Ernst-Peter Frey – Schüler und Co-Trainer des legendären Jean-Claude Dysli – zählt zu den renommiertesten Westerntrainern Deutschlands und kombiniert die altkalifornische Reitweise mit klassisch-iberischen Elementen. ProPferd-Autor Martin Haller traf ihn zum Interview.
Inzwischen ist es hierzulande ruhig um die Pioniere des Westernreitens, die Cowboys der ersten Stunde geworden. Der eine oder andere schreibt hin und wieder ein Buch (löblich, aber sinnlos, denn lesen und reiten sind im Westen zwei völlig verschiedene Paar Stiefel); einige wenige machen Lehrfilme – auch Ernst-Peter Frey hat damit schon gespielt; alle halten Seminare ab, die zwar gut besucht, durchwegs interessant und oft hilfreich sind – aber who cares? Die Musik klimpert in einem anderen Saloon, und der heißt „Zum müden Reining-Pony“. Und da nützt es nicht viel, wenn man ein paar Anhänger der kalifornischen Reitweise zu etwas bekehrt, was die eh schon wollen oder tun. Dennoch muss man diese Fahne hochhalten, was Ernst-Peter Frey unbeirrbar tut – also: geduldig und pferdeschonend ausbilden; die Ponys gymnastizieren und statt gnadenlos deep-and-round eher auch mal high-and-healthy reiten; und mit dezenten Hilfen arbeiten, die mehr mit Feeling und Timing zu tun haben als mit Bits and Spurs. All das gilt es immer wieder vorzuzeigen und vorzusagen, damit es zumindest bei einigen auch wirklich ankommt.
Ernst-Peter Frey gehört zur kleinen Gruppe von ,Oldies', die in Deutschland im frühen Morgenrot des Westernsports in die verschlafene Stadt ritten und den Bürgern die guten News brachten – Western Riding was here to stay! Aber wie alles wurde im Laufe der Jahre auch die sympathische Alternative zum Dressur-Einerlei oder Spring-Jagen gewaltigen Änderungen unterzogen. Frey, der in Österreich eher zu den Geheimtipps und leider allzu seltenen Gästen gehört, war kürzlich hier auf Tour, und ProPferd-Autor Martin Haller erwischte ihn nach einigen kontaktfreien Jahren zufällig und buchstäblich im nächsten Dorf. Eine gute Gelegenheit, dem ruhigen Schwaben mit dem nachdenklichen Gesichtsausdruck ein paar Fragen zu stellen, auf die Männer seines Schlages meist gute und interessante Antworten haben …
Welche großen Unterschiede siehst du zwischen Westernsport und klassischem Westernreiten?
Frey: Für mich ist der große und entscheidende Unterschied, dass im Sport überwiegend abgerichtete Pferde zu sehen sind, welche ihre Manöver oder Aufgaben gelernt haben. Man könnte auch sagen auswendig gelernt haben. Das Arbeitspferd oder kalifornisch gerittene Pferd soll jedoch flexibel und differenziert auf unerwartete Situationen reagieren können. Wenn man mit einem Rind arbeitet muss man damit rechnen, dass es einen angreift oder dass es plötzlich abhauen will. In solchen Situationen muss das Pferd differenziert, gehorsam und schnell reagieren können. Das erreicht man nicht durch einpauken. Das hat mit Vertrauen, Timing und Balance zu tun … und einigem mehr. Aber das wäre schon ein guter Anfang. Ich habe in Spanien in einem Dorf die Gitanos, die spanischen Roma beobachtet – einige Jungs ritten nur die Straße rauf und runter, einige saßen am Rand und tranken Rotwein, und man lachte und sang und dazwischen gabs ein paar Kommentare und Anweisungen. Bombige Stimmung und tolles, intuitives Reiten … beinahe schon Reitkunst. Die ritten im Trubel unbeschwert, aber mit tollem Timing und Gefühl fürs Pferd, und die Pferde waren rittig und in guter Balance; das macht es für mich aus. So ein Pferd ist ein Vergnügen – und ein perfekter Arbeitspartner.
Was ist klassische, gute Ausbildung für Dich?
Frey: Ein gut ausgebildetes Pferd ist für mich eines, das selbständig am losen Zügel arbeitet und das man einhändig immer zwischen den Zügeln und Beinen haben kann. Es hat eine hohe Reaktionsbereitschaft von Anfang an; schnelles Reagieren auf winzige Signale liegt in der Natur des Pferdes, und diese Reaktionsbereitschaft kann ich beim gut ausgebildeten Pferd finden, fördern und für mich nützen. Es ist ein Beispiel für ist das Nachahmen des Herdenverhaltens unter dem Reiter, mit anderen Mitteln.
Ein gut ausgebildetes Pferd wird am Boden vorbereitet, und wenn wir dann im Sattel das gleiche fordern, wird es diese Forderungen erfüllen und die richtigen Antworten geben. Das zu fördern ist gute Ausbildung.
Wie war Dein reiterlicher Werdegang?
Frey: Ich bin mit ca. 15 Jahren zum ersten Mal bei einem Western-Kurs in Deutschland gewesen und habe dort ein Pferd auf Bosal geritten; das war für mich ein wichtiges Erlebnis. Im Jahr 1979 habe ich Jean-Claude Dysli kennengelernt, der damals begann, Europa mit dem Western-Virus zu infizieren. Ich habe eine Ausbildung zum Hufschmied gemacht und mich im Jahr 1984 in diesem Beruf selbstständig gemacht. Ich war immer wieder und länger bei Jean-Claude auf der Hacienda in Andalusien (Südspanien) und habe mich bei ihm weitergebildet. 1987 und 1988 war ich ganz in Spanien, und nach meiner Rückkehr wurde ich Trainer und arbeitete zugleich als Hufschmied und Ausbildner. 1991 und 92 war ich nochmals länger in Spanien, dann kamen auch die ersten erfolgreichen Turniere der European Westernriding Union. 1995 war ich in Kalifornien und konnte dort Ray Hunt kennenlernen und mit vielen bekannten Trainern arbeiten. 2013 wurde ich Sieger in der Freestyle Reining auf der Americana; das war ein schöner Sport-Erfolg und Beweis, dass ich auch erfolgreich „normal“ reiten kann …
Wer sind Deine großen Vorbilder und wer waren Deine Lehrmeister?
Frey: Mein größtes Vorbild, und zugleich mein wichtigster Lehrer, war natürlich Jean-Claude, denn er hat mich nachhaltig geprägt und mir enorm viel über die Zusammenhänge zwischen Körper und Psyche des Pferdes und das korrekte und richtige Reiten beigebracht. Natürlich war auch Ray Hunt ein großes Vorbild, er ist ja quasi der Übervater all jener Reiter, die nicht nur im Sport erfolgreich sein wollen, sondern auch mit dem Pferd in Harmonie arbeiten wollen. Auch Les Vogt war für mich ein wichtiger Lehrer; auch er ist auch ein großes reiterliches Vorbild für mich. Ich habe bei ihm Kurse gemacht und bewundere seine Reiterei. Wichtig als Lehrer waren vor allem die vielen Arbeitspferde, die ich reiten durfte. Da gab es schon interessante Erlebnisse; z. B. als ich auf einer Ranch arbeitete und ein gutes Ranchpferd ritt, das aber immer nur Linksgalopp ging. Ich konnte ihn lange Zeit nicht rechts angaloppieren und fragte endlich den Vormann nach dem Grund. Der schaute mich erstaunt an und sagte „Du bist vermutlich der erste, der über sowas nachdenkt. Niemand hat sich je darum gekümmert, und so hat er rechtsherum nie gelernt. Seinem üblichen Reiter ist es vermutlich egal, solange der Job erledigt wird.“
Welchen Sinn hat die klassische Dressur im Westernreiten und welche Vorteile bietet sie?
Frey: Ich glaube, man muss dazu verstehen, dass die sogenannte englische Reitweise aus dem Jagdreiten und den Pferderennen kommt. Man hat bei diesem Reiten immer ein Zusammenwirken von Hand und Bein zugleich, man will simultan bremsen und beschleunigen. Die klassische Dressur und das kalifornische Westernreiten kommen hingegen aus der barocken oder iberischen Reitweise, bei der die Hilfen von Hand und Bein eher getrennt erfolgten. Das Pferd lernt dabei in leichter Anlehnung sofort zu reagieren, und ich kann als Reiter jedes seiner vier Beine einzeln kontrollieren und damit seinen ganzen Körper ständig beeinflussen. Damit ist ein feines und reaktionsschnelles Reiten möglich – diese Reiterei braucht man in der praktischen Arbeit z. B. auf einer kalifornischen Ranch, wenn die sehr sportlichen und wilden Rinder mit dem Pferd effizient kontrolliert werden müssen. Der Reiter und sein Pferd bilden eine Einheit und agieren nie gegeneinander. Das geschmeidige Dressurpferd ist dem steifen Arbeitspferd immer überlegen und viel bequemer und sicherer. Es ist durchlässig – es reagiert schnell und willig. Wenn ein angriffslustiger Stier dich anpeilt, dann willst du ein Pony unter dir haben, das in der Balance ist und deine Signale versteht und annimmt.
Welche Ausrüstung ist für Dich gut oder nützlich? Macht der Hut den Cowboy?
Frey: Man muss verstehen, dass die traditionelle Ausrüstung und Kleidung der Californios aus der spanischen Tradition kommen. Fast alle Gegenstände und Kleidungsstücke haben ihren Ursprung im alten Spanien, daher haben sie in dieser modifizierten spanischen Reitweise eine gewisse Berechtigung und auch Tradition. Das beste Beispiel dafür ist das Spade Bit, das man oft als grausam und extrem scharf bezeichnet. Ein gutes Bit wird jedoch so balanciert im Maul liegen, dass ein rittiges Pferd es nicht als unangenehm empfindet. Es wird das Bit tragen und sich daran balancieren und in feiner Anlehnung gehen. Die Ausrüstung, die Ausbildung und die Reitweise spielen zusammen und ergeben ein authentisches Bild und nützliches Resultat für die praktische Arbeit. Das Bild des altkalifornischen Vaqueros ist vielen wichtig als Zeichen, dass man eine gewisse Reitweise praktiziert, und das ist wiederum gut fürs Pferd. Aber modischer Schnickschnack ist Geschmackssache und muss für mich nicht sein.
Welche Unterschiede in den Gebissen siehst du?
Frey: Ich bilde viele Pferde auf Hackamore aus, aber auch die Trense ist ein sehr nützliches Gebiss. Ich glaube, sie hat den Ausbildungsweg des Western-Pferdes quasi revolutionier. Mit der Trense kann man junge Pferde sehr schnell und gründlich gymnastizieren; auch ihre Durchlässigkeit kann man durch den sensiblen Einsatz einer Trense sehr schnell fördern. Die Trense hat heute durchaus ihre Berechtigung als Vorstufe zu einem Hebelgebiss. Nicht alle Reiter sind gewillt oder imstande, den langen Weg mit der Hackamore zu beschreiten, auch wenn diese ein tolles Pferd produzieren kann. Ich biete meinen Pferden eine leichte Anlehnung und will, dass sie sich von meinen Händen quasi formen lassen. Das geschieht mit gutem Reiten und Geduld an der Trense fast von selber. Die Hand muss halt immer zum Nachgeben bereit sein und trotzdem einen Rahmen geben.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Ernst-Peter Frey führte Martin Haller.
Über die Arbeit, Kurse und Trainings mit Ernst-Peter Frey kann man sich auf seiner Website informieren.