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Wechselnde Böden machen Pferde stark und widerstandsfähig
12.07.2024 / Wissen

Pferde sollten aus vielerlei Gründen auf unterschiedlichem Terrain bewegt werden. Durch die unterschiedliche Belastung mehrerer Gewebe auf unterschiedlichem Untergrund ist es möglich, Gewebeschäden zu mildern und Körperstrukturen zu stärken.
Pferde sollten aus vielerlei Gründen auf unterschiedlichem Terrain bewegt werden. Durch die unterschiedliche Belastung mehrerer Gewebe auf unterschiedlichem Untergrund ist es möglich, Gewebeschäden zu mildern und Körperstrukturen zu stärken. / Symbolfoto: Archiv/Julia Rau

Durch Variation der Untergründe, auf denen Pferde trainiert und gearbeitet werden, kann man einen starken, gesunden und vielseitigen Sport- und Freizeitpartner formen.

 

Ein großer Teil des Trainings besteht üblicherweise darin, seinem Pferd bestimmte Lektionen und Abläufe beizubringen, die im Wettkampf abgefragt werden – doch nicht weniger wichtig ist es, dabei auch die Kondition des Pferdes sukzessive zu entwickeln und aufzubauen. Eine gute Grundkondition ist entscheidend dafür, dass der gesamte Bewegungsapparat sowie Herz, Kreislauf und Atmungssystem des Pferdes optimal funktionieren und vor allem auch die sogenannte Propriozeption – also das Bewusstsein für Position und Platzierung von Gliedmaßen und Körper – gut entwickelt ist.

Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu einer guten Kondition und einem funktionierenden Körperbewusstsein leistet das Training auf wechselnden Böden und Oberflächen, wie jüngst die Spezialistin für Sportmedizin und Verletzungsrehabilitation für Pferde, Dr. Brianne Henderson, in einem Interview mit dem Portal TheHorse.com hervorhob. Aufgrund ihrer langjährigen Praxis ist sie überzeugt davon, dass die meisten Verletzungen, die Tierärzte bei Pferden sehen, auf wiederholte Belastungen und eine ,Akkumulation' von Mikroschäden zurückzuführen sind: „Sogar die meisten ‚akuten‘ Verletzungen haben sich tatsächlich über einen gewissen Zeitraum entwickelt. Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt untersuchen, wie wir mit Pferden arbeiten und sie trainieren, dann ermöglicht die Verwendung verschiedener Oberflächen, dass unterschiedliche Belastungen auf verschiedene Muskel-Skelett-Gewebe – also Knochen, Bänder und Sehnen – verteilt werden, wodurch ständig wiederkehrende Belastungen minimiert werden.“

Behutsames Heranführen an neue Böden

Sie betont, dass die Knochen und Weichteile junger Pferde sehr anpassungsfähig sind – und durch das Training auf unterschiedlichen Oberflächen stärker und belastungsfähiger werden. Bei älteren Sportpferden minimiert die Verwendung unterschiedlicher Oberflächen die Menge an täglichen Mikroschäden an Muskel-Skelett-Strukturen und lässt gleichzeitig Zeit für die Heilung von Verletzungen.

Besonders wichtig ist es dabei, die Pferde schrittweise an neue Reitoberflächen heranzuführen, so Dr. Henderson: „Zu Beginn der Turniersaison sehen wir häufig Pferde, die nach ihrem ersten mehrtägigen Turnier starke Schmerzen haben. Das liegt oft daran, dass sie zu Hause auf einem bestimmten Untergrund gearbeitet werden – beispielsweise Sand – und dann auf einem völlig anderen Untergrund, beispielsweise einem Reitbelag mit hohem Faseranteil, antreten und trainieren sollen.“

Sinnvoll und empfehlenswert ist es, das erste Training auf einem neuen Untergrund mit geringer Intensität und leichten Übungen auszuführen – so kann sich das Pferd allmählich an den neuen Untergrund anpassen. „In der Regel ist es am besten, ein Pferd mindestens sechs Wochen lang zweimal wöchentlich demselben Untergrund auszusetzen wie dem Wettkampfboden, um den Muskeln und anderen Weichteilen Zeit zur Anpassung zu geben“, bestätigt auch Dr. Judith Koenig, außerordentliche Professorin am ,Ontario Veterinary College der Universität von Guelph.

Von großer Bedeutung ist die Wirkung wiederholter Übungen auf demselben Untergrund Tag für Tag. „Das gleiche Trainingsprogramm ohne Abwechslung erhöht den Verschleiß der Gelenke, während sich Knochen nur durch Anpassung an eine bestimmte, konstante Oberfläche umbauen“, so Prof. Koenig. „Dies kann zu Knochenbrüchen führen, insbesondere bei Pferden, die Geschwindigkeits-Sportarten betreiben. Darüber hinaus kann sich repetitives Training ohne Abwechslung auf die Psyche von Pferd und Reiter auswirken.“

Ein Pferd kann in der Folge sauer und widerspenstig werden – ein Reiter könnte sich langweilen oder frustriert sein, weil er keine Fortschritte macht. Veränderungen in der Umgebung und Abwechslung im Training können wahre Wunder für das Temperament und die Motivation von Pferd und Reiter bewirken.

Die Fitnessentwicklung hängt z.T. auch davon ab, wie fit ein Pferd vor einer Ruhepause oder vor dem Wechsel auf einen neuen Untergrund ist. Pferde trainieren eher langsam ab, so Dr. Henderson, und sie können ihre Fitness länger aufrechterhalten als menschliche Athleten. Sie empfiehlt, mindestens drei Wochen lang Übungen mit geringer Intensität durchzuführen, um eine aerobe Basis zu schaffen. Darauf folgt ein langes, langsames Distanztraining, um eine solide Grundlage zu schaffen. Dann kann das Pferd zu einem Training mit mittlerer Intensität übergehen. Bei diesen Strategien zum Konditionsaufbau macht das Pferd zelluläre Veränderungen durch, die etwa in der vierten bis sechsten Woche beginnen, so die Expertin. In der sechsten bis zwölften Woche beginnen sich die Muskelfasertypen zu verändern, um sich an die sportliche Anstrengung anzupassen.

Sobald eine solide Konditionsbasis geschaffen ist, kann man darangehen, Intervalltraining einzubauen, das die Skelett- und Muskelkraft optimiert, so Dr. Henderson weiter: „Die Knochen reagieren am besten auf kurze (fünf- bis zehnminütige) Intervalle mit hoher Belastung dreimal pro Woche.“

Reiten in unterschiedlichem Gelände

In Maßen durchgeführtes Reiten auf Feldwegen kann ebenfalls einen positiven Beitrag leisten. „Bei schlechtem Wetter wird meist im Schritt ausgeritten. Wenn man jedoch fünf bis zehn Minuten Trab hinzufügt, erreicht man eine maximale Knochenreaktion, ohne Knorpel und Weichteilstrukturen zu beschädigen“, so Dr. Henderson, doch man darf es keinesfalls übertrieben: „Zuviel Reiten auf harten Wegen schädigt den Gelenkknorpel und führt zu Osteoarthritis.“ Sie weist auch darauf hin, dass Sehnengewebe bei jungen Pferden (1–2 Jahre) anpassungsfähiger ist.

Ein weiteres Ziel des Konditionstrainings ist die Vorbeugung von Verletzungen. Gelände-Training in verschiedenen Aufgaben und auf verschiedenen Oberflächen verhindert die Akkumulation von Mikroschäden, die zu Weichteilverletzungen führen können.

„Neben der Entwicklung der muskuloskelettalen und kardiovaskulären Vorteile des Konditionstrainings besteht ein Hauptziel des Gelände-Trainings darin, Muskelungleichgewichte zu minimieren und gleichzeitig die Rumpf- und Rückenstärke eines Sportpferdes zu maximieren“, so Dr. Henderson. „Die Entwicklung ausreichender Kraft in diesen Bereichen sorgt für Muskelkraft und verbesserte Propriozeption. Ein Pferd ist dann in der Lage, richtig im Gleichgewicht und in der für die sportliche Anstrengung angemessenen Haltung zu arbeiten. Ohne diese starke Basis können Knorpel- und Bänderstrukturen überlastet werden, die zusätzlicher Belastung ausgesetzt sind und schneller Verletzungen erleiden können.“

Ein weiterer wichtiger Vorteil des Krafttrainings besteht darin, dass es verhindert, dass ein Pferd über sein Fitnessniveau hinaus bis in einen Erschöpfungszustand getrieben wird, der dann zu Muskel-Skelett-Verletzungen und/oder Stoffwechselproblemen führt.

Neben der Arbeit am eigenen Reitplatz kann ein Teil des wöchentlichen Trainings für ein Pferd auch das Ausreiten auf umliegenden Wald- und Feldwegen und in hügeligem Gelände beinhalten. Das Reiten auf unterschiedlichen Oberflächen erhöht die Abwechslung im Training. Ein Pferd kann regelmäßig in einem Rahmen gearbeitet und aufgefordert werden, seitliche Bewegungen auszuführen, auch wenn es außerhalb einer Arena geritten wird. Dies baut Rumpfkraft auf und schärft die Reitfähigkeiten des Reiters. Dr. Henderson betont, wie wichtig es für ein Pferd ist, eine Pause vom Training und den Übungen im Viereck oder am Springplatz zu haben.

„Die Natur ist der perfekte Weg, um verschiedene Oberflächen und propriozeptive Übungen einzuführen, indem man Hügel, Felsen, Sträucher und Baumstämme überwindet“, sagt sie. Dies ist auch gut für die geistige Gesundheit eines Pferdes. Ein positives Beispiel sind Vielseitigkeitspferde, die ein „eingebautes“ Gelände-Training praktizieren, das Dressur in einer Sandarena mit Hügelarbeit und Galopp-Sets auf einer Grasbahn oder einem Hang sowie gymnastischem Springtraining kombiniert. Es gibt keinen Grund, warum Pferde in anderen Disziplinen nicht in Dressur ausgebildet werden oder andere sportspezifische Konditionsübungen durchführen können. Abgesehen von den körperlichen und geistigen Gesundheitsvorteilen kann die Vielfalt des Gelände-Trainings sowohl Pferd als auch Reiter sportliche Aktivitäten im Reitsport beleben.

Training in hügeligem Gelände ist zudem sehr vorteilhaft für das Herz-Kreislauf-System, da es die Herz- und Atemfrequenz erhöht, ohne dass man in jene Geschwindigkeitsbereiche gehen muss, die mit einem höheren Risiko von Muskel-Skelett-Verletzungen durch wiederholte Mikroschäden verbunden sind. Hügeltraining ist auch ein großartiges Krafttraining zur Entwicklung der Becken-, Rücken- und Bauchmuskulatur. Beim Training auf abschüssigem Gelände werden zusätzliche Muskelgruppen (sowohl konzentrische als auch exzentrische – Verkürzungs- und Verlängerungsmuskeln) eingesetzt, um der Schwerkraft entgegenzuwirken und zu verhindern, dass sich die Masse des Pferdes zu schnell den Hang hinunterbewegt. Ein Pferd, das an Gefällen arbeitet, kann schnell neuromuskuläre Koordination und Beweglichkeit entwickeln sowie seine Propriozeption und sein Gleichgewicht verbessern, so Prof. Koenig.

Welcher Untergrund für welche Sparte?

Im Allgemeinen bevorzugen Dressurreiter einen Boden mit geringerer Aufprallhärte und weniger Grip als Springreiter. Der Untergrund von Western-Disziplinen soll mehr Gleiten ermöglichen (d. h. weniger Scherfestigkeit des Bodenmaterials), um Wendungen und/oder Drehungen bei hoher Geschwindigkeit ausführen zu können.

Der Leitfaden „Equestrian Surfaces – A Guide“ des Schwedischen Reitsportverbandes aus dem Jahr 2014 beschreibt die Auswirkungen der Oberflächeninteraktion mit Huf und Gliedmaßen beim Aufprall: „Die Huflandung bedeutet einen schnellen Bremseffekt, bei dem der Huf nach vorne und unten in den Boden gleitet. Die Aufprall- und Bremskräfte übertragen Stoßwellen und Vibrationen durch Huf, Gelenke und Knochen im unteren Teil des Beins. Je härter der Boden und je mehr Grip er hat, desto mehr Stoßwellen und Vibrationen erfährt das Bein. Der Huf wird von oben nach vorne in den Boden gedrückt, während die oberste Schicht des Bodens für Traktion sorgt.“

Auch hier wird betont: Eine Vielzahl unterschiedlicher Böden ist wichtig, um verschiedene Muskel-Skelett-Strukturen zu trainieren. „Feste Oberflächen kräftigen Knochen, Gelenke und Hufe. Die richtige Balance der Hufe ist wichtig, um eine ungleichmäßige Belastung der Gelenke zu vermeiden. Weiche Oberflächen wie Sand oder Sandmischungen stimulieren Sehnen und Muskeln", so Prof. König ergänzend.

Eine optimale Pflege des Reitbelags ist dabei von besonderer Bedeutung: Die auf die Gliedmaßen einwirkenden Kräfte nehmen bei schlecht konstruiertem und/oder gepflegtem Sand-/Faserboden zu, was das Verletzungsrisiko erhöht. Eine ordnungsgemäße Oberflächenpflege zur Reduzierung der Verdichtung besteht darin, den Sand durch Feuchtigkeit „elastisch“ zu halten oder gummiartiges Material hinzuzufügen und dann zu eggen.

Es gibt keinen einheitlichen Bodentyp, der für alle Disziplinen geeignet ist. Im Allgemeinen bevorzugen Dressurreiter einen Boden mit geringerer Aufprallhärte und weniger Grip als Springreiter. Westernreitsportarten erfordern mehr Fußgleiten (d. h. weniger Scherfestigkeit des Bodenmaterials), um Wendungen und/oder Drehungen bei hoher Geschwindigkeit zu ermöglichen.

Ein Auszug aus „Equestrian Surfaces – A Guide“ (Schwedischer Reitsportverband) beschreibt die Auswirkungen der Oberflächeninteraktion mit Huf und Gliedmaßen beim Aufprall: „Die Huflandung bedeutet einen schnellen Bremseffekt, bei dem der Huf nach vorne und unten in den Boden gleitet. Die Aufprall- und Bremskräfte übertragen Stoßwellen und Vibrationen durch Huf, Gelenke und Knochen im unteren Teil des Beins. Je härter der Boden und je mehr Grip er hat, desto mehr Stoßwellen und Vibrationen erfährt das Bein. Der Huf wird von oben nach vorne in den Boden gedrückt, während die oberste Schicht des Bodens für Traktion sorgt.“

Auch hier gilt: „Eine Vielzahl von Böden ist wichtig, um verschiedene Muskel-Skelett-Strukturen zu trainieren“, sagt Koenig. „Feste Oberflächen pflegen Knochen, Gelenke und Hufe. Die richtige Balance der Hufe ist wichtig, um eine ungleichmäßige Belastung der Gelenke zu vermeiden. Weiche Oberflächen wie Sand oder Sandmischungen stimulieren Sehnen und Muskeln.“

Hochwertiger Rasen ist beispielsweise ein ausgezeichneter Untergrund, wenn er verfügbar ist und die Wetterbedingungen günstig sind. Henderson weist darauf hin, dass das Verletzungsrisiko bei abrupten Veränderungen der Bodenbeschaffenheit (z. B. von nass zu trocken oder von aufgetaut zu gefroren) zunimmt. Wenn man solche abrupten Veränderungen nicht durch Oberflächenkorrektur und -pflege oder Geschwindigkeitsreduzierung kontrollieren kann, können plötzliche Veränderungen der Kräfte, die die Gliedmaßen hinaufwandern, möglicherweise zu Verletzungen führen.

Die Idee hinter modernen Kunstböden besteht darin, Spitzenkräfte durch Absorption von Stößen zu reduzieren, sagt Henderson. Die Autoren von „Equestrian Surfaces – A Guide“ weisen darauf hin, dass eine Arenaoberfläche, selbst wenn sie einheitlich erscheint, dies möglicherweise nicht ist. Wenn Kunstböden nicht richtig entworfen oder gepflegt werden und eine ausreichend dicke Deckschicht aufweisen, werden sie problematisch, da sie die Bodenhaftung erhöhen und an Konsistenz in Textur und Tiefe verlieren, wenn sich die Pferde in der Arena bewegen. Die auf die Gliedmaßen einwirkenden Kräfte nehmen bei schlecht konstruiertem und/oder gepflegtem Sand-/Faserboden zu, was das Verletzungsrisiko erhöht. Eine ordnungsgemäße Oberflächenpflege zur Reduzierung der Verdichtung besteht darin, den Sand durch Feuchtigkeit „elastisch“ zu halten oder gummiartiges Material hinzuzufügen und dann zu eggen.

„Ein qualitativ hochwertiger Sandboden mit einer ausreichend dicken Feuchtigkeitsschicht dämpft Spitzenkräfte auf die Gliedmaßen“, so Dr. Henderson. „Ein Ziel ist es, den Aufprall oder die Spitzenkraft zu reduzieren, die während der mittleren Standphase, wenn ein Gliedmaß vollständig belastet ist, auf das Gliedmaß eines Pferdes einwirkt. Im Vergleich zu Asphalt absorbiert Sand Energie aus dem Aufprall der Gliedmaßen.

Zu beachten ist aber: „Tiefer Sand erfordert eine deutlich höhere Muskelkraft, um sich abzustoßen, da der Untergrund sich vom Aufprall wegbewegt (d. h. der Fuß rutscht). Dies führt zu deutlich größeren Muskelanstrengungen und kardiorespiratorischer Belastung – einschließlich einer um 50 % erhöhten Herzfrequenz – mit einem höheren Risiko von Sehnen-/Weichteilverletzungen", so Dr. Henderson.

Ihr Resümee: „Ein Hauptziel beim Konditionstraining ist das Cross-Training und die Nutzung unterschiedlicher Untergründe, sodass ein Pferd Zeit hat, entstandene Mikroschäden zu heilen und stärker zu werden." Durch die unterschiedliche Belastung mehrerer Gewebe auf unterschiedlichem Untergrund ist es möglich, Gewebeschäden zu mildern und gleichzeitig die Gesamtstärke zu entwickeln.

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