Pferd ging – wie es schien – in großer Panik weiter durch und wurde erst in der Nähe seines Stalles aufgehalten und verwahrt. Otto und Susi wurden an Ort und Stelle notärztlich versorgt und dann ins Unfallkrankenhaus gebracht, Karl schien zunächst nur mit leichten Blessuren davongekommen zu sein.  

Bei der späteren Nachschau stellte Karl fest, dass an ebenjener Stelle, an der die Stute sich der Kontrolle entzogen hatte, eine Strohschnur über den privaten Weg gespannt gewesen war.
Die Körperverletzungen der Fahrgäste, gute Freunde Karls, waren schwerwiegend, Karl sah sich mit dem Strafgericht konfrontiert. Der bestellte Sachverständige sollte im Ermittlungsverfahren klären, ob das Scheuen und Durchgehen des Pferdes für den beschuldigten Karl vorhersehbar war, insbesondere unter Berücksichtigung der, über den Weg gespannten Schnur.

Im Rahmen der Befundaufnahme erhob der Sachverständige Befunde am Pferd, am Wagen, am Geschirr und an der Unfall-Stelle, der Beschuldigte wurde ergänzend informativ befragt.
Die elfjährige, braune Traberstute (ohne Abzeichen) erwies sich als ruhiges, dem Menschen zutrauliches Pferd, ohne erkennbare Verletzungen, Geschirrdrücke oder Verletzungen an der Lade. Der Beschuldigte besitzt das Pferd seit vier Jahren, es wird regelmäßig im Geschirr und unter dem Sattel eingesetzt; Kontrollverlust gab es in dieser Zeit nie. Die Stute war als Rennpferd „ausjährig“ und deshalb günstig erworben worden.

Der beim Unfall in Verwendung stehende Wagen war – erkennbar – „Marke Eigenbau“ und nicht gerade als Meisterstück der Wagenbau-Kunst anzusehen. Der zweirädrige Wagen ohne durchgehende Achse ließ die verwerteten Reste eines englischen Motorrades nachvollziehen, dessen Räder mittels Achsschenkel am Kasten verschraubt waren, die Trommelbremsen sind mit einem Fußhebel, der sich in der Mitte des Wagenkastens befindet, zu bedienen. Die Breite der Sitzbank beträgt 122 cm, das Niveau der Sitzfläche (ohne Beladung) liegt bei 96 cm, die Rückenlehne ist 24 cm hoch und das unbeladene Fahrzeug wiegt 120 kg. Rote Rückstrahler sind an den Kotflügeln montiert.

Die Stute war mit englischem Reitzaum und einfach gebrochener Wassertrense gezäumt, in deren Ringen die Traberleinen befestigt waren. Sowohl die Qualität des Zaumes wie auch des restlichen üblichen Trabergeschirres waren ohne Mängel.

An der Unfall-Stelle demonstrierte der Eigentümer des dort liegenden Hofes, wo die Schnur über den Weg gespannt war – eine Reihe von aneinander geknüpften, blauen Nylon-Schnüren, wie sie zur Fixierung von Strohballen verwendet werden, die in einer Höhe von 75 cm über dem Boden angebracht waren. Der Sinn dieser, über den Privatweg gespannten Schnur liegt in der Begrenzung der Treibe-Gasse, die die Rinder des Hofes beim täglichen Austrieb auf die Weide nehmen. Da der mit der Schnur „gesperrte“ Weg kein öffentliches, sondern privates Gut darstellt, mit keinem Gewohnheitsrecht beschwert ist, wird die „Absperrung“ während der Austriebperiode nicht entfernt. 

Der beschuldigte Lenker des Gespannes gab an, dass er – seit er die Stute besitzt – mit diesem Wagen unfallfrei gefahren ist. Da er in seinen aktiven Jahren im Personenbeförderungsgewerbe tätig war, ist ihm die Verantwortung für Fahrgäste sehr bewusst – dass er am Bock links, anstatt wie üblich, rechts gesessen ist, rührt aus seiner Tätigkeit als Berufschauffeur her.

Gutachten:

– Der Gespann-Fahrer saß auf der linken Seite des Bockes.

– Ende August ist in den Abendstunden mit Einbruch der Dämmerung, zumal bei aufziehender Bewölkung, zu rechnen und für ordnungsgemäße Beleuchtung von Pferd und Wagen zu sorgen.

– Die Befunderhebung am Pferd erbrachte weder körperlich, noch psychisch oder charakterlich   Hinweise, die einen Unfall infolge Durchgehens vorhersehbar vermuten ließen. Die beteiligte Stute ist ein Rennpferd mit Rennbahnerfahrung, was bedeutet, dass sie – einmal „heiß“ geworden, schwer zu bremsen ist, zumal, wenn von hinten dauernd der Wagen mit 120 kg schlingernd anschlägt und die Panik immer wieder aufschaukelt.

– Der verwendete Wagen ist ein im Rennbahnjargon als „Fohlenwagen“ bezeichnetes Fahrzeug, das zur Verwendung zum Einfahren junger Pferde oder zum Training am Areal einer Rennbahn zum Einsatz kommt. Für drei Personen waren nur beengte Sitzmöglichkeiten gegeben.

– Der Fahrer des Gespannes befand sich „in Augenhöhe“ 155 cm über dem Boden (bei einer Körpergröße von 170 cm, Sitzhöhe 96 cm minus 10 cm Federspiel durch Beladung) – die „Höhe“ des Pferdes von 162 cm konnte er also nicht „überschauen“ – sondern er musste – um die Fahrbahn zu beachten – links seitlich am Pferd vorbeischauen. Diesem Umstand ist zuzuschreiben, dass „Fohlenwägen“ im öffentlichen Verkehr nicht den Erfordernissen entsprechen – selbst, wenn sie mit Bremse und Beleuchtung (StVO) ausgestattet sind. Im gegenständlichen Fall gab es keine nutzbare Beleuchtung, der Fahrer hatte zwar eine Taschenlampe eingesteckt, deren Effektivität in der Jackentasche aber ohne Wirkung war.

– Das erhobene Gewicht der drei Personen und dem Wagen betrug in Summe 350 kg, das Eigengewicht des Pferdes wurde auf 400 kg geschätzt. Eine Faustzahl gibt an, dass in kupiertem Gelände die zumutbare und vertretbare Zuglast eines Pferdes mit dem einfachen Körpergewicht angenommen werden kann. Zu bedenken ist allerdings, dass an der Unfallstelle ein kurzes Stück starken Gefälles das Fahrzeug mit dem Pferde davor bergab schob.

– Geht man davon aus, dass Einzelteile von Motorrädern für das Gewicht von zwei Personen konzipiert sind, so war der Wagen mit drei Personen überladen. Als Gesellschaftswagen für Ausfahrten auf öffentlichem Gebiet ist dieser Wagentyp weder vorgesehen noch geeignet.

– Das angewandte Geschirr und die Zäumung sowie die Leinen gaben keinen Grund zur Beanstandung.

– Das Gespann ist im Trabe von der öffentlichen Straße in den Privatweg eingebogen, wurde dann, infolge des Gefälles – ohne genaue Sicht auf die Fahrbahn voraus – in die Talsohle des Privatweges „geschoben“, wo die Schnur über den Weg gespannt war – das „verheddern“ mit der Schnur löste mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kontrollverlust mit Durchgehen aus.

 

Zu diesem Fall habe ich zwei Erinnerungen:

In meiner Matura-Klasse am Khevenhüller-Realgymnasium in Linz waren 1963 zu Beginn des Schuljahres noch acht Mitschüler, die in der „Direktissima“ dorthin gelangt waren – drei davon starben noch im laufenden Jahr: Walter B. fuhr nach einem Badeausflug mit seinem Fahrrad auf einer „Abkürzung“ – die durch eine über den Weg gespannte Schnur eben diesen Verkehr verhindern sollte und wollte – er stürzte und starb an einem Genickbruch.

Bei einem der ersten Fahrturniere – vor vielen, vielen Jahren – war auf der Marathonstrecke ein Stück eines Baches zu durchfahren, das aber nicht als „Hindernis“ sondern als „Strecke“ galt. Der nach der Dressur-Prüfung haushoch Führende hielt – für Umstehende grundlos – an, bat seinen Beifahrer abzusteigen und vor den Pferden durch das Bachbett zu waten. So geschah es – nach der Furt bestieg der Beifahrer wieder den Wagen – aber der Sieg war verspielt; im Ziel wurde der Fahrer mit verständnislosen Fragen nach dem Grund seines Handelns bestürmt. Erstaunt gab er zur Antwort: „Ich schicke doch nicht meine Pferde in unbekanntes Gelände – vorsichtiger Schritt und erkundender Beifahrer waren hier gefragt! Was bedeutet ein lächerlicher Turniersieg gegenüber einem verletzten Pferd?“


Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.

Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zu Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!

Sollten Leser meiner Aufsätze einzelne Themen vertiefen wollen, so kann auch - unter den oben angeführten Bedingungen - aus dem reichen Fundus der kostenlosen Downloads Univ. Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun www.pferd.co.at geschöpft werden.

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