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Rücktritt vom Kaufvertrag, weil das Pferd webt?
13.03.2018 / Wissen

Die Verhaltensstörung des Webens ist meist auf mangelnde soziale Kontakte, Stress oder Beschränkung der Bewegungsfreiheit zurückzuführen.
Die Verhaltensstörung des Webens ist meist auf mangelnde soziale Kontakte, Stress oder Beschränkung der Bewegungsfreiheit zurückzuführen. / Symbolfoto: Archiv

Die Verhaltensstörung des Webens ist bei Pferden zwar ein Mangel, der im Falle eines Verkaufs offengelegt werden muss – ist aber in der Regel kein hinreichender Grund, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, wie eine rechtliche Analyse in Deutschland und Österreich ergibt.

 

Beim Weben handelt es sich um eine Verhaltensstörung bzw. Steoreotypie des Pferdes, die sich dadurch äußert, dass das Pferd mit der Kopf-Hals-Partie hin- und herpendelt, wobei es auch das Gewicht ständig von einem Vorderbein auf das andere verlagert. Diese Verhaltensstörung ist meist auf mangelnde soziale Kontakte (Langeweile), Stress oder einer Beschränkung der Bewegungsfreiheit zurückzuführen. Die Stereotypie des Webens ist zwar lästig und schwierig bzw. langwierig zu behandeln, es gehen mit ihr aber grundsätzlich keine gesundheitlichen Risiken einher, ebenso wenig eine Leistungseinschränkung. Aus diesem Grund muss zwar im Falle eines Pferdeverkaufs diese Verhaltensstörung offengelegt werden – doch sie allein ist in aller Regel kein hinreichender Grund, um von einem Kaufvertrag auch wieder zurücktreten zu können. Dies hat auch das Amtsgericht Schleswig in einem mittlerweile vielzitierten Urteil aus dem Jahr 2010 festgestellt.

In dem damals verhandelten Fall hatte der Kläger bei der Beklagten im Jahr 2009 einen Trakehner zum Preis von 1.800 Euro erworben, um diesen vorwiegend als Freizeitpferd und zum Ringreiten einzusetzen. Eine Beschaffenheitsvereinbarung wurde nicht getroffen. Der Trakehner wurde etwa einen Monat später bei der Beklagten gegen einen Westfalenwallach eingetauscht. Einige Zeit später wollte der Kläger auch dieses Pferd wieder bei der Beklagten umtauschen, was diese jedoch ablehnte. Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag, unter anderem mit der Begründung, dass das Pferd ständig webe.

Die Klage wurde vom Amtsgericht Schleswig abgewiesen. Der Kläger konnte nicht wirksam vom Kaufvertrag nach § 437 Nr. 2 BGB zurücktreten, da eine Mangelhaftigkeit des Pferdes im Sinne des § 434 BGB nicht vorlag. Wenn keine Beschaffenheit vereinbart wurde, liegt nur dann ein Sachmangel vor, wenn die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Da es sich aber beim Weben um eine Verhaltensstörung handelt, mit der grundsätzliche keine gesundheitlichen Risiken und Leistungseinschränkungen einhergehen, war das Amtsgericht vorliegend der Auffassung, dass es sich wegen der fehlenden Gesundheits- und Leistungsbeschränkung grundsätzlich nicht um einen Sachmangel handelt. Wörtlich meinte das Gericht: „Es spricht viel dafür, dass wegen der fehlenden Gesundheits- und damit fehlender Gebrauchsbeeinträchtigung beim Weben grundsätzlich kein Sachmangel des Pferdes vorliegt.“

Selbst wenn man dies anders bewerten wolle, so würde ein Mangel im vorliegenden Fall dennoch nicht vorliegen, da das Weben sich nicht auf die vertraglich vorausgesetzte Verwendung auswirke, da es sich bereits um ein älteres und im untersten Preissegment angesiedeltes Pferd handelte und lediglich als reines Freizeitpferd dienen sollte. Beim Reiten, Putzen, Satteln usw. zeigte das Pferd keinerlei Auffälligkeiten, sondern nur, wenn es in der Box stand. Da das Pferd hier in einem kleinen privaten Stall am Haus des Klägers untergebracht war, vermochte auch die zum Teil vertretene Ansicht, dass andere Pferde sich dieses Verhalten abschauen könnten, nicht zu einer anderen Bewertung führen. Daher war die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages abzuweisen.

Das vollständige Urteil des Amtsgerichts Schleswig kann man hier nachlesen.

Die Rechtslage in Österreich
Wie sich diese Frage im Lichte des österreichischen Rechts darstellt, hat Rechtsanwalt Dr. Peter Lechner für ProPferd näher untersucht. Hier seine Ausführungen:

Das österreichische Gewährleistungsrecht stützt sich – ebenso wie das deutsche – auf die verbindlichen Grundlagen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. So unterscheiden sich die bei Gewährleistungsproblemen zu Grunde zu legenden Bestimmungen im Wesentlichen nur darin, dass das BGB seit der Schuldrechtsreform im Unterschied zum österreichischen Recht keine Sondervorschriften mehr für den Viehkauf kennt.

Im § 925 ABGB legt der österreichische Gesetzgeber fest, dass durch Verordnung bestimmt wird, inwiefern die Vermutung eintritt, dass ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen. Diese Bestimmungen berühren aber Sportreiter und -fahrer nicht, weil der OGH judiziert, dass diese Bestimmungen für Viehmängel nur landwirtschaftlich genutzte Tiere betreffen.

Für Sportpferde gelten daher die Bestimmungen gemäß § 922 ff ABGB wie für „Sachen“. Es ist daher vom Verkäufer dafür Gewähr zu leisten, dass das Pferd dem Vertrag entspricht. Der Übergeber haftet somit dafür, dass die Sache die „bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften“ aufweist, dass sie seiner Beschreibung bzw. der Natur des Geschäfts entspricht oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann.
Gemäß § 922 Abs. 2 ABGB ist die Frage, ob das Pferd dem Vertrag entsprechend genutzt werden kann, danach zu beurteilen, was der Übernehmer aufgrund der über das Pferd gemachten Äußerungen des Übergebers oder aus der Beschreibung im Internet bzw. sonstigen Medien erwarten konnte. Für den Inhalt dieser „Erwartung“ ist dabei ein objektiver Maßstab anzuwenden.

Im Rahmen der Beurteilung des vom Amtsgericht Schleswig gefällten Urteils ist auf folgende Beurteilungsgrundlagen abzustellen:

1. der Kläger hat ein sehr günstiges, ruhiges Pferd gesucht und erhalten;
2. sonstige Erwartungen bezüglich des Pferdes wurden nicht geäußert und auch nicht festgehalten;
3. beanstandet hat der Kläger, dass das Pferd webt.

Weben ist allgemein als Verhaltensstörung des Pferdes anerkannt und wird auch üblicherweise unterstellt – was auch ich als sicher zugrunde lege –, dass diese Stereotypie weder gesundheitliche Nachteile noch eine Leistungseinschränkung des Pferdes nach sich zieht. Aus dieser Verhaltensstörung des vom Kläger gekauften Pferdes kann daher ein Mangel keineswegs deshalb abgeleitet werden, dass gesundheitliche Nachteile bestehen würden.

Aus der Praxis könnte hier in Treffen geführt werden, dass ein Pferd, welches webt, sicher nicht um den gleichen Preis gekauft werden würde wie ein solches, welches diese Verhaltensstörung nicht aufweist. Im gegenständlichen Fall hat der Kläger, wie auch das Amtsgericht Schleswig ausgeführt hat, das Pferd und dem Preis von EUR 1.800,– gekauft und übernommen, sodass wohl nicht ernsthaft erwartet werden kann, dass hier ein überhöhter Preis bezahlt worden wäre. Somit ist auch aus diesem Umstand ein „Mangel“ nicht abzuleiten.

Aus meiner Sicht wäre daher – bei Unterstellung desselben Sachverhaltes – die Entscheidung des Amtsgerichts Schleswig auch bei einem österreichischen Gericht nicht anders zu erwarten“ (Dr. Peter Lechner, Innsbruck/www.dierechtsanwaelte.com)

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