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Erste Hilfe für Pferde
06.11.2015 / Wissen

Sterile Wundauflagen dienen zum Reinigen der Wunde sowie als erste Schicht im Notfall-Verband
Sterile Wundauflagen dienen zum Reinigen der Wunde sowie als erste Schicht im Notfall-Verband / Foto: Archiv
Schürf- und Risswunden nach einem Hängerdurchbruch – Desinfizieren und Abdecken mit einem Notverband sind hier sinnvolle Maßnahmen bis zum Eintreffen des Tierarztes.
Schürf- und Risswunden nach einem Hängerdurchbruch – Desinfizieren und Abdecken mit einem Notverband sind hier sinnvolle Maßnahmen bis zum Eintreffen des Tierarztes. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg
Glücklicherweise sind derart dramatische Verletzungen wie diese äußerst selten – eine Schraube hat sich durch den Huf gebohrt.
Glücklicherweise sind derart dramatische Verletzungen wie diese äußerst selten – eine Schraube hat sich durch den Huf gebohrt. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg
Diese Verletzung wurde durch einen Fremdkörper verursacht, hat jedoch – nach richtiger Erstversorgung – sehr gute Heilungschancen.
Diese Verletzung wurde durch einen Fremdkörper verursacht, hat jedoch – nach richtiger Erstversorgung – sehr gute Heilungschancen. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg

Im Falle eines Notfalls ist die richtige Erstversorgung, die meist der Reiter bzw. Pferdebesitzer selbst durchführen muss, von entscheidender Bedeutung. Welche sinnvollen Sofortmaßnahmen zu setzen sind, bis der Tierarzt eintrifft, hat ProPferd-Autorin Katharina Meissner zusammengestellt.


Eine Verletzung seines Pferdes ist der Alptraum für jede/n Pferdebesitzer/in – und leider ist die Wahrscheinlichkeit, selbst irgendwann diesem Alptraum gegenüberzustehen, sehr groß. Unsere großen und starken vierbeinigen Freunde sind leider auch filigrane Wesen, die im Stall, am Turnier, beim Transport, beim Ausritt oder auf der Koppel vielen Risiken ausgesetzt sind.  Wenn der Notfall tatsächlich eintritt, ist es nicht nur wichtig, rasch den Tierarzt zu verständigen, sondern bis zu seinem Eintreffen auch die richtige Erstversorgung des verletzten bzw. erkrankten Pferdes zu gewährleisten, um es zu stabilisieren, vor Infektionen zu schützen und die Folgen der Verletzung so gering wie möglich zu halten.

Allgemeine Verhaltensregeln
Die wichtigste Maxime vorweg: Auch im Notfall soll man Ruhe bewahren – und nach Möglichkeit auch das Pferd beruhigen. Jede Hektik, wildes Herumschreien oder Gestikulieren überträgt sich zwangsläufig auch auf das Pferd, das damit sich selbst und auch andere noch mehr gefährdet. Wer kühlen Kopf bewahrt, wird die Notsituation effizienter bewältigen und rasch alle nötigen Dinge veranlassen können:

1. Erst Menschen versorgen, dann Tiere! (Menschenschutz geht vor Tierschutz).

2. Unfallstelle absichern, Dritte (Kinder, Reitkollegen, Angehörige etc.) aus der Gefahrenzone bringen.

3. Verhindern, dass weiterer Schaden entsteht, vor allem das Pferd als Gefahrenquelle nicht unterschätzen. Verletzte, panische Pferde müssen eingefangen bzw. festgehalten und beruhigt werden, damit sie sich selbst nicht noch mehr verletzen oder andere Pferde wie auch Menschen gefährden.

4. Absetzen eines Notrufs, am besten direkt beim nächsten Tierarzt (zumindest drei Tierärzte-Nummern sollte man im Handy gespeichert haben – speziell für solche Fälle).

5. Durchführen der Erstversorgung (Blutungen stillen, Wunden verbinden etc.)

Selbstverständlich kann und soll man sich, seine Pferde und auch die Infrastruktur seines Stalls bzw. Reitbetriebes auf Notfälle vorbereiten,
– indem man etwa für eine griffbereite Notfallapotheke sorgt, die jedoch auch regelmäßig gewartet und erneuert werden muss,
– indem man – neben den gespeicherten Nummern am Handy – eine Liste mit weiteren Tierarzt-Nummern und sonstigen Notrufnummern im Stall ausgehängt hat,
– indem man seine Pferde konsequent gegen Tetanus impfen lässt
(die Gefahr einer Tetanus-Infektion ist bei Pferden 1.000 mal größer als beim Menschen),
– indem man selbst bzw. ein Stall-Mitarbeiter einmal im Jahr entsprechende Notfall- bzw. Erste Hilfe-Kurse besucht, die auch in Österreich regelmäßig von Tierärzten angeboten werden. Sie sind das beste Training für den Ernstfall, in dem sich das Schicksal Ihres Pferdes innerhalb weniger Minuten entscheidet. Handeln Sie richtig, ist vielleicht alles halb so schlimm – handeln Sie aber falsch, zu spät oder gar nicht, machen Sie alles noch viel schlimmer. Und das will doch schließlich niemand.


AUGENVERLETZUNGEN
Augenverletzungen können viele Ursachen haben und in verschiedensten Formen auftreten (Verletzung von Lid, Binde- oder Hornhaut, beispielsweise durch Fremdkörper wie etwa Holzsplitter, oder weil das Pferd an Stacheldraht, Zweigen oder ähnlichem hängen geblieben ist).
Wichtig ist in diesem Fall, so schnell wie möglich den Tierarzt zu rufen und eine weitere Verschmutzung der Verletzung zu vermeiden  Wenn die Verletzung nicht frisch, sondern schon ein paar Stunden alt ist, kann das Auge schon entzündet sein. Dann ist es warm, geschwollen und der Tränenfluss vermehrt.
Das sollten sie tun:
Zuerst das Pferd in eine ruhige, sichere – bei Lichtempfindlichkeit des Pferdes durch seine Verletzung auch in eine abgedunkelte – Umgebung bringen (z. B. von der Weide in die Box) und verhindern, dass es sich scheuern kann. Danach das Auge genau ansehen und falls nötig groben Schmutz entfernen.
Vorsicht: Nicht mit den Fingern die Wunde berühren – es besteht hohe Infektionsgefahr.
Wenn sich ein Fremdkörper darin befindet und er leicht zu entfernen ist, kann man versuchen, diesen mit einem sauberen Tuch (unbedingt fusselfrei!) mit tupfenden Bewegungen nach innen, Richtung Nasenbein zu entfernen.
Wenn der Fremdkörper eingespießt ist, auf keinen Fall versuchen, ihn selbst heraus zu holen, sondern auf den Tierarzt warten.
Vom Anlegen eines Verbands ist eher abzuraten. Die meisten Pferde lassen das nicht zu und die Gefahr, die Wunde noch zu verschlimmern ist groß. Der Besitzer sollte das Auge auch auf keinen Fall auf eigene Faust mit Salben behandeln, die Kortison enthalten – Verletzungen der Hornhaut könnten dadurch verschlimmert werden.


EINSCHUSS (PHLEGMONE)
Phlegmone ist eine lokal auftretende, warme Schwellung, die innerhalb weniger Stunden schnell größer wird. Später ist die betroffene Stelle heiß, das Pferd lahmt auf diesem Bein. Oft kommt es auch zu erhöhter Körpertemperatur und Fressunlust. Zu dieser Erkrankung kommt es durch Bakterien, die häufig durch sehr kleine Verletzungen in den Körper eindringen und sich lokal im Bindegewebe und der Unterhaut vermehren. Solche kleinen Wunden sind zudem tetanusgefährdet! Es entstehen entzündete Schwellungen, die stark vereitert sind. Besonders gefährlich ist es, wenn Eiter in Gelenke oder Blutgefäße einbricht!
Meist sind Phlegmonen an den Beinen zu finden (häufig unterhalb des Karpal- od. auch Sprunggelenks).
Achtung: Viele Schwellungen sind keine Phlegmone, sondern eine entzündliche Schwellung ohne erhöhte Körpertemperatur und ohne große Schmerzhaftigkeit. Hier reicht in der Regel das Verabreichen entzündungshemmender Medikamente, während bei der echten Phlegmone unbedingt Antibiotika nötig sind. Die genaue Diagnose kann nur der Tierarzt stellen.
Das sollten sie tun:
Die Phlegmone ist ein absoluter Notfall, bei dem der Zeitfaktor eine große Rolle spielt – wenn nicht so schnell wie möglich therapiert wird, kann die Schwellung chronisch werden. Daher ist so schnell wie möglich (am besten in den nächsten paar Stunden) der Tierarzt zu rufen.
Bis zum Eintreffen des Tierarztes das Pferd ruhigstellen und die betroffene Gliedmaße kühlen. Unbedingt Tetanus-Impfschutz überprüfen!


FESTLIEGEN
Es gibt verschiedene Formen des Festliegens. Prinzipiell ist damit gemeint, dass ein Pferd sich so gewälzt hat, dass es sich nicht mehr aus eigener Kraft von einer Stelle (z. B. Ecke in einer Box) wegbewegen kann. Vom Festliegen spricht man auch, wenn ein Pferd im Gelände in eine Vertiefung stürzt und sich nicht mehr selbst befreien kann. Viele weitere Krankheiten können Ursache dafür sein, dass ein Pferd etwa auch auf einer Koppel oder Weide nicht mehr aufstehen kann oder will (z.B.: Hufrehe, Kolik, Tetanusinfektion…).
Das sollten sie tun:
Steht das Pferd trotz genügend Platz und sanftem Antreiben nicht auf, wird der Tierarzt sofort verständigt. So schnell wie möglich weitere Helfer organisieren. Wenn möglich die Beine unter den Körper sortieren, dann kann man mit breiten Gurten versuchen, dem Pferd vorsichtig Aufsteh-Hilfe zu geben. Wichtig: Jeder Helfer muss aufpassen, in welcher Position er sich zum Pferd befindet, damit er nicht getreten und selbst verletzt werden kann!

Wenn ein Bein oder Huf des Pferdes in Metall oder Holz eingeklemmt ist, kann man vorsichtig versuchen, das Material rund um die Gliedmaße des Pferdes zu zerschneiden.
Sollten mehrere Versuche, das Pferd zum Aufstehen zu bewegen, erfolglos gewesen sein, muss auf professionelle Hilfe gewartet werden (Feuerwehr, Tierarzt…)
Im Gelände muss man je nach Lage des Pferdes improvisieren.

Ebenfalls zum Festliegen gehört der Sturz eines Pferdes, das nach einem Sturz über/durch/nach einem Hindernis nicht mehr aufsteht. Meistens ist dies nur darauf zurückzuführen, dass dem Pferd schlichtweg die Luft wegbleibt. In diesem Fall soll man alles beengende wie Sattel, Zaumzeug usw. lösen und das Pferd für einen Moment liegenlassen. Viele Pferde stehen nach einem Moment der Ruhe von selbst wieder auf.


NAGELTRITT
Beim Nageltritt dringt ein spitzer Gegenstand in die Hornkapsel des Hufes ein. Dies können Nägel, Drahtstücke und sogar Glasscherben sein. Je nach Länge, Eintrittswinkel und Schärfe des Fremdkörpers, kann er nur äußere oder auch innere Strukturen wie z. B.: Hufgelenk, Schleimbeutel, Hufbein usw. verletzen.
Nageltrittwunden sind generell sehr gefährlich und müssen daher unbedingt schnell tierärztlich behandelt werden. Außerdem besteht auch hier ein hohes Risiko für Tetanuserkrankungen.
Eingetretene Gegenstände verursachen Lahmheit in unterschiedlichsten Graden, oft plötzlich auftretend. Leider sieht man einen eingetretenen Gegenstand manchmal nicht sofort, daher kann bei der Entdeckung schon längst eine Entzündung vorhanden sein – in diesem Fall pulsiert die Arterie am Fesselkopf und man spürt verstärkt Wärme.
Das sollten sie tun:
Wenn der Nagel noch nicht ganz im Huf steckt, sondern nach außen ragt, nimmt man Blauspray oder einen Stift und markiert, bis wohin der Gegenstand im Huf steckt. Dann zieht man den Nagel mit einer Zange heraus, da sonst die Gefahr besteht, dass er weiter eingetreten wird und tiefer liegende Strukturen verletzt werden.
Wenn der Nagel schon ganz im Huf steckt, nicht entfernen, da der Tierarzt dann besser beurteilen kann wo, in welcher Richtung und wie der Gegenstand im Huf liegt.
Zum Schutz vor weiterer Verschmutzung kann man einen Hufverband anlegen.
Wenn man den Nagel entfernen muss, bevor der Tierarzt kommt, ist es wichtig, am Huf den Eintrittspunkt zu markieren (entweder mit Blauspray oder mit dem Hufmesser eine sichtbare Kerbe ritzen), da sich dieser Kanal sehr schnell schließt und man oft schon kurze Zeit später nicht mehr sehen kann, wo der Fremdkörper eingedrungen ist.
Außerdem immer den Nagel aufheben! Seine Form, Länge und Beschaffenheit können dem Tierarzt Hinweise auf die Art und Schwere der Verletzung geben.
Sollte ein Hufverband nötig sein und kein Verbandsmaterial zur Verfügung stehen, eignen sich Wegwerfwindeln hervorragend für einen schnellen Hufverband. Der Huf wird auf die innere Seite der Windel gestellt, dann werden die beiden Enden hinaufgeklappt und mit dem Klebeverschluß geschlossen.


FREMDKÖRPERVERLETZUNGEN
Verletzungen mit Fremdkörpern entstehen oft durch spektakuläre Unfälle und können wichtige innere Strukturen verletzen – sowohl Organe im Bauchraum als auch Gelenksräume usw. – sowie unterschiedlich starke Blutungen verursachen. Bei vielen Fremdkörperverletzungen kommt es in der Praxis durch falsche Versorgung zu Komplikationen, die schwere Folgen haben können.
Außerdem besteht durch den eingedrungenen Fremdkörper die Gefahr einer Tetanus-Infektion.
Das sollten sie tun:
Tierarzt sofort benachrichtigen! Den Fremdkörper auf keinen Fall entfernen – dadurch können tödliche Blutungen ausgelöst werden! Außerdem treten bei nachfolgenden Behandlungen durch den Tierarzt oft Schwierigkeiten auf, weil durch das unsachgemäße Entfernen der Wundkanal nicht mehr gut erkennbar ist. Es besteht auch die Gefahr, dass bei Absplitterungen nicht alle Teile gefunden und entfernt werden können.
Wenn das Pferd in eine Klinik transportiert werden muss, kann man versuchen, den Fremdkörper (geht bei Holz am leichtesten) auf ca. 10 cm zu kürzen, damit nicht weitere Verletzungen entstehen können.
Außerdem ist es ratsam, die Wunde großflächig abzudecken (ohne Druck!), sodass es zu keiner weiteren Verschmutzung kommt. Wenn kein Verbandsmaterial da ist, kann man zum Abdecken auch sehr gut Leintücher oder saubere Handtücher (Kochwäsche) verwenden.


KNOCHENBRUCH
Bei einem Knochenbruch geht das Pferd mittel- bis hochgradig lahm oder belastet das Bein gar nicht mehr. Bei manchen Brüchen kann man eine Stufe im Knochen fühlen. Ein Knochenbruch muß nicht mehr die dramatischen Folgen früherer Zeiten nach sich ziehen – heutzutage haben Pferde mit einem gebrochenen Bein deutlich bessere Chancen auf Heilung.
Je glatter und einfacher der Bruch, desto besser. Bei offenen Brüchen oder Splitterbrüchen kommt es leider nach wie vor häufig zu Komplikationen.
Das sollten sie tun:
Bei Verdacht auf Knochenbruch sofort den Tierarzt rufen! Das Pferd ruhigstellen und jede Aufregung vermeiden. Auf keinen Fall Beruhigungsmittel verabreichen, da das Pferd das verletzte Bein sonst wieder mehr belastet und damit den Bruch verschlimmert.
Von einem Stützverband ist abzuraten, denn ein falsch angelegter Verband kann sehr viel Schaden anrichten. Die Erstversorgung eines Bruches sollte ein versierter, auf Pferde spezialisierter Tierarzt machen.


NASENBLUTEN
Nasenbluten kann in unterschiedlicher Intensität (Tropfen, Strömen etc.) auftreten und verschiedenste Ursachen haben. Auslöser können geplatzte Gefäße in der Nasenschleimhaut oder, wie bei Rennpferden häufig, geplatzte Kapillaren in der Lunge sein. Auch nach Tritten oder Stürzen kann es zu Blutungen kommen, ebenso wie durch Entzündungen und Tumore.
Auch beim Einführen einer Nasenschlundsonde kommt es zwangsläufig immer wieder zu Blutungen, da das Pferd meist nicht still hält.
Das sollten sie tun:
Wenn das Nasenbluten nur schwach ist, empfiehlt es sich, das Pferd ruhig zu stellen – meist hört die Blutung von alleine auf.
Wenn eine Verletzung innerhalb der Nüstern aufgetreten ist und das Pferd stärker blutet, kann man das betreffende Nasenloch mit einem sauberen Tuch austamponieren.
Wenn die Blutungen länger anhalten oder sehr stark sind, unbedingt den Tierarzt verständigen und bis dahin jegliche Aufregung für das Pferd vermeiden (Wenn der Blutdruck steigt, vermehrt sich auch die Blutung!).


OFFENE WUNDEN/BLUTUNGEN
Wunden kommen auf unterschiedlichste Weise zustande und können auch sehr unterschiedlich aussehen. Kleine Wunden kann man als Besitzer selbst versorgen, sobald die Wunden größer sind oder akute Infektionsgefahr (etwa durch starke Verunreinigung) besteht, ist sofort der Tierarzt zu rufen.
Da es bei den verschiedenen Arten von Verletzungen auch unterschiedliche Vorgehensweisen gibt, wollen wir auf die verschiedenen Wundformen einzeln eingehen.

Stichwunden
Stichwunden sind oft unscheinbare, kleine Wunden mit nur geringer Blutung. Das umliegende Gewebe ist angeschwollen. Diese Wunden entstehen oft durch den Kontakt mit Mistgabeln, Dornen, Draht usw. Häufig sind die Beine davon betroffen. Durch die Sauerstoffarmut von Stichwunden besteht hier auch die große Gefahr einer Tetanus-Infektion, gerade weil die Gegenstände oft verschmutzt oder verrostet sind. Auch Bakterien, die eine Phlegmone auslösen, können hier einwandern.
Die große Gefahr bei einer Stichwunde ist, dass oft nicht sichtbar ist, wie tief die Verletzung reicht und welche Strukturen (Sehne, Gelenke…) noch betroffen sind.
Das sollten sie tun:
Tetanus-Impfschutz überprüfen und den Tierarzt rufen.
Bis dahin einen Beinverband (siehe Fotos und Anleitung) anlegen, um weitere Infektionen zu vermeiden.

Schürfwunden
Schürfwunden entstehen nach Kontakt mit Holz (Stalltüren, Weidezäune), Steinen (Ausrutschen beim Ausritt) und anderen festen Gegenständen. Fell, Haare und Haut fehlen an der betroffenen Stelle. Oft ist Schmutz in der Wunde (Steine, Holzspäne, Erde etc.).
In den meisten Fällen bedeutet diese Art von Wunde keine ernste Gefahr – außer wenn die Schürfwunde sehr tief ist und etwa Gelenke betroffen sind.
Das sollten sie tun:
Wunde mit normalem Leitungswasser (ist in Österreich in der Regel rein und keimfrei, daher viel besser zur Wundreinigung geeignet als etwa Alkohol oder ähnliche aggressive Mittel) reinigen, Fremdkörper mit sauberer Hand oder Pinzette entfernen.
Ganz leichte, oberflächliche Wunden können in der Regel an der Luft bleiben. Bei etwas tieferen Schürfwunden sollte gewährleistet sein, dass keine tiefer liegenden Strukturen wie Gelenke oder Sehnen betroffen sind.
Das ist für den Laien oft nicht erkennbar, darf also nur vom Tierarzt festgestellt werden. Desinfizieren mit 0,1 bis 0,2 %iger Jodlösung (das entspricht z. B. 10 bis 20 ml Betaisodona auf 1 l Wasser) und Abdeckung mit gepolstertem Verband. Dieser soll angefeuchtet werden, um Verklebungen zu vermeiden.

Tiefe Wunden/Blutungen
Hier sind tiefere Strukturen unter der Haut betroffen. Je nachdem wo und wie tief die Wunde ist, kommt es zu unterschiedlich starken Blutungen (tröpfeln, strömen, spritzen, pulsieren). Tiefe Wunden, die sehr stark bluten, beunruhigen und schockieren jeden Pferdbesitzer – wichtig ist aber, genau in solchen Momenten ruhig zu bleiben. Selbst bei sehr starken Blutungen bleibt in der Regel etwas Zeit zum Überdenken der besten Maßnahmen.
Das sollten sie tun:
Bei starken Blutungen hat das Stillen der Blutung gegenüber der Infektionsgefahr Vorrang! An geeigneten Stellen sofort Druckverband anlegen, ansonsten mit einem sauberen Tuch Druck auf die Blutung ausüben.  Bei stark blutenden Verletzungen ist sofort der Tierarzt zu rufen. Bei tröpfelnden oder rinnenden Blutungen sollte man der Infektionsgefahr vorbeugen, indem man einen sterilen Verband macht.
Wichtig ist es, bei solchen Wunden keine Salben oder konzentrierte Desinfektionsmittel aufzutragen – diese können mehr schaden als nutzen. Vor allem ist dadurch dem Tierarzt die Sicht auf die Verletzung erschwert. Auch beim Verband anlegen aufpassen – Verbände, die drücken, können sehr viel Schaden anrichten.
Wenn kein Verbandsmaterial zur Verfügung steht, eignen sich auch hier saubere Handtücher (Kochwäsche), um Blutungen zu stillen.


VERBRENNUNGEN
Verbrennungen zerstören die Haut massiv – Wasserhaushalt, Atmung, Infektionsabwehr etc. werden schwer beschädigt. Außerdem können bei großflächigen Verbrennungen Gifte aus dem verbrannten Gewebe einen gefährlichen Kreislaufschock verursachen.
Neben der ersten Phase, der Verbrennung selbst, besteht die Gefahr von großflächigen Infektionen, da die Haut ihre wichtige Barrierefunktion nicht mehr ausüben kann. Die Heilung einer Brandwunde ist meist langwierig.
Verbrennungen 1. und 2. Grades äußern sich mit Bläschen, Schwellungen und Rötungen.
Bei Verbrennungen 3. und 4. Grades ist das Gewebe (auch tieferes) schon umfangreich zerstört oder sogar verkohlt. Diese Wunden heilen schwer und nur unter erheblicher Narbenbildung aus. Größere Verbrennungen entstehen meist bei Bränden im Stall oder im Hänger.
Das sollten sie tun:
Kleine Brandwunden werden mit einem lockeren Verband abgedeckt, den man mit Trinkwasser feucht hält.
Bei größeren Verbrennungen bedeckt man – ohne Druck zu machen – das betroffene Gebiet bis zu einer tierärztlichen Versorgung mit sauberen, feuchten Tüchern, damit die Infektionsgefahr niedrig bleibt.
Am wichtigsten ist bei Verbrennungen das Kühlen – es kann die Schädigung des Gewebes ein wenig verlangsamen und vor allem Schmerzen lindern!


SEHNENSCHADEN
Je nach Art und Ausmaß der Verletzung (Zerrung, Faserriss, Teilabriss oder Komplettabriss) zeigt das Pferd eine gering- bis hochgradige Lahmheit sowie kleine bis große Schwellungen (warm und druckempfindlich) im Bereich der Sehnen. Es können sowohl Beuge- oder auch Strecksehnen betroffen sein, wobei das Heilen von Verletzungen an Beugesehnen meist langwieriger und komplizierter ist.
Bei vielen Pferdesportarten gibt es typische Sehnenschäden, wie zum Beispiel im Springsport Verletzungen am Fesselträger oder der oberflächlichen Beugesehne.
Für den Laien ist es nicht notwendig und auch kaum möglich, zu erkennen, welche Sehne verletzt ist und in welchem Ausmaß. Wichtig ist zu sehen, dass eine Verletzung an der Sehne vorliegt – und die entsprechenden Schritte einzuleiten!
Das sollten sie tun:
Kühlen mit fließendem Wasser und je nach Grad der Lahmheit und der Schwellung sofort den Tierarzt rufen. Außerdem kann man der Schwellung mit einem Verband entgegenwirken und so verhindern, dass das Gewebe weiter aufquillt.
Wenn das Bein so schwer verletzt ist, dass es instabil ist, ist ein Stützverband erforderlich. Auch wenn das Pferd mit Verdacht auf Sehnenschaden in eine Klinik transportiert wird, muss unbedingt eine Erstversorgung stattfinden – d. h. die betroffene Stelle kühlen und einen entsprechenden Schutz- oder eventuell Stützverband anlegen.


TETANUS
Tetanus (Wundstarrkrampf) tritt als Folge einer Wundinfektion auf. Der Erreger vermehrt sich in Wunden ohne Luftzutritt (z. B.: Stichwunden) und ist schon alleine deswegen so gefährlich, weil er durch kleinste Verletzungen in den Körper gelangt.
Er setzt am Infektionsort Giftstoffe frei, die sich durch das Blut im ganzen Körper ausbreiten.
In der Folge werden Nervenzellen angegriffen, wodurch es in weiterer Folge zu heftigen Krämpfen in der gesamten Muskulatur kommt. Das dritte Augenlid ist vorgefallen und oft ist heftiges Speicheln zu beobachten. Die Nüstern sind weit aufgerissen, die Ohren nach hinten gezogen. Außerdem kann man Schweißausbrüche und eine erhöhte Herzfrequenz (40–60 Schläge/Minute) feststellen. Ein typisches Symptom ist auch die sägebockartige Stellung, oft mit abstehendem Schweif, im späteren Stadium kann es zum Festliegen und Rudern mit weggestreckten Beinen kommen.
Diese Symptome sieht man aber erst, wenn die Giftstoffe schon weit verteilt sind und auch nicht mehr bekämpft werden können.
Die einzige Möglichkeit dem Pferd zu helfen, besteht darin, es solange zu stabilisieren, bis die Giftstoffe vom Körper wieder selbst abgebaut werden.
Leider ist das oft nicht erfolgreich. Tetanus endet in 50–70 %
aller Fälle mit dem Tod und bedeutet für jedes betroffene Tier qualvolle Schmerzen.
Das sollten sie tun:
Beim geringsten Verdacht den Tierarzt rufen! Bis dahin möglichst jede Hektik und Aufregung vermeiden und das Pferd möglichst in einen ruhigen, etwas abgedunkelten Stall bringen.
Auch wenn man als Besitzer im Notfall kaum etwas tun kann, um dem Pferd zur Besserung zu verhelfen, kann man Vorsorge betreiben.
Man sollte das Pferd unbedingt impfen lassen und damit vermeiden, dass es überhaupt zu einer Tetanus-Infektion kommt.
Impfschema für Tetanus: 2x im Abstand von vier bis sechs Wochen, dann nach einem Jahr eine Auffrischungsimpfung, danach alle zwei Jahre.
Die korrekte Impfung einer Mutterstute schützt auch das neugeborene Fohlen über die Antikörper in der Milch, bis es im Alter von ca. sechs Monaten selbst immunisiert werden kann. ACHTUNG: Das Fohlen sollte keinesfalls vor dem sechsten Monat geimpft werden, da man sonst die Gefahr einer lebenslang fehlenden Wirksamkeit des Impfstoffes provoziert.

 

Was die Notfallapotheke beinhalten sollte
Mit diesen Utensilien sind Sie für die Behandlung von Wunden und das Anbringen von Verbänden bestens gerüstet.

1. Verbandsmaterial
– sterile Wundauflagen, am besten in diversen Größen (für kleine, aber auch großflächige Verletzungen), zum Reinigen der Wunde sowie als erste Schicht im Verband
– Polsterungsmaterial, z. B. lose Mullwatte, Verbandswatte oder auch Zellstoff: am einfachsten im Drogeriehandel kaufen (immer die größte Packung nehmen!). Die richtige Polsterung ist das A und O eines guten Verbandes!
– Mullbinden bzw. selbsthaftende (kohäsive), elastische Fixierbinden, luftdurchlässig und hautfreundlich, nur über einer guten Polsterung zu verwenden! sehr einfache Verarbeitung, sehr benutzerfreundlich, leider relativ teuer
– weiche, elastische Binde zum Polstern von Verbänden, als Druckauflage und Salbenkompresse, luft- und sekretdurchlässig;
– Klebeband bzw. Klebepflaster, luftdurchlässig, reißfest und mit großer Klebekraft, dient dem Ankleben und Fixieren des Verbandes.

2. Desinfektionsmittel
– Jodlösung, nur in seltenen Fällen pur anwenden, sonst immer verdünnt (Betaisodona)
– Puderspray: jodhältiger Spray zur Desinfektion, hält gut
– jodhältige Creme bzw. Salbe

3. Medikamente
– milde Wundsalbe (z. B. Bepanthen)
– durchblutungsförderndes und abschwellendes Präparat (z. B.: Salbe Hirudoid oder Exhirud), Anwendung immer mit dem Tierarzt absprechen

4. Hilfsmittel
– Fieberthermometer
– Schere, Pinzette
– Einweghandschuhe
– sauberes Behältnis zum Anrühren einer Desinfektionslösung
– Taschenlampe, Zeckenzange


Allgemeine Tipps
…beim Zusammenstellen einer Notfallapotheke

Stellen Sie Ihre Notfallapotheke immer mit Ihrem Tierarzt zusammen – er kann auch Tipps zur richtigen Anwendung geben bzw. weiß dann Bescheid, was der Pferdebesitzer im Notfall bei der Hand hat und kann außerdem bezüglich einer möglichen Doping-Relevanz bestimmter Medikamente oder Wirkstoffe Auskunft geben.
– Auf Haltbarkeit achten: Die meisten Desinfektionsmittel, Salben oder sterilen Verbände sind zwar sehr lange haltbar, haben aber dennoch ein Ablaufdatum – das man im Auge behalten sollte: Abgelaufene Mittel immer zeitgerecht ersetzen – damit man im Notfall nicht mit leeren Händen dasteht!
– Auch wichtig: Die Stallapotheke sollte sich in einem sauberen, möglichst staub- und feuchtigkeitsdichtem Behältnis befinden, um Verbände und Medikamente optimal zu schützen.

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