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Basiswissen Hippologie: Über Fahren
17.05.2025 / News

Das Fahren mit Pferden ist ein historisch höchst interessantes und inhaltlich vielfältiges Thema, das von zahlreichen nationalen, kulturellen und technischen Aspekten beeinflusst und geprägt wurde. Dr. Reinhard Kaun gibt profunde Einblicke in die faszinierende Welt des Fahrens.

 

Ein persönliches Vorwort zu dieser Folge:

Mein erster persönlicher und mit schwarzweiß Fotos nachweisbarer Kontakt mit dem Thema „Fahren“ fand am 27. März 1945 – anlässlich meiner Taufe – vor der Stiftskirche in St. Florian statt – ich fuhr – als Täufling neun Tage alt – im Landauer, bespannt mit den Pferden meines väterlichen Großvaters, am Bock war Großvaters Leibkutscher Radner.

Diese Folge der Hippologischen Vorlesungen mit dem Titel „Über Fahren“ ist nun – dies sei besonders betont – nicht als „kleiner Gespannfahr-Kurs“ zu verstehen, sondern wurde vielmehr mit der Absicht verfasst, Personen, die mit Pferden zu tun haben, aber nicht speziell über das Fahren mit Pferden Bescheid wissen, einige kulturelle, technische und historische Einblicke in diese umfangreiche Thematik zu geben, die den oft gehörten Satz: „Ich reite seit meiner Kindheit, aber vom Fahren verstehe ich nichts!“ relativieren können.

Die Fotos tragen diesmal ausnahmsweise keine Namenbezeichnungen – dies ist Absicht.
Während noch nach dem zweiten Weltkrieg überwiegend reine Arbeitspferde zum Ziehen schwerer Last auf den Straßen zu sehen waren – ich erinnere mich aus meiner Studentenzeit an die Milchfuhrwerke im Morgengrauen in der inneren Stadt Wien oder an die, Brennstoff liefernden Kohlenhändler und natürlich an die stattlichen, prächtig herausgebrachten Brauereigespanne - so trat das „Arbeitspferd“ (in diesem Sinne) allmählich in den Hintergrund, während leichtere Pferde im Dienste der Personenbeförderungen – Fiaker in einigen Städten, touristische Ausflugsfahren – zunahmen. Allerdings waren in ländlichen Gebieten auch noch flotte Einspänner vor Doktorwägen oder „Gaiwägen“ im Einsatz.

Mehr noch als Reiten ist Fahren eine Domäne, die von bedeutsamen nationalen, künstlerischen, traditionellen und technischen Aspekten beeinflusst und geprägt wurde. Im Laufe der Zeit entwickelten sich Techniken sowohl im angewandten Fahren wie im Wagenbau und der Geschirrmacherkunst, die den aktuellen Notwendigkeiten der Zeit und der Landstriche entsprachen.
Die Weiten im Norden, Nordosten und Osten Europas (und anderer Kontinente) erlaubten großzügigere Manöver mit Vierer- und Fünferzügen als sie in den dichtbesiedelten, wachsenden und engen Städten möglich waren – der ungarische Fahrstil ist davon geprägt.


Die Systematisierung des Fahrens durch Benno von Achenbach erlaubte eine sehr präzise, auch in der engen Stadt anwendbare Fahrweise, die in Anlehnung an den Engländer Howlett zusätzlich mit mehr Sicherheit und Schonung der Pferde verbunden war.
Voraussetzungen um „nach Achenbach“ fahren zu können, sind die speziellen Achenbachleinen, die Peitsche in der Hand des Fahrers und eine starre Bracke (der Gegensatz zur Spielwaage) am Wagen. Neben der Einführung stilistischer Grundlagen war es das Verdienst v. Achenbachs, die Grifftechnik vom Gebrauch beim Einspänner über den Zweispänner aufbauend bis zum Viererzug entwickelt zu haben: die Leinen werden immer in der linken Hand gehalten, die rechte Hand – als Funktionshand – steht neben Führen die rechten Leine aber auch zum Gebrauch der Peitsche, der Handbremse, zum Gruß, zum Anzeigen von Richtungsänderungen zur Verfügung.

 

Exerzieren am Fahrlehrgerät für Angehörige der bespannten Artillerie


Ein „Stehsatz“ beim Aufnehmen der Leinen durch den Fahrer bevor er den Bock besteigt, lautet: „Und diese Maß hält er fest!“ – ein Durchgleiten der Leinen durch die Faust oder Finger darf nicht vorkommen; mein Fahrlehrer Dr. Rautschka pflegte zu sagen: „Ein Fahrer kann Vater und Mutter verlieren, aber niemals die Leinen!!“
 

 

Fahren, als eine vom Bundesfachverband für Reiten und Fahren in Österreich (heute OEPS) organisierte Form von Pferdesport, kam in Österreich (für Zivilisten) erst Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts auf und wurde durch eine Reihe von Persönlichkeiten getragen, die – sofern aktive Fahrer – auch zu einer fast explosionsartigen Entwicklung nach deren ersten internationalen Erfolgen führte.
Die heutige Fahrprominenz können Interessierte „am F eld der Ehre“ auf vielen Turnieren kennenlernen und bewundern, auch der aktuelle Stand in der Entwicklung des Wagenbaus oder der Geschirrmacherkunst kann auf Turnieren erkundet werden, die großen Erfolge in der Zucht von Fahrpferden sprechen für sich, aber das war nicht immer so………….

 

Im Laufe langer Jahrhunderte entwickelten sich zum „Ziehen von Lasten“ zwei bis heute gängige Methoden: die Zugkraft über die Brust mittels des Sielen- oder Brustblattgeschirres, oder die Zugkraft über die Schultern mittels eines Kummets.

Die „Siele“ (der Zugriemen) hat es bei Pferden und umgangssprachlich auch in den Alltag geschafft: „In den Sielen sterben“ heißt nichts anderes, als bis zum Tode zu rackern.

Die Zugstränge, die zum Wagen oder zu der, zu ziehenden Last führen, müssen – um pferdefreundlich und kraftökonomisch zu sein – in gerade Linie vom Brustblatt oder den Zugkrampen des Kummtbügels zur Andockstelle der Last am Wagen (Ortscheite, Docken) gehen.

Ein „gebrochener“ Zug belastet den Rücken und die Kraft des Pferdes auf unsinnige tierquälerische Weise.

„Aufsatzzügel“ sind im organisierten Fahrsport nicht mehr zugelassen, sie finden nur noch Trabrennsport Verwendung, um den Renntrab zu fördern.

 

Zugleistung von Fahrpferden – die traditionelle Regel
Im flachen Gelände – das Doppelte des Gesamtgewichtes der Pferde
Im bergigen Gelände – das Einfache des Gesamtgewichtes der Pferde

 

Wagenbauer und Stellmacher waren vielbeschäftigt, neue Modelle wurden entwickelt, die auch der Tendenz zum „Selbstfahrer oder Herrenfahrer“ entsprachen.


Viele Radbrüche waren zu verzeichnen, ehe eine neue Entwicklung Platz griff: Oskar Radl baute die ersten Segmenträder, die sich aber nicht durchsetzen konnten, weil schon bald das Rad aus Eisen hergestellt wurde. Die totale Zerstörung des „Rad-Haufens“alter Holzräder war damit zu Ende.


Die wohl durchschlagendsten Neuerungen waren die Entwicklung von Marathonwägen, die von vorsintflutlichen Fahrzeugen zu technischen Wunderwerken mutierten – verbunden mit vielen Vorteilen, aber auch dem Nachteil, dass jede massive Einwirkung auf den Wagen z.B. durch Anfahren an Hinderniselemente nicht mehr durch Materialdefekt ausgeglichen wurde, sondern mit rüden Stößen und Schlägen gegen die Pferde bezahlt wurde.
Mancher erfolgsbesessene Fahrer wurde am Tag der Geländeprüfung beobachtet, wie er morgens erst den neuen Marathonwagen liebevoll begrüßte und streichelte, bevor er sich dem „notwendigen Übel“ – den Pferden – zuwandte.
Nahezu unüberschaubar war der Markt an Galafahrzeugen, Equipagen und schlichteren Kutschen, bevor sich mit den Selbstfahrern die sportliche Seite der Herrenfahrer auftat – kutschiert wurde nicht mehr vom Kutscher, sondern Gentlemen und Ladies entdeckten die Faszination der Leinen und flotter eleganter Pferde.
Österreichische Wagenbauer wie Armbruster oder Lohner mit internationaler Kundschaft wurden abgelöst durch Gustav Kühnle und Alois Schlagbauer, bevor polnische Wagenfabrikanten mit preisgünstigen Modellen unter dem Einbüßen von Chic und Charm den Markt eroberten.

 

Eine ähnliche Entwicklung gab es bei der Beschirrung -alte Geschirre hielten der Belastung schwerer Geländeprüfungen nicht stand – Hans Maislinger in Lochen war einer der ersten Geschirrmacher hierzulande, der belastbare Qualität mit Schönheit und herausragender Lederqualität zu verbinden wusste.

 

Die aufgezeigte Entwicklung schlug sich dann zu Beginn des organisierten sportlichen Fahrens - auf Fahr-Turnieren - in der allerersten Prüfung nieder:

Gespannkontrolle bzw. Präsentation im Stehen

1. Fahrer und Beifahrer: Stil, Benehmen, Kleidung, Beifahrer > pferdegerecht, keine Maskerade; die Adjustierung war von der Anspannung und vom Wagen vorgegeben: Kummetanspannung verlangte nach eleganter Kleidung und Zylinder oder Bowler beim Fahrer, Groomjackett und Zylinder oder Bowler sowie Stulpenstiefel beim/bei den Beifahrern. Bei Brustblattanspannung konnte die Kleidung von Fahrer und Beifahrer ländlich oder elegante Straßenkleidung sein. Bockdecke, die zum Wagen passte, war bei beiden Anspannungsarten vorgeschrieben. Den Gruß vor dem jeweiligen Richter entbot nur der Fahrer, der Beifahrer hatte – sichernd-am Kopf links vom linken Pferd zu stehen. Beim Vierspänner sollte der jüngere Beifahrer beim linken Vorauspferd (Leader), der ältere beim linken Stangenpferd stehen.

2. Pferde: Herausbringen, Bemuskelung, Zusammenpassen, Stil. Sauberkeit, Pflegezustand vor allem des Langhaares und der Hufbeschlag waren die Kontrollpunkte. Die Pferde sollten zur Anspannungsform passen, also kräftigere Karossiers wünschte man – zusammen mit elegantem und großem Wagen - im Kummet, leichte Jucker-Typen im Brustblatt vor leichteren oder ländlichen Wägen. 

3. Geschirre: Leinen zum Stil (englisch, ungarisch) passend, Sicherheit (Reservelöcher, Lederpflege besonders bei den Umschnallstücken, Strangaugen und Aufziehledern) Passform und Lage des Brustblattes und Kummets, allgemeiner Pflegezustand, korrekte Zuglinie; Kopfgeschirr und Gebisse zur Anspannung passend: Brustblattanspannung: Doppelringtrense oder Postkandare, Kummetanspannung: alle Varianten von Fahrkandaren wie Liverpool, Ellbogen, Tilbury usw. Auf eine gepflegte Schweifmetze wurde – besonders bei Stuten – aus Sicherheitsgründen größter Wert gelegt. Bei allen Strupfen musste ein Ersatzloch vorhanden sein. Ungarische Anspannung verlangte nach feinziselierter Doppelringtrense.

4. Wagen: Die Verkehrs- und Funktionssicherheit (Bremsen, Beleuchtung, Ersatzteile) hatte in der Benotung Vorrang vor Stil; der Pflegezustand wurde nicht nur im Hinblick auf Reinlichkeit, sondern besonders auf Sicherheit kontrolliert.

5. Gesamteindruck: Kriterium war Harmonie und guter Geschmack der Erscheinung des gesamten Gespanns, stilgerecht im Zusammenpassen des Wagens zu den Pferden, der Kleidung von Fahrer und Beifahrer zum Gesamtbild. Maskeraden sind lächerlich. Vielfach wurde zur Präsentation, die im Stehen vor jedem einzelnen Richter erfolgte, eine dekorative Bockdame mitgenommen, die manchmal – wenn sie besonders adrett war – von mancher Unzulänglichkeit ablenkte.

Jeder Richter hatte für die Präsentation zehn Minuten Zeit und diktierte seine Beobachtungen und Benotungen (0 bis 10 Punkte für jede der fünf Kategorien) seiner Schreibkraft ins Protokoll.
Die Gespannkontrolle im Stehen war weder bei allen Richtern noch bei allen Fahrern sehr beliebt, sie erforderte Wissen und Geschmack, aber es war eine hohe Punktezahl zu erreichen. Der Vorwurf an die Turnier-Richterschaft, dass „Fahrer mit genügend Geld“ besser „bedient“ würden, war unrichtig, Sauberkeit, Funktionalität und guter Geschmack sind keine geldabhängigen Kriterien. Richtig ist allerdings die Feststellung, dass die Präsentation im Stehen sehr zeitaufwändig war, es folgte deshalb dann die „gefahrene Gespannkontrolle“, bei der jedes Gespann vor jedem Richterparadepunkt vorfuhr und kurz stehen blieb, um benotet zu werden. Statt der bisherigen 50 möglichen Punkte waren nur mehr maximal 10 mit dieser Teilprüfung zu gewinnen, die Beurteilung wurde sehr oberflächlich und speziell im Hinblick auf Sicherheit zur Farce.

 

Ich habe in meiner Funktion als Turnierrichter sowohl die Präsentation (die ich geliebt habe, weil man „was“ wissen musste) wie auch die Dressurlektionen immer nach der, den einzelnen Noten innewohnender Bedeutung bewertet und regelmäßig die Bandbreite der Notenskala für jeden Punkt und jede Lektion ausgeschöpft; das gerne geübte Herumlavieren zwischen 5 und 7 war mir zutiefst zuwider; es gab zu meiner Zeit Richter, die verbal eine Lektion mit „mangelhaft“ beurteilten, dennoch aber eine „6“ gaben – man will ja schließlich wieder eingeladen werden.

10        vorzüglich
 9        sehr gut
8        gut
7        ziemlich gut
6        befriedigend
5        genügend
4        mangelhaft
3        ziemlich schlecht
2        schlecht
1        sehr schlecht
0        nicht ausgeführt

 

Die Besichtigung des Hindernis-(Kegel-)Parcours setzte korrektes Auftreten von Fahrer und Beifahrer(in) voraus. Das Mitführen der über den Arm gehängten Bockdecke war manchmal Grund zu (lächerlichem) Protest (gegen manche Richter, von denen ich einer war!)
Hardliner behaupteten, die Bockdecke ist Bestandteil des Wagens, Befürworter hielten die Bockdecke für einen Teil der Adjustierung des Fahrers. Ein Fahrer kam demonstrativ und aus Protest einmal mit einem karierten „Geschirr-Tuch“ in Oberkellnerart über dem linken Unterarm zur Verfassungsprüfung am Sonntag in der Früh.  

 


Insiderwissen Fahren

Holzrad

– Nabe (Haufen) aus Rüster, Birne, Eiche
– Speiche aus Eiche, Esche, Ulme, Akazie (Kernholz)
– Sturz der Speichen:  3 % (Radsturz)
– Felgen aus Esche
– Sechs Felgensegmente halten 12 Speichen
– Öl-Achse oder Schmierachse
– Segmenträder haben eine Metallnabe
– Felgenlänge beim Vorderrad: Durchmesser x 5.88

Wagenkasten

– Langwied aus Eschenpfosten
– Vordergestell: Reibscheidt (aus Weichholz) – Reibnagel (Drehkranz)
– Stange aus (Wiesen-)Eschenholz
– Ortscheite aus Eschenholz
– Bracke aus Eschenholz

– Zur Verständigung zwischen den Personen im Coupè und dem Kutscher – speziell bei einer sogenannten „Porzellanfuhre“, also einem tätigen Liebespaar im Wagen, bei geschlossenen Vorhängen.

 

Peitsche

Bogenpeitsche – Peitschenstock 1.50 bis 1.60 m
– Nur bei Kummetanspannung
– Peitschenschlag beim Vierspänner 3 m – muss das linke Vorauspferd an der äußeren Halsseite erreichen
– Die Schnur verjüngt sich bis zum Schmiss
– Die Schnur wurde früher mit einem Riemchen aus Pferdehaut bogenförmig am Stock befestigt und mit einem Gänsekiel, dessen Seele aus Walfischknochen bestand, fixiert
– Griff des Peitschenstocks: Schweinsleder
– Peitschenstock aus Rosenholz
– Die Naht des Griffes muss an der Seite des Peitschenschlags verlaufen

Stockpeitsche
– Nur bei Brustblattanspannung und bei ungarischer Anspannung – bei letzterer verziert an der Spitze mit einem Pilango (Schmetterling)


Englische Anspannung:

Achenbachleine (nach Benno von Achenbach); Verwendung sowohl bei Kummet- wie Brustblattanspannung
– Beim Fahren werden „Leinen“ verwendet, keine Zügel
– Länge 4.20 m mit 11 ovalen Löchern
– Das 6. Loch auf der Außenleine befindet sich bei 2.90 m
– Die restlichen Löcher sind auf einer Distanz von 40 cm davor und dahinter
– Das Maß der Innenleine beträgt 3.12 m
– Bei Verschnallung im 6. Loch ist die Innenleine (kreuzt zum Pferd der anderen Seite) um 12 cm länger als die Außenleine
– Das Aufnehmen der Leinen (das sog. „Gebet“: „Zum Aufnehmen der Leinen stellt sich der Fahrer….) ist essentieller Bestandteil der Fahrprüfung und auch Voraussetzung dafür, mit dem richtigen Leinenmaß den Kutschbock zu besteigen.
– Die Adjustierung der Fahrer/Dame an den Leinen ((Zylinder - schwarz beim Kutscher, grau beim Selbstfahrer, kleiner Hut mit Schleier) und des/der Beifahrer unterliegt einem genauen Protokoll (Zylinder, Bowler, schwarzes Jackett, weiße Hose, Stulpenstiefel, Handschuhe aus rotem Hundsleder)
– So fuhr HRH Prinz Philipp – wenn er die „royal bays“ im Kummet hatte- immer mit schwarzem Zylinder als „Kutscher“ seiner Frau, der englischen Königin.
– Die Pferde sollten in dieser Anspannung stattliche Karossiers sein. Gespanne mit Braunen durften nur gleichfärbig sein, Rappen und Schimmel wurden in Viererzügen „kreuzweise als Pepita – Gespanne“ eingespannt.


Aufhalteriemen
– Verbinden die Deichselspitze (Deichselbrille) mit dem Kummet oder Brustblatt: Länge 1.45m
– Der Eigentümer (und nur dieser) eines Gespannes kann auch Aufhalteketten verwenden, die aus poliertem Metall bestehen und als Funktionsteil weder (protzig) versilbert oder vergoldet sein dürfen!

 


Ungarische Anspannung:

Vielfach hat sich – selbst in „Fachkreisen“- eingebürgert, eine „Brustblatt-Anspannung“ automatisch, aber fälschlicherweise, als „Ungarische Anspannung“ zu bezeichnen – um der Einordnung als „ungarisch“ zu genügen, müssen eine ganze Reihe an Merkmalen vorhanden sein.  
–  Ungarische Leinen: erlauben viele unterschiedliche Einstellungen, die jedoch während der Arbeit wegen der fixen Verbindungen „vom Bock aus“ nicht möglich sind.
–  Im Gegensatz zu den Achenbach-Leinen, die am Umschnallstück (am Gebiss) nur ein Loch aufweisen, liegen bei ungarischen Leinen hier am Umschnallstück drei Löcher vor, die bei allen Pferden jeweils gleich geschnallt sein müssen.
– Da der Kammdeckel der Vorauspferde eines Vierspänners keinen eigenen Viererzugring aufweist, laufen die Leinen, die mit einem Riemchen am Halsriemen und aneinander mit einem Laufring fixiert sind, durch die äußeren Schlüsselringe.

 

– Der Nasenriemen läuft, anders als bei üblichen Kopfgestellen im Backenstück.
– Die Leinen sind durch den Traumriemen mit dem Bock verbunden.
– Die Peitsche mit drehbarem Peitschenschlag – und einem Pilango zur Zierde - wird vom Fahrer aufrecht – vor dem linken Auge – gehalten.
– Zur Abwehr von Fliegen sind am Kopfzaum und an den äußeren Kammdeckeln die aus feinen Lederriemchen geflochtenen Kopf- und Seitenschalanken angebracht.
– Die Stränge werden im (großen) Bauchgurt eingeschnallt.
– Während der Fahrer mit weichem Hut und Straßenanzug meist schlicht wirkt, sind die Beifahrer angetan mit prächtigen Uniformen, die dem Herkunftsstall oder der Phantasie zugeordnet werden können.
– Leichte, schnelle Pferde – Jucker – runden das Bild ab.
 

 

Anzahl der Pferde im Gespann

Einspänner

– Pferd geht
o    In der Gabel oder
o    in den Anzen
o    Nie an der Deichsel!
– Wagen zwei-oder vierrädrig

Zweispänner:

– Sattelpferd links der Deichsel
– Handpferd rechts der Deichsel
– Wagen vierrädrig – Ausnahme:
– Curricle: Zwei Pferde gehen nebeneinander an der Deichsel vor einem einachsigen Wagen, die Deichsel wird durch eine Schlaufe an der Curricle-Stange getragen, die zwischen den Kammdeckeln der beiden Pferde verläuft.

Vierspänner:

– Stangenpferde (an der Deichsel)
– Vorauspferde (linkes Vorauspferd = Leader)

Tandem:

– Zwei Pferde hintereinander
– Gabelpferd zieht, Vorauspferd ist Paradetyp

Links: Benno v. Achenbach – die Hand des Meisters
Rechts: Tandemfahrer in Nöten – das Vorauspferd blickte ihm in die Augen

Random:

– Drei Pferde hintereinander
– Extrem schwer zu fahren und die Pferde „auf Linie“ zu halten

Einhorn (d ´Attelage de trois)

– Zwei Pferde an der Stange
– Ein Vorauspferd in der Mitte vor den Stangenpferden (Paradetyp)
 
Troika – russische Eigenheit:

– Drei Pferde nebeneinander
– Außenpferde: „Galopins“ jeweils im Außengalopp (zur Abwehr von Wölfen)
– Mittelpferd: Traber (Orlow) unter der „Duga“ (Krummholz)
– Keine Fahrpeitsche, sondern „Knuts“ am Handgelenk mit denen die Pferde touchiert werden
– Spöttisch: „Russisch fahren“ = mit den Leinen schlagen

Anspannung a la Daumont:

– Ein Viererzug vom Sattel gefahren
– Fahrzeug ohne Kutschbock
– Heute noch im Zeremoniell von Königshäusern gebräuchlich.

– Die Reiter heißen „Jockeys“ und tragen Livree in den Stallfarben, wie auch der Vorreiter, hinten am Wagen sitzen die Leibjäger.
– Zweispännig: Semi – Daumont mit einem Reiter am Sattelpferd
– Der Reiter der Stangenpferde trägt am rechten Bein einen besonderen Schutzstiefel gegen die Deichselschläge

 

Fünferzug – ungarische Eigenheit:

– Zwei Pferde an der Stange
– Drei Pferde im Voraus

Quadriga – römische Eigenheit (Kampfwagen)

– Vier Pferde nebeneinander
– Römischer Kampfwagen


Das Fahrturnier

Dressur – Fahren:
– Überprüfung des Fahrers, seiner Grifftechnik und Fahrkunst
– Überprüfung des Ausbildungsgrades der Pferde
– Überprüfung der Biegung und Stellung der Pferde
– Überprüfung von Gehorsam und Durchlässigkeit
– Es ist immer das gesamte Gespann als Einheit zu bewerten


Marathon – Fahren:
– Überprüft wird Kondition, Schnelligkeit, Ausdauer
– Überprüft wird die Korrektheit der Gänge in den einzelnen Phasen
– Überprüfung der Belastungsfähigkeit in den Zwangspausen (Vet Check)
– Bei Ankunft > Belastungswerte, nach 10 Minuten > Beruhigungswerte (sollen nicht über 72 Puls/72 Atmung) liegen
– Wertumkehr: Atemwert höher als Pulswert > bedenklich und u.U. lebensgefährlich – „Ausschluss“)

 

Hindernisfahren:
– Überprüft wird Kondition, Schnelligkeit, Biegsamkeit und Wendigkeit in Verbindung mit Durchlässigkeit
– Der Spurbreite der Hinterräder werden je nach Bewerbsklasse 20 bis 40 cm zugemessen und ergibt die Hindernisbreite.


Die werte Leserin, der geschätzte Leser hat vermutlich aus dem bisherigen Text herauslesen können, dass „Fahren“ – noch vor wenigen Jahren als Altherrensport belächelt – viel Wissen und Können erfordert, unabhängig davon ob die Fahrkunst als Dame an den Leinen, als Fahrer, Beifahrer, Groom in verschiedenen Facetten ausgeübt oder im Dienst als Turnierrichter, Turniertierarzt, Pferdesanitäter oder Parcoursbauer versehen wird.
Außerhalb der Turniergepflogenheiten steht das private – zum Vergnügen, Hochzeit, Begräbnis usw.- und das touristische Fahren; hier sind vor Allem die Straßenverkehrsordnung, die Gesetze und die allgemeine Verkehrssicherungspflicht zu beachten.

 

Sollten Leserinnen und Leser auf den Geschmack gekommen sein und das Bedürfnis verspüren, diese kurze Darstellung zu vertiefen, so können Sie unter den Titeln meiner Fahr-Bibliothek fündig werden, denen auch manche Abbildungen und Wissensdetails entnommen sind, Originalfotos entstammen meiner Kamera.

Amerikanische Dogcart Gesellschaft Hamburg 1904
Arnold: All drawn by horses; David & Charles 1979
Auslaender & Kühr: 175 Wagen-Zeichnungen für die Praxis; ISKA Verlag 1983
Bieringer: Fahrfibel; Verlag Offene Worte 1936
Brindel, Schettler, Döring et al.mult.: Gewerblich fahren mit Pferden – der sichere Weg; VFD & FN Verlag 2019
 Deutsche Reiterliche Vereinigung: Fahren, Band 5; FN Verlag 1989
Duke of Beaufort: Driving; Longmans, Green and Co 1894
Eberhardt: Das Wagenpferd und die Fahrkunst, EV 1889
Feiler: Die alte Schienenstraße Budweis-Gmunden; Scholle 1952
Fröch: Die Gespanngeschichte – vom Zwergesel zum Vierspänner; EV 1981
Furger: Eleganz zu Pferd und im Wagen; EV oJz.
Furger-Gunti: Kutschen und Schlitten aus dem alten Basel; Historisches Museum Basel 1982
Gerber: Fahrhandbuch für Land und Stadt; Verlag Schweizer Kavallerist1958
Ginzrot: Die Wagen und Fuhrwerke; Prisma Verlag 1981
Haller: Fuhrwerke des k.u.k. Heeres; Militärhistorischer Verlag 1995
Haller: Kleine Fahrlehre; Müller-Rüschlikon 1995
Hamelmann: Die Fahrkunst; J.J.Weber 1885
Has:  Für Fahrer und solche, die es werden wollen; Verlag L.-D. Huhn1981
Heydebrand: Handbuch des Fahrsport; Olms 1991
Holleuffer: Die Bearbeitung des Reit- und Kutschpferdes zwischen den Pilaren; Olms 1985
HRH The Duke of Edinburgh: Competition Carriage Driving; Watmoughs Limited 1982
Jäger, Wackernagel, Fritz: Der Landauer; Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1985
Kugler: Der goldene Wagen; Kunsthistorisches Museum Wien 1977
Kugler: Die Wagenburg in Schönbrunn; Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1977
Lamparter: Die Fahrlehre; Verlag Dr. Georgi 1979
Langthaler/Wagner: Die Wiener Fiaker; Verlag Brandstätter 1984
Lehrner: Fahren mit Pferden – von der Fahrkultur zum Fahrsport; Parey 1991
Lindner: Die technische und symbolische Bedeutung eurasischer Streitwagen für Europa; Verlag Marie Leidorf 2021
Lubina: Kutschenführerschein; Cadmos 2007
Müller: Pferdegeschirre; EV 1983
Müller: Wagen anno 1900; EV 1980
Nockolds: The Coachmakers; J.A. Allen1977
Nystrom: Royal Stables and Coaches; Amalienborg 1977
Oese: Zweispännig Fahren; Sportverlag Berlin 1989
Pape: Die Kunst des Fahrens; Franck`sche Verlagshandlung 1982
Pettkò-Szandtner: A Magyar Kocsizàs – Ungarisch Fahren; ISKA Verlag 1981
Prinz Reuss: Der korrekte Kutscher; EV Jahr unbekannt
Rausch: Der Wagenfabrikant; Verlag Voigt 1900
Richardson: Driving; B.T. Batsford Ldt.1985
Riedler: Straße, Rad und Wagen; EV 1988
Rogers: A Manual of Coaching; J.B.Lippincott 1900
Ryder: On the Box Seat; Ryder 1969
Ryder: The Coson Carriage Collection at Beechdale; Rodger Morrow 1989
Schadendorf: Zu Pferde, im Wagen, zu Fuß; Prestel Verlag München 1962
Schoenbeck Richard: Reiten und Fahren; Parey1905
Schönbeck Berthold: Fahrhandbuch zum Selbststudium; Friese & von Puttkamer 1889
Schrallhammer, Brindel: Fahrkompendium Ungarisch Fahren; VFD2016
Schüßler: Das Oldenburger elegante, schwere Kutschpferd; Schaper 1910
Smith: Dictionary of horse-drawn vehicles; Allen& Co 1988
Sparkes: Stagecoaches & Carriages; Spurbooks Ltd. 1975
The British Driving Society: Journal 1986; BDS
Thompson: Horse-drawn Carriage Construction; Thompson 1980
Toth: Die ungarische Fahrkunst; Corvina 1988
Treue/ Kugler: Achse, Rad und Wagen; V&R Göttingen 1986
Treue: Achse, Rad und Wagen; Vandenhoeck&Ruprecht 1986
v. Achenbach: Anspannen und Fahren; Verlag Dr. Georgi 1978
Vale: The Mail-Coach Men; David & Charles 1967
Voigt: Handbuch für Sattler, Riemer und Täschner, ISKA1897
Walrond: Fahren lernen; Francks Reiterbibliothek 1978
Wieser: Fahren und Reiten in Alteuropa und im alten Orient; Olms 1971
Wille: Benno von Achenbach; ISKA Verlag oJz
Windisch/ Weich: Postkutschen-Romantik; AT Verlag 1981
Wrangel: Einiges über Fahren; Olms 1980

 

Gutachten, Entscheidungen, Patientenberichte, PPTs, Bilder und Lichtbilder, Grafiken sowie Literatur stammen aus dem Privatarchiv und ex libris Dris. Kaun.
Meine Aufsätze, Publikationen, Betrachtungen und Kommentare zur Klinisch angewandten, forensischen und ethischen Hippologie stellen, wenn nicht anders gekennzeichnet, meine persönliche Meinung dar und sollen Pferdeleuten unserer Tage zur persönlichen Orientierung dienen und helfen.

Personen aus dem kommerziellen Umfeld der Pferdewelt (Veranstalter von Kursen und Lehrgängen, Autoren, Publizisten, Sachverständige oder Rechtsberufe) mögen die von Anstand und gutem Benehmen diktierte Regel, nicht zu stehlen, respektieren und deshalb Quellen gemäß der Zitiervorschriften benennen.

Sollten Leser meiner Schriften Einzelnes vertiefen wollen, so kann – unter den angeführten Bedingungen – aus dem reichen Fundus der Downloads von Unv. Lektor VetRat Mag. et Dr. med. vet. Reinhard Kaun auf www.pferd.co.at geschöpft werden – auch persönliche Kontaktaufnahme unter tierarztdr.kaun@pferd.co.at ist möglich – in sozialen Medien wird nicht verkehrt.

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