Magazin 

Rubrik
Zur Übersichtzurück weiter

Koppel-Kumpels: Weidepartner für Pferde
12.04.2017 / Wissen

In früheren Staatsgestüten und großen Pferdezuchten galt die Devise: Eine erfolgreiche Pferdezucht ist ohne eine Rinderherde nicht möglich – und auch heute kann eine Weidegesellschaft von Pferd und Rind viele Vorteile bringen.
In früheren Staatsgestüten und großen Pferdezuchten galt die Devise: Eine erfolgreiche Pferdezucht ist ohne eine Rinderherde nicht möglich – und auch heute kann eine Weidegesellschaft von Pferd und Rind viele Vorteile bringen. / Foto: Martin Haller
Esel werden oft unterschätzt und können die nötige Ruhe in eine Pferdeherde bringen.
Esel werden oft unterschätzt und können die nötige Ruhe in eine Pferdeherde bringen. / Foto: Martin Haller
Lamas und Alpakas eignen sich bestens zur Grünlandpflege und für den Einsatz als Trekking- oder Therapietiere.
Lamas und Alpakas eignen sich bestens zur Grünlandpflege und für den Einsatz als Trekking- oder Therapietiere. / Foto: Martin Haller

Pferde mit Angehörigen anderer zoologischer Ordnungen zu halten, ist eine reizvolle Variante mit manchen Vorteilen, etwa hinsichtlich Weidepflege und Parasitenkontrolle. Aber was sind die idealen Pferde-Gefährten – ProPferd-Autor Martin Haller gibt Tipps.

 

Es gibt viele gute Gründe, seine Pferde mit anderen Tierarten zu halten: Pferde sind ausgesprochen sozial und lieben es nicht nur, unter ihresgleichen zu sein, sondern schätzen durchaus auch andersartige Gesellschaft. In manchen Betrieben wird aus pädagogischen oder wirtschaftlichen Gründen sogar ein ‚buntes Durcheinander‘ gepflegt, um eine sinnvolle Gewöhnung herbeiführen – z. B. bei Arbeitspferden, die vor Rindern keine Scheu haben dürfen.

Sinnvolle Partnerschaften
Doch auch andere Gründe können für andersartige Weidegesellen sprechen. Pferdekenner und Zuchtexperte Hans Brabenetz: „In der Pferdehaltung gab es früher, als die Gestüte oft noch weitläufige Großbetriebe waren, einen Grundsatz, der da lautete: Eine erfolgreiche Pferdezucht ist ohne eine Rinderherde nicht möglich. Der Grund dafür war, dass die Weidepflege und die Parasitenbekämpfung im wechselweisen Einsatz der beiden Tierfamilien (Paar- und Unpaarhufer) für damalige Begriffe optimiert werden konnte. Heute können Maschinen und medizinische Präparate diese Aufgaben übernehmen – aber eine Weidegesellschaft Pferd-Rind bleibt trotzdem attraktiv!“

Viele spezifische Parasiten einer Tierfamilie gehen im Verdauungstrakt der anderen zugrunde; auch sind die Fressgewohnheiten verschieden. Rinder bevorzugen eher lange Gräser und rupfen diese mit der Zunge ab, Pferde mögen kurzes Gras, das sie mit den Schneidezähnen bodennah weiden. Auch die Geschmäcker sind verschieden, weshalb die typischen Geilstellen einer Tierfamilie von der anderen teilweise beseitigt werden. Zwar kann eine derartige Wechselweide (gleichzeitig oder nacheinander, dann aber Rind VOR Pferd) weder einen regelmäßigen Reinigungsschnitt noch Entwurmungen ersetzen, aber sie wirkt sich positiv aus. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich die Pferde an Rinder gewöhnen und sie daher besser tolerieren – die Panik vor der Kuh fällt weg.

Wer aber kommt als Koppel-Gefährte für unsere geliebten Vierbeiner überhaupt in Frage? Weil wir dabei 100%-ig fair sein wollen, stellen wir die idealen Weidegefährten hier der Größe nach vor, und zwar bei ‚klein‘ beginnend…

Ziegen
Ziegen sind kapriziös (nicht zufällig leitet sich dieser Begriff vom lateinischen capra für Ziege her) und apart, dabei stets neugierig und etwas egoistisch. Hausziegen kommen weltweit vor, was sie ihrer großen Genügsamkeit und Anpassungsfähigkeit verdanken. Etwa 95 Prozent des Weltbestandes werden in den Entwicklungsländern gehalten, für deren Bevölkerung die robusten Wiederkäuer oft die Lebensgrundlage bieten (Milch, Fleisch, Leder, Wolle). Als Weidegesellschaft von Pferden sind sie gut geeignet und stellen keine Nahrungskonkurrenz dar. Kälte macht ihnen nicht viel aus, solange sie genug Futter finden, Nässe jedoch ist ihnen verhasst. Zudem sind sie gesellige Herdentiere und sehr selektive Fresser. Gras genügt der Ziege nicht, sie will sich Blätter und Kräuter suchen, an Zweigen und Sträuchern knabbern und von Knospe zu Blüte wandern – selbst auf der üppigsten Wiese meckert sie non-stopp und verliert rapide an Gewicht. Zartes Grummet ist als Winterfutter recht, sollte aber immer mit Zweigen oder Laub kombiniert werden.
Früher galt die Ziege in Österreich als „Eisenbahner-Kuh“, weil die Bahnwärter sie gerne am Bahndamm fressen ließen, anstatt ihn zu mähen. Heute haben Ziegen der verschiedenen Rassen eine kleine, aber begeisterte Anhängerschaft. Viele Aussteiger, Landwirte auf der Suche nach alternativen Produkten und Hobbybauern mit städtischem Hintergrund hegen für die meckernden Hausgenossen große Sympathie. Allerdings müssen die Weiden gut eingezäunt sein – bekanntlich ist das Gras auf der anderen Seite des Zaunes stets grüner; ein schlagstarker, dreilagiger E-Zaun einen Meter hoch ist eine Notwendigkeit, sonst steht man bald vor einer Zaunruine. Gerlinde Achleitner ist langjährige Ziegenhalterin: „Ziegen sind wahre Entfesselungskünstler und entdecken mit Sicherheit jede Schwachstelle der Einfriedung. Passt man nicht auf, sind innerhalb von Sekunden junge Obstbäume entrindet und die schönsten Rosen geköpft. Bewährt hat sich ein mindestens 1,30 m hoher Wildzaun mit Bretterverstärkung, auf stabilen Pfosten angebracht.“ In Kombinationsweide mit Pferden ergibt sich das Problem, dass Maschendraht für diese inzwischen verboten ist.

Die graue Eminenz
Esel sind verkannte Größen! Meist werden sie unterschätzt – sie sind nämlich keineswegs dumm oder stur, sondern zeigen nur andere Verhaltensweisen als das Pferd. Da sie gutmütig, clever und robust sind, können sie viel Spaß und Freude bereiten.

Vom viel temperamentvolleren Pferd unterscheidet den Esel, dass er weniger territorial ist, also kaum schwere Rangkämpfe ausficht. Zudem neigt er weniger zum Durchgehen; bei Gefahr bleibt er meist stehen und sondiert die Lage, ehe er sich entweder gelassen aus dem Staub macht oder einfach abwartet, bis die Bedrohung vorbei geht. Für nervöse Pferde kann ein Esel ein beruhigender Kompagnon sein, der in aller Regel kaum aggressiv wird und daher Ruhe in die Bude bringt.

Der Esel liebt es weder feucht noch extrem kalt, für Schlechtwetter sind Haut und Haarkleid nicht gemacht – es fehlen ihm wasserabweisende Fellstruktur und wärmende Fettschicht. Die kleinen, extrem harten Hufe bieten guten Halt auf felsigem Grund und nützen sich auf Grasboden kaum ab, daher ist regelmäßige Hufpflege besonders wichtig, wenn der Boden weich ist. Seine unglaubliche Genügsamkeit ist durch viele Erzählungen bekannt, in denen das Eselchen sogar Disteln futtert, während sein edler Verwandter, das Pferd, mit Hafer gefüttert werden muss. Üppiges Gras ist für Grautiere ein permanentes Risiko; dann lauern Hufrehe, Kreuzverschlag und metabolische Probleme. Eine gemeinsame Fütterung mit Leistungspferden ist nicht möglich – sie muss individuell erfolgen.

Ein gut erzogener und gehaltener Esel ist ein idealer Gefährte für Kinder oder ängstliche Erwachsene. Vor allem als Streicheltier und Therapietier für Menschen mit Behinderung eignet er sich bestens. Nachteile sind die unangenehm laute Stimme und die Tatsache, dass Esel besonders gewissenhaft entwurmt werden müssen. Seit 2009 müssen alle Esel, wie auch Pferde, mit einem Mikrochip bzw. durch DNA-Typisierung individuell markiert werden; einen sog. Equidenpass müssen sie ohnehin besitzen, da sonst jeglicher Transport illegal wäre – Esel sind nämlich auch Equiden!

Lamas und Alpakas
Sogar wenn man gar nichts über Kamele wüsste, soviel steht fest: Sie haben alle mindestens einen Höcker und kommen aus der Wüste. Danke, setzen – Nichtgenügend! Es gibt nämlich neben den sattsam bekannten Kameliden (Dromedar und Trampeltier) Asiens und Afrikas noch die so genannten Neuwelt-Kamele, die als Lamas oder Alpakas aus den Anden kommend auch in Europa viele Fans gefunden haben. Ihre alten Wildformen sind die etwa hirschgroßen Guanakos und die zierlichen, rehgroßen Vicunjas. Sie alle sind in Herden lebende, extrem robuste Wiederkäuer und haben keine Höcker. Es ist bislang wenig bekannt, dass sich die domestizierten Arten in Europa seit etlichen Jahren einen Platz als Haustiere bzw. Nutztiere erobert haben. Längst hat man erkannt, dass sich die so genannten „Schafkamele“ für alternative Landwirtschaft (Wolle, Fleisch), zur Grünlandpflege, als Trekking- und Therapietiere sowie als attraktive Hobbytiere perfekt eignen. Ihre sanften Augen und das weiche Fell sprechen vor allem Kinder positiv an.
Die beiden Rassen werden alle Jahre geschoren, sind relativ robust und erfordern nur geringen Aufwand in Haltung und Pflege. Sie begnügen sich mit einem einfachen Offenstall und Weidegang, sowie etwas Heu und Stroh. Die Hufnägel müssen regelmäßig beschnitten werden, Wurmkuren und Impfungen entsprechen etwa jenen bei Pferden. Die vorgeschriebenen Mindestflächen für Stall, Auslauf und Weide sind beim Verein LARA (Lama-Alpaka Register Austria, www.lamas.at) zu erfragen; sie richten sich nach der 1. Tierhaltungsverordnung.

Neuweltkamelide sind noch stärker als die echten Kamele geneigt, sich bei Stress oder (vermeintlicher) Gefahr durch gezieltes Spucken zu wehren. Das tun sie sowohl Artgenossen als auch artfremden „Gegnern“ gegenüber. Man tut also gut daran, sich ihnen ruhig und freundlich zu nähern und sie nicht zu erschrecken; mit Pferden kommen sie gut aus. Allerdings brauchen diese immer eine recht lange und kontrollierte Gewöhnungsphase, denn Pferde sind allen Kamelen gegenüber meist extrem misstrauisch. In Weidegesellschaft geschieht es oft, dass die Lamas innerhalb der gemischten Herde rasch an die Spitze der Rangordnung steigen. Als Zaun genügt meist ein ca. 130 cm hoher, einwandfreier E-Zaun mit fünf Lagen, Stacheldraht ist ebenso wie beim Pferd verboten.

Rinder
Dem Nicht-Landwirt ist das Rind oft nur als lila Milka-Kuh vom Werbefernsehen oder vom Urlaub auf dem Bauernhof flüchtig bekannt. Dabei begleiten uns die muhenden Wiederkäuer schon geraume Zeit: Unsere Hausrinder stammen vom so genannten Auerochsen ab, der nur mehr als Rückzüchtung besteht; das Original wurde ausgerottet. Doch vor allem die sympathischen Robustrinder sind durchaus noch mit Wildrindern vergleichbar. Die langhornigen Highland Cattle, die frohwüchsigen Angus und die gutmütigen Galloways sind attraktive und durchaus lukrative Rassen, die oft und gerne auf Kleinlandwirtschaften oder Pferdezuchtbetrieben in Wechselbeweidung oder in Weidegesellschaft eingesetzt werden. Dexter, Dahomey und Mini-Zebu sind Zwergformen, die nur etwa die Größe eines Shetland-Ponys erreichen und damit recht einfach zu halten sind. Ihnen allen ist große Robustheit, Wetterunempfindlichkeit und Genügsamkeit eigen. Wird keine kommerzielle Nutzung angestrebt, so können friedfertige Kühe oder Ochsen (das Gegenstück zum Wallach) neben ihrer Aufgabe als Weidepfleger durchaus pfiffige und amüsante Sympathieträger sein. Sie sind sehr intelligent, kontaktfreudig und erfreuen das Auge. Nachteilig sind die Hörner, die durchaus eine Gefahr darstellen können, und das laute Muhen, das nicht jedermann zusagt. Auch brauchen Rinder regelmäßige Klauenpflege und Entwurmungen – beides muss vom Fachmann durchgeführt werden, weil die Kuh halt oft „büffelig“ sein kann.
Martin Haller


Weitere Tipps & Infos

... über Ziegen
Ziegen. Artgerecht und natürlich halten, Nina Brörkens, Kosmos Verlag 2010, 132 Seiten, ISBN-13: 978-3440114469, € 17,50

Farbatlas Schaf- und Ziegenkrankheiten, Joahnnes Winkelmann, Martin Gantner, Ulmer Verlag 2008, 160 Seiten, ISBN-13: 978-3800153800, € 30,80

Gesellschaft z. Erhaltung seltener Haustiere: www.arche-austria.at

... über Esel
Esel halten, Marisa Hafner, Ulmer Verlag 2005, 239 Seiten, ISBN-13: 978-3800148851, € 35,90

Interessengemeinschaft Österreichischer Eselfreunde: www.ia-austria.at

... über Lamas & Alpakas
Lamas und Alpakas, Gerhard Rappersberger, Ulmer Verlag 2008, 141 Seiten, ISBN-13: 978-3800149872, € 25,60

Neuweltkameliden. Haltung, Zucht, Erkrankungen, Matthias Gauly et. Al., Enke Verlag 2010, 173 Seiten, ISBN-13: 978-3830411321, € 61,70

Lama-Alpaka Register Austria: www.lamas.at

... über Rinder
Fleischrinderzucht und Mutterkuhhaltung, Günter Hampel, Ulmer Verlag 2009, 240 Seiten, ISBN-13: 978-3800158874, € 30,80

Robustrinder: Highland Cattle und Galloway, Friedrich Hardegg und Wolfgang Müller, AV-Buch 2008, 93 Seiten, ISBN-13: 978-3704022752, € 29,90

Kommentare

Bevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...
Zur Übersichtzurück weiter

 
ProPferd.at - Österreichs unabhängiges Pferde-Portal − Privatsphäre-Einstellungen