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Neue Disziplinen im Westernreiten
29.06.2015 / Wissen

Dies ist eine Kollage, welche die absurde Situation verdeutlicht, die bezüglich der Gangarten bzw. der Vorstellung der Pferde zu beklagen ist: links der Jog in der Western Pleasure, der gewöhnlich auch kaum anders aussieht, wenn "extended trot" gefragt wird, rechts in der Ranch Horse Pleasure bzw. Ranch Riding. - Das Regelbuch beschreibt beides gleich: raumgreifender Gang, Kopf des Pferdes mindestens auf Höhe des Widerrists, leichter Zügelkontakt! Im ersteren Fall sind die Richter gewohnt, dass die Regeln ignoriert werden, im letzteren scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis dies da auch der Fall sein wird.
Dies ist eine Kollage, welche die absurde Situation verdeutlicht, die bezüglich der Gangarten bzw. der Vorstellung der Pferde zu beklagen ist: links der Jog in der Western Pleasure, der gewöhnlich auch kaum anders aussieht, wenn "extended trot" gefragt wird, rechts in der Ranch Horse Pleasure bzw. Ranch Riding. - Das Regelbuch beschreibt beides gleich: raumgreifender Gang, Kopf des Pferdes mindestens auf Höhe des Widerrists, leichter Zügelkontakt! Im ersteren Fall sind die Richter gewohnt, dass die Regeln ignoriert werden, im letzteren scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis dies da auch der Fall sein wird. / Foto: Hardy Oelke
Der „Lope" in der Western Pleasure ist vielfach ein armseliges Gehoppel und sieht aus, als ob das Pferd lahm sei. Von "leichtem Zügelkontakt" kann auch hier keine Rede sein.
Der „Lope" in der Western Pleasure ist vielfach ein armseliges Gehoppel und sieht aus, als ob das Pferd lahm sei. Von "leichtem Zügelkontakt" kann auch hier keine Rede sein. / Foto: Hardy Oelke
Leichter Kontakt in einer Western Pleasure – die meisten glauben, dass sie damit nicht gewinnen können, obwohl das Regelbuch es so verlangt. Dieses Pferd geht balanciert und an den Hilfen.
Leichter Kontakt in einer Western Pleasure – die meisten glauben, dass sie damit nicht gewinnen können, obwohl das Regelbuch es so verlangt. Dieses Pferd geht balanciert und an den Hilfen. / Foto: Hardy Oelke
Bei Contests wie ,Germany
Bei Contests wie ,Germany's Finest Rider' und Western Horse Dressage dürfen die Pferde nicht nur in korrekter Balance mit leichtem Zügelkontakt laufen, sondern sie sollen es, d. h. sie werden schlechter bewertet, wenn sie es nicht tun. / Foto: Hardy Oelke

Westernturniere bestehen aus einer erheblichen Vielfalt unterschiedlicher Klassen, dennoch sind in den letzten Jahren weitere neue Disziplinen entstanden. Die meisten wären überflüssig, wenn Fehlentwicklungen im Westernreitsport rechtzeitig erkannt und abgestellt worden wären. Eine Analyse von Hardy Oelke.

 

Es hat schon immer die Nicht-Turnierreiter unter den Westernreitern gegeben, und die tangiert das alles nicht. Aber auch die Western-Turnierreiter haben sich in den letzten Jahren vermehrt vom Westernturniersport abgewandt. Es ist offensichtlich, dass viele nach Alternativen suchen. Sie können sich nicht mehr mit dem identifizieren, was auf Westernturnieren vielfach gang und gäbe ist.

Was stört sie?

Da gibt es Idealisten, die im Quarter Horse nach wie vor das vielseitigste Pferd der Welt sehen wollen, nicht einen Markennamen, der einem Zusammenschluss von Spezialzuchten übergestülpt ist, die sich z. T. viel mehr voneinander unterscheiden als viele andere Rassen. Aber die meisten haben weniger ein Problem mit den Spezialisten, sondern wären gern bereit, die speziellen Leistungen in Reining, Cutting, Pleasure oder Trail anzuerkennen oder selbst danach zu streben – was sie stört, sind die Auswüchse, die sich mit dem Spezialistentum etabliert haben.

Wenn die von der American Quarter Horse Association (AQHA) eingeführte "Ranch Versatility" so großen Zuspruch gefunden hat, dann kommt das nicht von ungefähr (der Ursprung dieser Klasse(n) war die National Foundation Quarter Horse Association mit ihren Klassen und Regeln). Es ist ein "Back to the Roots"-Gedanke, der dahinter steckt. Man will Pferde showen, die sich ungestraft normal bewegen dürfen, man will Dinge mit dem Pferd tun, die sich noch stärker an den ursprünglichen Aufgaben eines Ranchpferdes orientieren. Und man will Vielseitigkeit demonstrieren, will Allround-Fähigkeiten belohnt sehen.

Wie lange mag das gut gehen, bis der Amerikaner auch damit das macht, was er mit allem macht: es so auf die Spitze zu treiben, dass es zur Farce wird. Kaum hat sich die Ranch Versatility als Vielseitigkeits-Contest etabliert, haben die AQHA-Verantwortlichen schon das getan, was alles wieder zu ruinieren imstande ist: Die neueste Regeländerung besagt, dass man nicht mehr alles starten muss, um für den Allround-Sieg zu kämpfen, sondern man kann jetzt auch in einzelnen Teildisziplinen starten. Der Grund: So kann man noch wieder in einer weiteren Klasse Titel abräumen, egal ob World Champion oder anderweitig. Die ewigen "Titel-um-jeden-Preis-Reiter", die auch für die Inflation an Champion-Titeln verantwortlich sind, haben den ersten Schritt geschafft, auch diese hoffnungsvolle Bewegung in Kürze ad absurdum zu führen. Wer soll denn jetzt den Spezialisten verwehren, in den Teildisziplinen zu starten und dort den echten Ranch Versatility-Reitern die Siege wegzuschnappen?! Wer von den echten Ranch Versatility-Reitern wird jetzt noch motiviert bleiben, wenn in den einzelnen Klassen kaum noch etwas zu holen ist und höchstens noch die Hoffnung auf den Allround-Titel bleibt? Wie hoch ein All-Around-Titel anzusiedeln ist, kann man auf jeder beliebigen Horse Show beobachten – manche Show Managements schreiben ihn gar nicht mehr aus. Wenige reiten mit diesem Ziel vor Augen; d. h. wenige starten in den entsprechenden Kategorien, die für den All-Around Champion erforderlich sind. Das ist ihnen die Sache einfach nicht wert. Und das wird das Schicksal der Ranch Versatility werden…

Überall Frust
Der Frust ist in Amerika nicht weniger vorhanden als in Europa. Auf der Suche nach Alternativen sind in Amerika „Western Dressage“ und „Cowboy Dressage“ entstanden – mit guten Ideen und Ambitionen. Man will besseres Westernreiten fördern. "Cowboy Dressage" hat sich „Western Dressage" abgespalten, als erkennbar wurde, dass bei "Western Dressage" das „western" völlig unterging und sich in konventionelle Sportdressur mit mehr oder weniger Western Outfit entwickelte. Leider ist aus „Cowboy Dressage" ebenfalls nichts geworden, das jemand gelten lassen kann, der einigermaßen Ahnung vom Westernreiten hat. Für Deutsch­land wurde die „Western Horse Dressage“ eingeführt, die sich von „Western Dressage“ und „Cowboy Dressage“ un­ter­scheidet und deren Fehler vermeiden will.

Zu den letzten "Neuerscheinungen" gehörte die Klasse „Ranch Horse Pleasure“ – von vornherein eine unsinnige Bezeichnung, hat diese Klasse doch mit einer Pleasure rein gar nichts zu tun. Noch mehr Verwirrung gab es, als mit Inkrafttreten des neu­en (2015er) Regelbuches diese Klasse nicht mehr „Ranch Horse Pleasure“ genannt wurde, sondern jetzt „Ranch Riding“ heißt. Das trifft es zwar besser, aber Klarheit wird sich erst einstellen, wenn die anderen Verbände nachziehen und ihre „Ranch Horse Pleasure“ auch in „Ranch Rid­ing“ umtaufen.

Offensichtlich ist, dass die Richterausbildung der Verbände mit der Entwicklung bei „Ranch Horse Pleasure“ und „Ranch Riding“ kaum Schritt halten konnte. Nicht nur bei den Reitern herrscht eine gewisse Unklarheit darüber, was sie idealerweise tun sollen, sondern auch die Richter wissen nicht hundertprozentig, wie sie bewerten sollen. Oft weiß man bei der Begriffsvielfalt auch in einer Unterhaltung nicht, wovon jemand gerade spricht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass all diese neuen und relativ neuen Klassen und ihr reger Zuspruch letztlich widerspiegeln, dass viele Reiter nach Alternativen suchen, weil sich das Westernturnierreiten in z. T. merkwürdiger Weise spezialisiert und sich weit von dem entfernt hat, weshalb sie einmal zum Westernreiten gekommen sind.

Ranch Pleasure / Ranch Riding

Zu dieser Klasse wurde im Regelbuch geschrieben: „In allen Gangarten sollen die Bewegungungen des Ranch Riding-Pferdes einem Pferd ent­­sprechen, das wie ein Pferd einer Working Ranch lan­ge Wegstrecken bequem und entspannt laufen muss.“ Und: „Der Zweck einer Ranch Horse Pleasure besteht darin, die Vielseitigkeit, Arbeitswil­ligkeit und die Bewegung eines Arbeitspferdes zu demonstrieren. Die Leistung des Pferdes soll der ei­nes Pferdes außerhalb einer Reitbahn und die ei­nes Ranch Arbeitspferdes simulieren. In dieser Klasse soll ein Pferd seine Fähigkeit zeigen, sich im Arbeitstempo vor­wärts zu bewegen, wobei es un­ter Kontrolle des Reiters bleibt. Leichter Zügelkontakt soll belohnt werden, die Pferde müssen nicht mit durchhän­genden Zügeln vorgestellt werden. Das Hauptaugenmerk bei dieser Aufgabe liegt auf Gesamtmanier und Durchlässigkeit des Pferdes während der Ausübung der vorgeschriebenen Einzelelemente sowie auf der Bewegungsqualität.“

Wenn es heißt: "Leichter Zügelkontakt soll belohnt werden, die Pferde müssen nicht mit durchhän­genden Zügeln vorgestellt werden", so zeigt sich da die Inkonsequenz der Verantwortlichen, die ihre eigenen Angaben innerhalb des Regelwerkes ignorieren. Es gibt überhaupt keine Klasse im Regelwerk irgendeines Westernverbandes, in der die Pferde mit durchhängenden Zügeln vorgestellt werden müssen! Und leichter Zügelkontakt wird durchgängig seit Jahr und Tag als wünschenswert beschrieben… Hier wird also etwas als Unterscheidungsmerkmal erwähnt, was gar kein Unterscheidungsmerkmal sein sollte. Es müsste eigentlich heißen: "Obwohl in anderen Klassen die Forderung nach leichtem Zügelkontakt allgemein ignoriert wird, sollte das in dieser Klasse nicht geschehen." – Das schreibt natürlich keiner in sein Regelwerk…

Die absolute Härte war, als ich im Februar 2015 an einem Seminar über Ranch Pleasure teilnahm, das von zwei Richtern gegeben wurde, der eine davon war sogar der „Oberrichter" dieses Verbandes. Nachdem schon zu Beginn unter anderem die Forderung nach leichtem Zügelkontakt als Unterschied zur "regulären Pleasure" herausgestellt worden war, gab es einige Videos zu sehen, die von den Richtern bewertet wurden, zum besseren Verständnis der Seminarteilnehmer, wie denn die Ranch Pleasure gerichtet wird. Nachdem drei oder vier Ritte zu sehen gewesen waren, bei denen die Teilnehmer alle mit Slack (durchhändenden Zügeln) geritten waren, kam einer mit leichtem Kontakt hereingeritten. Was sagt der Richter? "Dass er hier mit leichtem Kontakt reitet, würde ich ihm nicht ankreiden…“

Hallo!? Und das bei einem Seminar, das der Fortbildung der Teilnehmer dienen soll! Anstatt zu sagen: "Hier sehen wir endlich einen Reiter, der mit leichtem Kontakt reitet", sagt er, dass er ihm dieses gnädigerweise nicht ankreiden würde!

„Der Schritt ist eine natürliche, flache Viertakt-Gangart. Der Gang ist rhytmisch und raumgreifend. Wie in allen Gangarten soll das Pferd eine horizontal ebene Oberlinie zeigen oder eine, die etwas darüber liegt (was unklar ausgedrückt ist, sich aber auf die Kopfposition bezieht), mit einem frischen, aufmerksamen Ausdruck.“ – Diese Beschreibung wird im Prinzip für die anderen Gangarten wiederholt. Das gilt für die "normale Pleasure" ebenso wie für die Ranch Pleasure. Wo also liegt der Unterschied?

Dass Elemente wie Walk-overs und Trot-overs vorkommen, verstärkter Galopp, fliegende Galoppwechsel und Side Pass, zeigt den eigentlichen Unterschied zwischen der Ranch Pleasure und der "normalen Pleasure". Weshalb die Bezeichnung "Pleasure" hierfür auch völliger Unsinn war und ist. Im Grunde ist es die Kombination einer Horsemanship-Aufgabe und Trail-Hindernissen. Darüber hinaus will man hier mehr Vorwärtsimpuls sehen als bei einer Western Pleasure.

Versatility Ranch Horse

Es heißt: „Die Versatility Ranch Horse Division demonstriert die Leistung, Vielseitigkeit und Conformation (Exterieur/Gebäude) des American Quarter Horses als eines Working Ranch Horses.“
„Ranch Horse Shows können als selbständige Shows oder zusammen mit anderen, ähnlichen Events veranstaltet werden. Jede Show muss alle vier Disziplin-Kategorien anbieten. Es gibt vier Kategorien mit bis zu sieben Klassen, die angeboten werden können.

Kategorie I: Ranch Riding, Ranch Trail
Kategory II: Ranch Reining
Kategory III: Ranch Cutting, Ranch Cow Work
(schließt Limited Ranch Cow Work für Limited Amateur und Limited Youth ein)
Category IV: Ranch Conformation (was einer Halter-Klasse entspricht)

Versatility Ranch Horse-Klassen haben in unserem Land einen schweren Stand, um sich etablieren zu können, weil die Rinderklassen dazugehören und für viele Veranstalter ein Problem darstellen bzw. noch mehr für viele potentielle Teilnehmer.

Dass der Gedanke der Vielseitigkeit den Bach hinunter zu gehen droht, wurde schon weiter oben angesprochen. Diese Division lebt davon, dass ein Pferd alles können soll. Es ist aber nunmal so, dass Allrounder nicht in allen Disziplinen Spezialisten sein können. Deshalb kann ein Teilnehmer in einer Ranch Reining, einem Ranch Trail, einem Ranch Cutting, einem Ranch Cow Work gewöhnlich nicht so gut sein wie ein Spezialist in diesen Klassen. Ein Ranch Versatility-Turnier lebt aber davon, dass sich die meisten in den meisten der Klassen eine reelle Chance auf den Sieg ausrechnen können. Wenn die Spezialisten erst einmal darauf aufmerksam geworden sind, werden sie in diesen Ranch-Klassen alle Siege und vordere Plätze abräumen. Am Ende steht dann einer als All-Around Champion da, der vielleicht in keiner der einzelnen Klassen eine vordere Platzierung erreicht hat und wo sich die Zuschauer dann fragen: Wo kommt der auf einmal her? Wieso gewinnt der hier einen Titel? – Wie sieht das dann aus? Wieviel ist der Titel dann noch wert? Wie attraktiv sind die Ranch Versatility-Klassen dann noch?


DIE WESTERNDRESSUR

Western Dressage

Wie schon erwähnt, hat diese Bewegung in Nordamerika einen Boom erfahren. Es werden Prüfungen („Tests“) geritten, die „normalen“ Dressurprüfungen ähneln und so aufgebaut sind, dass es für jeden den passenden Level gibt, auf dem er showen kann. Die Tests sind im Grunde Trainingshilfen; sie sollen den Reitern helfen und als Anhaltspunkt dienen, um in der Ausbildung ihrer Pferde weiterzukommen. Dieses Prinzip auf die Westernpferde zu übertragen, war eine sinnvolle Sache.

Der Nachteil ist, dass die Western Dressage dem amerikanischen Verband unterstellt wurde, der unserer FN entspricht, und so wird er von deren Dressurrichtern gerichtet, die natürlich ohne Background bezüglich der Westernpferde und des Westernreitens sind. Daraus resultierte natürlich, dass sich aufgrund der anderen Sichtweise der Dressurrichter ein Reiten mit strammem Zügel durchgesetzt hat, bei dem fast nur noch auf die Bewegungen des Pferdes geachtet wird und kaum noch auf eine feine Hilfengebung des Reiters. Man kann sagen, es ist ein normales Dressurreiten mit Westernsattel bzw. -ausrüstung dabei herausgekommen. Zum Teil ist sogar die Westernausrüstung schon unter den Tisch gefallen! Da werden Sättel benutzt, die nur noch entfernt an Westernsättel erinnern. Und es wird z. T. mit Outfits geritten, die mehr Fantasiekostüme sind!

Es kann auch nicht überraschen, dass diese Bewertung zu einer Bevorzugung von Pferden im Warmbluttyp geführt hat. – Also die ganze Bewegung mutierte zur Farce.

Cowboy Dressage

Aufgrund der Enttäuschung über die Entwicklung in der Western Dressage spalteten sich Leute davon ab und gründeten die sogenannte „Cowboy Dressage“ – ein unglücklicher Begriff, weil „Cow­boy“ und „Dressage“ zwei Begriffe sind, die überhaupt nicht zueinander passen. In der Cowboy Dressage hat man erklärterweise die feine Hilfengebung und – zumindest theoretisch – die einhändige Zügelführung zur Priorität gemacht.

Ein Nachteil für die "Cowboy Dressage" ist, dass ihr Haupt-Propageur mit Vorbildfunktion als Reiter jemand ist, der weder wirklicher Westernreiter, noch wirklicher Dressurreiter ist, sondern ein auf Effekt ausgelegter Show-Reiter. Oft tritt er in einem Kostüm auf, das mehr an einen Zirkusdirektor erinnert, aber gelegentlich staffiert er sich auch mit Cowboy Outfit aus. Das Er­gebnis ist aber in jedem Fall kein Westernreiten und auch kein korrektes Dressurreiten – beidhändige Zügelführung trotz Kandare, hohe Zügelhände und noch die Dressurgerte dazu.

Desweiteren hat man hier noch sogenannte „Vaquero-Klassen“ eingeführt, was ja okay ist, aber man lässt die Leute darin sogar mit der spanischen Garrocha reiten, was wieder überhaupt nichts mit Westernreiten zu tun hat!

Die Aufgaben für die sogenannte "Cowboy Dressage" sind auf einer unnötig komplizierten Aufteilung der Reitbahn aufgebaut. Das hilft niemandem und ist für Westernreiter völlig ungewohnt. Sie sind eher dazu angetan, einem von vornherein die Lust zu nehmen. Westernreiter sind an Patterns gewöhnt, wie sie in einer Reining oder Horsemanship-Klasse geritten werden, und das reicht auch völlig aus.

Western Horse Dressage

Weil keine der beiden Richtungen aus USA wirklich gut ist, so dass man sie einfach importieren sollte, wurde als Alternative in Deutschland die "Western Horse Dressage" initiiert. Die Grundidee ist, die feine Hilfengebung und den Einsatz klas­sischer Dressurprinzipien im Westernreiten zu fördern und die in Amerika gemachten Fehler zu vermeiden.

Bei der Western Horse Dressage gibt es eine Reihe von Prüfungen unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade, von ganz leicht bis schwer, so dass eigentlich je­der eine für sich und sein Pferd passende Prüfung finden kann. Insofern wurde der an und für sich gute Gedanke übernommen, welcher der amerikanischen Western Dressage zugrunde liegt. Bei der Bewertung soll vor allem die reiterliche Leistung bzw. Sitz und Hilfengebung im Fokus stehen und Priorität haben.

Die Patterns der Western Horse Dressage sind nach dem Prinzip der allseits bekannten Western Horsemanship entworfen. Sie könnten ohne weiteres als Western Horsemanship Patterns dienen. Wie ja die ganze Disziplin prinzipiell gar nicht hätte "erfunden" werden müssen, wenn bei den regulären Horsemanship-Klassen entsprechend gerichtet würde.

Eine Besonderheit bei der Western Horse Dressage ist, dass der Teilnehmer direkt nach seinem Ritt einen Kommentar von den Richtern bekommt – wie bei konventionellen Dressurturnieren auch – und nicht nur darauf angewiesen ist, selber seinen Score Sheet zu interpretieren.

Western Horsemanship

Aber das ist doch keine neue, sondern eine altbekannte Klasse? Das ist sie in der Tat. Sie ist hier mit aufgeführt, um klarzustellen, dass es gar keine Westerndressurklassen geben brauchte, wenn Western Horsemanship-Klassen nach klassischen Prinzipien gerichtet würden. Ebenso kann man sagen, dass es den Ansatz für eine "Ranch Horse Pleasure" erst gar nicht gegeben hätte, wenn sich die reguläre Western Pleasure gesund entwickelt hätte, wenn nicht seit Jahr und Tag, ja seit Jahrzehnten – trotz aller erdenklichen Klimmzüge, die vorhandenen Probleme durch entsprechende Regeln zu beseitigen – immer beharrlich auf dieselbe unsägliche Weise weitergeritten würde.

Eine Westerndressuraufgabe ist nichts anderes als eine Western Horsemanship. Der Unterschied liegt, wie erwähnt, in der Bewertung. Deshalb können dazu auch keine der Richter eingesetzt werden, die normale Westernturniere richten, denn was sie da zu sehen gewohnt sind, widerspricht in vieler Hinsicht klassischen Reit- bzw. Dressurprinzipien. Man kann von keinem Richter erwarten, dass er ohne besondere (Um-)Schulung auf einmal ein Westerndressurturnier richten kann.

Die Westerndressur hat nur eine Daseinsberechtigung – oder wurde nur deshalb kreiert –, weil sich im Westernturniersport eine Art des Reitens etabliert hat, die nur noch auf Abrichten abzielt und nicht auf klassische reiterliche Hilfen und Pferdeausbildung. Das ist natürlich eine verallgemeinernde Aussage. Selbstverständlich mag es hier und da Westernturnierreiter geben, die sich um gutes Reiten bemühen. Aber dass die Verallgemeinerung gerechtfertigt ist, kann man eben daran erkennen, dass sich immer mehr Westernreiter vom etablierten Turniersport abwenden.

Daran tragen die Richter eine große Mitschuld. Die Probleme liegen in der Richterausbildung und in den Richterleistungen, aber eigentlich in der gesamten Struktur – Zusammensetzung der Regelbuchkommissionen, Richterausbildung, Überwachung der Richter, Richter (die auch Trainer sind, die nicht etwas bestrafen wollen, was sie selbst praktizieren), Teilnehmer (die sich nicht umstellen wollen), Show-Veranstalter, die Richter nicht mehr verpflichten, die den Unmut der Teilnehmer erregen, weil sie sich erkühnen, nach Regelbuch zu richten…
 
Die Western Horsemanship-Klasse würde für die Richter die Chance schlechthin darstellen, wo sie die in anderen Disziplinen durch unvernünftige Spezialisierung etablierten Fehler abstrafen könnten. Warum von dieser Möglichkeit  gewöhnlich kein Gebrauch gemacht wird, darüber müsste man nachdenken…        Hardy Oelke

 

ZUR PERSON
Hardy Oelke, geboren 1946,  ist Westerntrainer und -richter, Autor zahlreicher Fachbücher und langjähriger Chefredakteur der Fachzeitschrift ,Western Horse'. Als aktiver Turnierreiter holte er einen Europameister-Titel sowie mehrere Deutsche Meistertitel, als Trainer hält er die Maximen der klassischen Reiterei hoch und setzt sich vehement für pferdefreundliches Reiten und eine artgerechte Pferdehaltung ein. Gemeinsam mit Anja Beran initierte er die Trophy ,Germany's Finest Rider', um feines Reiten in der Westernszene zu fördern.

Kommentare

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2) conversanotimbro: vielen dank connemara - sehr gute beschreibung der richtersituation bei uns, allerdings betrifft dies ALLE disziplinen und da bleibt nur noch eine frage offen: wer in unseren sportverbänden soll hier abhilfe schaffen ???? hier sitzen ja die tw verursacher an den schalthebeln.
Freitag, 16. Oktober 2015
1) Moonlight59: Eine feine Analyse einer höchst unbefriedigenden Situation. Sie gleicht übrigens jener im FEI-Dressursport auf Haar. Auch dort wird unter den Augen strenger Richter von Rollkur bis zu einfach schlechtem Reiten alles toleriert oder sogar belohnt, was eigentlich drakonisch geahndet gehört. Daher müssen die Fragen gestellt werden: Sind (die meisten?) Richter zu Marionetten geworden - wenn ja, WESSEN? Sind sie falsch oder unzureichend ausgebildet - wenn ja, von WEM? Sollte man sie regelmäßig kontrollieren und ggf. sanktionieren (nachschulen; belehren; ausrangieren etc.) - wenn ja, dann WIE? Und sollte man sie ganz oder teilweise anonym richten lassen ? Aber die Grundfrage ist doch, WARUM richten sie so jämmerlich? Weil sie es bloß nicht besser können, weil sie es so wollen, oder gar weil sie sollen und müssen? Die Antworten werden die Reitsport-Verbände schnell finden müssen, sonst rasseln ihnen die Starterzahlen noch viel tiefer in den Keller - eigentlich wünschenswert!
Montag, 27. Juli 2015
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