Gutes Service für Pferde & klare Regeln für Menschen werden den Reitbetrieb der Zukunft prägen. Die Erstellung eines betriebsspezifischen Risikoprofils und eines Sicherheits- und Notfall-/Katastrophenplans ist dabei unabdingbar, denn der Mensch ist dem Pferde verpflichtet!
Der Pferdebetrieb der Zukunft muss beste Qualität (in Unterkunft, Obsorge, Fütterung, Pflege, Ausbildung, Unterricht) und herausragendes Service bieten. Symbolfoto: Archiv/Pixabay
Die Höhen und Tiefen der Jahreszeiten gehen weder an Menschen noch an Pferden spurlos vorbei – der Mensch jedoch kann sie – dank Geisteskraft und Einsicht, oder Ignoranz – kompensieren, dem Pferde sind diese Fähigkeiten nicht gegeben – es lebt mit der Jahreszeit, mit dem Wetter und dem Klima – Einsichtsfähigkeit in ein „warum besonderer Empfindungen“ fehlt ihm, der Mensch muss für seine „Schutzbefohlenen“ sorgen und handeln.
In meiner Jugend – ich war einer der ganz wenigen Bahnschüler und fuhr acht Jahre lang mit der „Stern&Hafferl-Bahn“ von St. Florian nach Linz, um das Realgymnasium zu besuchen – war der (Fuß-!!) Weg vom Elternhaus zum etwa zwei Kilometer entfernten Bahnhof ab Mitte November, manchmal auch etwas später, tief verschneit, vergesellschaftet mit eisigem Wind – Tagwache 05:00 Uhr – Abfahrt 06.15 Uhr – Fahrtzeit eine Stunde im eiskalten Raucherabteil zusammen mit Schichtarbeitern der VÖEST – zweimal Umsteigen - um pünktlich zu Unterrichtsbeginn in der Khevenhüller-Straße zu sein.
Schon früh lernte man – diesen Umständen folgend und gehorchend – mit der Natur zu leben, die Kleidung war angepasst, der Fußweg finster, schlecht beleuchtet, menschenleer – und doch da und dort ein Vogel, ein Geräusch unbekannter Herkunft oder eine unverhoffte Regung der Natur:
Am 21. Dezember 2024, in weniger als drei Wochen, ist mit der Wintersonnenwende der kürzeste Tag des Jahres am Kalender – nach meiner Erfahrung sind die drei Wochen davor und die zwei Monate danach die gesundheitlich riskantesten des Jahres – die Natur, die die Jahreszyklen in jedem Organismus bis zu kleinsten Zelle „mit lebt“ – ist auf Minimalversorgung eingestellt, der Stoffwechsel reduziert und verlangsamt, die Verletzungsgefahr groß, die Infektionsanfälligkeit hoch und das psychische Wohlbefinden eingeschränkt – auch bei Pferden; es ist also sinnvoll, ihnen bis zumindest Ende Jänner ein sinnvolles Maß an Winterruhe zu gönnen, leichte Arbeit, wenig Risiko, aber gutes Futter – warm verabreicht, warmes Wasser und Zugabe von Sonnenblumen – oder Maiskeimöl – und immer warme „Füße“!
Die Bilanz dieser sorgenden Bemühung kann ab April an der Glasurschicht der Hufe abgelesen werden – eine glatte Wand vom Saumband an bodenwärts, ohne Rillen, ohne Spalten geben gutes Zeugnis.
Ein Consortium von „gescheiten Leuten, die sich Sorgen um die Welt“ machen – Mitglieder des 1968 gegründeten Weisen-Rates kommen aus vielen Ländern, Kulturen, Lebens- und Berufsbereichen, sie gelten jeweils als Fachleute in ihrem Metier: Bekanntheit erlangte die unpolitische Gesellschaft mit ihrer ersten großen Publikation im Jahre 1972 über die Grenzen hemmungslosen Wachstums, die voraussagte, dass es keine hundert Jahre mehr bis zum Zusammenbruch dauern wird, wenn nicht Vernunft und Mäßigung statt Expansion und Gier Platz greifen.
Die Gegenwart führt uns zu dieser Zeit – alarmierend – in gesellschaftlicher, welt- und lokalpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer und sittlicher Sicht sehr klar ins Bewusstsein, dass es im Gebälk des großen und kleinen Weltgefüges heftig knirscht und bröckelt.
Wie viele Menschen in unseren Ländern, Bezirken und Dörfern werden sich in Zukunft ihre Pferde, Ställe, Anlagen noch leisten können – überhaupt oder ohne zumindest Beschränkungen an anderer Stelle akzeptieren zu müssen? Zu Recht wurde schon 1972 erkannt, dass gedeihliches Überleben ein rein menschliches Bemühen sein muss:
„Aus diesem teuflischen Regelkreis können uns technische Lösungen allein nicht herausführen.“ [zit.]
Der überwiegende Teil der pferdehaltenden Betriebe war hierzulande in den vergangenen zwanzig/dreißig Jahren mit Hochdruck bemüht, zu vergrößern, zu expandieren, die Boxen zu vermehren – mit dem Ziele, immer mehr und immer mehr Pferde einstellen zu können – der innere Zustand vieler dieser Betriebe ist ernüchternd, mehr als bescheiden, vielfach schlecht: die gesetzliche Boxengröße stimmt nicht, der Bauzustand von Trennwänden und Gittern ist vorsintflutlich, die hygienischen Zustände peinlich bis beschämend. Betriebsführer beiderlei Geschlechts verbringen ihre Zeit lieber im Sattel als mit dem Besen und Putztuch, Vogelscheiße mehrerer Generationen hat sich auf Trennwänden und Fenstersimsen gesammelt, Weiden und Koppeln sind in erbärmlichem Zustand – wen wunderts, wenn Betriebsführer regelmäßig ab Mittwoch im großen LKW oder Wohnwagen ihr Glück (und ihre Bestätigung) auf unbedeutenden Turnieren suchen – Besen und Putztuch gegen weiße Hose und Plastron getauscht– auch hier leiden wieder Pferde, ohne zu murren!!?
Ich bin – felsenfest – davon überzeugt, dass es für Betriebe, die Haltung und Versorgung von Pferden anbieten, nur EINE gangbare Zukunfts-Lösung geben wird: beste Qualität (in Unterkunft, Obsorge, Fütterung, Pflege, Ausbildung, Unterricht) und herausragendes Service statt Masse und Billigtarif – dies wird jedoch Umdenken erfordern!
In unzähligen Gerichts- und Versicherungsverfahren, die mich in den vergangenen vier Jahrzehnten beschäftigten, konnte ich feststellen, dass vielfach Schwierigkeiten bestehen, den „eigenen Betrieb“ zu definieren und Antworten auf folgende Fragen zu geben:
– Welchen Betrieb führen Sie?
– Welche kommerziellen Leistungen sind dort zu erwarten?
– Welche speziellen Leistungen erbringen Sie?
– Welche Pflichten haben Ihre Kunden?
– Gibt es eine genau definierte Personengruppe, die am Betrieb verkehren darf?
– Besteht der Personenverkehr aus:
o Einstellern
o Reitgästen
o Reitschülern
o Freier Zutritt für Jedermann
o Hufschmieden
o Tierärzten
o Reitlehrern und Trainern
o Medizinisches Hilfspersonal
o Öffentliche Kurse.
o Unbekannte Besucher
– Ist der Personenverkehr kontrollierbar, regulierbar, identifizierbar?
– Wie wird der Gefahr des offenen Hauses begegnet?
– Ist der Betrieb und die Pferdeställe Tag und Nacht zugänglich?
– Wer ist für die Kontrolle der Sicherheit der Pferde zuständig und wie erfolgt diese Kontrolle?
Der Realfall
Definitionsgemäß ist ein Zentrum ein Ort, an dem Menschen unterschiedlicher Provenienz aus ganz bestimmten Gründen zusammenkommen, um einer oder keiner Tätigkeit nachzugehen. Im Einkaufszentrum sind dies potentielle Käufer, aber auch Ladendiebe, in einem Reitsportzentrum sind dies Reiter und Pferdeleute im weitesten Sinn, aber auch mögliche Randgruppen mit kriminellen Absichten z.B. Tierquäler, Pferdehasser oder Zoophile.
Es liegt in der Natur eines solchen „Zentrums“, dass es großflächig angelegt ist, wie zum Beispiel auch Sportzentren für Leichtathleten, Ruderer, Motorsportler oder Stadien und dass sie kaum gegen unerwünschte Dritte abschirmbar sind, wie die Krawalle durch Fußballpöbel zeigen.
Trotz stärkster Kontrollen – eine Verpflichtung der Veranstalter – gelingt immer wieder Triumph der Gewaltbereiten – wer Böses tut, der scheut das Licht (zit. Reineke der Fuchs)
Das vorliegend zu beurteilende Reitsportzentrum bietet dem Pferdesportler auf einem großzügigen Gelände die Möglichkeit, sein Pferd zu weiden, es auf einem der Pferdesportplätze zu bewegen oder auf der Rennbahn zu galoppieren. Die Struktur der Weiden und Koppeln, der Pferdesportplätze, der Schrittmaschine und der zahlreichen Nebengebäude macht das Gelände nicht sicher absperrbar und damit auch unkontrollierbar. Diese Tatsache muss einem jeden Lebenserfahrenen, der solche Anlagen betritt, sofort klar sein.
Insbesondere ist die Struktur des Geländes nach Norden hin so beschaffen, dass nur gefängnisartige Mauern und Zäune in Kombination mit Wachposten und Wachhunden eine Sicherung ergäbe, die bestenfalls neunzigprozentig sein könnte (sonst könnte es in einem Hochsicherheitstrakt keine Aus- und Einbrüche geben).
Die besonderen sicherheitstechnischen „Schwachstellen“ derartiger Zentren liegen einerseits in ihrer Größe und andrerseits in dem, damit verbundenen, über weite Strecken anonymen Personenverkehr.
Man kann aus Erfahrung davon ausgehen, dass pro Pferd 4 bis 8 Personen in einem Stall verkehren: Eigentümer mit Familie, Reitlehrer, Hufschmied, Tierarzt, Trainer, Freunde und andere wie Chiropraktiker, Sattler, Physiotherapeuten. Bei einer Besatzdichte von 70 Pferden bedeutet dies, dass zwischen 280 und 560 Personen legitim im Stall verkehren dürfen. Da sich diese Personengruppen nicht zeitgleich bei den Pferden aufhalten, sondern zeitversetzt, ist es auch nicht möglich, dass „Jeder Jeden“ kennt.
Daraus ergibt sich die Frage, wer von den im Gerichts-Akt erwähnten „unbekannten“ Personen am Tag des Giftanschlags tatsächlich stallfremd, und wer nur persönlich nicht bekannt war.
Zusätzlich hat am Vorfalltag ein Kurs mit einem stallfremden Trainer stattgefunden, an dem auch stallfremde Reiter teilgenommen haben.
Aus der Lebenserfahrung des im Reitsport altgedienten Gutachters ist abzuleiten, dass am Vorfalltag vermutlich ein ständiges Kommen und Gehen von Menschen und Pferden geherrscht hat, bei dem Keiner den anderen beachtet und Jeder nur seine persönlichen Interessen verfolgt hat.
Dies ist die Tagesrealität eines Reitsportzentrums, speziell über das Wochenende. Diesen Zustand nehmen Pferdesportler deshalb in Kauf, weil neben den umfassenden Sportanlagen auf Grund der Größe auch die Einstellpreise niedriger sind, als in einem exklusiven, das heißt nicht jedermann zugänglichen Privatbetrieb.
Nun ist für den vorliegenden Fall nicht die Rund-um-die- Uhr- Überwachung des Betriebes zu beurteilen, sondern – als Besonderheit des Einzelfalles – die Zeit, in der dem Pferd B. mit hoher Wahrscheinlichkeit das tödliche Gift verabreicht worden ist, nämlich die Zeit zwischen 13 Uhr und 16.30 Uhr, ein Samstag-nachmittag.
In großen Reitställen, mit Ausnahme elitärer Privatbetriebe, herrscht um diese Zeit ein reger Verkehr, alle Ställe sind unversperrt und frei zugänglich, betriebsfremde Personen fallen nicht unmittelbar auf, speziell wenn sie sich benehmen, als wären sie Zuschauer, Interessierte oder auf der Suche nach Jemandem.
Der Täter, der den Giftanschlag durchgeführt hat, benötigte für sein Unternehmen weniger als 10 Minuten, eine Zeitspanne also, in der er selbst bei noch so verdächtigem Äußeren wohl kaum jemandem aufgefallen wäre, wenn man bedenkt, dass zum Vorfallzeitpunkt, also Anfang November, es nicht ungewöhnlich ist, wenn jemand hochgeschlagenen Mantelkragen, einen Schal ums halbe Gesicht und tiefsitzende Mütze trägt.
Die mitgeführte Giftmenge als Flüssigkeit wäre mit etwa 200 ml in jeder – völlig unverdächtigen – Getränke- Dose unauffällig zu transportieren. In keinem Reitstall hegt außerdem jemand schlechte Gedanken, wenn man sieht, dass Jemand aus einem – völlig unverdächtigem - Supermarktsackerl Brot (oder eben auch anderes) an Pferde füttert. Manchmal fragen Besucher sogar, ob sie dies dürfen, gedankenlos wird meist bejaht.
Zusammenfassend kann aus fachlicher Sicht festgestellt werden, dass eine Zugangskontrolle beim Reitsportzentrum an diesem Samstag in der Zeit von 13 Uhr bis 16.30 Uhr weder realistisch durchführbar war, noch – nachvollziehbar – von den Einstellern je gefordert worden wäre. Die Stallordnung sieht diesbezüglich keine Regelung vor.
Rudolf Hicker mit seinem Schimmelgespann – nach seinem Empfinden in Ungarischer Anspannung; der Schlachtruf des Burgenländers „ohne mir kein Turnier“ war ebenso bekannt wie die Gastfreundschaft in seinem Zelt, an dessen Eingang eine Toilettpapier-Rolle auf einer Liverpool-Kandare zum Gebrauch einlud.
Die tierärztliche Visite im Reitstall
Vor Jahren, ich war als Mannschafttierarzt österreichischer Fahrer mit in die Schweiz zu einem internationalen Turnier gekommen, sah ich am Rande des „Schlachtfeldes“ – es war der Tag der Marathonprüfung – einen Kollegen aus dem Rheinland auf der Heckklappe seines Land Rovers sitzen und verhalten, aber herzlich in sich hineinfluchen; wir kannten einander flüchtig von anderen Turnieren, also trat ich näher und sah, dass er im Begriffe war, mit chirurgischem Nadelhalter, atraumatischem Nahtmaterial, Pean, anatomischer Pinzette und gebogener Schere einen Knopf an sein Jackett anzunähen. Ich setzte meine ernsteste Miene auf und frug ihn, ob es nicht hochriskant wäre, einen derart diffizilen Eingriff ohne Einmal-Handschuhe zu wagen.
In heiterer Verfassung kamen wir ins weitere Gespräch und so auch zu den häufigen Begleitumständen, die eine tierärztliche Visite auf einem Pferdebetrieb mit sich brächte: kaum hat ein Pferde-Tierarzt den Stall betreten und seinen Patienten ausfindig gemacht, setzt in der bisher absolut stillen Stallgasse lebhaftes Treiben ein und jeder Handgriff des Veterinärs wird aus dem Augenwinkel beäugt.
Der lustige Rheinländer hatte eine Erklärung, die – seiner Überzeugung nach – im Soldatenlied von 1871 - „Die Wacht am Rhein“ - zu finden ist:
„…und weitum tönts mit lautem Schall, ein Pferdetierarzt ist im Stall!“
Dies – so der Kollege – ist der Sammelruf der HippoVET -Kiebitze.
Ein guter Stall zeichnet sich auch dadurch aus, den er den „Professionals“ gute Arbeitsbedingungen bietet:
– Ebener, sauberer und nicht rutschender Boden
– Möglichkeit zum beiderseitigen Ausbinden der Pferde
– Gute Lichtverhältnisse
– Waschgelegenheit und Streckdosen
– und Ungestörtheit.
Reitlehrer und Trainer:
Im Unterschied zu Tierärzten (aller geschlechtlichen Varianten) kommen Trainer nicht einfach – sie erscheinen oder treten auf: machen also Show-Appearance.
Der Star-Trainer – immer hochkonzentriert dem Schüler zugewandt, wichtigste Accessoires: Coffee to Go und Marlborough
Verhaltenskodex für TrainerInnen in der Pferdeakademie
➢ Die TrainerIn zeigt stets vorbildhaftes Verhalten, tritt mit Rücksicht und Höflichkeit auf und hält sportliche und zwischenmenschliche Regeln des Fairplay ein
➢ Die TrainerIn richtet während des Unterrichts stets ihre volle Aufmerksamkeit auf den Reiter, das Pferd und das Umfeld des Unterrichts
➢ Die TrainerIn hat für den Unterricht / den Beritt die erforderliche Qualifikation(en) und Fortbildungen
Die TrainerIn nimmt Rücksicht auf schwächere Reiter und unsichere Pferde und erzieht auch ihre Schüler dazu
Die TrainerIn verpflichtet sich dazu, einzugreifen, wenn in ihrem Umfeld gegen Regeln des Fairplay verstoßen wird
Die TrainerIn übt pädagogisch wertvollen Unterricht aus:
Sie gibt an ihre ReitschülerInnen die wichtigsten Informationen zur Entwicklung und Optimierung ihrer Kompetenz weiter und erzieht die ReitschülerIn zu Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit
Die TrainerIn erzieht ihre SchülerInnen zu sozialem Verhalten gegenüber Mensch und Tier, zum nötigen Respekt gegenüber allen beteiligten Personen und zu verantwortungsbewußtem Umgang mit dem Pferd, mit Sportmaterialen und der Infrastruktur des Reitbetriebs
Alle Trainingsmaßnahmen müssen dem Alter, der Erfahrung sowie dem aktuellen physischen und psychischen Zustand sowohl des Reiters als auch des Pferdes entsprechen
Die TrainerIn unterlässt abfällige Äußerung über KollegInnen, insbesondere im Hinblick auf Können, Arbeitsleistung und persönliche Wertschätzung
Die TrainerIn unterlässt abfällige Äußerungen über andere ReiterInnen des Reitbetriebs und ihre Pferde
Die TrainerIn greift nicht in das Arbeitsverhältnis einer KollegIn ein
Die TrainerIn respektiert in allen Verhaltensweisen die Grundsätze des Fairplay und übt Korrektheit, Recht und Kollegialität aus
[Dieser Verhaltenskodex wurde mir von Frau Mag. Ulrike Elsner, Pferdeakademie Königstetten zur Verfügung gestellt – herzlichen Dank]
Gutes Benehmen – ist und war immer gefragt
Unter dem Begriff „Reiter-Knigge“ kursieren unzählige Schriften an Anschlagtafeln, in Buchhandlungen, in „Stüberln“, vielleicht auf manchem Handy, aber auch im Internet.
Im Grunde werden immer dieselben „Gebote“ dargestellt:
– Ruf „Tür frei“ mit Warten auf Antwort bei Betreten von Halle oder Reitbahn.
– Auf- und Absitzen auf der Mittellinie
– Äußerer Hufschlag für die schnellere Gangart
– Die linken Hände begegnen einander
– Ganze Bahn hat am Hufschlag Vorrang
– Abstände korrekt einhalten
– Gegenseitige Rücksicht als Vertrauensgrundsatz
– Verlassen der Bahn in geordnetem und sauberem Zustand
Manche Verhaltensregeln sind betriebsspezifisch: Longieren oder Wälzen-Lassen unterliegt keiner absoluten hippologischen Regel.
Arbeitet ein Trainer und/oder Reiter nicht abgesondert mit nur einem Pferde, sondern befinden sich in einer Halle oder einem Reitplatz mehrere Pferde unter Arbeit, so kann die Hilfengebung Einzelner zu Störungen von anderen führen. Von jeher bestand in der gehobenen Reiterei der Grundsatz, dass reiterliche Hilfen diskret, lautlos und (nahezu) unsichtbar eingesetzt werden sollen – besonders unangenehm für Pferde, die feine Hilfen gewohnt sind – sind diejenigen Reiter (welchen Geschlechts auch immer), die ständig reden oder lautstark Kommandos erteilen, die Großmeister des Zungenschlags oder der vulgären „Schmatzerei“; sie irritieren Pferde anderer und gefährden (unbewusst) sich selber: Die ruhige und gedämpft applizierte Stimme seiner Reiterin oder seines Reiters wenige Spannen von seinem Ohr entfernt - kennt das Pferd – je leiser umso besser, je leiser umso konzentrierter die Aufmerksamkeit.
Geschmatze und Zungenakrobatik aber kann auch von Außenstehenden, Fremden und Übelwollenden produziert werden und auf das Pferd eindringen, es reizen und antreiben im Sinne des § 1320 ABGB. Ich kann mich an einige Fälle erinnern, bei denen berittene und gefahrene Pferde durchgegangen sind, weil sie ihr „Meister“ auf Zungenschlag und Geschmatze konditioniert hatte – ein grober Unfug!
Jede Betriebsführung, unabhängig davon, welcher geschlechtlichen Variante sie sich verbunden fühlt, sollte von Zeit zu Zeit eine aktuelle Standortbestimmung und Absichtserklärung für die eigene Pferdehaltung vornehmen, weil die Eigendefinition im Schadens- und Gerichtsfall von eminenter Bedeutung sein kann. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass die vielen Offenstallhaltungen, die in den letzten Jahren in ihrer schlichtesten und primitivsten Form entstanden sind, sich in Zukunft nicht mehr halten können ohne guten Schutz vor Sonne, vor heftigem Regen und böigen Winden, ohne brauchbare Liege- und Rückzugsflächen und mit hygienischen Futter- und Tränke-Vorrichtungen – kurz: mit pferdewürdigen Bedingungen!
Betriebe, in denen seit Jahren – jahraus, jahrein – solche Verhältnisse herrschen, werden und müssen verschwinden!
--------------------------------------------------
Gutes Service für Pferde – klare Regeln für Menschen werden den Reitbetrieb der Zukunft prägen.
Kluge stellen sich schon jetzt darauf ein und nutzen den Winter 2024/2025 zur Planung.
Betriebs- und Sicherheitschecklisten für Reit- und Fahrbetriebe, Ausbildungs- und Pensionsställe, für touristisches Reiten in Hotels oder Reitanlagen sowie Veranstaltungen mit Beteiligung von Pferden im Lichte der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht © Univ. Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun (Erstfassung 2013, seither ständig erweitert)
------------------------------------------------
A. Einordnung der Betriebsstruktur
Betriebsstruktur: |
Angebot: |
O Privater Reitstall |
O Ausritte |
O Reitstall für definierte Einsteller |
O geführte Ausritte |
O Tourismusbetrieb |
O Pferdevermietung |
O Reitschule |
O Kutschenfahrten |
O Fahrschule |
O Reitunterricht Kinder/Erwachsene |
O Einstellbetrieb |
O Fahrunterricht |
O Pferdepensionsbetrieb |
O Beritt |
O Pferdeverleih |
O Koppelgang |
O ……………………………. |
O …………………………… |
1. Personal
Ausbildung:
Wer erteilt Unterricht?
– Reitwart / Fahrwart
– Reitinstruktor / Fahrinstruktor
– Geprüfter Reitlehrer/Fahrlehrer
– Personal ohne spezifische Ausbildung
Wer begleitet Ausritte?
– Wanderreitführer
– Nicht ausgebildete Begleiter
– Wird Sattelfestigkeit der Reitgäste vor Ausritt überprüft?
Unterrichtserteilung
– Eignung der Pferde (Gesundheit, Verträglichkeit, zum Schüler passend)
– Equipment passend (Steigbügel, Ausbinder usw.)
– Gruppengröße
– Longe-Unterricht: wieviel obligat?
– Freireiten: nach welchen Voraussetzungen?
– Werden die Schulpferde regelmäßig zur Korrektur geritten?
Bestehen folgende Anforderung:
– Funktionierendes Notfallmanagement
o Einleiten der Rettungskette
o Erste Hilfe Koffer
o Erste Hilfe Kenntnisse
o Klare Verantwortlichkeiten
Fremdunterricht:
– Sind Fremdtrainer erlaubt?
– Gibt es Verhaltensregeln für (Fremd-)Trainer?
– Spezialkurse von Experten?
– Bestehen klare Haftungsregelungen für Trainer, Fremdtrainer und Expertenkurse?
Gibt es Sicherheitsbeauftragte:
– Für den Gesamtbetrieb?
– Für den Reitbetrieb?
– Für technische Anlagen?
2. Notfall-Management
Sind Fluchtwege gekennzeichnet:
– Für Menschen
– Für Pferde
– Funktionierende Feuerlöscher
– Notfall-Nummern für Menschen und Pferde
– Werden die Fluchtwege kontrolliert und freigehalten?
Erste Hilfe Mensch:
– Koffer/stationäre Einrichtung
– Ersthelfer mit Ausbildung
– Freie NAW/Rettungszufahrt
– Hubschrauberlandeplatz?
Erste Hilfe Pferd:
– Koffer/stationäre Einrichtung
– Pferde-Ersthelfer mit Ausbildung
– Notfallnummern Tierärzte/Pferdekliniken
– Notfallbeleuchtung im Stall und Umgebung
– Transportmöglichkeit für Pferde
– Sammelplatz Pferde im Kat-Fall
– Notunterkünfte für Pferde
Klare Verantwortungsstrukturen im Notfall
– Sicherheitsinstruktionen
– Ist der Stall Tag und Nacht überwacht
– Ist der Stall nur tagsüber überwacht
– Gibt es Übungen für den Realfall (Feuerwehr/Rettungsdienst, Rettungsgeschirr)
3. Hygiene
– Hygiene im Stall: Boxen, Einstreu, Tränke, Tröge
– Hygiene Sattel- Geschirrkammer: Sauberkeit, Belüftung, Lederschutz
– Hygiene Toiletten und Waschanlagen
– Hygiene Reiterstüberl: Geschirr, Aschenbecher, Lüftung
– Hygiene bei der Lagerung von Langfutter
– Hygiene bei der Lagerung von Kraftfutter
– Weidehygiene: tägliches Abmisten
– Korrekte Dunglagerung
– Hunde-/Katzenfutter im Stall
– Gesamtreinlichkeitsstatus
– Feuergefahr durch Hygienemängel (Staub, Spinnweben)
4. Stalleinrichtung und gesetzliche Mindestanforderungen
– Boxengröße und Ausstattung (Tränker, Tröge)
– Kälteisolierte Boxenböden
– Trennwandhöhe
– Trenngitter-Beschaffenheit
– Erhaltungszustand der Stalleinrichtung
– Rutschfester Boden in den Stallgassen
– Lichtangebot, Notbeleuchtung
– Frischluft ohne Zugluft
– Lärmpegel (Dauerberieselung durch Radio)
– Staubbelastung
– Geregelte Ruhezeiten
– Geregelter Weidegang
– Führmaschine. Eingreifnahe Aufsicht
– Generelles Rauchverbot
– Rauchmelder
– Besondere Kennzeichnungen
o Schläger
o Beißer
o Hengste
– Stallhalfter und Führstrick an jeder Boxentüre
– Namenschild an jeder Boxentüre
– Warnhinweise an Boxentüren
– Besondere Gefahren
o Stallgeräte (Gabeln, Schaufeln)
o Herumstehende Gerätschaften
o Schwierige Boxenverschlüsse
o Blockierte Rettungswege (Traktor, Hoftrac, Großballen)
5. Standort
Umweltschädliche Einflüsse
– Wasseradern
– Handymasten
– Smog
– Starkstromleitungen
Standort im Hinblick auf typische Tiergefahr
– Autobahn Entfernung in ………km
– Bundesstraßen Entfernung in …...km
– Bahnlinie Entfernung im ………..km
– Flugplatz
– Ballon- Fahrer
– Paragleiter- Flieger
– Windmühlen
Standortabhängige Katastrophengefahr
– Hochwasser
– Erdrutsch
– Lawinen
– Schneedruck
– Erdbeben
– Brand
– Muren
Verkehrslage im Hinblick auf Evakuierung
6.Infrastruktur
O Alle Zufahrtswege frei und im Notfall benützbar
O Notfallwege frei
O Zufahrtswege für Einsatzfahrzeuge geeignet
O Koppel -Ein- und Ausgänge verkehrssicher
O Beschlagplatz/Behandlungsplatz
– Beleuchtung
– Rutschsicherer Boden
O Risikogruppen
– Hengste
– Stuten mit Fohlen bei Fuß
– Fohlen
– Andere Tiere
7. Management und Dokumentation
O Überprüfung der aufrechten Meldungen
– Equidendatenbank (EQDB), Stammdaten der Einzeltiere sowie Angaben zu Eigentümer:in und Halter:in
– Verbrauchergesundheitsinformationssystem (VIS), Funktionen für die Durchführung der Bewegungsmeldungen
O Aufrechter Versicherungsschutz in ausreichender Höhe für alle Betreibszweige
O Einstellverträge für alle Einsteller
– Normvertrag mit gegenseitigen Rechten und Pflichten
– Unterrichtsvertrag: Ziel, Umfang, Durchführung
– Verhalten im Gefahrenfalle (Merkblatt am Schwarzen Brett)
– Impfpässe (in Kopie)
– Equidenpässe (zumindest in Kopie)
– Individual-Verhalten im Notfall (Selbstauskunft)
o Mensch: Allergiker, Anfallserkrankungen, Herzkrankheiten
o Pferd: Allergiker, habituelle Leiden
– Besondere Eigenheiten der Pferde
o Hengstmanieren
o Anbinden, Führen
o Schmiedefromm
o Verladefromm
o Schläger, Beißer
– Verbindliche Informationen
o Stallbuch
o Ausreitbuch
o Freizeichnungen - Haftungsumfang
8. Besondere Gefahren
O Strom
– freie Kabel
– tiefhängende Lampen
– Schalter
O Herumstehende Gerätschaften
O Vereiste Wege > Koppeln > Halle
O Feuer (Hufschmied)
O Gasflaschen (Hufschmied, Wohnwagen)
O Jauchegruben - Abdeckungen
O Bauliche „Fallen“
O Kinderspielplätze
O Kinder
– Aufsicht
– Im Stall
– Koppel
O Stiegen
O Dominanzprobleme in der Herde
O Hunde
9. Weiden und Koppeln
Umzäunung > § 1320 ABGB
E-Zäune
Beweidungsdichte
Spezielle Anforderungsprofile an Pferdeverwahrung
Ausbruchsicherheit
Giftpflanzen
Treibegassen
Korrektes Führen zur Weide
Halfter auf der Weide
Halfter und Führstricke beim Weideeingang
Tägliche Kontrolle der Sicherheit der Weidezäune
Gemeinsame Beweidung von Einstellpferden (Haftungsfrage klären)
– Vertragskonform
– Nach Gutdünken
10. Putz- / Waschplatz
O Anbindemöglichkeiten
– Gummi
– Flexibler Strick
– Kette
O Ausbinden beidseitig
O Fluchtmöglichkeit
O Pferde- Freunde/Feinde nebeneinander
O Hengste und Stuten
O Wasserversorgung und Abfluss
B. Überprüfung der Risikosituation
RISIKOTABELLE
Auftretenswahrscheinlichkeit und Risikobewertung
Stufe |
Profil |
0 |
Unmöglich, theoretisch nicht möglich, keine Fälle bekannt |
1 |
Unwahrscheinlich, theoretisch möglich, keine Fälle bekannt |
2 |
Selten, geringe Wahrscheinlichkeit, im eigenen Bereich noch nie vorgekommen, aber als Risiko bekannt |
3 |
Gelegentlich, mittlere Wahrscheinlichkeit, im eigenen
Bereich schon einmal vorgekommen, als Risiko allgemein bekannt |
4 |
Häufig, hohe Wahrscheinlichkeit, im eigenen Bereich schon wiederholt vorgekommen. |
Vom Autor dieses Beitrages modifiziert aus: Gattermann, Haschke, Hersche, Waldau, Zoratti: Handbuch für die Sicherheit von Großveranstaltungen, ISS, ohne JZ.
Die Erstellung eines betriebsspezifischen Risikoprofils und eines Sicherheits- und Notfall-/Katastrophenkonzeptes muss die logische Folge sein – denn der Mensch ist dem Pferde verpflichtet.
Beispiele für zu überprüfende Risikosituationen:
– Ausbruch aus Weiden
– Verkehrsunfall
– Unfall mit Personenschaden am Betrieb
– Unfall mit Pferdeschaden am Betrieb
– Unfall Reitbahn/Reithalle
– Unfall Ausritt
– Unfall Unterricht
– Qualifikation des Betreuungs-Personals
– Qualifikation des Unterrichtspersonals
– Technische Ausstattung Betriebsstruktur (z.B. Hindernismaterial, Holzpferd, Reitplatzbegrenzung, gekennzeichnete und freie Fluchtwege, Rauchverbote, Feuerlöscher, Erste- Hilfe- Ausrüstungen)
– Qualitative Ausstattung Betriebsmittel (z. B. Reithelme, Schutzkleidung, Sättel, Zügel, Gebisse, Steigbügelriemen)
– Katastrophenmanagement
o Sturm
o Regen, Schneefall
o Hochwasser
o Stallbrand
o Vermurung
o Schneedruck
Das Schadenausmaß orientiert sich an vier Bemessungskriterien:
– Bedrohung von Gesundheit und Leben
– Image und Öffentlichkeitswirksamkeit
– Teilnehmer (un)zufriedenheit
– Finanzielle Konsequenzen
Stufen des Schadenausmaßes
0 = keine Auswirkung
1 = geringste Auswirkung: keine Bedrohung für Gesundheit und Leben, keine Öffentlichkeitswirksamkeit, vereinzelt Unzufriedenheit, finanzieller Schaden sehr gering
2 = mittlere Auswirkung: Keine Bedrohung von Gesundheit und Leben, geringe Öffentlichkeitswirksamkeit, spürbare, aber begrenzte Unzufriedenheit, finanzieller Schaden: erträglich, aber spürbar
3 = hohe Auswirkung: Gesundheitsgefährdung, hohe Öffentlichkeitswirksamkeit, überwiegende Unzufriedenheit, großer finanzieller Schaden
4 = ruinöse Auswirkung: akute Lebensgefahr, massive Öffentlichkeitwirksamkeit, generelle Unzufriedenheit, katastrophaler finanzieller Schaden
Eine betriebsindividuell erstellte Gefahrenanalyse kann ein hilfreiches Instrument bei Verhandlungen zu Betriebsversicherungen sein.
Gutachten, Fotos, Grafiken und Literatur: Archiv und ex libris Dris. Kaun.
Eine Bitte: Meine Aufsätze, Publikationen und Kommentare sollen Pferdeleuten unserer Tage zu Orientierung, Selbsteinschätzung und Beziehung zu Pferden dienen. Personen, die kommerziell mit Pferden Kontakt haben, mögen die von Anstand und Benehmen vorgegebenen Regeln respektieren, Quellen anführen und korrekt zitieren – danke!
Sollten Leser meiner Aufsätze einzelne Themen vertiefen wollen, so kann auch - unter den oben angeführten Bedingungen - aus dem reichen Fundus der kostenlosen Downloads Univ. Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun www.pferd.co.at geschöpft werden.