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Das Herpes-Virus beim Pferd: Mythen und Wahrheiten
17.01.2020 / Wissen

Jahr für Jahr sorgen Infektionsfälle mit dem Herpes-Virus für Schlagzeilen in den Medien – und für Verunsicherung und Sorge unter Pferdehaltern ...
Jahr für Jahr sorgen Infektionsfälle mit dem Herpes-Virus für Schlagzeilen in den Medien – und für Verunsicherung und Sorge unter Pferdehaltern ... / Symbolfoto: Archiv

Das Thema Herpes ist in der Pferdeszene wieder omnipräsent und auch in sozialen Medien vieldiskutiert. Angesichts der Flut an unterschiedlichen Meldungen und Postings ist es oft schwer zu beurteilen, wie man sich im Ernstfall verhalten soll und welche vorbeugenden Maßnahmen wirklich sinnvoll sind. Die Spezialisten der Tierklinik Lüsche haben die wichtigsten Infos zusammengestellt.

 

Das Thema „Herpes“ ist in der Reiterwelt leider ein trauriger Dauerbrenner: In regelmäßigen Abständen werden Social Media Plattformen und Whatsapp-Gruppen mit Warnungen zum Ausbruch der Seuche regelrecht geflutet und Pferdehalter in den angrenzenden Gebieten in Sorge versetzt. Bei all diesen Nachrichten fällt es manchmal schwer zu ermitteln, welche Tipps und Vorsorgemaßnahmen im Falle des Falles wirklich helfen und welche schlichtweg ein Mythos sind. Der folgende Leitfaden soll dazu dienen, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen…

Equines Herpes-Virus – was ist das?
Herpes ist eine ansteckende Erkrankung und in der Pferdepopulation weiter verbreitet als man eventuell für möglich hält.

Ein einmal infiziertes Pferd bleibt sein Leben lang Träger des Virus, auch wenn es die akute Erkrankung überwunden hat – man geht deshalb davon aus, dass in Deutschland bis zu 90% aller Pferde bereits Virusträger sind bzw. Kontakt mit dem Virus hatten.

Infizierte Pferde können das tückische Virus durch ein gestresstes Immunsystem (Transport, Turniere, allgemeine Erkrankung, Stallwechsel, Rangkämpfe etc.) erneut freisetzen. Dies geschieht zum Teil völlig symptomlos, mindert aber nicht das Übertragungsrisiko für bisher nicht infizierte Tiere.

In der Medizin wird zwischen verschiedenen Herpes-Viren beim Pferd unterschieden: EHV-1 bis EHV-5.

– Infektionen des Equinen Herpesvirus 1 & 4 (EHV-1 / EHV-4) sind dabei für Pferdehalter am bedeutendsten: Sie lösen beide eine Entzündung der oberen Atemwege aus. Der Ausbruch äußert sich mit Fieber ca. 39,5°, Nasen- und Augenausfluss, sowie Husten als Begleitsymptomen. In einigen Fällen greift das Virustyp 1 zudem das Rückenmark an und führt zu neurologischen Ausfallerscheinungen beim Pferd wie z.B. Ataxie und Parese/Paralyse. Dies kann im schlimmsten Fall tödlich enden.

– Gefährlich ist EHV-1 auch für trächtige Stuten, die bei einer Infektion häufig im späten Stadium der Trächtigkeit verfohlen oder ein stark geschwächte Fohlen auf die Welt bringen, da das Virus Gebärmutter und Plazenta angreift und dem ungeborenen Fohlen die Nährstoffzufuhr entzieht.

– Das EHV 2- Virus zeigt sich als Entzündung der Bindehaut und Hornhaut des Auges. Auch mildere Erkrankungen der oberen Luftwege sind keine Seltenheit.

– Virus Typ 3 ist Ursache einer Genitalinfektion, die sich durch den direkten Deckakt überträgt. Erkrankte Tiere müssen daher aus der Zucht ausgeschlossen werden.

–Virus Typ 5 wird teilweise bei der seltenen, equinen multinodulären pulmonalen Fibrose, einer chronischen Lungenerkrankung nachgewiesen.

Equines Herpes-Virus – was tun?
Die klimatischen Bedingungen für eine Herpesausbreitung von Typ 1 und Typ 4 sind besonders zwischen Winter- und Frühjahr ideal, aber auch Ausbrüche im Hochsommer kommen durchaus vor. Die Viren werden dabei primär per Tröpfcheninfektion übertragen – Ausbrüche der Erkrankung wirken sich dann meist auf einen ganzen Bestand aus. Benachbarten Pferde auf Paddock oder Weide, die im Kontakt mit dem Virusüberträger stehen, können ebenso infiziert werden, wie Pferde die in einem gemeinsamen Stalltrakt stehen. Ein direkter Kontakt ist dabei zur Infektion nicht zwingend nötig, da die Übertragung unter günstigen Bedingungen auch über die Luftwege erfolgen kann (Schnauben, etc.)

Den sekundäre Infektionsweg stellt der Pferdehalter selber dar: Tatsächlich kann sich das Virus auch auf Kleidung und Co. festsetzen und bei erneutem Kontakt mit einem Pferd eine Übertragung potentiell ermöglichen. Daher gelten auch für Pferdehalter besondere Vorsichtsmaßnahmen:

– Ist ein akuter Herpesfall aufgetreten, gilt es, die Stalleinheiten abzugrenzen und Pferdebewegungen untereinander auf ein Minimum zu beschränken. Wenn möglich, sollte ein Pferd mit Fieber umgehend isoliert werden. Es wird davon abgeraten Gegenständen wie z.B. Eimer, Putzzeug, Karren, etc. gemeinschaftlich zu nutzen.

– Veranstaltungen mit vielen externen Pferden (Turniere, Lehrgänge, Seminare) sollten für die Zeit des Ausbruchs (sowie für mind. 3 Wochen nach Abklingen der Erkrankungen) grundsätzlich abgesagt werden, um das Risiko einer Ausbreitung auf weitere Ställe zu minimieren.

– Der Personenverkehr im Stall ist auf das absolute Minimum zu beschränken. Arbeiten mehrere Leute im Stall, so kann es Sinn machen, die Arbeiten auf getrennte Teams zu verteilen. Schmiede, Tierärzte und Personen mit direktem Kontakt zum Tier sollten die Arbeiten in einem betroffenen Stall aus strategischen Gründen lieber an das Ende ihrer Tagestour setzen.

– Wenn nicht sichergestellt werden kann, dass entsprechende Vorsichts- und Reinigungsmaßnahmen eingehalten werden, sind Besucher am Zutritt des Stall zu hindern.

– Das Virus lässt sich durch herkömmliche Reinigungs- und Desinfektionsmittel übrigens schnell unschädlich machen. Desinfektionsmatten für die Schuhe und schnell erreichbare Handdesinfektionsmittel im Stall bereitzustellen macht im akuten Ausbruchs-Fall also viel Sinn. Benutzte Kleidung sollte zur Sicherheit mit 60° gewaschen werden, um alle verbleibenden Viren 100% abzutöten.

– Häufig wird Pferdebesitzern aus Ställen mit Herpesausbruch empfohlen andere Ställe zu meiden, da sie potentielle Überträger sein können. Unter Berücksichtigung der oben genannten Maßnahmen (andere Kleidung, andere Schuhe, entsprechende Körperhygiene und das Nutzen von Desinfektionsmitteln) lässt sich aber auch der Besuch in fremden Ställen und Pferdegruppen realisieren. Besitzer von Pferden einer erkrankten Region sind damit nicht völlig aus dem sozialen Leben verbannt, da die Infektion über Kleidung & Co eher als sekundärer Infektionswerg anzusehen ist.

Equines Herpes-Virus – meldepflichtig?
Die Krankheit ist in Deutschland nicht meldepflichtig. Wer vermutet, dass sein Pferd potentiell erkrankt ist sollte trotzdem umgehend Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und Stallkollegen informieren, um weitere Pferde nicht zu gefährden. Vermutungen sollten außerdem auch Tierarzt und Klinik umgehend mittgeteilt werden, damit entsprechende Isolationsvorkehrung beim - möglicherweise notwendigen - Klinikbesuch getroffen werden können.

Wie schütze ich mein Pferd?
Herpesviren im erkrankten Pferd können weder bekämpft noch ausgelöscht werden. In akuten Fällen wird versucht, das Immunsystem des Pferdes so gut es geht zu unterstützen – vorbeugend auch bei den Stallkameraden. Außerdem werden Entzündungshemmer und z.T. Heparin gegeben, um das Risiko der Weiterverbreitung ins Rückenmark zu senken.

Die Immunisierung mit einem entsprechenden Impfstoff sollte in die Impfplanung mit aufgenommen werden. Aktuell verfügbare Stoffe bieten zwar noch keinen 100%-igen Schutz, aber geimpfte Pferde scheiden in jedem Fall deutlich weniger Viren aus als Artgenossen ohne den Schutz, sollte es zu einem erneuten Ausbruch oder einer Neuinfektion kommen. Sind alle Pferde geimpft, hat das Virus keine Chance, sich so stark zu vermehren, dass Pferde daran erkranken.

Aus tierärztlicher Sicht sollte immer eine „Herdenimmunität“ angestrebt werden und nicht nur der Schutz eines einzelnen Tieres. Ein großer Stall mit einem komplett geimpften Bestand ist also deutlich risikofreier als eine kleine Gruppe von Pferden ohne einheitliches Impfmanagement.

Die Tierklinik Lüsche berät gerne in allen Punkten (Kosten, Immunisierungszeit, Auffrischung, Schutzwirkung) zur Herpes-Impfung. Website: www.tierklinik-luesche.de, Facebook-Seite: https://www.facebook.com/tierklinikluesche/

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