Auch unsere Hauspferde haben sich eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit an winterliche Bedingungen erhalten und können bei kalten Temperaturen und Futtermangel ihre Stoffwechselaktivität und damit ihren Energiebedarf reduzieren – ähnlich einem Winterschlaf.
Wenn im Winter niedrige Temperaturen vorherrschen, steigt der Energiebedarf vieler Tieren an, um die Körpertemperatur aufrechterhalten zu können. Für wildlebende Pflanzenfresser ist allerdings gleichzeitig die Qualität und Quantität des zur Verfügung stehenden Futters reduziert. Manche Säugetiere – etwa Hamster, Murmeltiere, Eichhörnchen und auch etliche Bärenarten – entgehen diesem Problem, indem sie Winterschlaf halten. Doch wie löst das Pferd das Energieproblem im Winter? Vermehrte Körperisolierung, Mobilisation von Fettdepots sowie reduzierte Bewegungsaktivität reichen nicht immer aus, um das Energiedefizit auszugleichen.
Bei wildlebenden Przewalski-Pferden wurden ebenfalls Mechanismen zur Reduktion des Stoffwechsels – ein sogenannter Hypometabolismus – beobachtet. Da Pferde aber seit langem auf hohe Leistungen unter konstanter Nährstoffversorgung selektiert wurden, ist es durchaus fraglich, ob auch domestizierte Pferde noch immer fähig sind, unter extensiven Bedingungen ihre Stoffwechselaktivität und damit den Energiebedarf zu reduzieren.
Dieser spannenden Frage haben sich deutsche und britische Wissenschaftler bereits vor einigen Jahren angenommen. In einer Studie aus dem Jahr 2014 untersuchten Forscher der Universität Göttingen sowie der Universität von Aberdeen, ob niedrige Umgebungstemperaturen und reduzierte Futterverfügbarkeit messbare Auswirkungen auf Stoffwechselaktivität und physiologische Parameter extensiv gehaltener Pferde haben – mit anderen Worten: Ob auch domestizierte Pferde einen Hypometabolismus als Überwinterungsstrategie zeigen, also zu einer Art ,Winterschlaf' fähig sind.
Zehn Shetlandponys wurden im Rahmen der Untersuchung ein Jahr lang unter extensiven Bedingungen gehalten. Im Winter wurden die Ponys in zwei Gruppen zu je fünf Tieren aufgeteilt, von denen eine Gruppe (= Testgruppe) ein reduziertes Futterangebot erhielt, das nur noch 60 % ihres Erhaltungsbedarfs abdeckte, während die zweite Gruppe (= Kontrollgruppe) bei 100 % blieb. Die Stoffwechselrate wurde im Sommer sowie im Winter mittels der ,Doppelten Isotopen Methode' ermittelt. Als weitere Parameter wurden u. a. die Herzschlagrate, die Körpertemperatur sowie die Bewegungsintensität erfasst.
Das bemerkenswerte Ergebnis: Die Stoffwechselrate der Testgruppe war im Winter deutlich geringer als im Sommer – nämlich um erstaunliche 26 % im Vergleich zur Kontrollgruppe. Gleichzeitig bewegten sich die Tiere weniger und hatten einen niedrigeren Ruhepuls als im Sommer. Die restriktive Fütterung im Winter führte zu einer zusätzlichen Reduktion des Energieumsatzes und des Ruhepulses. Im Vergleich zur Kontrollgruppe ließen die restriktiv gefütterten Tiere ihre Körpertemperatur weiter absinken und zeigten eine Art von nächtlichem Hypometabolismus, um weitere Energie einsparen zu können.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Energieumsatz von robusten domestizierten Pferden unter extensiver Haltung im Winter deutlich absinkt. Zusätzlich nutzen Shetlandponys eine nächtliche Reduktion der Körpertemperatur und Hypometabolismus als Mechanismen, um die zweifache Belastung von niedrigen Umgebungstemperaturen und reduzierter Futterverfügbarkeit zu meistern. Trotz ihrer Anpassungsfähigkeit an den winterlichen Futtermangel zeigten die Tiere erste Anzeichen von gesundheitlichen Auswirkungen, die eine Zufütterung ganzjährig extensiv gehaltener Pferde, z. B. in der Landschaftspflege, zwingend notwendig macht.
Die Wissenschaftler wörtlich: „Wir schließen daraus, dass das Shetlandpony – eine extensiv gehaltene, domestizierte Pferderasse – im Vergleich zu seinen wilden Vorfahren nicht die Fähigkeit verloren hat, den Energieverbrauch im Winter zu senken. Die Verringerung des Stoffwechsels in Kombination mit einer Herunterregulierung der Körpertemperatur und äußerer Abkühlung ermöglichte es den Tieren, den Abbau der Körperenergiespeicher zu minimieren, ihre Reaktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten und so ihre Überlebenschancen zu verbessern."
Die Studie „Saving energy during hard times: energetic adaptations of Shetland pony mares" von Lea Brinkmann, Martina Gerken, Catherine Hambly, John R. Speakman und Alexander Riek ist 2014 im ,Journal of Experimental Biology' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.