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Basiswissen Hippologie: Verwahrung
31.05.2025 / News

Kaum ein Thema beschäftigt Gerichte und Sachverständige so häufig wie die ordnungsgemäße Verwahrung von Pferden – und die oftmals dramatischen Folgen, die eine unsachgemäße Verwahrung von Pferden haben kann. Doch worum geht es dabei genau? Eine Zusammenfassung von Dr. Reinhard Kaun.

Wenn in dieser Folge „Verwahrung“ das Thema sein soll, so ist besonders in Reiter- und Fahrerkreisen klarzustellen, dass damit „Verwahren im Sinne von Aufbewahren oder in Obhut nehmen“ gemeint ist und nicht im Sinne „verwahrender Hilfen“ durch Schenkel, Zügel oder Peitsche. 

 

Der Begriff „räumliche Nähe“ ist naturgemäß dehnbar – die geübte Praxis zeigt, dass Gruppen von Pferden, die meist immer gleich und erprobt sind, in die Schrittmaschine gebracht werden – das Tempo und die Umkehrzeitpunkte werden (meist) wenig verändert; während die Pferde in der Anlage Schritt gehen oder traben, wird irgendwo am Betrieb weitergearbeitet; je nach Betriebsgröße kann dies „in der Nähe“ – unmittelbar, aber auch weiter entfernt sein.

Kritische Situationen entstehen regelmäßig dann, wenn eine eingespielte Gruppe verändert wird, wenn neue, junge, unerfahrene oder einander nicht ausstehen könnende Tiere dazu kommen.

In einem Einstellvertrag sollten deshalb die Vorgaben des Pferdebesitzers und Zusicherungen des Betriebes schriftlich festgehalten werden.

 

 

Für jede Führmaschine sollte ein Service-Buch geführt werden, in dem die zumindest wöchentlich vorgenommene Überprüfung der Not- und Temposchalter sowie die Stromführung der Trenngitter lückenlos dokumentiert sind, sowie die halbjährliche technische Überprüfung der Gesamtanlage durch einen TÜV.

Aus einschlägigen Erfahrungen wird dringend empfohlen, dass nach einem Unfall in der Führmaschine die Gesamtanlage durch eine geeignete und zertifizierte Firma überprüft und zum Weiter-Betrieb „abgenommen“ wird – kostensparende Reparaturen in Eigenregie wirken sich bei einem neuerlichen Vorfall ungünstig aus.

Sämtliche Instandsetzungen und Überprüfungen müssen in einem Serviceheft nachvollziehbar sein.

 

Versierte Juristen vertreten die Ansicht, dass zur Kontrolle einer Anlage eine Video-Überwachung dort unstatthaft wird, wo sie – zweckentfremdet – überwiegend zur „Bespitzelung der Einsteller“ verwendet bzw.  Aufzeichnungen von unliebsamen Personen angefertigt werden. Eine Videoüberwachung zur Kontrolle des Fremdpersonenverkehrs, zur Erhöhung der Betriebssicherheit und Überwachung der Pferde ist wohl ein großer Fortschritt unsrer Zeit – die Anlage selber ist jenseits von Gut und Böse, die Personen am Bildschirm nicht immer! 

 

In den fast vier Jahrzehnten, die ich als Gerichtsgutachter tätig bin, war ich mit vielen und oft endlosen Streitereien konfrontiert, die den Vorwurf unterlassener „pflichtgemäßer“ Obsorge zum Inhalt hatten, meist geht ein Vorwurf vom Pferdeeigentümer aus, er kann aber auch vom Verwahrer, also dem Einstellbetrieb ausgehen. Mannigfaltig sind dann die Vorhaltungen, die beide Seiten vorbringen: für den neutralen, unparteiischen und unbefangenen

Sachverständigen, der seit Beginn seiner Gutachtertätigkeit dem Grundsatz „audiatur et altera pars“ (man muss beide Seiten hören) treu ist, entsteht dann der Eindruck, dass auch in der Pferdewelt das „miteinander geführte Gespräch“ völlig verschwunden und den Chat-Gruppen gewichen ist.

Die Kultur des ruhigen, sachlichen Gesprächs hat – nach dem bescheuerten Vorbild unzähliger oberflächlicher Kriminalserien – keinen Stellenwert mehr, es wird nicht mehr in wohlgeformten Sätzen miteinander gesprochen, nein, es werden Phrasen, Gemeinplätze und (manchmal) Argumente hervorgestoßen wie Salven aus einem Maschinengewehr und unbedingt muss „man“ – während man einen Gang entlang eilt – aus einem „Kaffeehäferl“ trinken, von einer Wurstsemmel abbeißen, einen Zug aus der Zigarette nehmen und – ganz nebenbei – eine Handy-Telefonat führen; es wird vorgeführt, dass „Multitasking“ der Stil der Zeit ist.

Das Gespräch ist dem „verbalen Austausch“ gewichen – für einen „Tausch“ müssen die „Gegenüber“ nicht dieselbe Sprache sprechen – man kann also gut aneinander vorbeireden.

Vor Gericht stellt sich dann heraus, dass Verträge nicht sorgfältig gelesen wurden, manche Punkte nicht hinterfragt und präzisiert wurden und dass – vielfach- von lebensfremden Annahmen oder Voraussetzungen ausgegangen wurde.

 


Was ist unter „pflichtgemäßer Obsorge“ zu verstehen?

Dazu eine Liste von Möglichkeiten, die nicht zwingend sind, sondern als Optionen geklärt werden sollen – verpflichtend werden sie erst dann, wenn sie von beiden Vertragspartnern als Vertragsinhalt vereinbart und unterschrieben wurden:
– Unterbringung in einer Box mit dem „Maß ?m x ?m“
– Service: Decken, Fliegenmasken, Notfälle, Tierärzte, Hufschmiede, Notfallplan
– Fütterung: wie oft in welcher Menge
o    Kraftfutter
o    Langfutter
o    Mineralfutter
– Einstreu
o    Stroh
o    Späne 
o    Anderes
– Weidegang/Koppelgang
o    Täglich, wie lange
o    Einzelweide/Gruppenweide
o    Wie werden Pferde auf die Weide geführt: Einzeln, in Gruppen, mit Führstrick
o    Haltung auf der Weide: Halfter, Elektrozaun, mechanische Begrenzung
o    Wasser auf der Weide vorhanden
o    Schatten auf der Weide vorhanden
o    Besichtigung des Weide-Ein- Ausgangs 
o    Notfallplan: Unfall, Gewitter, Hochwasser, Sturm
– Tägliche Reinigung
o    Box
o    Boxengitter
o    Futtertröge
o    Tränkebecken
o    Stallgasse
o    Waschbecken
o    Toiletten
– Tägliche Abmisten
o    Box
o    Paddock
o    Auslauf
o    Koppeln und Weiden
o    Stallgang
o    Wege der Anlage
o    Reitplatz
o    Longierplatz
o    Reithalle
o    Führmaschine
– Pflege der Anlagen
o    Sattelkammer: Versprerrbar ja/nein
o    Spinde in der Sattelkammmer
o    Hufschlag in der Reithalle
o    Hufschlag am Reitplatz
o    Hufschlag in der Führmaschine
o    Hufschlag Round Pen/Longierplatz
o    Kontrolle und Instandsetzung von Umzäunungen
o    Pflege und Erneuerung von Böden: Reitplatz, Reithalle, Longierplatz
o    Schnee- und Eis-Beseitigung auf allen Pferdewegen der Anlage
o     Regelmäßiges Mähen der Weiden: wie oft, wie hoch
o    Düngen der Weiden
– Sonderpunkte:
o    Darf Heu/Stroh/Späne selbst nachgebessert werden 
o    Benützung von Geräten: Schubkarre, Gabeln, Schaufeln, Rechen usw.
o    Dürfen eigene Pferde außerhalb der Fütterungszeiten mit Leckerli, Äpfeln, Kraftfutter versorgt werden?
o    Entwurmungsprogramme
o    Impfprogramme
o    Personenverkehr: Einsteller, andere

 

 

 

 

Gutachten, Entscheidungen, Patientenberichte, PPTs, Bilder und Lichtbilder, Grafiken sowie Literatur stammen aus dem Privatarchiv und ex libris Dris. Kaun. 
Meine Aufsätze, Publikationen, Betrachtungen und Kommentare zur Klinisch angewandten, forensischen und ethischen Hippologie stellen, wenn nicht anders gekennzeichnet, meine persönliche Meinung dar und sollen Pferdeleuten unserer Tage zur persönlichen Orientierung und helfen und dienen.
Personen aus dem kommerziellen Umfeld der Pferdewelt (Veranstalter von Kursen und Lehrgängen, Autoren, Publizisten, Sachverständige oder Rechtsberufe) mögen die, von Anstand und gutem Benehmen diktierte Regel, nicht zu stehlen, respektieren und deshalb Quellen gemäß der Zitiervorschriften benennen.
Sollten Leser meiner Schriften Einzelnes vertiefen wollen, so kann – unter den angeführten Bedingungen – aus dem reichen Fundus der Downloads von Univ. Lektor VetR  Mag. et Dr. med. vet. Reinhard Kaun auf www.pferd.co.at geschöpft werden – auch persönliche Kontaktaufnahme unter tierarztdr.kaun@pferd.co.at ist möglich – in sozialen Medien wird nicht verkehrt. 
  

 

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