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Langsam & lauwarm – so kühlen Sie Ihr Pferd richtig ab
11.06.2015 / Wissen

Eine tolle Variante, die Mensch und Pferd gleichermaßen erfrischt, ist das Abkühlen in einem Bach oder einer Pferdeschwemme – wenn man die Möglichkeit dazu hat.
Eine tolle Variante, die Mensch und Pferd gleichermaßen erfrischt, ist das Abkühlen in einem Bach oder einer Pferdeschwemme – wenn man die Möglichkeit dazu hat. / Foto: Irene Gams
Die Abkühlung mit einem Schwamm ist besonders schonend und angenehm fürs Pferd.
Die Abkühlung mit einem Schwamm ist besonders schonend und angenehm fürs Pferd. / Foto: Archiv
Wenn man schon mit dem Schlauch abspritzt, dann keinesfalls mit eiskaltem, sondern mit temperiertem Wasser. Immer bei den Hufen beginnen und langsam von hinten nach vorne gehen.
Wenn man schon mit dem Schlauch abspritzt, dann keinesfalls mit eiskaltem, sondern mit temperiertem Wasser. Immer bei den Hufen beginnen und langsam von hinten nach vorne gehen. / Foto: Archiv
Nach dem Abspritzen wird das Pferd mit dem Schweißmesser abgezogen, damit das Wasser nicht ,am Pferd steht‘. Zugluft sollte unbedingt vermieden werden!
Nach dem Abspritzen wird das Pferd mit dem Schweißmesser abgezogen, damit das Wasser nicht ,am Pferd steht‘. Zugluft sollte unbedingt vermieden werden! / Foto: Archiv
Auch das ist eine Variante, die einiges für sich hat: Hufe kühlen am heißen Turnier...
Auch das ist eine Variante, die einiges für sich hat: Hufe kühlen am heißen Turnier... / Foto: Mag. Corinna Widi

Gerade an heißen Tagen ist eine erfrischende Abkühlung auch für Pferde angenehm und wohltuend – vorausgesetzt, dass man es pferdefreundlich macht. Wie das geht, hat ProPferd-Autorin Doris Granegger zusammengestellt.

 

Hilfe, es wird geduscht! Wer hat solche Szenen im Stall noch nicht miterlebt: An der einen Hand ein zerrendes, fluchtbereites Pferd, an der anderen ein Wasserschlauch, der schnell Abhilfe schaffen soll, weil der Ritt doch etwas schweißtreibender als geplant war. Leider machen sich nicht alle Reiter Gedanken darüber, ob dem erhitzten Pferd die eiskalte Dusche wirklich angenehm ist und guttut. Denn eine solche Extrem-Kühlung kann für Pferde sogar ernste gesundheitliche Folgen haben, die von Verspannungen, „beleidigten“ Muskeln bis hin zu schweren Kreislaufproblemen oder kolikartigen Beschwerden reichen können. Pferdefreundliches Abkühlen geht anders...

Was Pferde wirklich wollen
Nach großer Anstrengung bei sommerlichen Temperaturen müssen Pferde vor allem eins: zu Atem kommen. Am besten hilft man seinem Pferd, in dem man ihm eine ausreichende Schritt-Phase von 15 bis 20 Minuten gönnt. Im Idealfall steigt man dazu ab, lockert den Sattelgurt oder nimmt den Sattel ganz ab und führt das Pferd im Schatten z. B. auf Waldwegen, bis sich der Atem und der Puls normalisieren. Danach kann mit dem Waschen des Pferdes begonnen werden. Mag. Katharina Niebauer, Pferdephysiotherapeutin und Sportwissenschafterin, warnt aber: „Hände weg von eiskaltem Wasser! Es belastet den Kreislauf zusätzlich und der Körper heizt sich weiter auf!“ Sie empfiehlt, wie viele Tierärzte auch, lieber zu einem Schwamm und lauwarmem Wasser zu greifen.

Langsamer = angenehmer
Beim Waschen beginnt man am besten herzfern, also keinesfalls direkt an der Brust. Im Idealfall wäscht man das Pferd von hinten nach vorne, hufaufwärts von unten nach oben und zuerst auf der rechten, dann auf der linken Seite. Damit das Wasser nicht „am Pferd steht“, unbedingt ein Schweißmesser verwenden, mit dem man das Wasser aus dem Fell drückt. Vor allem Rückenpartie, Bauch und Kruppe sind empfindliche Regionen, hier sollte man besonders schonend vorgehen. „Beobachten Sie Ihr Pferd! Pferde zeigen ganz deutlich, welche Behandlung ihnen angenehm ist und welche nicht,“ rät Mag. Niebauer, „Bei fremden Pferden ist ganz besondere Vorsicht geboten! Sie sind möglicherweise empfindlicher und reagieren nicht so, wie man es vom eigenen Pferd gewohnt ist.“

Wie kalt ist warm genug?
Aber welche Wassertemperatur ist die richtige? Das erkennt man spätestens, wenn das Pferd zuckt, zurück weicht oder sich verspannt („Katzenbuckel“). Denn dann ist es keinesfalls unartig, sondern vielmehr mit der Wassertemperatur unzufrieden. Pferde wissen damit offenbar auch besser als so mancher Reiter, welche Wassertemperatur den idealen Kühleffekt bringt. Dr. Astrid Schwarz, Turniertierärztin und staatlich geprüfte Reittrainerin rät zum Selbstversuch: „Wenn Sie sich kurz mit eisig kaltem Wasser duschen, dann wird Ihnen hinterher wohlig warm sein. Nehmen Sie aber lauwarmes Wasser, dann werden Sie sich erfrischt fühlen. Bei Pferden ist das im Wesentlichen genauso wie bei uns Menschen.“ Fazit: Für den optimalen Kühleffekt ist Eiswasser die völlig falsche Wahl.

...und die Beine?
Will man nach getaner Arbeit nur die Beine kühlen, dann verhält es sich etwas anders: Um eine durchblutungsfördernde Wirkung zu erzielen, müsste man die Pferdebeine länger als zehn Minuten mit sanftem Wasserstrahl kühlen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass das Wasser in diesem Fall nicht kälter sein sollte als die vorherrschende Außentemperatur minus 15 Grad. Als Alternative dazu bieten sich handelsübliche Kühlgamaschen oder auch Kühlgels an, die jedoch mit Vorsicht einzusetzen sind, da sie dopingrelevant sein könnten. Eine deutlich bessere Tiefenwirkung hat da schon ein kurzer Ausflug in einen kleinen Bach. Die massierende Wirkung kann sich positiv auf die beanspruchten Pferdebeine auswirken. Auch hier gilt: Stark überhitzte Pferde sollten, um den Kreislauf zu schonen, nicht mit eisigem Wasser an den Beinen behandelt werden.

Zuviel Sonne – was nun?
Bei wirklich extrem hohen Temperaturen und ebensolcher Luftfeuchtigkeit steigt die Gefahr eines Hitzeschlags: Sowohl Sportpferde wie auch Koppelgänger – da vor allem alte Pferde und Fohlen – können in der prallen Sonne davon betroffen sein. Wann heißt es handeln? Die Symptome sind bei sengender Hitze recht eindeutig: Die Atmung ist beschleunigt, die Schleimhäute färben sich dunkelrot. Während die Körpertemperatur extrem ansteigt, kommt es zunächst zu starken Schweißausbrüchen, im Verlauf ist jedoch kaum bis gar keine Schweißproduktion mehr erkennbar. Die Pferde taumeln oder stürzen, es kommt zum Kreislaufzusammenbruch. Ein Tierarzt ist logischerweise unverzüglich zu verständigen, in der Zwischenzeit kann man einiges tun, damit die Situation nicht weiter eskaliert: Wenn das Pferd noch gehen kann, dann führt man es in den Schatten, im besten Fall in einen kühlen Stall. Liegt das Pferd, belässt man es dabei – besser eine Decke oder Plane aufspannen, die Schatten gibt. Ebenfalls hilfreich: Vorsichtig den überhitzten Körper mit feuchten Schwämmen oder nassen Tüchern kühlen. Dr. Schwarz: „Eiskaltes Wasser ist auch hier absolut tabu! Kühle Tücher am Kopf, Hals und im  Nackenbereich sind geeignet. Die Beine könnten gegebenenfalls mit mäßig kaltem Wasser abgespritzt werden.“ Kann das Pferd trinken, dann verabreicht man in regelmäßigen Abständen kleine Mengen nicht zu kalten Wassers. So kann der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen werden, ohne dass der Kreislauf zu stark belastet wird.

Bevor es wirklich heiß wird
Natürlich gibt es einiges, das wir Reiter beherzigen sollten, bevor unsere vierbeinigen Lieblinge „überhitzen“: Auf Ausritten, Turnieren, ja selbst auf den Koppeln und Weiden benötigen Pferde ausreichend „Schattenparkplätze“. Vor allem rangniedere Pferde könnten auf Weiden mit zu wenig Schatten spendender Fläche der prallen Sonne schutzlos ausgeliefert sein. Schlecht gelüftete, überhitzte Stallungen, aber auch Turnierzelte und das stundenlange Stehen im bzw. am Pferdehänger angebunden, können dem Kreislauf der Pferde ebenfalls ernsthaft zu schaffen machen. Deshalb für Luftzirkulation sorgen, Klappen und Türen öffnen, die Pferde immer wieder ins Freie bringen und sie vorsichtig waschen. „Die Thermoregulation erfolgt natürlich nicht nur von außen,“ erklärt Dipl. Tzt. Clemens Croy, Pferdesport-Tierarzt & Fachtierarzt für Chiropraktik, „Damit das Pferd auch von innen kühlen kann, muss es immer ausreichend zu saufen haben. Das gilt vor allem für mehrstündige Ritte!“ Unmittelbar nach großen Anstrengungen sollte man sein Pferd allerdings nicht tränken, besser nach etwa einer halben Stunde vorsichtig normal temperiertes Wasser anbieten. „Durch den Schweißverlust verliert das Pferd aber nicht nur Flüssigkeit. Auch Elektrolyte müssen gegebenenfalls ersetzt werden,“ so Croy, „Das kann zum Beispiel über das Futter erfolgen: Salz- und Mineralstofflecksteine sollten für Pferde immer frei zugänglich sein.“

...und die Ausrüstung?
Sogar die Wahl der Ausrüstung hat entscheidenden Einfluss darauf, wie gut die Pferde mit der Hitze zurecht kommen. Dipl. Tzt. Croy: „Ein schwerer Westernsattel und vielleicht noch ein Gelpad darunter  können bei einem zarten Pferd unter Umständen einen Hitzestau am Rücken auslösen. Besser ist es, auf leichtere Ausrüstung auszuweichen und Sattelunterlagen zu wählen, die eine gute Luftzirkulation zulassen.“ Auch Gamaschen können bei sommerlichen Temperaturen Probleme bereiten: „Neopren-Boots, die man gern für den Koppelgang verwendet, können sich dermaßen erhitzen, dass sich die Haut darunter entzündet und es zu einer Gamaschen-Phlegmone kommen kann,“ warnt Dr. Astrid Schwarz. Auch Ekzemer- und Weidedecken sollten nur in hochwertiger Qualität gekauft werden und in jedem Fall atmungsaktiv sein.

CHECKLISTE
Pferdefreundlich kühlen

– Ab in den Schatten! Sattel abnehmen, das Pferd im Schritt führen, bis sich Atmung und Puls normalisiert haben.

– Das kühle Nass... darf nicht ganz so kalt sein! Ideal für Muskulatur und Kreislauf: laues Wasser.

– Gartenschläuche heizen sich in der Sonne auf, die ersten Liter sind immer warm – in einen Eimer abfüllen zum Abschwammen. Oder: Vor dem Reiten einen Eimer mit Wasser in der Sonne platzieren – heizt sich von selbst auf!

– Das Pferd beobachten! Zurückweichen, zerren, sich verspannen heißen: Das Wasser ist mir zu kalt!

– Alles im Schonwaschgang: An den Hufen beginnen und sich langsam von hinten nach vorne vorarbeiten. Kein eiskaltes Wasser auf Rücken, Nierengegend, Kruppe und Bauch.

– Danach: mit Schweißmesser abziehen und Zugluft vermeiden!

– Kurzes heftiges Abduschen der Pferdebeine mit kaltem Wasser mindert den Erholungseffekt, die Beine werden davon warm. Pferdebeine müssten mindestens 10 Minuten geduscht werden, um einen positiven Effekt zu erzielen, sprich: um Entzündungen zu verhindern.

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