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Magengeschwüre bei Pferden – Ursachen und Behandlungs-Strategien
08.09.2015 / Wissen

Vollblüter im Training sind von Magengeschwüren in besonders hohem Ausmaß betroffen – es könnte sogar eine erbliche Veranlagung für Magengeschwüre bestehen, so die Forscher.
Vollblüter im Training sind von Magengeschwüren in besonders hohem Ausmaß betroffen – es könnte sogar eine erbliche Veranlagung für Magengeschwüre bestehen, so die Forscher. / Foto: Martin Haller

Ein internationales Forscherteam hat den derzeitigen Wissensstand in Sachen Magengeschwüre bei Pferden in einer umfangreichen Meta-Studie untersucht und die wichtigsten Ergebnisse analysiert und bewertet.

 

Das häufige Auftreten von Magengeschwüren bei Pferden und ihre möglichen Ursachen wurden in einer gemeinsamen Arbeit des Europäischen Kolleggs für Interne Pferde-Medizin (European College of Equine Internal Medicine, ECEIM) analysiert. Auch sinnvolle Strategien, um die Risikofaktoren sowie die gesundheitlichen Folgen von Magengeschwüren zu reduzieren, wurden erörtert. Die Meta-Studie von insgesamt fünf beteiligten WissenschaftlerInnen berücksichtigte insgesamt 102 wissenschaftliche Artikel bzw. Studien zu diesem Thema und wurde nun in der Zeitschrift ,Journal of Veterinary Internal Medicine' veröffentlicht.

Das Forscherteam betont eingangs die Wichtigkeit, zwischen den zwei wesentlichen Formen von Magengeschwüren zu unterscheiden, nämlich solche, die im oberen, drüsenfreien Bereich der Magenschleimhaut (der weitgehend der Speiseröhre ähnelt) auftreten und die den größten Teil der bislang beobachteten Magengeschwüre bilden (ESGD = Equine Squamos Gastric Disease) sowie jene Geschwüre, die im unteren, drüsenreichen Teil der Magenschleimhaut auftreten (EGGD = Equine Glandular Gastric Disease). Eine Unterscheidung ist nicht nur wichtig, weil die jeweiligen Formen unterschiedliche anatomische Magenregionen betreffen, sondern auch, weil es bedeutende Unterschiede zwischen diesen beiden Formen gibt, sowohl hinsichtlich der Entstehung und Ursachen, als auch hinsichtlich Behandlung und Prävention. Der Begriff EGUS (= Equine Gastric Ulcer Snydrome) ist hingegen deutlich unspezifischer, er umfasst beide Erscheinungsformen und sollte daher lediglich als Überbegriff verwendet werden.

Wie die WissenschaftlerInnen herausfanden, sind die wesentlichen Faktoren, die das Auftreten von Magengeschwüren bei Pferden beeinflussen, die Rasse, die Verwendung der Pferde sowie das Niveau bzw. die Intensität des Trainings.

Verbreitung
Die größte Verbreitung von Magengeschwüren im oberen, drüsenfreien Magenbereich (ESGD) war bei Vollblut-Rennpferden anzutreffen – es waren 37 % der nicht im Training stehenden Pferde betroffen. Dieser Prozentsatz stieg auf 80 bis 100 % innerhalb der ersten zwei bis drei Monate Renntraining.

Bei Trabrennpferden verhält es sich ähnlich – hier zeigte sich bei untrainierten Pferden eine Verbreitung von 44 %, die während des Trainings auf bis zu 87 % anstieg. Bei Turnierpferden waren zwischen 17 und 58 % betroffen, bei Freizeitpferden zwischen 37 und 59 %.

Bei Distanzpferden beträgt die Verbreitung 48 % während der turnierfreien Zeit, während der Turniersaison ist ein Anstieg auf 66 bis 93 % zu beobachten, wobei die Spitzenpferde am stärksten betroffen sind.

Pferde, die kaum in Wettkämpfen eingesetzt werden und vor allem in ihrem heimatlichen Umfeld geritten werden, weisen die niedrigste Verbreitungsrate mit 11 % auf.

Risikofaktoren
Bei Magengeschwüren im unteren Bereich des Magens (EGGD) ist die Faktenlage weniger klar. Die Verbreitung liegt bei australischen Vollblut-Rennpferden zwischen 47 und 65 %. Bei Distanzpferden sind es außerhalb der Rennsaison 16 %, während der Rennsaison zwischen 27 und 33 %. Eine rückblickende Studie in Großbritannien hat gezeigt, daß EGGD in 54 % von 191 untersuchten Freizeitpferden und in 64 % von 493 Turnierpferden nachgewiesen werden konnte. Im Vergleich dazu wurde in zwei verschiedenen Studien die Verbreitung von EGGD bei Pferden, die für unterschiedliche Verwendungen herangezogen wurden, mit 57 % ermittelt.

Bei Obduktionen von insgesamt 3.715 Pferden über einen Zeitraum von 72 Jahren konnte ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Magengeschwüren und der Pferderasse (Vollblüter und Traber haben eine wesentlich höhere Wahrscheinlichkeit, von Magengeschwüren betroffen zu sein als Kaltlblutpferde) sowie dem Geschlecht (Hengste waren stärker betroffen als Stuten und Wallache) nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu konnte bei zwei großen Querschnitt-Untersuchungen bei Vollblut-Rennpferden kein signifikanter Einfluss von Alter oder Geschlecht auf die Wahrscheinlichkeit, an ESGD zu erkranken, entdeckt werden. Auch bei einer großen Studie über Traberpferde zeigte sich kein Zusammenhang zwischen ESGD und dem Alter – es gab aber sehr wohl einen Zusammenhang zwischen ansteigendem Alter und einer Verschlimmerung des Schweregrades der Magengeschwür-Erkrankung; das relativ höchste Risiko dafür zeigte sich bei Wallachen.

In einer anderen rückblickenden Untersuchung von 684 Sport- und Freizeitpferden in Großbritannien konnte ebenfalls keinerlei Einfluss von Alter oder Geschlecht auf die Ausbildung beider Magengeschwür-Formen nachgewiesen werden. Es zeigte sich jedoch ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Vollblut-Rasse und dem Auftreten von ESGD bei jeglicher Altersstufe. „Diese Ergebnisse zeigen, daß Faktoren wie die Intensität und die Dauer der jeweiligen Verwendung deutlich mehr Gewicht haben als andere mögliche Einfluss-Größen wie Alter oder Geschlecht; auch die Rasse könnte dabei von Bedeutung sein – wie es scheint könnte bei Vollblütern sogar eine erbliche Veranlagung für ESGD bestehen", so die Autoren.

Weitere mögliche Risikofaktoren für beide Formen von Magengeschwüren wurden bislang jedoch nur in sehr wenigen groß angelegten Studien untersucht. Bei denen, die dazu vorliegen, zeigen sich deutliche Zusammenhänge zwischen ESGD und den jeweils tätigen Trainern, dem Trainingsort (Pferde, die in urbanen Reitställen trainiert werden, erkranken 3,9 mal häufiger an Magengeschwüren), der Möglichkeit von direkten Sozialkontakten zu anderen Pferden, feste bzw. durchgehende Barrieren statt Balken (ohne Möglichkeit, mit Artgenossen in Berührungskontakt zu kommen) oder ständige Radiomusik in den Stallungen (ein möglicher Stressfaktor für die Pferde).

Fütterung
Die Fütterung von Stroh und eine unzureichende Wasserversorgung auf der Weide wurden in mehreren Untersuchungen mit einem allgemein höheren Risiko, an Magengeschwüren zu erkranken, in Verbindung gebracht. Dennoch bedarf es, so die WissenschaftlerInnen, noch weiterer groß angelegter Untersuchungen, um die Einflussfaktoren bei der Entstehung von Magengeschwüren – insbesondere in der unteren Magenregion (EGGD) – besser zu verstehen.

Bei den Risikofaktoren bezüglich der Fütterung herrscht bei vielen Studienautoren die Annahme vor, daß Weidegang das Risiko von Magengeschwüren reduziert – aber die Beweise dafür sind nicht eindeutig: „Pferde mit fallweisem Weidegang haben eine geringere Warscheinlichkeit, an ESGD zu erkranken – und dieses Risiko war bei einer Studie mit Vollblut-Rennpferden im Training sogar noch geringer, wenn sie mit anderen Pferden auf der Koppel waren. Umgekehrt zeigten sich in einer anderen Studie bei Vollblut-Rennpferden keine Auswirkungen hinsichtlich der Weidequalität bzw. der Dauer des Weidegangs auf die Entwicklung von ESGD."

Die ForscherInnen weiter: „Der freie Zugang zu einer faserreichen Ernährung oder regelmäßige Grünfutter-Gabe werden allgemein als Faktoren betrachtet, die das Risiko der Entwicklung von Magengeschwüren reduzieren können, obwohl es auch dafür nur wenig überzeugende Beweise gibt. Die Fütterung von Luzerneheu und Getreide führt zu einem höheren Magen-pH-Wert und zu weniger Verletzungen im Bereich der oberen Magenschleimhaut als die Fütterung von Trespen oder Hundszahngras (Bermudagras) ohne Getreide. Weiters war in einer Studie, die den Einfluss einer ballaststoffreichen Ernährung im Vergleich zu einer iso-energetisch ballaststoffarmen Ernährung untersucht hat, sowohl die Anzahl als auch der Schweregrad der Magengeschwüre (ESGD) in der Gruppe der ballaststoffreichen Ernährung höher. Aus alldem kann man schließen, daß der Einfluss von Grünfutter – bei gleichzeitiger Abwesenheit anderer Risikofaktoren – bei der Entstehung von Magengeschwüren nicht so groß ist wie bislang angenommen."

Einen deutlichen Einfluss hat hingegen die Anzahl der Fütterungen bzw. das Zeitintervall zwischen den gegebenen Futterrationen: Eine größere Zeitspanne zwischen zwei Grünfutter-Gaben (mehr als sechs Stunden) führt – im Vergleich zu häufigeren Grünfutter-Gaben – zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, an ESGD zu erkranken.

Ein ähnlicher Effekt wurde auch bei der erhöhten Aufnahme von stärkereichen Nahrungsmitteln (Getreide) beobachtet, so die ForscherInnen: „Diese erhöhte Aufnahme ging bei Pferden, die auf unterschiedlichem Niveau und mit unterschiedlicher Intensität trainiert wurden, in mehreren Studien mit einem höheren ESGD-Risiko einher. Es gab sogar eine deutliche Zunahme von Magengeschwüren bei Pferden, die nicht im Training standen und Getreiderationen (1 % ihres Körpergewichts) eine Stunde vor der Heufütterung verabreicht bekamen." Auch wenn die Stärke-Aufnahme 2 Gramm pro kg Körpergewicht und pro Tag überstieg, verdoppelte sich das Risiko einer ernsthaften ESGD-Erkrankung. „ESGD entwickelte sich bei allen Pferden innerhalb von 14 Tagen, nachdem sie von der Weide geholt und eingestallt (mit 6 kg Kraftfutter pro Tag) wurden und sie mit dem Training begonnen hatten", so die Autoren. Auch die lückenhafte Versorgung mit Wasser erhöhte das Risiko von Magengeschwüren. Auch längere Futterpausen wurden als Risikofaktoren beschrieben.

Symptome
Die Wissenschaftler hielten fest, daß Magengeschwüre mit einer Vielzahl klinischer Symptome bei erwachsenen Pferden in Verbindung gebracht werden – so etwa mit Appetitlosigkeit, wählerischer Futterauswahl, geschwächtem Körperzustand, Gewichtsverlust, chronischem Durchfall, schlechtem Fell, Zähneknirschen, Verhaltensänderungen (mit aggressiver und nervöser Neigung), akuten oder wiederkehrenden Koliken und Leistungsabfall.

Es gibt Hinweise dafür, daß Magengeschwüre tatsächlich mit einem erhöhten Kolik-Risiko und ganz besonders auch mit wiederkehrenden Magenbeschwerden nach einer Mahlzeit einhergehen. In einer Studie wurden Magengeschwüre bei 83 % jener Pferde nachgewiesen, die an wiederkehrenden Koliken litten – 28 % davon waren unmittelbar auf die Magengeschwüre zurückzuführen.

Es war auch allgemein anerkannt, daß Pferde mit Verhaltensstörungen oder geändertem Verhalten zu einem höheren Prozentsatz von Magengeschwüren betroffen sind. Die beschriebenen Verhaltensänderungen inkludierten Nervosität, Aggressivität und sogar Selbstverletzungen.

Auch wenn eine große Zahl möglicher klinischer Symptome beschrieben wurde, so sind diese doch meist ,unspezifisch' und weisen keinen verläßlichen Zusammenhang mit dem Krankheitsbild auf. Deshalb sollten Tierärzte diese Symptome auch nicht für eine Diagnose von Magengeschwüren heranziehen – empfehlenswert ist ausschließlich eine Gastroskopie (Magenspiegelung). Dies ist die einzig zuverlässige Methode, um Magengeschwüre zweifelsfrei beim lebenden Pferd nachzuweisen. Nach wie vor gibt es auch keinen verlässlichen Nachweis mittels Bluttest oder durch biomechanische Marker, die bei der Diagnose helfen würden.

Behandlung
Es gibt eine Fülle von Haltungs-Faktoren, welche die Entstehung von Geschwüren im oberen Magenbereich (ESGD) begünstigen. Sie haben alle gemeinsam, daß sie entstehen, weil die Magenschleimhaut zuviel Säure ausgesetzt ist und dadurch verletzt wird.
Im Gegensatz dazu sind die physiologischen Vorgänge, die zu einer vermehrten Geschwür-Bildung im unteren Magenbereich (EGGD) führen, noch wenig untersucht und kaum verstanden.

Generell teilen die Studien-Autoren die Meinung, daß eine angemessene Behandlung mit Medikamenten, welche die Säurebildung unterdrücken, für die Behandlung von Magengeschwüren empfehlenswert sind, wobei Omeprazol der am besten untersuchte Wirkstoff für diesen Zweck bei Pferden ist. Omeprazol ist nach wie vor das Mittel der Wahl in der Behandlung von Magengeschwüren.

Vorbeugung & Empfehlungen
Spezielle Richtlinien, um der Entstehung von EGGD vorzubeugen, wurden bislang noch nicht entwickelt, obwohl die Wirksamkeit von Omeprazol in der Vorbeugung noch immer nicht ganz geklärt ist. So hat sich bei einer Reihe von Studien zuletzt herausgestellt, daß bei 23 % aller Pferde eine Verschlimmerung ihrer Magengeschwüre (EGGD) eingetreten ist, obwohl sie mit Omeprazol behandelt wurden.

Auch hinsichtlich von Fütterungs-Empfehlungen ist die Situation unbefriedigend, da es kaum verlässliche empirische Grundlagen dafür gibt. „Bislang gibt es kaum Beweise für die Rolle der Ernährung bei der Entstehung von EGGD – unsere Empfehlungen basieren daher vor allem auf den Risikofaktoren, die man für ESGD herausgefunden hat", so die Forscher. Hier die Empfehlungen im Einzelnen:

– Als beste Maßnahme betrachten die Wissenschaftler nach wie vor den ständigen Zugang zu einer hochwertigen, guten Weide, obwohl die wissenschaftliche Beweislage dafür nicht eindeutig ist.

– Wem dies nicht möglich ist, der sollte seinen Pferden entweder freien Zugang zu Heu oder zumindest vier bis sechs Heu-Gaben pro Tag einräumen.

– Die Pferde sollten mindestens 1,5 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht pro Tag bekommen.

– Übergewichtige Pferde und Ponys mit einem Risiko für Magengeschwüre sollten ebenfalls diese Mindestmenge (1,5 kg pro 100 kg Körpergewicht und Tag) an hochwertigem Grünfutter bekommen, wobei dieses jedoch einen niedrigen Energiegehalt haben sollte. Falls kein energiearmes Grünfutter verfügbar ist, kann auch hochwertiges Heu mit Stroh gemischt werden, aufgeteilt auf mindestens vier Mahlzeiten pro Tag. Stroh sollte nicht das einzige Rauhfutter sein, das Pferde bekommen – aber es kann in die Ration integriert werden (mit höchstens 0,25 kg pro 100 kg Körpergewicht)

– Pferde sollten Getreide und Kraftfutter so sparsam wie möglich bekommen.

– Die Gabe von süßer, zuckerreicher Nahrung sollte vermieden werden, da eine große Menge von flüchtigen Fettsäuren gebildet werden könnte, wenn mehr als 1 bis 2 kg zuckerreichen Futters pro Mahlzeit verabreicht wird.

– Getreide wie Gerste und Hafer können ersetzt werden, um die Vergärung zu flüchtigen Fettsäuren zu verringern. Es empfiehlt sich, nicht mehr als 2 Gramm Stärke pro kg Körpergewicht pro Tag aufzunehmen oder maximal 1 Gramm Stärke pro kg Körpergewicht pro Mahlzeit.

– Kraftfutter-Gaben sollten im Abstand von zumindest 6 Stunden erfolgen.

– Pflanzliche Öle wie Maisöl können helfen, das Risiko von EGGD zu reduzieren.

– Pferde sollten ständig Zugang zu Wasser haben.

– Ein größeres Risiko, an Geschwüren im oberen Magenbereich zu erkranken, wurde festgestellt, wenn Elektrolyt-Pasten oder hypertonische Lösungen oral verabreicht werden – aber nicht, wenn die Elektrolyte ins Futter gemischt oder in kleinen Dosen mit dem Wasser gegeben wurden. „Wir betrachten die Verabreichung von Elektrolyten mit dem Futter als sicher", so die Wissenschaftler.

Die Untersuchung „European College of Equine Internal Medicine Consensus Statement — Equine Gastric Ulcer Syndrome in Adult Horses'"von Sykes, B.W., Hewetson, M., Hepburn, R.J., Luthersson, N. and Tamzali, Y. wurde im ,Journal of Veterinary Internal Medicine' am 4. September 2015 veröffentlicht und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

 

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