Die meisten Fohlen kommen im April zur Welt – die wohl spannendste und ereignisreichste Zeit in jedem Zuchtbetrieb, sei er groß oder klein. Züchter und Autor Martin Haller hat Wichtiges und Wissenswertes rund um die Fohlengeburt und die optimale Vorbereitung darauf zusammengetragen.
Ein gesundes Fohlen ist der ganze Stolz des Züchters – doch damit eine Fohlengeburt problemlos abläuft, sollte man sich gut darauf vorbereiten. Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Wenn Mutter Natur ein Pferdebaby „liefert“, dann fehlt leider stets die Gebrauchsanleitung; jedes Tier ist ein neues, spannendes Individuum mit einem eigenen Charakter – und damit auch ganz eigenen Problemen und Anforderungen. Allen ist jedoch eins gemeinsam: Sie sind grenzenlos neugierig! Aufgrund dieser angeborenen Neugier (und einiger anderer typischer Eigenschaften) ist es wichtig, die Umwelt von Mutter und Kind so sicher wie möglich zu gestalten, denn ein Unfall ist schnell passiert. Vorbeugen ist also immer besser als das Nachsehen – und damit die Probleme – zu haben … und Vorbeuge beginnt schon lange vor der Geburt! Wir geben hier einige Tipps, die dazu beitragen, dass man ruhige Nächte und wunderschöne Stunden mit der jungen Pferdefamilie verbringen kann.
Ausgehend von der Lehrbuch-Auskunft einer 345-tägigen Trächtigkeit (plus/minus ca. 14 Tage) kann in der Regel errechnet werden, wann ungefähr das Fohlen erwartet werden kann. Ausnahmen bilden Herdenbedeckungen, wo der Hengst mit Stute(n) frei läuft und sich den optimalen Zeitpunkt für den Deckakt selbst suchen kann. Dann ist genaues Beobachten angesagt! Die Erfahrung zeigt, dass in warmen Regionen und bei heißem Wetter viele Stuten eher früh gebären; umgekehrt scheinen sie bei Kälte und in kalten Ländern eher länger zu tragen. Sehr junge oder erstgebärende Stuten tendieren ebenfalls zu kürzeren Tragezeiten als reife Matronen; man sagt auch, dass Hengstfohlen gerne länger „drin bleiben“ als Stutfohlen. Diese recht variablen Wartezeiten auf den großen Tag (es wird viel eher eine große Nacht werden) geben dem Züchter genug Zeit, sich um die vielen Kleinigkeiten zu kümmern, die zu bedenken sind …
Vorsicht vor Schwingel-Gräsern
Tragende Stuten sollten ab dem etwa dritten Trächtigkeitsmonat nicht mehr auf Weiden stehen, die mit Grassorten der Schwingel-Gruppe (Festuca-Sorten, Engl. fescues) bestanden sind. Die züchterische Erfahrung zeigt, dass diese Gräser bei Mutterstuten eine ganze Reihe von Problemen auslösen können. Dazu gehören vor allem solche, die mit unklaren Symptomen einhergehen und daher notorisch schwer diagnostizierbar – und damit schwer zu behandeln – sind. Die arttypische Toxizität der Schwingel-Gräser kann z.B. zu überlanger Tragedauer, Nachgeburtsverhalten, fehlender oder zu wenig Milch, schwachen oder lebensunfähigen Fohlen und ähnlichen führen.
Das Impf- und Entwurmungsprogramm der werdenden Mutti sollte in Absprache mit dem Tierarzt ordnungsgemäß weitergeführt werden; etwa sechs Wochen vor der errechneten Geburt sollte mit einem hochwertigen Mittel (z.B. aus der Ivermectin-Gruppe) entwurmt werden, damit auch die Milch möglichst wenig Infektionsdruck verursacht. Für die gewissenhafte Entwurmung NACH der Geburt berät man sich am besten mit dem Tierarzt; je nach Status der Herde, nach Haltungsform und Jahreszeit wird er den optimalen Vorgang empfehlen. Nicht vergessen: eine gute Entwurmung gibt dem Fohlen einen guten Start. Auch das Impfprogramm sollte schon im Voraus besprochen werden, da auch Veterinäre auf Urlaub gehen, just wenn kleine Fohlen die ersten Spritzen erhalten sollten … banal, aber gelebter Alltag.
Die Wahl des Wochenbetts ist ebenfalls wichtig, denn Pferde sind wahre Gewohnheitstiere. Hochtragende Stuten sollen einerseits keine pränatalen Überraschungen erleben müssen, andererseits genießen sie in der Regel einen ruhigen, abgeschiedenen Ort für die Geburt. Etwa vier Wochen vor Termin kann man die Wöchnerin an ihre Gebärstation gewöhnen und eventuell nachts von ihrer Gruppe separieren, falls das nicht ohnehin geschieht. Je nach Ort und Wetter (Lage und Klima), Typ der Stute, Herdenverhalten und Jahreszeit kann die Geburt unter guten Bedingungen im Freien erfolgen, eventuell sogar in der Herde. Es gilt jedoch abzuwägen, ob die Hygiene ausreichend gegeben ist, die Temperaturen für das Fohlen zuträglich sind und die Sicherheit von Stute und Fohlen gewährleistet ist. Diese drei Bedingungen sind es, die eine hoffentlich problemlose Geburts- und Aufzuchtphase gewährleisten können, ganz abgesehen von den unvermeidlichen Katastrophen, die selbst dem gewissenhaften Züchter nicht erspart bleiben.
Wie eine Fohlengeburt abläuft
Wer wenig Erfahrung in züchterischen Belangen hat, sollte sich unbedingt zumindest theoretisch mit einem normalen Geburtsablauf vertraut machen und alle gefährlichen Anomalien soweit im Kopf haben, dass man notfalls sofort Hilfe anfordern kann. Wenn man z. B. nicht weiß, dass zuerst zwei Hüfchen und knapp dahinter ein Schnäuzchen erscheinen MÜSSEN, schräg nebeneinander, und nicht nur eines oder gar nur ein Schnäuzchen, braucht man dringend Nachhilfe! Oder wer sich in der Hitze des Gefechts nicht gaaanz sicher ist, ob die Sprunggelenke vorne oder hinten sitzen, ob eine Eihülle platzen soll oder nicht oder ob eine Nachgeburt vollständig ist oder nicht … besser einmal zu oft erkundigt als zu selten. Normale Geburten sind etwas Wunderschönes, und wenn man das Glück hat, eine zu erleben, wird man sich mit Freude daran erinnern; Problemgeburten sind ein frustrierender Kampf um ein wertvolles Leben – man muss nur den Unterschied erkennen!
Soll in der Box abgefohlt werden, so muss die groß genug sein, mindestens dreimal das Stockmaß der Mutter im Quadrat – mehr ist hier aber besser. Die Streu muss vor allem entlang der Wände dick und hoch sein, quasi einen festen, schrägen Wall bilden, damit sich die Tiere nicht festlegen können. Stroh ist noch immer das beste Material, denn seine Halme dringen kaum in die Körperöffnungen (Augen, Nase, Nabel …) des Fohlens ein. Noch besser ist eine kompakte Schicht staubfreier Späne und darauf dann ein dickes Strohbett – so wäre es ideal. Auch der Türspalt sollte innen dick gepolstert werden, denn Zugluft ist Gift für Pferdebabys. Sie können einige Wochen hindurch ihre Körpertemperatur schlecht regeln und frieren leicht, was bei ausgesprochenen Robustrassen weniger ins Gewicht fällt als bei hochgezüchteten Pferden. Eine Decke passender Größe ist da eventuell kein Nachteil, vor allem bei frühen Geburtszeitpunkten. Vollblüter kommen oft schon im Jänner zur Welt, da kann es in kalten Regionen weit unter Null haben, was den Einstieg in die neue Welt sehr ungemütlich macht; alle Ställe sollten nämlich eher kühl sein und über endlos frische Luft verfügen. Eine elastische „Lippe“ aus einem Plastikstreifen, unten an der Türe angebracht, kann Zugluft verhindern.
Aufgrund des hohen Infektionsrisikos mit Tetanus ist penible Sauberkeit einzuhalten – vor allem nach der Geburt sollte kontrolliert werden, ob die ganze Nachgeburt abgegangen ist; es ist ratsam, alle Stellen der Streu, die mit der Nachgeburt in Kontakt gekommen sind, zusammen mit dieser zu entfernen und zu ersetzen. In diesem Zusammenhang ist auch wichtig, die Aufnahme der Biestmilch unbedingt zu kontrollieren, die innerhalb von ca. drei Stunden erfolgen MUSS, damit das Neugeborene die darin enthaltenen, lebenswichtigen Abwehrstoffe aufnimmt. Man erkennt übrigens ob ein Fohlen auch wirklich trinkt (abschluckt) ganz gut daran, dass sein Schweifchen rhythmisch zuckt. Ein tiefgekühlter Vorrat an Biestmilch gibt jedenfalls große Sicherheit, ist hoffentlich überflüssig, aber kann durchaus lebensrettend sein – und erspart im zum Glück seltenen Ernstfall die panische und mühsame Suche nach Ersatz. Selbst erlebt – brauchst nicht wirklich. Auch Milchersatz ist eine praktische Sache, man weiß ja nie… vor allem bei erstgebärenden Stuten.
Auf Probleme vorbereitet sein
Zum Glück sind echte Problemgeburten bei Pferden relativ selten; mit nur rund 4 bis 6% aller Geburten ist die Chance auf einen normalen Verlauf sehr hoch. In aller Regel sind Steißlagen, Nachgeburtsverhalten, lebensuntüchtige Fohlen und Verweigerung der Milchabgabe bzw. Aufnahme die Ausnahmen – aber sie kommen vor! Die besten Vorsichtsmaßnahmen sind die Vorwarnung des/der Tierarztes/ärztin und die aktuelle Liste der Bereitschaftsdienste; eine Überwachung der Abfohlställe mit Kameras oder zumindest akustischen Meldesystemen (Baby-Phon); Bereitstellung von konservierter Kolostralmilch und eine Lifeline zu Stationen mit Ammenstuten. Solche Kontakte und ein „kurzer Draht“ zu allen „Katastrophenhelfern“ sind im Notfall Goldes wert und können Leben retten – alles selbst schon erlebt. Man glaubt nicht, diese Vorsichtsmaßnahmen zu brauchen, bis man in exakt der Situation steht und händeringend nach Hilfe sucht. Stall-Überwachungskameras und Geburtsmeldesysteme für Pferde sind (z. B. am Internet und auf Fachmessen) reichlich vertreten und in vielen Konfigurationen erhältlich, wobei Kameras preislich bei rund 100 € und Geburtsmelder bei rund 500 € starten. Da rund 90 % aller Stuten zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr Früh gebären, ist ein Frühwarnsystem recht praktisch, vor allem bei größeren Zuchtbetrieben, sonst wird der Frühling eine „müde“ Zeit.
Die beste Abfohlbox ist tatsächlich fast LEER, bis auf einen stabilen und richtig montierten Tränker. Die oben erwähnte Neugier eines Fohlens macht offene Wasserbehälter, Tröge und Lecksteine zu Gefahrenquellen. Heunetze sind Todesfallen – das weiß ich schmerzvoll, seit ich ein wunderschönes Stutfohlen wegen Schulterbruchs in einem zu tief hängenden Heunetz verlor. Das leidige Thema der Heuraufen sei hier kategorisch und knapp abgehandelt: NEIN, auch unnötig; gutes Heu, lose am Boden serviert, ist optimal. Spalten unter der Türe oder Trennwänden sind auch für erwachsene Pferde Todesfallen, aber die kleinen Fohlenbeine können in wesentlich schmalere Ritzen gelangen und sich dort festhängen. Also unbedingt alle Ställe, Pflegebereiche und Koppeln oder Weiden dahingehend untersuchen und alle Spalten, Ritzen und Löcher gewissenhaft mit stabilen Materialien (Hölzern, Kunststoffen, Blechen u. ä.) verschließen.
Die Tage nach der Geburt
In den ersten Tagen – man spricht von etwa drei – bildet sich die starke Mutter-Kind-Bindung, die es den beiden Tieren ermöglicht, einander am individuellen Geruch, an der Stimme und an körperlichen Merkmalen jederzeit zu erkennen. Daher ist ein Eingliedern in eine Herde nach etwa diesem Zeitraum weniger riskant als unmittelbar nach der Geburt. In manchen Gestüten wird bis zu zehn Tage damit gewartet, was aber bewegungstechnische Alternativen verlangt, denn laufen lernen muss der kleine Neuankömmling ja ab dem ersten Aufstehen. Eine tägliche, ausgiebige Turnstunde in sicherer Umgebung muss also sein; bei Schlechtwetter auch in einer Halle oder eben mit „Regenmantel“. Ganz wichtig hierbei ist es, alle Gefahrenquellen und Verletzungsmöglichkeiten ZUVOR auszuschließen. Also her mit Hammer und Zange und alle rostigen Nägel entfernen; alle Löcher, Spalten und scharfen Kanten entschärft; alle losen Kabel, Schnüre und sonstigen Fallen wegmachen; genug Licht in allen Bewegungsbereichen, immer ein erfahrener Helfer zur Hand und stets VORHER gut überlegen, was man eigentlich tun möchte. Der nebulose Gedanke „Heut lassen wir mal die Fohlen raus“ ist als Planung und Vorbereitung deutlich zu dürftig, wenn nicht der gesamte Betrieb ständig tiptop ist und solche Vorgänge alltägliche Routine sind. Übrigens lassen sich neugeborene Fohlen noch sehr leicht an das Halfter und Berührungen – auch an den Beinen und Hufen – gewöhnen, was man sich unbedingt zunutze machen sollte. Einfaches Handling reduziert das Gefahrenpotential späterhin und macht das Zusammenleben viel entspannter. Dazu unbedingt passende Fohlenhalfter verwenden, die man nur am Pferd belässt, wenn man dabei ist. Nie auf der Weide oder in der Box aufgehalftert alleine lassen!
Üblicherweise können Stuten und Fohlen schon nach wenigen Tagen wieder in den normalen Alltag intregriert werden. Symbolfoto: Archiv Martin Haller
Hat alles prima geklappt und man erfreut sich an den ersten Luftsprüngen eines gelungenen Zuchtprodukts, ist es höchste Zeit, den zuständigen Zuchtverband zu kontaktieren und den unvermeidlichen Papierkrieg zu beginnen, der von nun an das ganze, hoffentlich lange Pferdeleben nicht mehr enden wird. Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare … denn wir leben in einer Zeit der Hyperadministration. Abfohlmeldung, Chip und Lebensnummer, Pferdepass und Tierhalterkartei und vieles mehr gehören zum Züchterleben, sind mitunter etwas mühsam und zeitaufwendig, schützen aber auch die Existenz unserer Zuchtprodukte. In diesem Sinne wünsche ich allen Pferdebabys der Saison 2024 einen super Start ins neue Leben – und allen Züchtern die BESTEN Fohlen der Welt!
Martin Haller
Die idealen Geburtsstadien
ca. 1 bis 2 Stunden nach erster Wehe platzt die Fruchtblase
Austreibungsstadium (eigentliche Geburt) – ca. 10 bis 30 Minuten
Das Fohlen steht innerhalb längstens 1-2 Stunden
Das Fohlen trinkt innerhalb längstens 2-3 Stunden
Die Nachgeburt geht vollständig ab innerhalb 3-4 Stunden
Die Stute verhält sich wieder normal innerhalb 5-6 Stunden
Tierarzt kontrolliert die Pferde innerhalb eines Tages
Stute und Fohlen können nach 3-5 Tagen wieder in den normalen Ablauf integriert werden
(Ungefähre Erfahrungswerte, die in Fachliteratur so angegeben sind.)