Outdoor ist in: Immer mehr Menschen verbringen ihre Freizeit im Freien – ein an sich begrüßenswerter Trend, aber leider mit Konfliktpotential. ProPferd-Autorin Nicole Miggitsch hat die wichtigsten Grundregeln für ein gedeihliches Miteinander von Reitern, Grundbesitzern und anderen Naturnutzern zusammengestellt.
Die Zeiten, in denen wir Reiter Wiesen und Wege mehr oder weniger für uns allein hatten, sind längst Geschichte. Spaziergänger, Jogger, Mountainbiker, Wanderer, Nordic Walker und viele mehr verbringen ihre Freizeit nun in der Natur, was ja grundsätzlich eine gute und gesunde Entwicklung ist. Auch die Reiter sind nicht unbedingt weniger geworden, sprießen doch in den letzten Jahren praktisch in jedem Hinterhof die Pensionsställe aus dem Boden.
All diese Entwicklungen haben das Miteinander im Gelände nicht einfacher gemacht und es war noch nie wichtiger als jetzt, sich als Reiter durch Freundlichkeit und gutes Benehmen auszuzeichnen. Manche Wege sind öffentlich – aber viele sind im Privatbesitz, gehören Landwirten oder Weggemeinschaften. Keiner von ihnen ist a priori verpflichtet, uns Reiter zu tolerieren – und wenn wir uns unbeliebt machen, kann das Ausreitgelände sehr schnell sehr klein werden.
Höchste Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, was denn eigentlich die „Do’s und Dont‘s“ beim Ausreiten sind. Je mehr Reiter sich an diese paar einfachen Grundregeln halten, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir alle weiterhin tolle Ausritte erleben und ein friedliches Miteinander mit Grundbesitzern und anderen Outdoorsportlern erreichen können.
1. Spaziergängern, Radfahrern, etc. IMMER im Schritt begegnen und freundlich grüßen.
Jeder Reiter verdreht innerlich die Augen, wenn man mal wieder der berühmte Spruch „Geht der nicht schneller“ von einem Passanten zu hören bekommt. Die Galoppstrecke ist auch leider wirklich nur mehr halb so lange, wenn wir zuerst noch im Schritt an der älteren Dame und ihrem Yorkshire Terrier vorbeireiten. Fakt ist aber, dass sowohl der etwas nervige Sprücheklopfer, als auch die Hundebesitzerin sich wahrscheinlich panisch ins Gebüsch retten würden, wenn wir auch nur im Arbeitsgalopp an ihnen vorbeiziehen. Feindseligkeit, eine Beschwerde bei der Gemeinde und ev. sogar ein daraus resultierendes Reitverbot wären wohl die logischen Konsequenzen. Daher – ohne Ausnahme! – immer langsam, mit deutlichem Abstand und einem freundlichen Wort an anderen Erholungssuchenden vorbeireiten.
2. Erst fragen, dann reiten.
Augen zu und durch ist hier leider die falsche Devise. Ist man neu in einem Reitgelände oder entstehen gerade neue Wege, ist immer angesagt sich erst einmal zu erkundigen wo man reiten darf und zu welchen Bedingungen. Auch der Umstand dass Reiter aus einem anderen Stall einen Weg benutzen, heißt nicht automatisch dass dieser für alle offen ist. Oftmals bestehen eigene Absprachen oder sogar eine bezahlte Vereinbarung. Während dem Weidebetrieb haben manche Bauern nichts dagegen, wenn man bestimmte Zäune öffnet und hinter sich wieder schließt, andere möchten das aus unterschiedlichen Gründen nicht. All das lässt sich erfragen. Wer einfach reitet, macht sich bei Wegbesitzern und Reitkollegen unbeliebt.
3. Reitverbote und Einschränkungen beachten.
Es ist verlockend zu glauben, dass einen dieses eine Mal bestimmt niemand sieht, wenn man mal eben den gesperrten Weg entlangreitet. Damit mag man auch ab und zu Glück haben. Aber die Chance, dass eben doch jemand die Hufabdrücke sieht und daraufhin weitere Wege / Strecken gesperrt werden, ist leider groß. Auch Einschränkungen wie Leinenpflicht für mitgeführte Hunde haben ihre Berechtigung und sind zu befolgen. Es mag sein, dass Verbote manchmal unfair und sinnlos erscheinen. Jedoch nur wenn man sich daran hält, hat man eine Gesprächsbasis mit dem Grundbesitzer und kann vielleicht im Laufe der Zeit neu verhandeln.
4. Mist verräumen.
Ebenso wie das Gassisackerl beim Hund, ist das Absteigen und Mist zur Seite schieben mittlerweile unumgänglich geworden. Ein Misthaufen auf dem Weg stört die Spaziergänger, vor der Einfahrt fühlt sich der Anrainer belästigt und auf der Straße beschweren sich die Autofahrer darüber. Eine lästige Pflicht, die entweder schmutzige Schuhe oder das Mitführen diverser Schaufeln, oder ähnlicher Helferlein, bedeutet. Wer sein Reitgelände behalten möchte, sollte sich aber unbedingt damit anfreunden.
5. Ehrlichkeit gewinnt.
Ein Ausrutscher (zB übermütiges Pferd macht ein paar Bocksprünge mitten in die Wiese) kann passieren. Solange man sich umgehend beim Grundbesitzer meldet, sich entschuldigt und anbietet für einen ev. entstandenen Schaden aufzukommen, gibt es selten Probleme. Wer glaubt „das fällt sowieso niemandem auf“ und die Sache einfach unter den Teppich kehrt, könnte beim nächsten Ausritt von einer Reitverbotstafel begrüßt werden. Und die gilt dann leider für alle Reiter, nicht nur für den Übeltäter.
6. Auf Augenhöhe begegnen und die Nerven behalten.
Begegnet einem trotz aller guten Vorsätze einmal jemandem, der sich durch die Anwesenheit von Reiter und Pferd gestört fühlt und anfängt zu schimpfen, ist Geduld angesagt. Am besten steigt man sofort ab, da sich viele Menschen von dem Höhenunterschied zum Reiter „hoch zu Ross“ eingeschüchtert fühlen und diesen sofort als unsympathisch und arrogant abstempeln. Durch das Absteigen kann man das Gespräch auf eine gemeinsame Ebene bringen und dem/der aufgebrachten GrundbesitzerIn / SpaziergängerIn / FörsterIn, … den Wind aus den Segeln nehmen. Verständnis für die Beschwerden des Gegenübers zeigen ist ebenfalls ein gutes Rezept um die Situation zu entschärfen. Das bedeutet nicht, dass man den Vorwürfen zustimmen muss. Nur dass man nicht sofort anfängt sich zu verteidigen und zu streiten. In solchen Situationen ist es sogar meist am besten, die Beschwerde „aufzunehmen“ und später mit Stallbetreiber, Verpächter, Mitreitern oder benachbarten Ställen deren Wichtigkeit bzw. Lösungsmöglichkeiten zu besprechen.
7. Wetter und Umweltbedingungen beachten.
Für manche Wege gibt es Absprachen mit den Besitzern, was das Benützen bei Dauerregen oder aufgeweichtem Boden betrifft. Auch wenn keine solchen Einschränkungen bestehen, sollte man als Reiter seinen Kopf benutzen und selbst einschätzen wann das Bereiten einer Strecke Schaden verursacht. Einem geschotterten Forstweg werden Pferdehufe wahrscheinlich auch nach wochenlangen Regenfällen keinen Schaden zufügen, einem weichen Wald- oder Wiesenweg hingegen schon. Auch die Gangart macht oft einen Unterschied bei schlechten Bodenverhältnissen. Besser einmal umkehren oder Schritt reiten, als andere Wegbenutzer und den Grundbesitzer durch tiefe Löcher zu verärgern.
8. Kein Wild aufschrecken.
Wir Reiter wissen, dass vermutlich jeder Mountainbiker Wildtiere mehr erschreckt als wir und unsere Pferde. Geruch und Geräusche der Pferde scheinen keine sehr beunruhigende Wirkung auf Rehe & Co zu haben. Trotzdem macht es besonders im Wald Sinn nach Wildtieren Ausschau zu halten und lautes Reden einzustellen, während man diese passiert. Besonders im Winter sollte man sich auch als Reiter von den Futterstellen fernhalten, sodass die Rehe dort in Ruhe fressen können. Dass Hunde in Waldnähe an der Leine bzw. jederzeit abrufbar sein müssen, versteht sich von selbst. Nach Absprache mit dem ansässigen Jäger sollte man zu manchen Jahreszeiten Ausritte in der Dämmerung vermeiden, um weder Wildbeobachtungen zu stören, noch in die Schusslinie zu geraten. Unstimmigkeiten mit dem Jäger lassen sich so relativ leicht vermeiden.
9. Ich bin nicht von hier, interessiert mich nicht?
Egal ob Reitbeteiligung oder Wanderreiter, auch wenn man nicht dauerhaft in einem Reitgelände zu Hause ist, sollte man sich an die geltenden Regeln halten. Als Wanderreiter auf der Durchreise kann man vielleicht nicht alles wissen, aber die meisten bisher erwähnten Grundregeln gelten überall und vieles sagt einem der Hausverstand. Bitte bedenkt, dass andere auf dieses Reitgelände angewiesen sind und es nicht fair ist, ihnen dauerhaft etwas kaputt zu machen.
10. Das Gespräch suchen.
Gibt es bereits Probleme und immer mehr Reitverbotstafeln? Kommen laufend neue Reiter dazu, die nicht ausreichend auf ein friedliches Miteinander achten? Am besten holt man alle an einen Tisch und versucht zusammen eine Lösung zu finden. Informieren ist besser als kritisieren und viele Gemeinden erarbeiten mittlerweile gemeinsam mit den örtlichen Pferdebetrieben erfolgreich eine Regelung mit „Nummerntafeln“ für Pferde, einer genauen Karte welche Wege für Reiter offen sind und/oder einem kleinen Unkostenbeitrag für die betroffenen Bauern. Solche Lösungen sind allemal besser, als auf das erholsame Erlebnis eines Ausrittes verzichten zu müssen.