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Extreme Trail – ein Klettergarten für Pferde
14.04.2015 / Wissen

Simone Aumair hat mit ihrem Kerwin den Extreme Trail Park Nordweide ausprobiert – und war begeistert.
Simone Aumair hat mit ihrem Kerwin den Extreme Trail Park Nordweide ausprobiert – und war begeistert. / Foto: Irene Gams
Der Steg wird zuerst an der Hand erkundigt, der Reiter darf dabei nicht zu stark einwirken.
Der Steg wird zuerst an der Hand erkundigt, der Reiter darf dabei nicht zu stark einwirken. / Foto: Irene Gams
Die Wippe ist eine echte Herausforderung für Pferd und Reiter.
Die Wippe ist eine echte Herausforderung für Pferd und Reiter. / Foto: Irene Gams
Über die Holztreppen geht es steil bergauf – sehr anstrengend!
Über die Holztreppen geht es steil bergauf – sehr anstrengend! / Foto: Irene Gams
Viele Hindernisse bestehen aus Steinen und Felsen.
Viele Hindernisse bestehen aus Steinen und Felsen. / Foto: Irene Gams
Auch das gehört zum Extreme Trail – ein Tor vom Pferd aus öffnen und schließen.
Auch das gehört zum Extreme Trail – ein Tor vom Pferd aus öffnen und schließen. / Foto: Irene Gams

Der Trail ist eine traditionelle Western-Disziplin, und seit kurzem gibt es eine neue, spannende Version davon: den Extreme Trail. Dieser führt mittlerweile auch ins Mühlviertel und begeistert alte Hasen und junge Greenhorns gleichermaßen.

 

In den USA fiel Insidern schon vor Jahren auf, dass sich die Gestaltung der Trail-Parcours immer mehr von den natürlichen Bedingungen entfernt hatte, immer technischer und artifizieller geworden war. Der Betreiber des Oregon Horse Centre, Mr. Major Defoe, erkannte dies und schuf mit seinem „Extreme Mountain Trail“ die Nachbildung eines schwierigen Gebirgspfades – in der Reithalle. Der neue Weg stieß schnell auf das Interesse vieler Reiter aller Sparten, war er doch spannend zu reiten und ideal zur sinnvollen und abwechslungsreichen Schulung ihrer Pferde geeignet. Bald nahm der in den USA sehr erfolgreiche Trainer Mark Bolender die Fährte auf und baute auf seinem Anwesen in Silver Creek in Washington seinerseits einen Trail der neuen Art. Bolenders mediale Aktivitäten entfachten schließlich das Interesse des deutschen Ehepaares Andrea und Hardy Baumbach, die als erste Deutsche in die USA flogen, um sich dort persönlich zu informieren. Sie kamen begeistert zurück und gründeten 2011 den Extreme Trail Park Herbstein, die erste derartige Anlage in Europa – und Mark Bolender war dort mehrmals zu Kursen und Turnieren anwesend. Inzwischen ist die Zahl dieser „Military-Strecken für Gebrauchspferde“ in Deutschland auf drei offizielle und insgesamt etwa fünf oder sechs angewachsen. Auch ein offizieller Verein wurde gegründet, die German Extreme Trail Association (GETA e. V.), welcher den neuen Sport voranbringen soll.

Pferde-Klettergarten
Für einen Extreme Trail (im Weiteren kurz E. T. genannt) wird ein Freigelände oder auch eine Halle möglichst naturnahe gestaltet, wobei unterschiedliche Bodenniveaus die Grundlage bilden. Er soll unbedingt sowohl in die Tiefe als auch in die Höhe führen und vielfältige Geländeformationen nachbilden, z. B. Saumpfade, Geröllhalden, dichten Wald oder Gestrüpp und Wasserstellen. Ergänzt wird die nachgeahmte Natur durch künstlich angelegte Hindernisse wie Brücken, Stege, Tore o. ä. Keine Anlage gleicht genau der anderen, kein Hindernis ist streng genormt, aber gemeinsam ist allen, dass nur Naturmaterialien verbaut werden. Alte Autoreifen, Plastikplanen oder Blechfässer u. ä. sind keine typischen Bestandteile guter Anlagen; sie verhindern eine Anerkennung durch die GETA. Weiters gibt es auch Pflichthindernisse, die einen E. T. Park oder E. T. Garden erst ausmachen und eine relativ einheitliche Beurteilung des Könnens ermöglichen. Eine Hängebrücke ist das Kennzeichen eines Parks – die kleine Version „Garden“ kommt ohne eine solche aus. Wasser ist ebenso ein Grundelement wie Hindernisse aus Felsbrocken und Baumstämmen.

Mindest-Vorgaben
Es gibt seitens der GETA Mindestvorgaben für die Grundfläche eines Parks (2.500 m²) oder Gardens (1.000 m²) sowie für die Grundausstattungen. Für den Park sind mindestens zehn Hindernisse notwendig, davon mindestens fünf am Hang (natürlicher Hügel oder Aufschüttung). Es müssen mindestens vorhanden sein: Hängebrücke (Suspension Bridge), Baumstämme, Felsen (ortstypisches Gestein), Stufen, Stege/Brücken, ein Wasserhindernis, mindestens ein Switch Back oder Peak, bzw. ein vergleichbares Hindernis. Die kleinere, kostengünstigere Version ist der Garden, auch geeignet für Kurse und Schulungen, nicht aber für die Durchführung von Turnieren. Dazu braucht man mindestens sechs Hindernisse: Hanglage (natürlicher Hügel oder Aufschüttung), Schwebebalken (Balance Beam/Corner Beam), Stämme, Stufe(n).

Extreme Trail im Mühlviertel
Jeder Parkbetreiber kann bei der Gestaltung seiner Fantasie freien Lauf lassen, solange die Anforderungen erfüllt sind und keine Gefährdung der Pferde möglich ist. Dieser hohe Anspruch und der Ideenreichtum der Extreme Trail Park-Betreiber/Erbauer, die ständig neue Herausforderungen entwickeln, bewirken, dass man mehr als einmal in einen Garden oder Park zum Training fahren kann und soll. Man ist auch nicht auf Pferde beschränkt – es wurden schon Esel, Maultiere und Lamas gesichtet, die munter im Gehölz turnten. Im E. T. findet man Aufgabenstellungen, die es so konzentriert in keinem Gelände gibt. Felix Kern, Eigentümer der ersten – und bisher einzigen – österreichischen Anlage auf der Mühlviertler Alm, weiß dazu: „Unsere Reitwege entwickeln sich ständig, und da brauchen wir immer neue Highlights. Ich fand die Infos im Internet und entwickle gerade im Rahmen eines EU-Projektes meinen eigenen Trail. Vor allem für unsere jungen Reiterinnen ist ein E. T. eine tolle Herausforderung; sie finden das so spannend, dass man sie gar nicht wieder rausbringt. Drei Stunden sind das Minimum…!“

Die inneren Werte
Die äußere Beschaffenheit des E. T. ist nicht sein eigentliches Charakteristikum, sondern die Art und Weise, wie darin trainiert werden kann und soll. Dazu Nicole Rahn, die mit ihrem Mann Roger den E. T. Park Roger‘s Area im deutschen Schleswig-Holstein betreibt: „Die Grundanforderung ist es, die Hindernisse sicher und entspannt zu überwinden. Man soll erkennen, dass das Pferd mitdenkt, egal ob an der Hand oder unter dem Sattel. Ein wichtiges Kriterium ist das gleichmäßige und ruhige Tempo im Trail. Im Training ist die Bodenarbeit am langen Führseil ein wichtiges Element. Die Pferde werden vorausgeschickt und lernen so, genau auf das Hindernis zu achten. Aus Angst und Misstrauen wird Neugier und Interesse, und früher oder später entschließt sich das Pferd, über das Hindernis zu gehen. Es muss selbstständig sein Bewegungsgefühl und Gleichgewicht schulen, ohne menschliche Hilfengebung.“

Vertrauen und Rittigkeit
Alle Hindernisse sollen gerade angeritten bzw. an der Hand angesteuert werden, dabei soll das Pferd nicht zögern und seine Aufmerksamkeit auf das Hindernis und die Hilfen des Reiters richten. In gleichmäßigem Tempo soll es das Hindernis genau mittig bewältigen und es dann ruhig und in gleichmäßigem Tempo in gerader Richtung verlassen. Die Hindernisse werden im Schritt bewältigt und nicht gesprungen; getrabt oder galoppiert wird in den höheren Klassen lediglich zwischen, aber nicht in den Hindernissen. Deutschlands Reiter fördern gerne Rittigkeit, Trittsicherheit und Vertrauen ihrer Pferde, wie Nicola Rahn weiß: „Unsere Lehrpferde stellen wir für Kurse zur Verfügung, reiten sie auf Shows, arbeiten mit Rindern und verwenden sie beim Cowboy Mounted Shooting. Pferde brauchen Abwechslung, wofür sich Extreme Trail bestens eignet, vor allem die Arbeit am losen Führstrick, nur mit Halfter. Kein Reiter hält sie vom Denken ab, sie achten nur auf die Köpersprache des Menschen. Nicht das Reiten an sich ist entscheidend – es gibt ein übergeordnetes Ziel: mit feinen Hilfen zu verstehen geben, was man möchte, am losen Zügel das Pferd zur Mitarbeit zu motivieren und mit ihm eine Einheit zu bilden.“

Das Bodenpersonal
Kaum war man sich in Deutschland einig geworden, einen Verein zu gründen, gab es auch schon das nötige Bodenpersonal zur Durchführung von Ausbildungen und Wettbewerben bzw. zum Bau von Anlagen. Die Bezeichnungen sind Englisch und werden hier kurz erklärt: Extreme Trail Coach können ausschließlich Betreiber von Extreme Trail-Anlagen sein, im Sinne der GETA können nur Extreme Trail Coaches auch Extreme Trail-Kurse anbieten, da nur diese über ausreichend Erfahrungen verfügen. Extreme Trail Judge (Richter) können nur Personen sein, die von der GETA laut gültigem Regelbuch geprüft wurden und den Extreme Trail Judge Pass erhalten haben. Der Extreme Trail Scorekeeper (Schreiber) ist ein Helfer der Extreme Trail Judges, notiert die Punktzahlen und assistiert dem Richter bei der Beurteilung.

Die Durchführung der Extreme Trail-Turniere und Prüfungen wird durch die German Extreme Trail Association (GETA) e.V. geregelt. Im Mutterland des Bewerbes, den USA,  findet man überall auf den Turnieren fröhliches Miteinander und Hilfsbereitschaft vor. Die Veranstalter möchten nicht nur die Herausforderung des Extreme Trails vermitteln, sondern auch diese innere Haltung. Die Turniere sind allen Rassen und Reitweisen offen. Neben der üblichen Sicherheitsausrüstung für die Reiter (Helm, Bodyprotector, Handschuhe…) wird Beinschutz für die Pferde verlangt, eine Kleiderordnung gibt es nicht; die meisten Hilfszügel sind verboten.

Von der Verantwortung
Eine persönliche Anmerkung von Roger Rahn: „Ich finde Regeln, Normen und Vereinsmeierei nicht erstrebenswert. Wir haben aber schnell bemerkt, dass es ohne sie nicht geht – zum Schutz der Pferde! Leider sind die Menschen, die unsere Anlage nutzen wollen, nicht immer ideale Horsemen. Mein Unwort des Jahres 2013 ist Selbstüberschätzung. Daher mussten wir Regeln aufstellen, sonst gerät der Extreme Trail schnell in Verruf. Durch den Zusammenschluss der Anlagenbetreiber in der GETA ist ein Erfahrungsaustausch möglich. Es ergeben sich immer wieder Fragen, die im Sinne der Pferde geklärt werden müssen.“

„Reiterliche Abwechslung ist vorrangig!“
Auch Felix Kern meint, dass viele Freizeitreiter ihr Horsemanship aufpolieren sollten, ehe sie sich an knifflige Aufgaben wagen. Ehrgeiz ist für den erfahrenen Reitsport-Touristiker ein Risikofaktor, den er durch persönliche Anwesenheit am Platz und Aufklärung bekämpft. Auch geht es der Betreiber der Mühlviertler Nordweide eher locker an. Er will vorläufig noch keine offiziellen Bindungen eingehen, um die Idee möglichst unbeschwert verfolgen zu können. Turniere, Vereine und Punkte sind ihm (noch) egal: „Die reiterliche Abwechslung und Herausforderung ist bei uns vorrangig; Veranstaltungen sind mir derzeit zu stressig, zu normiert, zu ehrgeizbetont. Wir gehören zu den zehn Relax-Betrieben der Region und versuchen, unseren Gästen Abwechslung, Spaß und Erholung zu bieten. Das finale Hindernis unserer Anlage ist zum Beispiel der Trail End-Saloon, wo man sich bei einem Feuerwasser stärkt. Es ist halt schon was dran an der Bezeichnung Extreme Trail…“.        Martin Haller

 

Veranstaltungs-Tipp
Von 2.–5. Juli 2015 findet im Extreme Trail Park Nordweide ein mehrtätiger Extreme Trail-Kurs mit der Western-Trainerin und -Richterin Sonja Kroneis statt, bei der man unter fachlicher Anleitung den gesamten Geschicklichkeits-Parcours ausgiebig üben kann. Nach dem Trail-Programm am Vormittag gibt's die Möglichkeit, sich einem geführten Halbtageswanderritt anzuschließen. Man kann am Kurs mit eigenem Pferd, aber auch mit Leihpferd teilnehmen. Alle Infos zum Kurs findet man hier!

Infos und Kontakte
Extreme Trail Park Nordweide
Dauerbach 35, 4273 Unterweißenbach
Tel: 0043-(0)664/2225563
E-Mail: info@nordweide.at
Web: www.nordweide.at

German Extreme Trail Association e.V.
Lanzenhainer Str. 31, D-36358 Herbstein
Tel. 0049-(0)66438345,
E-Mail: mail@germanextremetrailass.de
Web: www.extreme-trail.de

 

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