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Schon gewusst: Sind Stuten klüger als Hengste oder Wallache?
20.06.2016 / Wissen

Pferde sind zu erstaunlichen Gedächtnisleistungen imstande – und Stuten vielleicht sogar noch ein Stückchen besser als Hengste oder Wallache.
Pferde sind zu erstaunlichen Gedächtnisleistungen imstande – und Stuten vielleicht sogar noch ein Stückchen besser als Hengste oder Wallache. / Foto: Simone Aumair

Pferde verfügen über ein exzellentes Gedächtnis und können nicht nur Artgenossen, sondern auch Menschen anhand eines einzigen Sinneseindrucks – etwa der Stimme – erkennen. Erstaunlich ist, daß Stuten diese Fähigkeit offenbar besser beherrschen als Hengste.

 

Die Gedächtnisleistungen von Hauspferden sind in den letzten Jahren zunehmend in den Focus wissenschaftlicher Forschungen gerückt: Studien von europäischen und australischen Forscherteams konnten zeigen, daß Pferde tatsächlich über ein erstaunliches Erinnerungsvermögen verfügen, daß sie vertraute Personen auch nach jahrelanger Trennung wiedererkennen und selbst komplexe Problemlösungs-Strategien auch noch nach zehn Jahren mühelos abrufen können (siehe dazu auch diesen Artikel).

Zu den führenden Wissenschaftlern bei der Erforschung des Pferde-Gedächtnisses zählen Dr. Leanna Proops und Dr. Karen McComb von der Universität Sussex in Großbritannien. Dr. Proops von der Forschungsgruppe für stimmliche Kommunikation und Erkennung bei Säugetieren (Mammal Vocal Communication and Cognition Research Group) konnte bereits im Jahr 2008 in einer preisgekrönten Studie (veröffentlicht in Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of Amerika im Dezember 2008) nachweisen, dass nicht nur Menschen, sondern auch Pferde bei der Erkennung von Artgenossen über ein sogenanntes cross-modales Gedächtnis verfügen, dass sie also unterschiedliche Sinneseindrücke miteinander kombinieren und ein fehlendes Signal durch ein anderes ersetzen können. In mehreren Versuchen konnten Pferde ein Herdenmitglied etwa allein an der Stimme erkennen, ohne es zu sehen – ein deutlicher Hinweis für ein hochentwickeltes, cross-modales Erinnerungsvermögen.

In einer weiteren Untersuchung aus dem Jahr 2012 mit dem Titel „Cross-modal individual recognition in domestic horses (Equus caballus) extends to familiar humans" gingen Proops und McComb noch einen Schritt weiter: Sie konnten nachweisen, dass Pferde dieses cross-modale System nicht nur nutzen, um zwischen Artgenossen zu unterscheiden, sondern auch zwischen verschiedenen Menschen.

Die Forscher führten ihre Studie mit Pferden durch, die mit unterschiedlichen Personen vertraut waren. In einem ersten Experiment wollten sie herausfinden, wie gut Pferde zwischen bekannten und unbekannten Personen unterscheiden können. Sie untersuchten, wo Pferde hinsehen, wenn zwei Stimmen - eine bekannte und eine unbekannte – von einem versteckten Lautsprecher vorgespielt wurden, wobei rechts und links des Lautsprechers eine bekannte bzw. eine unbekannte Person standen. Sie entdeckten dabei, dass die Pferde schneller reagierten und länger und öfter zum bekannten Menschen als zum unbekannten blickten – sie konnten die vertraute Person also eindeutig aufgrund ihrer Stimme identifizieren. Außerdem zeigte sich, dass Pferde diese Zuordnung besser treffen konnten, wenn sich die bekannte Person rechts in ihrem Blickfeld befand, was darauf hindeutet, dass an dieser Verarbeitung maßgeblich die linke Gehirnhälfte beteiligt ist.

Sind Stuten klüger als Hengste oder Wallache?
Die Forscher machten zudem die interessante Entdeckung, dass bei Stuten diese Fähigkeit der Zuordnung bzw. Wiedererkennung offenbar besser entwickelt ist als bei Hengsten oder Wallachen: Stuten blickten länger auf die Person, die sie hörten, als Hengste. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Stuten in höherem Maße für den sozialen Zusammenhalt einer Gruppe verantwortlich sind – und daher auch über diesbezüglich höher entwickelte Fähigkeiten verfügen.

In einem weiteren Experiment konnten Proops und McComb nachweisen, dass Pferde eine vertraute Stimme eindeutig der richtigen Person zuordnen konnten: Aufgrund ihres komplexen cross-modalen Erinnerungsvermögens ist es ihnen somit auf ganz natürlich Weise möglich, zwischen mehreren Personen in ihrem alltäglichen Leben genau zu differenzieren und jede einzelne schon anhand eines einzigen Merkmals (Stimme, Anblick, Geruch etc.) zu erkennen. Dr. Proops: „Das Pferd hat eine komplexe soziale Organisation und enge Bindung zum Menschen – daher ist das Erkennen bzw. Wiedererkennen einzelner Menschen für sie sehr wichtig ist. Wir konnten demonstrieren, wie flexibel diese Fähigkeit bei Pferden ausgeprägt ist und wie gut sie gegenüber dem Menschen funktioniert, egal wie unterschiedlich sie sich auch anhören und wie verschieden sie auch aussehen mögen."

Die Studie „Cross-modal individual recognition in domestic horses (Equus caballus) extends to familiar humans" von Dr. Leanne Proops und Dr. Karen McComb wurde 2012 im Journal ,Proceedings of the Royal Society' veröffentlicht und kann hier in englischer Originalfassung nachgelesen werden.

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