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Paddock Trail – die Pferdehaltung der Zukunft?
05.06.2015 / Wissen

Gerade schwierige Bodenverhältnisse, wie z. B. große Steine verbessern die Koordination und Hufgesundheit und erhöhen nicht die Verletzungsgefahr.
Gerade schwierige Bodenverhältnisse, wie z. B. große Steine verbessern die Koordination und Hufgesundheit und erhöhen nicht die Verletzungsgefahr. / Foto: Heike Stockhardt
Je abwechslungsreicher ein Trail angelegt ist, umso besser für die Pferde. Enge Pfade schaffen zusätzliche Bewegungsanreize.
Je abwechslungsreicher ein Trail angelegt ist, umso besser für die Pferde. Enge Pfade schaffen zusätzliche Bewegungsanreize. / Foto: Heike Stockhardt
In freier Wildbahn legen Pferde oft die selben Wege in immer der gleichen Gangart zurück, abhängig von der Bodenbeschaffenheit.
In freier Wildbahn legen Pferde oft die selben Wege in immer der gleichen Gangart zurück, abhängig von der Bodenbeschaffenheit. / Foto: Heike Stockhardt
Paddock Trail ,made in Austria
Paddock Trail ,made in Austria': Claudia Radbauer konzipierte im Biosphärenreservat Wienerwald einen Aktivstall für Hauspferde und Sorraia-Mustangs. / Foto: Aktivstall Mauerbach

Ein Haltungskonzept aus den USA gewinnt auch in Europa immer mehr Anhänger: der Paddock Trail, eine Haltungsform, die in Anlehnung an das Leben der Wildpferde entwickelt wurde und den Pferden durch speziell angelegte Trails vielfältige Bewegungsmöglichkeiten bietet.

 

Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hatte sich der im kalifornischen Lompoc ansässige ehemalige Hufschmied Jaime Jackson mit den Ursachen für die auffällig gute Hufgesundheit der amerikanischen Wildpferde im Great Basin beschäftigt. Er folgte den Mustangs auf ihren Wanderungen durch das geologisch überwiegend von Wüste bzw. Wüstensteppe geprägte Nevada. Dabei machte der Kalifornier eine für ihn überraschende Entdeckung: Obwohl das flächenmäßig siebtgrößte Bundesland der USA u. a. auch aufgrund seiner militärischen Sperrbezirke für die wilden Pferde nahezu unbegrenzt Platz bietet, nutzen die einzelnen Herden nur verhältnismäßig wenig Fläche – einige Quadratkilometer – und bewegen sich dabei auf den immer gleichen Pfaden. Selbst die Geschwindigkeit auf den einzelnen Tracks scheint von unsichtbarer Hand gesteuert, denn sie traben oder galoppieren überwiegend auf den gleichen Streckenabschnitten und unabhängig von einer aktuellen Bedrohung durch Raubtiere oder andere Einflussfaktoren. Dabei überwinden die wilden Pferde oftmals unwegsames Gelände mit größter Trittsicherheit – ohne Schaden für die Hufe.
Für Jaime Jackson waren diese Erfahrungen eine Offenbarung: „Schon früh erkannte ich während meiner Beobachtungen, dass die Vitalität der Hufe von den Lebensumständen der Tiere abhängt.“ Er entwickelte das Konzept des sogenannten „Paddock Paradise“ und dokumentierte seine Erkenntnisse in seinem gleichnamigen Buch.

Vorbild Mustang
Im Zentrum dieses Modells steht die Einsicht, dass entgegen landläufiger Ansicht die von den Tieren genutzten Weideareale klar definierte Gebiete sind, die sich vor allem im Umfeld von Wasserlöchern auch überschneiden können. Grundsätzlich wandern Wildpferde nicht ziellos durch die Gegend, sondern werden in ihrem Bewegungsradius immer durch die Suche nach regional vorhandenem und saisonbedingtem Futter in einer üblicherweise spartanisch bewachsenen Landschaft gesteuert. Gewöhnung und Routine bewirken dabei die Nutzung der immer gleichen Wege durch die Tiere, nicht selten in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Denn in der gleichen Weise, wie Durst den Grad der Entfernung auf dem Track vom Wasserloch reguliert, so beeinflusst in der freien Natur die Verfügbarkeit von Futter und anderen lebenswichtigen Nährstoffen, Hengstrivalitäten und Druck von Raubtieren die Fortbewegungsgeschwindigkeit auf dem jeweiligen Trail.
Erste Versuche, eine vergleichbare Haltungsform zu simulieren, zeigten schnell sichtbare Ergebnisse: Nicht nur die Hufe seiner Hauspferde entwickelten sich innerhalb weniger Monate zum Besseren, wurden robuster und widerstandsfähiger, sondern auch die Grundkondition, der Gesundheitszustand und die Bewegungsfreude der Vierbeiner nahmen auffällig und nachhaltig zu. Diese Ergebnisse ermutigten den inzwischen als Natural Hoof Care Practitioner tätigen Jaime Jackson zum nächsten Schritt: Als einer seiner Kunden, ein Inhaber eines großen Gestüts, wegen immer wiederkehrender Hufprobleme seiner Pferde bei ihm vorstellig wurde, empfahl er ihm die Umsetzung dieses „Wildpferdemodells“ – mit Erfolg.

Wanderwege für ein gesundes Pferdeleben
Beim Paddock Trail, einer im deutschsprachigen Raum inzwischen gebräuchlicheren Bezeichnung, werden mit Hilfe von zweireihig angelegten Weidezäunen sogenannte Tracks simuliert. In ihrer Minimalausführung führen diese künstlichen Wanderwege in Form eines Rundkurses um ein Weideareal.  Die Breite der Trampelpfade variiert dabei in Abhängigkeit vom Pferdebestand und den geographischen Verhältnissen zwischen ca. drei und zehn Metern. Sehr große Abstände zwischen den Zaunreihen sollten vermieden werden, denn zu breite Wege erzeugen eine Weideanmutung und sind damit kontraproduktiv. Enge Pfade hingegen schaffen zusätzliche Bewegungsanreize, da sie in der Regel die Dynamik auf dem Track erhöhen.

Damit die Pferde beständig in Bewegung bleiben, verteilen sich die einzelnen Funktionsbereiche, wie Tränke, Futterraufen, Unterstand, Ruhezone, Wälzplätze mit Sand oder Schlamm, Lecksteinstation, etc. über die gesamte Wegstrecke. Die Bodenverhältnisse sollten abwechslungsreich und können durchaus anspruchsvoll sein. Denn die unterschiedliche Beschaffenheit der Untergründe, wie Naturboden, Kiesbett, Sand, Schotter und Hackschnitzel, hat eine positive Reiz- und Abriebwirkung auf das Hufhorn und damit auf die Hufgesundheit. Selbst grobe Gesteinsbrocken passieren die Pferde in angemessener Gangart, ohne dass Schädigungen oder gar Verletzungen zu befürchten sind. Wälle, Sandaufschüttungen und Holzstämme fördern Achtsamkeit und Trittsicherheit. Auch Steigungen, Gefälle und Wasserfurten bereichern einen Paddock Trail, da sie als naturnahe Gestaltungselemente die Tiere fordern und ihnen Abwechslung bieten. Vor allem Aussichtsplattformen oder Anhöhen mit Ausblick, gerne mehrere an der Zahl, werden von den Tieren gut angenommen.

Leben wie in Freiheit
Claudia Radbauer hat vor einem Jahr die Chance erhalten, im niederösterreichischen Biosphärenreservat Wienerwald ein Pferdehaltungskonzept am Reißbrett zu planen und ganz nach ihren Vorstellungen umzusetzen. Sie entschied sich für die Haltungsform nach dem Wildpferdemodell in Kombination mit einem Aktivstall. „Die Boxenhaltung mit Paddock und Weidegang ist für mich als Dauerlösung nicht zu akzeptieren“, erklärt die Betriebsleiterin ihre Beweggründe für den Bau dieser außergewöhnlichen Anlage. Auf dem einen, ca. 500 m langen Track leben derzeit sechs Hauspferde und zwei Esel in einer gemischtgeschlechtlichen Herde. Ein weiterer Rundlauf wird von den von ihr gezüchteten und in Österreich bisher einmaligen iberisch-stämmigen Sorraia-Mustangs genutzt. Hier sind es derzeit sechs Zuchtstuten, ein Hengst soll im Frühjahr den Bestand erweitern. Die auf dem Grundstück befindlichen, unterschiedlichen Biotope, wie verbuschte Bereiche, ein kleines Waldstück und Grasflächen im Wechsel sowie stehende und fließende Gewässer, bilden dabei die natürliche Umgebung der Trails. In Österreich ist der „Aktivstall Mauerbach“ vor den Toren Wiens vermutlich der einzige dieser Art. Mit fast 40 Anlagen erhält das Thema in Deutschland hingegen zunehmend mehr Auftrieb. Auch große Pensionsbetriebe, wie Gut Heinrichshof im sächsischen Grossröhrsdorf in der Nähe von Dresden, setzen mittlerweile auf dieses Konzept. Die Reitanlage von Dr. Tanja Romanazzi ist die Heimat von ca. 70 Pferden, die in Doppelpaddockboxen, Minilaufställen und drei Aktivställen untergebracht sind. Vor zwei Jahren entschied sich die Betriebsleiterin, zusätzlich einen ersten Paddock Trail zu installieren, dem bereits innerhalb eines weiteren Jahres aufgrund der großen Nachfrage ein zweiter Track folgte. Jetzt leben auf einer Wegstrecke von 750 bzw. 900 Metern jeweils acht bis zehn Tiere.

Das Los der domestizierten Pferde
Obwohl ein Fluchttier, ist die Haltung der Pferde in Boxen oder auch kleinen Paddocks mit denen von Raubtieren in ihren Höhlen vergleichbar. Diese für einen Beutegreifer idealen Lebensbedingungen beschränken das Pferd jedoch und verwandeln es nicht selten aufgrund fehlender Abwechslung in ein gelangweiltes, teilweise durch Verhaltensauffälligkeiten geprägtes Tier mit mehr oder weniger für diese Haltungsform typischen Krankheitssymptomen. Denn von Natur aus muss sich das Pferd ständig fortbewegen, um seine körperliche und emotionale Gesundheit zu erhalten. Wildpferde sind fast permanent in Bewegung und legen vergleichsweise große Tageskilometerstrecken zwischen 15 bis 30 Kilometer zurück. In Abhängigkeit von Witterung und Futtersituation sind durchaus auch Entfernungen bis zu 100 Kilometer und mehr zu beobachten.

Ganzheitliches Haltungskonzept
Die Befriedigung der Bedürfnisse seiner Bewohner hat bei einem Paddock Trail eine hohe Priorität: Der natürliche Bewegungsbedarf des lauffreudigen Fernwanderers wird angeregt und soziale Verhaltensmuster innerhalb der Herdenverbände werden gefördert. Die vorzugsweise konstante Fütterung in kleinen Mengeneinheiten deckt beim Dauerfresser Pferd den Bedarf an kontinuierlicher Futteraufnahme. Schließlich ermöglicht der Aufenthalt im Freien dem Klimawiderständler und Frischluftler das Erleben der unterschiedlichen Witterungseinflüsse.

Der Paddock Trail bietet ein starkes Anreizsystem zu konstanter, natürlicher Bewegung, vergleichbar mit einer immerwährenden Aufwärmphase. Denn der Gestaltung der Wanderwege sind im Grunde keine Grenzen gesetzt. Wegalternativen, bei der die Tiere zwischen einer größeren Entfernung auf weichem Sand oder einer kürzeren Strecke über ein Kiesbett abwägen müssen, bieten Abwechslung und immer auch einen Trainingsmehrwert – ob nun als Stimulus für die Hornsohle im Besonderen oder für die Extremitäten im Allgemeinen. Dabei kommt es weniger auf die effektive Länge des Trails, als vielmehr auf den Abwechslungsreichtum in der Architektur des Bewegungsangebotes an.

„Futter" für die Sinne
Für Jaime Jackson ist „gesunder Stress“ durchaus positiv zu werten und zählt ebenfalls zum Leben eines Pferdes. Deshalb kommt aus seiner Sicht der Reizvielfalt eine große Bedeutung zu. Denn eine reiz-arme Umgebung ist nicht nur langweilig, sie fordert die Tiere auch nicht in ihrer sozialen Funktion als Wächter. Er empfiehlt u. a. das Anlegen eines zweiten Tracks parallel zum ersten, um so die Reizvielfalt durch die Anwesenheit einer zweiten Herde zu erhöhen. Denn die Interaktion der beiden Pferdegruppen – selbst nur über den Zaun hinweg – liefert Anlass für beständige Bewegung und gegenseitige Beobachtung durch die Vierbeiner.

Aufgrund der geographischen Verhältnisse ließen sich in Mauerbach nur zwei räumlich getrennte Paddock Trails umsetzen. Auf einer Strecke von ca. 20 m entlang der Einfriedung treffen die beiden Racetracks aufeinander – und bieten den beiden Herden die Möglichkeit für eine Kontaktaufnahme. Für die nötige Abwechslung sorgen im Biosphärenreservat nicht nur die Raubvögel und Amphibien, sondern auch die in friedlicher Co-Existenz lebenden Schafe und Truthähne.

Im Vergleich dazu findet man auf konventionellen Weiden immer wieder Bilder von lustlos herumstehenden Vierbeinern. Auch wenn diese sich sicherlich mehr als die Tiere in Boxen- oder Paddockhaltung bewegen, sind ihnen doch die Abmessungen ihrer Weide- und Laufstalleinzäunungen durchaus bekannt. Motivation für vermehrte Bewegung fehlt bzw. kann nur in geringen Maßen durch die häufig auf engem Raum konzipierte Anordnung der Funktionsbereiche erreicht werden. Der Grundriss vieler Lauf- und Offenställe basiert daher eher auf dem Prinzip der kurzen Wege, welcher eine echte, dezentrale Gestaltung nicht zulässt und bei dem Tränke, Heustation und Unterstand auf nur wenigen Metern Entfernung angeordnet sind.

Kleine Heumahlzeiten erhöhen den Bewegungsdruck
Auf einigen Paddock Trails wird hingegen auch die von Jaime Jackson propagierte Kleinstmengenfütterung umgesetzt. Im „Weideparadies“ von Inge Hoffkamp im hessischen Haunetal wird das Heu händeweise im ganzen Gelände verteilt. Grundsätzlich steht den Pferden dadurch Raufutter ad libitum zur Verfügung. Anhand von Stichproben wird regelmäßig überprüft, ab welcher Menge das Heu nicht mehr aufgefressen wird, sondern liegen bleibt. Durch die zahlreichen Heuhaufen werden die Tiere zu mehr Laufleistung angeregt, denn sie nehmen immer nur selektiv einige, wenige Halme auf. In Erwartung einer eventuell schmackhafteren Futterauswahl beim nächstfolgenden Heuhaufen und durch das Drängen der nachfolgenden Pferde entwickelt sich ein sich selbst verstärkender Effekt – Fressen und Gehen im Wechsel wird so (wieder) zum natürlichen Automatismus.
Eine Alternative für dieses – nicht für alle Pferdehalter praktikable – Fütterungsverfahren ist die Verwendung mehrerer, engmaschiger Heunetze, vor allem bei kleinen Gruppengrößen. Der gemeinschaftlichen Futteraufnahme sollte dabei ein hoher Stellenwert eingeräumt werden: Das Herdentier Pferd fühlt sich nur in der Gruppe sicher – das gilt auch und vor allem für die Fressphasen, die doch durchschnittlich 16 bis 18 Stunden des Tages in Anspruch nehmen. Die bei größeren Herdenverbänden häufig eingesetzten Heuraufen sollten daher in Größe und Anzahl so dimensioniert sein, dass allen Tieren – auch Außenseitern oder rangniedrigen Pferden – zeitgleich der Zugang zum Heu gewährleistet werden kann.

Claudia Radbauer hat sich für ein computergesteuertes Fütterungssystem entschieden und mehrere Raufutterstationen eingerichtet. Die Pferde fressen in der Gruppe bis zu 16 Mal am Tag für 20 Minuten Heu, Stroh steht ihnen permanent in frei zugänglichen Raufen zur Verfügung. Auch engmaschige Futtersparnetze kommen dabei zum Einsatz, damit den Tieren der Zugang zum Raufutter rund um die Uhr gewährt werden kann – ohne leidige Konsequenzen für die Figur.

Futterneid vermeiden
Die Fütterung des Kraftfutters erfolgt in manchen Betriebe inzwischen wieder nach altbewährter Methode mit umgebundenen Eimern oder Futtersäcken. „Zu Beginn haben wir die Pferde für die Fütterung des Kraftfutters immer angebunden. Das sorgte aber für starke Unruhe“, musste Tanja Romanazzi lernen. Durch die Verwendung von Futtereimern, die den Pferden umgehängt werden, legte sich diese Anspannung unter den Tieren. Besonders auffällig ist, dass die Pferde dieses Prozedere gerne annehmen, solange die Hierarchiereihenfolge bei der Futterausgabe beachtet wird. Gleichzeitig lernen die Tiere schnell, dass Futterdiebstahl bzw. -neid auf diese Weise keinen Erfolg bringt. Rangniedrige Pferde können sich ohne Stress so weit vom Verband entfernen, dass eine ruhige Aufnahme des Futters auch für sie möglich ist. Im Aktivstall Mauerbach erfolgt auch die Kraftfutterausgabe chipgesteuert: Dort erhalten die Pferde bis zu 20 Mal am Tag kleine Portionen Hafer und Mineralpellets.

Natürliche Snacks am Wegrand
Die beiden Betriebsleiterinnen gehen inzwischen auch dazu über, zunehmend mehr für Pferde genießbare Gehölze und Buschhecken auf dem Track und entlang der Einzäunung anzupflanzen. Eine Beschneidung der in den Track hineinragenden Triebe ist jedoch nicht erforderlich – diese Aufgabe übernehmen die Pferde mit Vorliebe und kommen dadurch in den Genuss zusätzlicher Knabbereien. Auf anderen Anlagen sind gezielt Rindenstämme und Astwerk als zusätzliche Futterquelle ausgelegt. Manchmal werden sogar kleine Heuportionen, Äpfel oder Möhren darin versteckt, die das Pferd auf seiner Suche nach den Leckerbissen zu einer beständigen Fortbewegung veranlassen. Denn: Je mehr Futterplätze vorhanden sind, desto größer ist das Interesse seitens der Pferde, diese auch aufzusuchen.
Mit der Haltung ändert sich nicht selten auch das Verhalten der Pferde. Viele Besitzer berichten, dass ihre Vierbeiner unter den veränderten Haltungsbedingungen förmlich aufblühen und oft auch langjährige gesundheitliche Probleme abschütteln können.

Zivilisationskrankheiten bekämpfen
Auch in den USA sind die sogenannten „Wohlstands- bzw. Zivilisationskrankheiten“ und ihre Folgen für Pferde nicht unbekannt. Ob Equines Metabolisches Syndrom (EMS), Equines Cushing Syndrom (ECS) oder Hufrehe – zur Prävention, aber auch bei Rekonvaleszenz, empfiehlt Jaime Jackson, den Track grasfrei zu halten. Denn das frische Grün produziert in Abhängigkeit von Witterung und Außentemperatur das von vielen Pferdehaltern gefürchtete Fruktan in unterschiedlicher Menge. Dieses gilt inzwischen als eine der Ursachen und Auslöser der sogenannten Wohlstandskrankheiten bei den Pferden.
Deshalb bietet es sich an, die von den Trails eingeschlossenen Innenflächen für die temporäre Weidehaltung und/oder alternativ zur Heugewinnung zu nutzen. Doch immer mehr Paddock Trail-Pferde kommen inzwischen zunehmend eher seltener auf die Weide – das Erfordernis ist nicht mehr so zwingend vorhanden, da der Anspruch an Bewegung in Kombination mit der Futteraufnahme durch den Racetrack deutlich besser abgedeckt wird.

Aufs Reiten nicht verzichten
Das Leben auf dem Racetrack liefert nicht nur für das Tier eine enorme Steigerung der Lebensqualität, auch die Eigentümer der Paddock Trail-Pferde sind oft deutlich entspannter. Die Notwendigkeit, den Vierbeiner täglich reiten oder bewegen zu müssen, sehen viele Pferdehalter hingegen häufig nicht mehr als gegeben an. Doch für Gundula Staack, die selbst eine PT-Anlage  in Schleswig-Holstein betreibt, stellt eine solche Haltungsform keinen Freibrief für den Verzicht auf das regelmäßige Training dar. Denn das Bewegungserfordernis kann die Haltung im Paddock Trail nicht komplett kompensieren. Die Fütterung von Heu ad libitum kann eine hohe Energiezufuhr mit sich bringen – auch und vor allem dann, wenn für Pferde ungeeignetes Rinderheu verwendet wird. Die Bewegung auf dem Trail allein kann dieses Überangebot nicht ausgleichen. Auch für Christiane Urban, ebenfalls PT-Anlagenbetreiberin, ist die Haltung auf dem Track keine Alternative zum Reiten. Sie legt viel Wert auf ein intensives Training unter dem Reiter, um das Idealgewicht der Pferde zu halten.

Haltung im Sozialverband
GPS-Messungen haben gezeigt, dass die Pferde auf ihren Wanderungen auf den Paddock Trails viele Kilometer pro Tag zurücklegen. In Mauerbach hat Betriebsleiterin Claudia Radbauer über jeweils einen Zeitraum von 24 Stunden hinweg das Bewegungsbedürfnis ihrer Pferde ermittelt. In Abhängigkeit vom Wetter lag die höchste Tageslaufleistung zwischen zehn und 15 Kilometern. Auf dem Eternahof wurden von Kirsten Steinau sogar bis zu 25 Kilometer ermittelt – bei 850 Metern Wegstrecke. Diese Bewegung ist für die Pferdegesundheit Gold wert: Nicht nur aufgrund wissenschaftlicher Studien ist inzwischen bekannt, dass für Sehnen, Bänder, Muskeln und Gelenke eine stetige, gleichmäßige Bewegung eine optimale Voraussetzung für die Gesundheit des Vierbeiners darstellt. Als Lauf- und Fluchttier ist das Pferd auf gesunde Extremitäten angewiesen, Stehzeiten sind ihm unbekannt. Konstante Fortbewegung ist der Schlüssel für die Gesunderhaltung von Körper und Geist. Denn nicht nur die Peristaltik des Darms wird über das Bewegungspensum des Pferdes gesteuert und hilft, Koliken zu vermeiden, auch Lahmheiten aufgrund langer Stehzeiten über mehrere Stunden des Tages hinweg – ob in einer Box, in einem kleinen Paddock oder einer parzellierten Weide – lassen sich durch das dauerhafte Bewegungstraining abwenden. Darüber hinaus profitieren die Atemwegsorgane von dieser Haltungsform, ganz zu schweigen von einem gestärkten Immunsystem und abgehärteten Hufen – alles Organe, die typischerweise die Achillesferse der Hauspferdehaltung darstellen.

Erkenntnisse aus der Wildnis
Das Konzept des Paddock Trails basiert auf einer Nachahmung der natürlichen Lebensverhältnisse von Wildpferden – eine überraschend einfache, aber für viele Pferdebesitzer dennoch im ersten Moment wohl mehr als gewöhnungsbedürftige Konstruktion. Denn über Jahrzehnte hinweg wurde der Mensch auf das typische Erscheinungsbild der konventionellen Haltungssysteme für in Gefangenschaft lebende Pferde geprägt, sind sie doch vor allem das Ergebnis der konventionellen Nutztierindustrie. Doch obwohl die Welt der wilden Pferde schon aufgrund des Nutzungsanspruchs durch den Menschen nicht zu hundert Prozent nachgeahmt werden kann, ist sie doch als Vorbild für die artgerechte Haltung von Hauspferden eine durchaus ernst zu nehmende und vielversprechende Alternative.    Anke Klabunde


Infos & Adressen
Weiterführende Informationen zum Paddock Trail und den Betreibern solcher Anlagen findet man auf folgenden Websites:


www.jaimejackson.com (Webseite von Jaime Jackson in englischer Sprache)
http://naturhufpflege.com (Bezugsquelle für das Buch „Paddock Paradise“ in deutscher Sprache)
www.aktivstall-mauerbach.at
www.eternahof.de
www.gut-heinrichshof.de
www.hof-buchholz.net
www.urbanhof.de
www.weideparadies.de
Auf der Businessplattform XING (www.xing.com) gibt es ein Forum zum Thema Paddock Trail.
Auf www.paddock-trail.de informiert eine Übersicht u. a. über bestehende Paddock Trail (PT)-Anlagen mit oder ohne Pensionsbetrieb sowie über im Bau befindliche Anlagen (kein Anspruch auf Vollständigkeit).

 

Kommentare

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1) Petra Haubner: Das klingt so wohltuend nach Back-To-Basic. Zurück zum möglichst ursprünglichen Pferdeleben. Auch wenn es für den Besitzer und Stall sicher whnsinnig aufwendig ist, scheint es mir auf den ersten Blick die ideale Haltungsform zu sein. Danke für den informativen und tollen Bericht. Petra
Mittwoch, 10. Juni 2015
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