Magazin
|
Unfallverhütung beim Gespannfahren: Das sind die goldenen Regeln! 30.06.2020 / Wissen
Unfälle mit Pferdegespannen passieren immer wieder – doch das Risiko lässt sich durch Aufmerksamkeit und die Einhaltung elementarer Sorgfaltsregeln minimieren. / Foto: Archiv
Ein tödlicher Kutschenunfall in Hamburg hat auf drastische Weise gezeigt, welches Gefahrenpotential beim Gespannfahren vorhanden sein kann. Doch das Risiko kann durch Vorsicht, Aufmerksamkeit und der Einhaltung elementarer Sorgfaltsregeln minimiert werden – die wichtigsten davon hat Dr. Reinhard Kaun hier zusammengestellt.
– Zu keiner Zeit darf ein Gespann unbeaufsichtigt sein.
– Besonders risikoreiche Momente sind regelmäßig das Anspannen, das Ausspannen sowie das Halten zum Aufnehmen von Fahrgästen.
– Bei und auf jedem Gespann muss jederzeit ein Beifahrer in Eingreifnähe verfügbar sein, abhängig von der Zahl der eingespannten Pferde auch mehrere.
– Geschirre und Wägen müssen vor jeder Ausfahrt auf ihre Funktionstüchtigkeit und Verkehrssicherheit überprüft werden.
– Jeder Wagen sollte (Hersteller-)Angaben über höchstzulässiges Ladegewicht bzw. Personenzahl aufweisen, sowie Angaben zum Eigengewicht.
– Neben Reserveteilen hat auf jedem Wagen vorhanden zu sein: Warndreieck, Winkerkelle, Warnkleidung, Verbandskasten, Notrufnummern.
– Ein Fahrer darf niemals den Kutschbock verlassen, solange sich andere Personen am Wagen befinden.
– Beifahrer müssen die Qualifikation von „kundigen Helfern“ haben und der gesetzlichen Definition von „tüchtigen Gehilfen“ entsprechen.
– Die in den Fahrkursen zum Österreichischen Fahr-Abzeichen (ÖFAB) gelehrten Regeln zur Ausrüstung im Hinblick auf Geschirre, Fahrzäume und Fahrgebisse haben verbindlichen Regelcharakter.
– Die Verschnallung der Leinen muss in korrekter Weise nach den Prinzipien der Lehre erfolgen.
– Kinder dürfen nicht am Kutschbock transportiert werden und müssen im Fonds unter Aufsicht von Erwachsenen sein.
– Bevor der Fahrer absteigt, muss ein Beifahrer Aufstellung vor den Pferden genommen haben, das Gespann möglichst gegen ein festes Hindernis aufgestellt sein und die Feststellbremsen angezogen sein.
– Bei längerem Halten werden die Leinen an der linken Bracke versorgt und die Innenstränge über den Pferderücken versorgt.
– Eine Veerwahrung des Gespannes durch einen Strick von der Deichselbrille zu einer festen Verankerung (Haus, Baum) kann als zusätzliche Sicherung dienen, ersetzt aber nicht die eingreifnahe Beaufsichtigung durch Beifahrer.
– Bei schlechter Sicht wird Warnkleidung empfohlen (signalgelber Überwurf).
– Bei einem durch einen Zwischenfall bedingten Halt im fließenden Straßenverkehr ist ein Warndreieck aufzustellen und gegebenenfalls der Verkehr vorbeizuleiten.
– Fahrtrichtungsänderungen müssen so angezeigt werden, dass sie von anderen Verkehrsteilnehmern gesehen und verstanden werden.
– Schulgespanne sollen besonders gekennzeichnet sein.
– Alle Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) gelten uneingeschränkt auch für Fahrer von Pferdegespannen.
Diese Powerpoint-Präsentation von Dr. Reinhard Kaun zur Ausbildung beim Österreichischen Fahr-Abzeichen (ÖFAB) ist eine verbindliche Schulungsunterlage für Ausbildner. Der Inhalt hat Normencharakter für das Regelbeweismaß vor Gericht. Die Powerpoint-Präsentation „Recht & Sicherheit beim Gespannfahren“ wurde zum Ausbildungsbestandteil zum ÖFAB erhoben.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:26.06.2020 - Freispruch nach tödlichem Kutschenunfall auf Hamburger Parkfriedhof
Freispruch nach tödlichem Kutschenunfall auf Hamburger Parkfriedhof 26.06.2020 / News
Bei dem Unfall kippte die Ausflugskutsche um und begrub zwei Fahrgäste unter sich – eine 78-jährige kam dabei zu Tode. / Foto: Screenshot NDR
Im Prozess vor dem Amtsgericht Hamburg konnte der angeklagten Kutschenführerin keine Verletzung der Sorgfaltspflicht nachgewiesen werden – sie wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und fahrlässigen Tötung freigesprochen.
Der tragische Unfall ereignete sich am Nachmittag des 26. September 2018 auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf, wo die angeklagte Betreiberin des Pferdedroschkenbetriebes seit dem Jahr 2017 Kutschfahrten über das 390 Hektar große Areal des Parkfriedhof angeboten und sich damit einen Lebenstraum erfüllt hatte. Die Unternehmerin hatte an diesem Tag mit ihrer Kutsche vor dem Friedhofsmuseum Halt gemacht, um eine Rentner-Sportgruppe aufzunehmen. Der Gehilfe der Kutschenführerin war dabei abgestiegen und stand vor den Pferden, um sie zu sichern – auch die Kutscherin selbst war abgestiegen, um den Rentnern beim Einsteigen zu helfen. Als zwei Mitglieder der Gruppe bereits in der Kutsche Platz genommen hatten und zwei weitere gerade beim Einsteigen waren, ging pötzlich eines der Pferde durch, riss das andere mit sich und rannte in Panik los.
Das Gespann raste mit der fahrerlosen Kutsche und insgesamt vier Passagieren auf die Cordesallee – die zentrale Verkehrsachse des Friedhofs – und kollidierte dort mit einem PKW. Bei dem Zusammenstoß kippte die Kutsche um, zwei ältere Frauen wurden unter dem Wagen begraben. Für eine 78-Jährige kam jede Hilfe zu spät – sie verstarb noch an Ort und Stelle, eine 80-Jährige wurde lebensgefährlich verletzt. Eine weitere Frau musste von der Feuerwehr mit hydraulischem Gerät befreit werden und wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, auch der Lenker des stark beschädigten PKW wurde verletzt. Ebenfalls verletzt wurden die beiden Pferde – eines davon so schwer, dass es noch vor Ort von einem Tierarzt eingeschläfert werden musste.
Im Zentrum des Verfahrens vor dem Amtsgericht Hamburg, das am 24. Juni stattfand, stand die Frage, ob der Kutschenlenkerin ihre Sorgfaltspflichten verletzt habe und somit für den dramatischen Unfall verantwortlich zu machen sei. So habe am Zaumzeug des Pferdes ein Sicherungsriemen gefehlt, wodurch dieses abrutschen konnte. Ein sorgfaltswidriges Verhalten ortete die Staatsanwalt auch darin, dass sowohl die Angeklagte als auch der Gehilfe während des Ein- und Aussteigens den Kutschbock verlassen hätten, wodurch sie keine ständige Kontrolle über die Kutsche mehr hatten.
Doch genau gesetzlich geregelt sei dies nicht – weshalb die Staatsanwaltschaft sich auf das Gutachten des beauftragten Sachverständigen berief. Doch der verstrickte sich – wie der NDR berichtet – bei der Verhandlung immer wieder in Widersprüche und musste beispielsweise einräumen, dass einige der von ihm zitierten Richtlinien allenfalls Empfehlungen darstellen. Gerichtssprecher Kai Wantzen dazu: „Man muss natürlich in dem fraglichen Bereich schauen, ob es bestimmte Handlungsempfehlungen gibt, die sich als Standard etabliert haben.“ Und genau dies sei nach Einschätzung des Gerichts hier nicht der Fall – eine Verletzung der Sorgfaltspflicht sei bei der Kutscherin nicht erkennbar.
Stattdessen kam der Richter der Beweisaufnahme und der Anhörung von Augenzeugen zu dem Schluss: „Allein die Tatsache, dass etwas Schreckliches passiert ist, kann nicht dazu führen, dass jemand bestraft wird.“ Die Angeklagte habe keine Rechtsnormen verletzt, als sie den Fahrgästen beim Einsteigen half – sie habe sogar einen Helfer eingestellt, der sich währenddessen um die Pferde kümmerte, was ebenfalls gesetzlich nicht vorgeschrieben wäre. Indem der Gehilfe vor den Pferden gestanden und sie gehalten habe, war die Kutsche „alles andere als herrenlos“, so das Gericht.
Der Verteidiger der Angeklagten – Rechtsanwalt Daniel Ostendorf – zeigte sich mit dem Urteil zufrieden: „Das ist ein Unglücksfall, und nicht immer ist jemand für einen Unglücksfall verantwortlich. Wenn ich mich auf eine Kutsche oder ein Pferd setze, gehe ich ein normales Lebensrisiko ein.“ Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob sie in Berufung gehen oder das Urteil akzeptieren wird.
Erleichterung war nach dem Urteil bei der angeklagten Kutscherin nicht erkennbar: „Ein Mensch ist ums Leben gekommen, da gibt es keine Erleichterung.“ Für sie ist, wie sie sagte, „ein Lebenstraum zu einem Albtraum“ geworden. Sie hat nach dem tödlichen Unfalldrama ihr Pferdedroschkengeschäft aufgegeben und ist in ihren alten Beruf als Taxifahrerin zurückgekehrt – nur ihr Friesenhengst, der das Unglück damals überlebte, ist noch bei ihr: „Er ist jetzt mein Therapiepferd – wir therapieren uns gegenseitig“, meinte sie gegenüber der ,Morgenpost’.
Zum Beitrag des NDR geht’s hier!
13.10.2015 - Serie von Kutschenunfällen – wieso das Einspannen so gefährlich ist
Serie von Kutschenunfällen – wieso das Einspannen so gefährlich ist 13.10.2015 / News
Kutschenunfälle kommen zwar nicht besonders häufig vor, verlaufen aber meist schwer und enden häufig mit verletzten Menschen oder Pferden. / Symbolfoto: Kreispolizeibehörde Minden-Lübbecke
In den letzten Tagen ist es zu einer auffallenden Häufung von Unfällen mit Kutschen gekommen – in allen Fällen waren durchgehende Pferde die Ursache.
Zu Kutschenunfällen kann es immer wieder kommen – aber nur selten kommt es vor, daß gleich mehrere Unfälle mit Gespannen binnen weniger Tage passieren. Doch das vergangene Wochenende war in dieser Hinsicht tatsächlich ein ,schwarzes', denn in Österreich und Deutschland kam es gleich zu mehreren Unglücksfällen:
– Am Samstag, dem 10. Oktober, kam es in Pabstdorf (Sachsen-Anhalt) zu einem Unfall, bei dem zwei Personen leicht verletzt wurden. Das Fuhrwerk wurde von zwei Pferden auf einem Feldweg gezogen, als eines der Tiere aus noch unbekannter Ursache plötzlich unruhig wurde und durchging. Der Fahrer und seine Begleiterin wurden vom Wagen geschleudert, die Pferde blieben unversehrt und konnten später wieder eingefangen werden.
– Am Sonntag, dem 11. Oktober, kam es in Troisdorf (Nordrhein-Westfalen) zu einem folgenschweren Unglück: Ein von zwei Pferden gezogener Planwagen brachte Besucher vom Troisdorfer Herbstmarkt zur Burg Wissem, als aus noch ungeklärter Ursache die beiden Kaltlblüter plötzlich durchgingen und dabei zahlreiche Besucher rammten und umstießen. Nach Informationen der Stadt Troisdorf wurden insgesamt 22 Personen verletzt, ein Kind und zwei Erwachsene schwer. Warum die als besonders ruhig und gutmütig bekannten Kaltblüter so in Panik gerieten, ist nach wie vor unklar – der Kutscher vermutet, daß eines möglicherweise von einer Wespe gestochen worden war und deshalb scheute.
– Ebenfalls am Sonntag, dem 11. Oktober, kam es im zweiten Bezirk in Wien zu einem schweren Unfall: Ein 51 Jahre alter Fiaker verlor die Herrschaft über sein Gespann, stürzte von der Kutsche und geriet dabei unter die Räder. Der Fiaker erlitt schwere Verletzungen, darunter auch mehrere Knochenbrüche, und wurde mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Die Pferde blieben unverletzt.
Kutschenunfälle geschehen zwar nicht besonders häufig, doch sie verlaufen meist schwer und enden in vielen Fällen mit verletzten oder gar toten Menschen bzw. Pferden. Zusätzlich zu den vom Pferd ausgehenden Tiergefahren wie Durchgehen, Steigen oder Ausschlagen kommen hier noch die mit der Kutsche bzw. dem Wagen verbundenen Risiken wie der hohe Schwerpunkt, die schmale Spurbreite des Wagens und die damit einhergehende vergrößerte Kippgefahr hinzu – und natürlich das Risiko, bei einem Sturz verletzt bzw. vom Gefährt überrollt zu werden. Experten wie der gerichtlich beeidete Sachverständige Univ.-Lektor Dr. Reinhard Kaun fordern angesichts des beträchtlichen Gefahrenpotentials bereits seit Jahren eine deutliche Verbesserung und Intensivierung der Fahrer-Ausbildung und die Einführung eines echten ,Kutschenführerscheins', der diesen Namen auch verdient.
13.12.2015 - Richtiges Verhalten gegenüber Reitern & Gespannen im Straßenverkehr
Richtiges Verhalten gegenüber Reitern & Gespannen im Straßenverkehr 13.12.2015 / Wissen
Fahrzeuglenker sollten bei der Begegnung mit Pferden stets den Überblick bewahren und sich situationsgerecht verhalten. / Foto: Dr. Reinhard Kaun
Vorsicht und Rücksicht sollten generell das Verhalten im öffentlichen Verkehr bestimmen – ganz besonders gelten diese zwei Grundsätze aber gegenüber Reitern und Gespannen. Dr. Reinhard Kaun hat die wichtigsten Verhaltensregeln für Auto- und Motorradfahrer bei der Begegnung mit vierbeinigen Pferdestärken zusammengestellt.
Neben Verhaltensregeln und Verkehrszeichen ist der sogenannte Vertrauensgrundsatz eine der tragenden Säulen für eine möglichst risikoarme Abwicklung des Verkehrs auf öffentlichen Straßen.
Verkehr auf öffentlichen Straßen – § 3 StVO
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme; dessen ungeachtet darf jeder Straßenbenützer vertrauen, dass andere Personen die für die Benützung der Straße maßgeblichen Rechtsvorschriften befolgen, außer er müsste annehmen, dass es sich um Kinder, Menschen mit Sehbehinderung mit weißem Stock oder gelber Armbinde, Menschen mit offensichtlicher körperlicher Beeinträchtigung oder um Personen handelt, aus deren augenfälligem Gehaben geschlossen werden muss, dass sie unfähig sind, die Gefahren des Straßenverkehrs einzusehen oder sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten.*
(2) Der Lenker eines Fahrzeuges hat sich gegenüber Personen, gegenüber denen der Vertrauensgrundsatz gemäß Abs. 1 nicht gilt, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass eine Gefährdung dieser Personen ausgeschlossen ist.
Cave: Da Pferde als „unberechenbare, von ihren Trieben und Instinkten geleitete Wesen“ gelten (zit. OGH), deren Verkehrsverhalten keine Spurtreue garantiert, kann der Vertrauensgrundsatz prinzipiell nur für Reiter oder Gespann-Fahrer gelten, nie aber für Pferde!
Reitern und Gespann- Fahrern muss das jederzeitige Bestreben, den Verkehr auf öffentlichen Straßen nicht zu behindern, auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen und der Rechtsfigur der Allgemeinen Verkehrssicherungspflicht gerecht zu werden, nachvollziehbar unterstellt werden können.
Inwieweit dieses Bestreben auf die Pferde umsetzbar ist, hängt vom Ausbildungsstand der Pferde, deren Durchlässigkeit und Grundgehorsam sowie deren Gewöhnung an – auch kritische – Verkehrssituationen ab.
Es ist deshalb ein Grunderfordernis, dass sowohl Reiter und Fahrer wie auch Pferde an die Alltagssituationen modernen Straßenverkehrs mit der Vielzahl an Erscheinungsbildern zeitgemäßer Fahrzeuge nachweislich gewöhnt werden.
Bei Übungsritten und Übungsfahrten sollten Reit- und Fahrschüler, der Wagen sowie Reit- und Fahrlehrer ebenso gekennzeichnet und für andere Verkehrsteilnehmer klar erkennbar sein, wie dies bei Schülern, Lehrern und Fahrzeugen von öffentlichen Fahrschulen zum Erwerb des Führerscheins der Fall ist.
*Ist für einen KFZ- Lenker klar erkennbar, dass sich ein Reiter oder Gespann- Fahrer auf Grund des Verhaltens der Pferde „in Not“ befindet, hat er sich situationsgerecht zu verhalten!
Verhalten von Fahrzeuglenkern
– In Gegenden mit besonderem Pferdereichtum bzw. vielen Pferde haltenden Betrieben ist grundsätzlich mit dem Auftauchen von Pferden im Straßenverkehr zu rechnen und deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag zu legen – Vorhersehbarkeit ist gegeben!
– Koppeln und Weiden entlang öffentlicher Straßen, Hinweisschilder wie „Achtung Pferde“ oder „Pferde queren“ weisen auf eine Vorhersehbarkeit auf eine Begegnung mit Pferden/Reitern/Fahren hin und nehmen den KFZ- Lenker in die (Haftungs-) Pflicht.
– Geführte, gerittene und eingespannte Pferde sind gleichgestellte Verkehrsteilnehmer, die die Straße benützen müssen!
– Berittene und geführte Pferde dürfen weder die Bankette noch einen Geh- oder Radweg benützen, ein Ausweichen über den Straßenrand hinaus ist weder erlaubt noch als zumutbar zu unterstellen.
– Wenn ein Fahrzeuglenker erkennt, dass der Sicherheitsabstand bei seitlicher Begegnung oder Überholen bzw. Vorbeifahren von 1.50 -2.00 m nicht einzuhalten ist, hat er sein Fahrzeug anzuhalten; keineswegs hat ein Fahrzeuglenker – mit Ausnahme von Einsatzfahrzeugen – prinzipielle Priorität vor geführten, berittenen oder eingespannten Pferden.
– Erkennt ein Fahrzeuglenker, dass sich ein Reiter oder Gespann-Fahrer – Pferde bedingt - in Schwierigkeiten befindet, so hat er sein Fahrzeug in sicherem Abstand und bei leise laufendem oder abgestelltem Motor anzuhalten. Hupsignale oder „Aufdrehen“ des
Motors sind zu unterlassen, es bestünde sonst Haftungsrelevanz nach § 1320 (Antreiben, Reizen) ABGB.
– Motorradfahrer, die sich von hinten Reitern oder Gespannen nähern, sollen ihr Tempo den Umständen entsprechend reduzieren und mit angemessener Geschwindigkeit und Sicherheitsabstand von 1.50 – 2.00 m überholen; das meist gut gemeinte „Vorbeihuschen“ im Leerlauf verunsichert und erschreckt die Pferde, speziell Gespann-Pferde mit Scheuledern – weil sie den „akustischen Entfernungsmesser“ mit den Ohren nicht aktivieren können.
– Im Pferdeland Großbritannien überholt kein Kraftfahrzeug ein gerittenes Pferd oder ein Gespann, ohne vom Reiter oder Fahrer(Beifahrer) durch Handzeichen dazu „eingeladen“ worden zu sein – dieses Verhalten wäre auch bei uns wünschenswert.
Verständigung zwischen Fahrzeuglenkern und Reitern & Fahrern
– Am Sichersten ist es, wenn zwischen den beiden Personen, also KFZ-Lenker und Reiter/Gespann-Fahrer – Augenkontakt und konsensuelles Nicken erfolgt.
– Der Reiter zeigt durch Heben und senkrechtes Hochstrecken der rechten Hand an, dass er entweder sein Tempo verringert, einen Gangartenwechsel plant oder Anhalten möchte – in jedem dieser Fälle sollte ein Kraftfahrzeug jeweils mindestens 3 m – besser aber noch mehr - Abstand zum Pferd oder Gespann-Wagen einhalten.
– Hebt der Reiter die rechte Hand mit geballter Faust und führt damit pumpende Bewegungen nach oben und unten aus, so zeigt er an, dass er das Tempo nunmehr erhöhen wird.
– Einen Richtungswechsel zeigt der Reiter mit Armzeichen an, die denen des Radfahrers gleichen.
– Der Gespann-Fahrer hebt die rechte, im Ellbogen abgewinkelte Hand mit der senkrecht nach oben gerichteten Peitsche, wenn er plant, vom Trabe in den Schritt, oder vom Schritt in den Halt zu parieren.
– Einen Richtungswechsel nach links zeigt der Gespann-Fahrer an, indem er die rechte Hand mit waagrecht über dem Kopfe nach links zeigender Peitsche hebt.
– Einen Richtungswechsel nach rechts leitet der Fahrer im Straßenverkehr mit Hinterlegen der Peitsche und Armzeichen – nach rechts zeigend – ein. Im städtischen Verkehr werden Richtungswechsel prinzipiell im Schritt gefahren.
– Befindet sich im Fond oder Beifahrersitz ein – wie es die Regel vorschreibt – Beifahrer, so kann dieser einfache Armzeichen, wünschenswert unterstützt durch eine Kelle, geben und stellt durch Blickkontakt mit dem Fahrzeuglenker hinter dem Gespann und Kommunikation mit dem Gespann- Fahrer sicher, dass das beabsichtigte Manöver beachtet und verstanden wurde.
– Bei jedem Zweifel muss der Kraftfahrzeuglenker in sicherem Abstand hinter geführten, gerittenen oder gefahrenen Pferden bleiben oder bei Bedarf anhalten.
– (Wander-) Reitgruppen bewegen sich entlang der Straße in Reihe, also jeweils hintereinander, überqueren diese aber im Glied, also alle zu gleicher Zeit nebeneinander, um den Fließverkehr nicht länger als nötig zu behindern. Der Spitzen- und der Schlussreiter können speziell gekennzeichnet sein. Gegen- und Folgeverkehr haben anzuhalten und ohne Druck (Hupen, Motor auf Touren bringen, bedrohliches langsames Näherrollen) der Reitergruppe das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Dies ist nicht etwa die Gewährung einer Gnade, sondern Pflicht!
§ 1 StVO: (1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
Maße und Geschwindigkeiten
– Eine Pferdelänge beträgt 3 m, eine Pferdebreite 80 cm.
– Sicherheitsabstand zu Pferden seitlich 1,50 – 2 m, nach hinten 3 m.
– Pferde im Schritt > 5 – 7 km/h
– Pferde im Trab > 12 – 22 km/h
– Pferde in geregeltem Galopp > 30 – 40 km/h
– Pferde, die durchgehen > 50 km/h und mehr
Gewicht
– Ponys ~ 250 kg
– Kleinpferde, Haflinger ~ 400 kg
– Großpferde ~ 550 – 700 kg
– Noriker, Shire, Ardenner ~ 950 und >>
Widerristhöhe
– Ponys ~ unter 130 cm
– Kleinpferde ~ unter 147 cm
– Großpferde ~ über 148 cm
– Shirehorses ~ bis 2.19 m
– Ausschlagen nach hinten: die Reichweite entspricht ca. der Widerristhöhe.
„Spezialverkehr“
– „Durchgehen“ liegt in der hierarchischen Ordnung der typischen Tiergefahren an erster Stelle beim Pferde. „Durchgehen“ bedeutet bei entkommenen Pferden, berittenen Pferden und bei Pferden im Geschirr regelmäßig totalen oder vorübergehenden Kontrollverlust. Bei mehreren durchgehenden Pferden kann sich eine unkontrollierbare „Massenpanik“ aufbauen.
– Durchgehende Pferde sind nicht steuerbar und reagieren irrational. Hemmende Hindernisse und Menschen werden überrannt!
– Radfahrer, Mountainbiker, Jogger und Hunde zählen zu den häufigen Auslösern für Durchgehen (Flucht).
– Als Ende des 19. Jahrhunderts Hochräder in den Städten und den nahen Erholungsgebieten Einzug hielten, häuften sich Unfälle infolge durchgehender Gespanne: der Radfahrer (nicht das Fahrrad) wurde als Gefahr erkannt und in kk. Circularen wurden Verhaltenvorschriften an die „Velocipädisten“ erlassen.
– Der Mensch als vernünftiges Wesen sollte stets bei Konfrontation mit Pferden den Überblick bewahren und sich situationsgerecht verhalten. Hunde sollten in Zweifel angeleint werden.
– Jeder Umgang mit Pferden muss mit Ruhe, ohne Hektik und vertrauensbegründend erfolgen.
– In Ausnahmesituationen sollte in unmittelbarer Nähe von Pferden Rauchen unterlassen werden, die Benützung von Mobiltelefonen auf Notfälle beschränkt bleiben.
Univ.Lektor VR Mag. Dr. Reinhard Kaun ist Fachtierarzt für Pferdeheilkunde, Fachtierarzt für physikalische Therapie & Rehabilitationsmedizin sowie Allgemein beeideter & gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigenbüro für klinische und forensische Veterinärmedizin, Tierhaltung & Pferdewissenschaften) Kontakt: 2070 Retz, Herrengasse 7, Web: www.pferd.co.at | www.pferdesicherheit.at
|
|
| |