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Die Aufstiegshilfe – ideal für Aufsteiger
24.04.2015 / Wissen

Hier sieht man deutlich die enorme einseitige Zug- und Gewichtsbelastung beim Aufsteigen – nicht gut für das Pferd!
Hier sieht man deutlich die enorme einseitige Zug- und Gewichtsbelastung beim Aufsteigen – nicht gut für das Pferd! / Foto: Archiv
Diese fix installierte Aufstiegshilfe bietet hohen Komfort für Pferd und Reiter – so macht Aufsteigen noch mehr Spaß.
Diese fix installierte Aufstiegshilfe bietet hohen Komfort für Pferd und Reiter – so macht Aufsteigen noch mehr Spaß. / Foto: Archiv
Wackelige Sache: Wenn man schon improvisiert, dann bitte auf Sicherheit und Stabilität achten: Gegen eine solide, standfeste Putzbox wäre nichts zu sagen – gegen einen wackeligen Hocker wie hier aber schon...
Wackelige Sache: Wenn man schon improvisiert, dann bitte auf Sicherheit und Stabilität achten: Gegen eine solide, standfeste Putzbox wäre nichts zu sagen – gegen einen wackeligen Hocker wie hier aber schon... / Foto: Archiv
Ausziehbar: Diese innovative Aufsteighilfe kann bei  Bedarf aus der Bande gezogen und anschließend wieder hineingeschoben werden.
Ausziehbar: Diese innovative Aufsteighilfe kann bei Bedarf aus der Bande gezogen und anschließend wieder hineingeschoben werden. / Foto: Archiv

Die meisten Reitställe besitzen eine – doch nicht alle Reiter verwenden sie: die Aufstiegshilfe. Weshalb es besser ist, von einem erhöhten Punkt auf unsere geliebten Vierbeiner zu klettern, erklärt ProPferd-Autorin Katharina Meissner-Gibhart.

 

Seltsamerweise scheiden sich beim Thema Aufstiegshilfe nach wie vor die Geister. Während die einen ganz selbstverständlich ihre Reitstunde mit dem Aufsteigen vom Podest aus beginnen, machen andere noch immer einen großen Bogen darum. Sogar Statements wie ,Wennst im Gelände runterfliegst, musst auch ohne hinauf können’ sind immer wieder zu hören – was schon ein wenig kurios anmutet, denn es geht ja nicht ums ,Hinaufkommen-Können‘ (das schaffen ja wohl die meisten ohne größere Probleme) – sondern um die Frage, ob es für Pferd, Reiter und Ausrüstung besser und schonender ist, von einer erhöhten Position aufzusteigen. Und diese Frage ist eindeutig zu bejahen.

Stabilisator Widerrist
Tatsächlich sprechen viele Argumente für die Verwendung einer Aufstiegshilfe – allen voran: Sie ist schonender für das Pferd. Eine Studie von Dr. Hilary Clayton – die im Bereich Biomechanik an der Veterinärmedizinischen Hochschule der State University in Michigan arbeitet – aus dem Jahr 2007 konnte eindeutig nachweisen, dass das Aufsteigen von einer erhöhten Position das Pferd deutlich weniger belastet. Bei der Studie mussten zehn Reiter jeweils drei Mal vom Boden und drei Mal von einer 35 cm erhöhten Plattform auf ein Pferd steigen. Unterhalb des Sattels wurde eine dünne Matte platziert, die mit insgesamt 256 Sensoren bestückt war und damit elektronisch Kraft und Druck messen konnte. Die Gesamtkraft war nahezu immer dann am höchsten, wenn der Reiter das rechte Bein nach oben schwang – die größte Belastung dabei lag in 97 % der Versuche im Bereich der rechten Seite des Widerrists, da er den Sattel während dem Aufsteigen stabilisiert. Beim Vergleichen der Werte konnte Clayton feststellen, dass die Gesamtkraft und die Spitzenwerte beim Druck signifikant höher waren, wenn vom Boden aus aufgestiegen wurde. Zwar wurde in früheren Studien auch schon gezeigt, dass Druck und Kraft beim Reiten in schnelleren Gangarten insgesamt höher waren, jedoch war die Masse des Reiters dann gleichmäßig verteilt.

Einseitige Belastung
Egal, ob man nun vom Boden oder von der Aufstiegshilfe aus aufs Pferd steigt – ergibt sich für unsere Vierbeiner noch ein weiteres Problem. Schon früh lernt der Reitschüler von links aufzusteigen, doch  diese einseitige Belastung ist für das Pferd im Laufe der Zeit nicht unerheblich. Mag. Franz Bachofner, Sportwissenschafter und Sporttherapeut: „Ich persönlich habe das so gelöst, dass ich vom Boden aus immer abwechselnd von links und rechts aufsteigen – so wird das Pferd nicht so einseitig belastet und ich schule außerdem auch meine eigene Koordination. Wenn es nicht gerade ein junges Pferd ist und es noch dazu gesund ist, ist gegen normales Aufsteigen vom Boden aber sicherlich nichts zu sagen, wenn man es regelmäßig von beiden Seiten ausübt. An anderen Verhaltensweisen oder falschen Trainingsmethoden der Reiter gegenüber ihren Pferden zu arbeiten, ist mir da wesentlich wichtiger, als wegen des Aufsteigens mit erhobenem Zeigefinger zu tadeln.“

Vorsicht bei jungen Pferden
Dr. Robert Stodulka, Fachtierarzt für Pferde, ist hingegen ein klarer Befürworter von Aufstiegshilfen: „Ich bin auf jeden Fall ein Freund der Aufstiegshilfe, denn sie entlastet zweifellos das Pferd.“ Auch Tierarzt und Facharzt für Chiropraktik Clemens Croy sieht die hilfreichen Treppen und Podeste positiv und weist besonders auf die Problematik bei jungen Pferden hin: „Bei jungen Pferden kann das Aufsteigen vom Boden aus dazu führen, dass sie aus dem Gleichgewicht gebracht werden, daher ist hier Vorsicht geboten. Die Gefahr besteht generell, dass Pferde vermehrt druckempfindlich werden. Der Widerristbereich, aber auch die ganze restliche Sattellage können betroffen sein und es kann dazu kommen, dass sich die Muskulatur ungleichmäßig ausbildet. Grundsätzlich hat man ohne Aufstiegshilfe eine einseitige Belastung von Pferd und Sattel – es muss nicht sein, dass das Pferd tatsächlich massiven Schaden daran nimmt, aber da dies durch eine Aufstiegshilfe leicht zu beheben oder zu vermeiden ist, sollte man dies auch in Anspruch nehmen. Natürlich hängt die Auswirkung auch ein wenig vom Pferd ab – robustere Pferde haben damit wahrscheinlich weniger Probleme als sensible. Allerdings werden die Pferde in der heutigen Pferdezucht immer feinfühliger, daher muss man auch vermehrt darauf achten, den Rücken nicht falsch zu belasten.“

Ruhig stehen
Ein wichtiger Punkt ist auch, dass das Pferd beim Aufsteigen ruhig und gelassen ist, so lange, bis der Reiter tatsächlich im Sattel sitzt. Dr. Stodulka dazu: „Besonders wichtig ist, dass das Pferd schon vor dem Aufsteigen ruhig aufgestellt wird und währenddessen dann stehen bleibt und nicht schon den ersten Schritt nach vorne geht. In weiterer Folge kann es sonst schnell zu Verspannungen, Blockaden im Brustwirbelbereich und vermehrten Belastungen der Gelenke kommen – schließlich wirkt beim Aufsteigen ca. das Eineinhalbfache des Reitergewichts auf das Pferd.“ Kennt das Pferd noch keine Aufstiegshilfe, ist es daher sinnvoll und notwendig, das Pferd zuerst damit vertraut zu machen. Ratsam ist es, hierbei eine zweite Person dabei zu haben, die das Pferd in die Nähe des Podestes bringt und bei ihm steht, während der Reiter sich auf die erhöhte Position begibt. Manchen Pferden ist es unheimlich, wenn der Reiter plötzlich viel größer ist als vorher, daher ist – wie auch sonst im Umgang mit Pferden – genügend Zeit und Ruhe zum Eingewöhnen angebracht.

Gesund für den Reiter?
Wenn Pferde also durchaus von einer Aufstiegshilfe profitieren – wie schaut es denn mit den Reitern aus? Für viele ist die Verwendung eines Hilfstreppchens schlicht eine Frage des Komforts – wogegen nichts zu sagen ist. Aber ist es auch schonender, mit Aufstiegshilfe aufs Pferd zu kraxeln – oder ist es sogar ungesund, vom Boden aus aufzusteigen? Mag. Franz Bachofner verneint dies: Gesunde Menschen sollten mit dem Aufsteigen vom Boden aus kein Problem haben – vorausgesetzt, man ist schon etwas aufgewärmt, wenn man aufs Pferd steigt. Mag. Bachofner: „Grundsätzlich sollte man Aufstiegshilfen verwenden, wenn man eine hat. Für den Menschen ist es aber nicht unbedingt notwendig – außer, wenn der Größenunterschied von Pferd und Reiter zu groß ist und der Reiter sonst nicht aufs Pferd kommt.“ Anders sieht es freilich bei Menschen aus, die durch Verletzungen oder chronische und/oder degenerative Rückenkrankheiten gar nicht in der Lage sind, sich vom Boden aus in den Sattel zu schwingen – für sie ist eine Aufstiegshilfe schlichtweg unverzichtbar.

Schutz für das Material
Auf einen weiteren positiven Aspekt weist Dr. Stodulka hin: Da beim Aufsteigen von einem erhöhten Punkt aus geringere Kräfte wirken, wird auch die Ausrüstung nicht so stark beansprucht. Beim Aufsteigen vom Boden aus wirkt weit mehr Zug auf den Steigbügelriemen und die anderen Strukturen des Sattels – die Gefahr eines vorzeitigen Verschleißes ist daher größer. Wichtig ist es auch hier, die Ausrüstung regelmäßig zu kontrollieren und umsichtig zu pflegen.

Treppen, Kisten, Sessel?
Die Wahl der Aufstiegshilfen ist gar nicht so leicht, gibt es doch mittlerweile verschiedenste Modelle in unterschiedlichsten Preisklassen. Vom beliebten „Plastiktreppchen", das leicht, witterungsbeständig und pflegefrei ist,  bis zum tragbaren und „zusammenfaltbaren“ Metallpodest gibt’s unzählige Möglichkeiten. Wer handwerklich begabt ist, kann sich auch selbst eine Aufstiegshilfe aus massivem Holz basteln. Natürlich tun auch viele Dinge ihren Zweck, die nicht speziell dafür gemacht wurden – z. B. stabile Plastikboxen, Sessel, große Getränkekisten etc. Wichtig bei der Auswahl ist allerdings der Sicherheitsaspekt. Das Material sollte so beschaffen sein, dass es nicht leicht spröde und brüchig wird und auch nicht splittert – ebenfalls ist darauf zu achten, dass die Kanten und Ecken wenn möglich abgerundet und nicht spitz sind, um Pferd und Reiter nicht zu gefährden. Die Fläche sollte nicht zu klein sein, damit man nicht abrutschen kann, und auf massiven „Beinen“ stehen, um nicht umzukippen. Schließlich soll eine Aufstiegshilfe ja helfen – und nicht zur Stolperfalle werden....

Eine sehr smarte – wenngleich nicht ganz preiswerte – Aufstiegshilfe ist diese Holz-Metall-Kontruktion von Mounty, die in beliebiger Höhe in die Bande eingebaut werden kann und nach dem Aufsitzen wieder automatisch einklappt. Eine Empfehlung dafür kommt sogar von Reitmeisterin Ingrid Klimke – und das will bekanntlich etwas heißen ...

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