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Retter auf vier Hufen: Die Reiterstaffel des Deutschen Roten Kreuzes
12.07.2017 / Wissen

Die Sanitätsreiterstaffel der Region Hannover ist seit 2006 im Einsatz, um Menschen in Notsituationen zu helfen.
Die Sanitätsreiterstaffel der Region Hannover ist seit 2006 im Einsatz, um Menschen in Notsituationen zu helfen. / Foto: DRK Region Hannover
Einsätze in unzugänglichen Gebieten sind die Domäne der Sanitätsreiterstaffel.
Einsätze in unzugänglichen Gebieten sind die Domäne der Sanitätsreiterstaffel. / Foto: DRK Region Hannover
Regelmäßiges Training ist wichtig – und so ein ,Extreme Trail
Regelmäßiges Training ist wichtig – und so ein ,Extreme Trail' ist eine exzellente Übung für Sanitätspferde. / Foto: DRK Region Hannover

Deutschland und Island sind die einzigen europäischen Länder mit Sanitätsreiterstaffeln – das sind berittene Sanitätseinheiten, die bei Unfällen in unzugänglichen Gebieten für rasche Hilfe sorgen. Ein Beispiel dafür ist die DRK-Reiterstaffel der Region Hannover.

 

In den USA, in Kanada und in Australien sind die berittenen Einsatzkräfte der ,Mounted Search and Rescue' (MSAR) seit mehr als 50 Jahren bestens bewährt: Sie sind bei Such- und Rettungseinsätzen nach verunglückten oder vermissten Personen in schwer zugänglichen Gebieten eine unentbehrliche Hilfe, sie können schneller größere Entfernungen zurücklegen und dabei auch mehr Rettungsausrüstung transportieren, als dies menschliche Helfer zu Fuß je könnten. Die Schutzengel auf vier Hufen haben damit bereits Tausenden Menschen in Notsituationen geholfen – und vielen davon das Leben gerettet.

In Europa sind vergleichbare Einheiten deutlich seltener anzutreffen – nur zwei Länder, nämlich Island und Deutschland, haben sogenannte Sanitätsreiterstaffeln aufgebaut. In Deutschland wurde im Jahr 2001 die erste Staffel durch die Johanniter-Unfallhilfe in Harburg ins Leben gerufen, die mittlerweile mehrere Einheiten umfasst. 2006 wurde in der Region Hannover die Reiterstaffel des Deutschen Roten Kreuzes gegründet, die derzeit lt. eigener Auskunft 18 ehrenamtliche Sanitäter (13 ReiterInnen und 5 nicht reitende Helfer) umfasst und über insgesamt 14 Pferde verfügt. Es sind dies ausnahmslos private Pferde, für deren Unterhaltskosten die Besitzer selbst aufkommen. Alle Mitglieder der DRK-Reiterstaffel haben eine Sanitätsausbildung abgeschlossen und sind zusätzlich geschult im Umgang mit medizinischer Ausrüstung, haben zudem Kenntnisse im Kartenlesen und Fernmeldedienst sowie in Einsatztaktik und Technik. Durch den Basispass Pferdekunde und eine Geländereiterprüfung werden die reiterlichen Fähigkeiten überprüft.

Die Sanitätsreiterstaffel kommt dort zum Einsatz, wo Geländewagen nicht fahren können bzw. nicht fahren dürfen – und Retter zu Fuß zu schwerfällig und langsam wären. Verletzte bzw. verunfallte Personen können so eine rasche und effektive Ersthilfe erhalten, bis der eigentliche Rettungsdienst eintrifft. Auch bei Suchaktionen sind die berittenen Helfer klar im Vorteil: Durch die erhöhte Sitzposition des Reiters lässt sich ein großes Gebiet gut überblicken – so können einige wenige Reiter eine ganze Suchkette von vielen Personen ersetzen oder verstärken. Auch in Natur- oder Wasserschutzgebieten, in Motorfahrzeuge nicht eingesetzt werden können oder dürfen, wird die Reiterstaffel herangezogen – und auch Einsätze bei sportlichen Events wie Wald- oder Geländeläufen und Marathonläufen zählen zum Standard-Repertoire der Reiterstaffel:  Man kommt im umwegsamen Gelände rascher voran, hat am Pferd eine bessere Sicht, wird von anderen besser wahrgenommen und kommt auch rascher durch größere Menschenmengen.

Doch nicht nur die Sanitäter müssen über besondere Fähigkeiten verfügen, sondern auch ihre vierbeinigen Partner: Die sollten vor allem – ebenso wie ihre Reiter – besonders ruhig, gelassen, nervenstark und zuverlässig sein, um auch schwierige Situationen meistern zu können, wie Susanne Meier, die Leiterin der DRK-Reiterstaffel der Region Hannover erklärt: „Ganz wichtig ist Coolness und ein gutes Sozialverhalten in jeder Situation. Bei vielen Einsätzen ist eine Menge Trubel. Besucher laufen umher, Fahrzeuge kommen aus allen Richtungen und vieles mehr. Da müssen die Pferde – aber auch die Reiter – einfach gelassen und freundlich bleiben."

Damit ein Pferd in der DRK-Reiterstaffel eingesetzt werden kann, muss es eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen: So müssen sie u. a. eine Gelassenheitsprüfung absolvieren, in der sie mit zahlreichen „Schreckgespenstern" wie aufspringenden Regenschirmen, raschelnden Planen oder lauten Knallgeräuschen konfrontiert werden – und vor den sich die Vierbeiner nicht erschrecken dürfen. Susanne Meier: „Da Gelassenheit wirklich wichtig ist und immer wieder trainiert werden muss, planen wir das an unseren Übungstagen eigentlich jedes Mal mit ein. Und auch Zuhause übt jeder Reiter das regelmäßig." Willkommen sind übrigens Pferde aller Rassen – es gibt auch kein Mindeststockmaß.

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass sich die Pferde rasch und problemlos verladen lassen – denn im Notfall muss man so schnell wie möglich zum Einsatzort gelangen, jede Minute ist dabei kostbar. Deshalb steht auch Verladetraining auf dem Stundenplan eines Sanitätspferdes. Das Reiten im Straßenverkehr muss ebenfalls regelmäßig geübt werden – und auch Orientierungsritte im Gelände zählen zum ständigen Übungs-Repertoire, nicht zu vergessen die Gewöhnung an Blaulicht, Signalhorn, Rettungsdecken, Flaggen und brennenden Fackeln.

Die zentrale Aufgabe der Reiterstaffel ist der sogenannte „Sanitätsdienst”, etwa zur Absicherung von Veranstaltungen wie Marathonläufen oder dem Einsatz in touristisch stark frequentierten Naturschutzgebieten wie der Lüneburger Heide. Dabei wird – ähnlich wie bei den Kollegenen der berittenen Polizei – Streife geritten, auch um im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit das Deutsche Rote Kreuz zu repräsentieren. Dabei zeigt sich ein weiterer großer Vorzug der Pferde, so Susanne Meier: Sie haben – besonders bei Massenveranstaltungen – eine deeskalierende sowie kontaktfördernde Wirkung auf andere Menschen und werden – speziell in der freien Natur – nicht als Störfaktor wahrgenommen, wie das bei Geländewagen oder Quads der Fall ist. Mit einem Wort: Als Sympathieträger sind die Vierbeiner einfach unschlagbar.

Ein dickes Fell sollten auch die menschlichen Mitglieder der Sanitätsreiterstaffeln haben – denn sie müssen bei jedem Wetter einsatzbereit sein, sommerliche Hitze sollte ihnen ebenso wenig anhaben können wie Dauerregen und Frost: „Wir sind wirklich keine Schönwetterrreiter. Und es gibt Veranstaltungen, bei denen man durchaus zwölf Stunden oder länger im Sattel ist. Aber wir leisten oft wichtige Ersthilfe – einmal konnten wir sogar jemanden mit Herzstillstand wieder ins Leben zurückholen. Das sind dann die Momente, die für jede Mühe entschädigen. Außerdem ist die Arbeit in der Reiterstaffel einfach perfekt, um die Liebe zum Pferd mit ehrenamtlichem Engagement zu verbinden", so Susanne Meier. Und das kann wohl jeder Pferdefreund nur allzu gut nachfühlen ...

Nähere Infos über die Arbeit der DRK Reiterstaffel der Region Hannover gibt's hier!

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