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Mögen Pferde Musik?
03.08.2016 / Wissen

Spannende Frage: Mögen Pferde Musik – und wenn ja: worauf stehen sie am meisten?
Spannende Frage: Mögen Pferde Musik – und wenn ja: worauf stehen sie am meisten? / Foto: Simone Aumair

Ein Leben ohne Musik ist für viele ReiterInnen undenkbar – aber wie sieht es denn bei unseren geliebten Pferden aus? Mögen auch sie Musik – und welchen Einfluss hat sie auf ihre Emotionen und ihr Wohlbefinden. Wir haben nachgeforscht...

 

Für die meisten Menschen ist Musik ein unverzichtbarer Teil ihres Alltags und ihres Lebens: Viele hören schon beim Frühstück Musik, dann im Auto am Weg in die Arbeit – und auch in manchen Büros läuft, als dezente Hintergrund-Untermalung, oft leise ein Music-Player oder ein Radio. Musik kann unsere Laune heben, uns in andere Stimmungen und Gedanken-Welten versetzen, uns entspannter und glücklicher machen. Und selbst wenn wir am späten Nachmittag in den Stall kommen und zwei, drei Stunden mit unseren geliebten Pferde verbringen, kann es sein, daß irgendwo ein Radio läuft und wir zu einer beschwingten Melodie unser Pferd putzen, füttern und pflegen. Vieles geht einfach leichter mit sanften Rhtythmen dazu...

Nur: Was würde unser Pferd zu alledem sagen? Ist es genauso musikliebend wie wir – oder geht ihm das Gedudel eigentlich auf die Nerven? Eine Umfrage unter Stallkollegen bringt leider kein eindeutiges Ergebnis: Manche Pferde, heißt es, scheinen Musik ganz gerne zu haben, sie spitzen aufmerksam die Ohren und scheinen genau hinzuhören, was sich da ,abspielt'; andere wiederum sind offenbar nicht ganz so begeistert – und den meisten scheint es schlicht völlig egal zu sein, sie zeigen keine sichtbare Reaktion. Wie also ist das nun mit Pferden und Musik: Mögen Pferde sie – und wenn ja, welche? Sind ihre musikalischen Vorlieben ebenso individuell wie die von uns Menschen – und lassen sich daher gar keine allgemeinen Schlüsse ziehen? Nun, ganz so ist es auch wieder nicht...

Musik entspannt und beruhigt
Denn immerhin haben sich bereits mehrere Wissenschaftler des Themas ,Pferde und Musik' angenommen – und versucht herauszufinden, wie sich Musik auf das Wohlbefinden und den Gemütszustand von Pferden auswirkt – und welche Veränderungen an ihnen zu beobachten sind, wenn sie Musik hören. Die jüngste diesbezügliche Studie wurde 2015 von polnischen Forschern durchgeführt. An der Untersuchung waren insgesamt 70 Vollblutaraber im Alter von drei Jahren beteiligt waren (40 Pferde in der Untersuchungsgruppe, 30 Pferde in der Kontrollgruppe). Den Pferden der Untersuchungsgruppe wurde während der gesamten Testdauer eine speziell zusammengestellte, besonders melodische Musik im Stall vorgespielt, und zwar jeweils fünf Stunden lang am Nachmittag. Der emotionale Zustand der Pferde wurde durch Messung der Herzaktivität in der Ruhephase, beim Satteln sowie beim Aufwärmen unter dem Reiter überprüft. Diese Messungen wurden sechs Mal durchgeführt, im Abstand von jeweils 30 bis 35 Tagen, begleitend dazu wurden auch noch die Leistungen der Pferde anhand ihrer Rennergebnisse analysiert und ausgewertet.

Die Ergebnisse waren eindeutig – die Musik hatte einen messbaren positiven Einfluss auf die Pferde der Untersuchungsgruppe, bei denen ein deutlicher Entspannungs-Effekt und eine niedrigere Herzschlagrate als bei den Pferden der Kontrollgruppe beobachtet werden konnte. Dieser positive Einfluss stellte sich bereits nach einem Monat ein – und verstärkte sich im zweiten und dritten Monat weiter. Auch wenn sich dieser Effekt nach dem dritten Monat wieder abschwächte und in Richtung der Ausgangs-Werte tendierte (offenbar hatten sich die Pferde an die Musik gewöhnt), zeigte sich ein nachhaltiger positiver Effekt hinsichtlich der Rennleistungen während der gesamten Testdauer: Die mit Musik ,berieselten' Pferde eroberten eindeutig bessere Platzierungen als ihre Kollegen der Kontrollgruppe. Das Resümee der Wissenschaftler: Musik im Pferdestall ist ein geeignetes Mittel, um das Wohlbefinden von Pferden zu verbessern – vor allem in einem Zeitrahmen von zwei bis drei Monaten, danach scheint eine Art ,Gewöhnungs-Effekt' einzutreten. Trainer könnten jedoch Musik gezielt und zeitlich befristet als Trainingshilfe einsetzen – etwa vor Beginn der Rennsaison oder vor einem wichtigen Rennen.

(Quellennachweis: Anna Stachurska, Iwona Janczarek, Izabela Wilk, Witold Kędzierski: Does music influence emotional state in race horses? Journal of Equine Veterinary Science (2015) 35, pp 650–656)

Musik verringert Stress beim Absetzen
Eine beruhigende, stress-mindernde Wirkung von Musik auf Pferde konnte auch im Rahmen einer Studie nachgewiesen worden, die Forscher der Universität von Queensland in Australien 2012 durchgeführt haben:  Zwölf Absetzer wurden im Rahmen der Forschungsarbeit gemeinsam aufgezogen und nach Temperament in zwei Gruppen aufgeteilt. An den Wochenenden kamen alle Absetzer zusammen, von Montag bis Freitag blieb jeweils eine Gruppe auf der Weide, während die andere Gruppe mit oder ohne beruhigende Musik in den Stall gebracht wurde. Manchmal blieben auch beide Gruppen über einen Zeitraum von fünf Tagen mit Musik und fünf Tage ohne Musik im Stall.
Während der Musiktherapie wurde täglich von 9 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags das Hauptthema des Films ,Forrest Gump' von Alan Silvestri gespielt, das aufgrund seines eingänglichen, gleichmäßigen Rhythmus und seiner zarten, sehr harmonischen Melodie ausgewählt wurde.

Das Forscherteam zeichneten während dieser Zeit täglich die Herzraten auf und dokumentierten das Verhalten jedes Pferdes. Obwohl die Musik keinen Einfluss auf die durchschnittliche Herzrate hatte, verringerte sie interessanterweise die Schwankungen in der Herzfrequenz. Die Absetzer waren zudem entspannter und verbrachten mehr Zeit mit Fressen anstatt mit Herumgehen, wenn sie der beruhigenden Melodie ausgesetzt waren.
Zwei Mal pro Woche wurden die Absetzer zu Hengsten in naheliegenden Stallungen gebracht. Dadurch hatten die Wissenschafter die Möglichkeit, den Einfluss der Musik auf die Stressreaktion der jungen Pferde zu untersuchen. Sie fanden heraus, dass – wenn die Musik gespielt wurde – die höchste Herzschlagrate deutlich niedriger und die Dauer der erhöhten Herzrate kürzer war.

Die Schlussfolgerung der Forscher: Die Stressreaktionen von Absetzern können durch Musik im Stall beeinflusst werden – und zwar offenkundig positiv: Die Musik konnte helfen, den Stress der Fohlen zu mindern!

(Quellennachweis: ME Wilson, CJC Phillips, AT Lisle, ST Anderson, WL Bryden, AJ Cawdell-Smith: Stress responses in young, stabled horses can be modified by music. Proc. Australasian Equine Science Symposium, 2012, p45)

Welche Musik mögen Pferde?
Eine wichtige Frage blieb aber nach wie vor offen, nämlich: Welche Art von Musik mögen Pferde – und gibt es auch welche, die sie nicht mögen? Zeigen Pferde, wenn sie Musik verschiedener Richtungen von Jazz bis Klassik hören, messbare Verhaltensreaktionen – und wenn ja, welche? Diesen spannenden Fragen widmete sich die britische Pferdewissenschafterin Clare Carte, Pferdewissenschafts-Studentin am Hartpury College in Gloucester ebenfalls im Jahr 2012. Sie untersuchte im Rahmen einer Studie die Wirkung von vier verschiedenen Musikrichtungen – Jazz, klassische Musik, Country und Rock – auf Pferde. Sie arbeitete mit insgesamt acht Vollblut-Wallachen, die drei Stunden lang in ihren Boxen musikalischer Berieselung ausgesetzt wurden. Jeweils 30 Minuten lang wurde den Pferden klassische Musik (Beethoven), Country (Hank Williams jr.), Jazz (New Stories) und Rock (Green Day) vorgespielt – dabei wurden sämtliche Regungen der Pferde anhand eines detaillierten Verhaltens-Katalogs beobachtet. Bis zu 120 Verhaltens-Reaktionen wurden pro Pferd und pro Musikstück dokumentiert und interpretiert – als Vergleichsbasis diente das beobachtete Pferdeverhalten in der Box ohne jegliche musikalische Untermalung.

Die Ergebnisse waren erstaunlich: Die Pferde waren beim Hören von klassischer Musik und von Country-Musik ruhig, aber zugleich sehr aufmerksam – so wie sie das auch in der Phase ohne Musik gezeigt hatten. Bemerkenswert war die Tatsache, dass die Pferde leiser fraßen, während die Musik spielte – eine, so Clare Carter, natürliche Reaktion von Pferden, die auf Gelassenheit und ein gutes Wohlbefinden schließen lässt.

Auf der anderen Seite zeigten die Pferde bei Jazz und bei Rockmusik deutlich häufiger Verhaltensweisen, die auf erhöhten Stress schließen lassen, so etwa Aufstampfen, Kopfschlagen, Schnauben und Wiehern. Keine dieser Reaktionen war festzustellen, während die Pferde Country oder Klassik gehört haben oder wenn keine Musik gespielt wurde. Carter fiel außerdem auf, dass Pferde, die beim Fressen Jazz oder Rockmusik gehört haben, beim Fressen deutlich nervöser waren und immer wieder unruhig und ruckartig nach ihrem Futter schnappten.

Vor allem Jazz schienen die Pferde gar nicht zu mögen – der löste bei allen Pferden die negativsten Reaktionen aus. Clare Carter meinte, dass dies möglicherweise auf das hohe Tempo und die Tonart dieser Musik zurückzuführen sei. Im Übrigen mögen Pferde auch keine allzu laute Musik – empfehlenswert ist Musik bis max. 21 Dezibel. Zusammenfassend meinte Clare Carter: „Die Verhaltensweisensweisen, die Pferde während des Hörens von klassischer und von Country-Musik gezeigt haben, legen nahe, dass diese Art von Musik von ihnen durchaus als Bereicherung der Stallumgebung empfunden wird." Was den Schluss zulässt, dass man möglicherweise mehr Musik in Pferdeställen spielen sollte, um seinen Pferden ein wenig Entspannung zu bieten. Aber bitte keinen Jazz!

(Quellennachweis: Carter, C. & Greening, L. (2012) Auditory stimulation of the stabled equine; the effect of different genres of music on behaviour. Oral presentation, poster and published in conference proceedings of the 8th International Equitation Science Conference, Edinburgh, July 2012)

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