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Die Pferdefischer von Oostduinkerke: Die Letzten ihrer Art
14.07.2017 / Wissen

Ein beinahe mythisches Bild: Die mächtigen Brabanter Pferde durchpflügen mit ihren Netzen die rauhe Nordsee.
Ein beinahe mythisches Bild: Die mächtigen Brabanter Pferde durchpflügen mit ihren Netzen die rauhe Nordsee. / Foto: Screenshot Youtube-Video

Das belgische Oostduinkerke ist der einzige Ort der Welt, an dem sich eine jahrhundertealte Form der Fischerei erhalten hat: das Krabbenfischen zu Pferd, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.


Allein der Anblick ist einzigartig und verzaubert Jahr für Jahr Tausende Touristen und Schaulustige an den Stränden der belgischen Stadt Oostduinkerke: Über eine Tonne schwer sind die mächtigen Brabanter Pferde, die – mit großen Körben an ihrer Seite – bis zur Brust im Wasser waten und mit kraftvollen Schritten den schäumenden Wellen der rauhen Nordsee trotzen: Unbeirrt von Meer und Wind pflügen sie durch die anbrandende See und ziehen dabei ein acht Meter breites Netz hinter sich her, in dem sich die kostbaren und wohlschmeckenden Garnelen verfangen sollen, die man hier einfach nur Krabben nennt.

Stefan Hanke ist einer der wenigen, die noch die Kunst des Krabbenfischens zu Pferd beherrschen – und er macht seine Arbeit mit Stolz und mit Leidenschaft. Derzeit gibt es im belgischen Oostduinkerke, unweit von Dünkirchen, wieder 19 Pferdefischer – damit ist die Pflege und das Überleben der Krabbenfischerei zu Pferd sichergestellt, und auch das ist Stefan Hanke ein besonderes Anliegen: In den 90er Jahren, als es gerade noch zwei, drei Fischer gab, stand die jahrhundertealte Tradition praktisch vor dem Aus – viele Alte hatten damals mit ihrer Arbeit aufgehört, und Nachwuchs gab es kaum.

Dass es nicht soweit gekommen ist, ist Enthusiasten wie Stefan Hanke zu verdanken: Er bildet mittlerweile auch neue Pferdefischer aus, darunter auch seinen Sohn – und hat dafür gesorgt, dass dieses Handwerk, das früher auch in Großbritannien und Frankreich betrieben wurde, zumindest in Belgien nicht ausstirbt. Dieses Ziel wurde glücklicherweise erreicht – und das hat die Welt auch honoriert: Die Krabbenfischer zu Pferd in Oostduinkerke wurden im Dezember 2013 durch die UNESCO als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt. Die Pferdefischerei ist eine über 500 Jahre alte Tradition und lässt sich bis ins Jahr 1502 zurückverfolgen.

Jahrhundertelang haben sich die Bauern der Umgebung mit der Krabbenfischerei ein Zubrot verdient und ihre kräftigen Pferde nicht nur auf dem Feld oder für Transportaufgaben eingesetzt, sondern auch vor das Netz gespannt, um im Meer auf Krabbenjagd zu gehen. Heute ist das Krabbenfischen zu Pferd nicht mehr Broterwerb, sondern Liebhaberei – und Touristenattraktion. In den Sommermonaten treffen sich die Krabbenfischer mit ihren Zugpferden zu festgesetzten Zeiten am Strand, befestigen die Netze und ziehen ihre traditionellen Kleider an: gelbe Öljacken, hohe Stiefel und einen Südwester auf dem Kopf. Dann gehen sie ins Meer auf Krabbenfang. Wenn die Fischer etwa 3 Stunden später zurück zum Strand kommen, werden die Netze geleert. Fische und Quallen, die in den Netzen hängen geblieben sind, werden wieder zurück ins Meer geworfen, die Krabben selbst werden gründlich gereinigt und in Plastikkörben in den Ort gebracht.

Zu ihren Pferden pflegen die Fischer ein besonderes Verhältnis: Ohne absolutes Vertrauen zwischen Mensch und Tier ist kein Krabbenfischen möglich – eine gründliche Ausbildung und ein langes Training sind daher unverzichtbar: „Ein Brabanter liebt das Meer nicht von Natur aus. Es braucht ungefähr ein Jahr, bis man ihm beigebracht hat, wie er ins Meer gehen soll und wie das Fischen funktioniert. Je mehr Vertrauen das Pferd zu seinem Menschen hat, umso besser wird es auch beim Fischen sein. Das Pferd muss einem vertrauen – und man muss es stets gut im Meer führen", so Stefan Hanke über das Erfolgsgeheimnis eines guten Krabbenfischers.

Während der Sommer den Touristen gehört, ist der Frühsommer und der Herbst die eigentliche Hochsaison für die Krabbenfischer: Zwischen Mitte September und Anfang Dezember sowie zwischen Mitte Mai und Mitte Juni erwischt man die meisten Shrimps, bis zu 40 oder auch 50 kg pro Tag kann man in dieser Zeit aus dem Meer holen – aber natürlich gibt es auch Tage, wo man fast gar nichts fängt. Die mehr oder weniger üppige Beute wird dann meist in der eigenen Familie verwertet und an Freunde und Bekannte verteilt – der kommerzielle Fang lohnt schon lange nicht mehr.

Doch darauf kommt es den Pferdefischern auch nicht an: Sie lieben ihre Arbeit dennoch über alles – sie genießen die Ruhe und das Einssein mit ihrem Pferd und der Natur: „Diese Tradition gehört den Menschen der Küste, es ist ein Teil von ihnen. Wenn sie irgendwen aus Oostduinkerke kennen – sogar wenn sie am anderen Ende der Welt leben – und über diesen Ort sprechen, dann kennen sie auch die Pferdefischer. Es ist Teil unserer Kultur, und ich bin sehr stolz darauf", so Stefan Hanke.

Auf der Website von Oostduinkerke gibt's die Termine fürs Krabbenfischen zu Pferde in der Haupt- und Nebensaison – eine Attraktion, die jedenfalls einen Besuch wert ist.

Das Videoportal ,Great Big Story' hat eine eindrucksvolle Reportage über die Krabbenfischer von Oostduinkerke gestaltet – das wunderschöne Video mit bezaubernden Bildern kann man hier genießen ...

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