Können Sie zweifelsfrei erkennen, ob Ihr Pferd normal atmet, ob es genug Flüssigkeit aufnimmt und der Puls in Ordnung ist? ProPferd-Autorin Katharina Meissner zeigt, wie man die wichtigsten Vitalzeichen des Pferdes überprüfen kann.
Oft bemerken wir, dass es unserem Pferd schlecht geht, erst dann, wenn es ihm richtig schlecht geht, sprich: eine Erkrankung oder Verletzung bereits weit fortgeschritten ist und die Symptome nicht mehr zu übersehen sind. Oft genug ließe sich ein gesundheitliches Problem aber früher erkennen und effizienter behandeln, denn Krankheiten kündigen sich meist durch unscheinbare Signale an: eine leicht erhöhte Temperatur, eine kaum merkbare Lahmheit, ein seltsames Geräusch beim Atmen.
Um diese Signale wahrzunehmen, braucht man als Pferdebesitzer eine feine Beobachtungsgabe – und ein exaktes Bild vom „Normalverhalten“ seines Pferdes, das von Pferd zu Pferd unterschiedlich ist. Während ein Pferd über mehr Bewegungsdrang und ein nervöses Gemüt verfügt, zeigt sich ein anderes Pferd als regelrechte „Schlaftablette“. Gegenteilige Verhaltensweisen können dem Besitzer zeigen, dass irgendetwas nicht stimmt. So können etwa Abweichungen im Ruhe- oder Fressverhalten können Aufschluss über den Zustand des Pferdes geben. Auch das Harn- und Kotabsetzen sollte beobachtet werden – und ob das Pferd beim Absetzen der Exkremente Anzeichen von Schmerz zeigt oder diese sogar „unkontrolliert“ absetzt. Beginnende Lahmheiten, ein leichter Husten oder auch erschwerte Atmung, tränende Augen, Nasenausfluss oder plötzliche Schwellungen können ebenfalls anzeigen, dass mit dem Pferd irgendetwas nicht in Ordnung ist. In diesen Fällen sollte man als erstes die sogenannten Vitalzeichen des Pferdes näher unter die Lupe nehmen – beginnend bei der Atmung.
Atmung
Die Atemzüge sieht man am besten anhand der Flankenbewegung – man stellt sich mittig neben das Pferd mit Blickrichtung zum Schweif, beobachtet die Flankenbewegung und zählt die Atemzüge über 30 Sekunden. Um die Atemzüge pro Minute zu erhalten, multipliziert man sie dann mit 2. Sowohl die Anzahl der Atemzüge als auch die Regelmäßigkeit kann so beurteilt werden. Bei Pferden, die unter Allergien leiden oder andere Lungenerkrankungen haben, kann man oft auch ein Pressen bei der Ausatmung beobachten – die Bauchmuskulatur wird angespannt, um die Luft aus der Lunge zu drücken.
Puls
Als nächstes wird der Puls gemessen. Zu diesem Zweck legt man die Finger ohne besonderen Druck an die Innenseite der Ganasche und versucht, das Pulsieren an der Arteria facialis (Gesichtsarterie) zu spüren. Dies kann am Anfang etwas Übung erfordern, besonders bei Pferden mit sehr vielen Haaren im Bereich des Unterkiefers bzw. bei Pferden mit dichtem Winterfell. Doch mit etwas Gefühl und Konzentration gelingt das schnell! Um die Pulsschläge pro Minute zu erhalten, zählt man die Pulsschläge über eine Zeitspanne von 15 Sekunden und multipliziert diesen Wert dann mit 4.
Wenn das dichte Winterfell des Pferdes das Pulsfühlen erschwert, kann man versuchen, den Herzschlag mit dem Stethoskop zu hören. Es wird auf der linken Seite am Brustkorb knapp hinter dem Vorderbein auf Höhe der Ellbogenspitze platziert.
Körpertemperatur
Als drittes ist die Messung der Körpertemperatur ein wichtiger Aspekt des Gesundheitszustandes. Die Temperatur wird beim Pferd rektal gemessen, das spitze Ende wird dafür am besten etwas befeuchtet. Meist ist bereits nach 20–30 Sekunden das Ergebnis abzulesen. Prinzipiell kann mit Fieberthermometern gemessen werden, die man normal beim Menschen verwendet, jedoch gibt es spezielle Thermometer für Pferde bzw. Großtiere, die dann etwas länger ausgeführt sind – oft mit einem speziell geformten Ende, damit es während der Messung gut in der Hand liegt, und einem lauteren Signalton. Bei den meisten Fieberthermometern wird außerdem automatisch die letzte Messung gespeichert – so hat man einen guten Vergleich, wenn man das nächste Mal misst.
Beachten Sie bitte, dass sich Atmung, Puls und letztendlich auch die Körpertemperatur bei Aufregung, Stress und Schmerz erhöhen können. Es ist daher unbedingt ratsam, das Pferd im gesunden und fitten Zustand einmal zu untersuchen, um ein Gefühl für die jeweiligen Normalwerte wie z. B. Ruhepuls zu bekommen. Die Normalwerte, abhängig vom Alter, ersehen Sie in dieser Tabelle.
Vitalzeichen beim Pferd (Normbereiche)
Alter |
Atmung (pro min) |
Puls (pro min) |
IKT (Körpertemperatur) |
Fohlen |
20 – 30 |
100 – 120 |
38,0 – 39,3 |
Jungpferd |
12 – 20 |
40 – 55 |
37,5 – 38,5 |
Ausgewachsenes Pferd |
10 – 20 |
30 – 40 |
37,5 – 38,0 |
Flüssigkeitshaushalt/Durchblutung
Neben diesen drei wichtigen Werten gibt es aber noch ein paar andere Möglichkeiten, den Gesundheitszustand zu überprüfen. Zum einen ist hier die Beurteilung der Schleimhäute zu nennen. Dazu begutachtet man Augen, Nüstern und die Maulschleimhaut – in Augen und Maul sollte die Schleimhaut glatt, glänzend und rosa sein, die Nasenschleimhaut in den Nüstern dunkelrosa. Veränderungen in der Farbe (z. B. rötlich, weißlich oder auch gelblich) können auf ganz verschiedene Krankheitszustände (Kolik, Vergiftung, Dehydratation) hindeuten, die schnell abgeklärt werden sollten.
Zum anderen kann an der Maulschleimhaut auch die kapilläre Füllungszeit beurteilt werden – d. h. wie schnell ein Gewebe wieder gut/vollständig durchblutet wird. Dazu drückt man mit der Fingerspitze kurz in die Maulschleimhaut z. B. oberhalb der Schneidezähne. Lässt man los, dann sieht man, dass die Schleimhaut kurzzeitig hell/weißlich am Druckpunkt erscheint. Innerhalb von 2-3 Sekunden sollte nun die Durchblutung erfolgen und die Schleimhaut sollte wieder aussehen wie zuvor. Kontrolliert man die Schleimhaut im Maul, sollte man im Zuge dessen auch einen Blick in die gesamte Maulhöhle werfen. Kleine Verletzungen an Zahnfleisch, Backenfleisch oder Zunge durch scharfe Kanten an den Zähnen können sehr schmerzhaft sein und werden oft erst verspätet bemerkt. Eine regelmäßige Begutachtung der Zähne durch den Tierarzt ist daher unbedingt notwendig!
Des Weiteren kann der Flüssigkeitshaushalt des Pferdekörpers überprüft werden, indem man auf einer Körperseite in der Halsmitte mit den Fingern eine Hautfalte bildet, diese ein wenig zu sich zieht und dann abrupt auslässt. Glättet sich diese Hautfalte nach dem Loslassen nicht unmittelbar, ist eine Dehydratation (Austrocknung) zu befürchten und der Tierarzt sollte umgehend kontaktiert werden.
Darmgesundheit
Neben der Beschaffenheit des Kots können auch die Darmgeräusche über eine funktionierende Verdauung Aufschluss geben. Sowohl komplett fehlende als auch ungewöhnliche Geräusche können auf eine Erkrankung hinweisen. Um diese genau hören zu können, legt man das Ohr (oder das Stethoskop) an der linken oder rechten Körperseite des Pferdes knapp unterhalb des Hüfthöckers in der Flankengegend an. Auf der linken Seite hört man beim gesunden Pferd ständige, auslaufende Geräusche – auf der rechten Seite sind die Geräusche seltener und eher wasserfallähnlich und glucksend.
Ebenso kann man überprüfen, wie angespannt die Gegend um den Verdauungstrakt ist. Dazu nimmt man eine lockere Faust und drückt sanft in den unteren Bauch/Flankenbereich. Bei Koliken stellt sich die Bauchdecke oft als hart und kaum nachgebend dar.
Rundum gesund?
Zu guter letzt empfiehlt es sich, das Pferd bei Verdacht umfassend abzutasten, denn manche Beschwerden sind nicht gleich offensichtlich. So sind Lymphknoten z. B. oftmals nur als geschwollen zu ertasten – aber nicht zu sehen. Auch das Fell sieht in manchen Fällen gesund aus – wenn man mit der Hand darüberstreicht, zeigen sich aber dann Schwellungen oder kleine Pusteln auf der Haut z. B. aufgrund von Allergien. Darüber hinaus darf man auch nicht vergessen, die Beine samt der Hufe genau zu begutachten. Im Bereich des Fesselkopfs kann man mit ein wenig Übung mit der Hand innen und außen die Mittelfußarterien ertasten. Sind diese stark durchblutet und pochen regelrecht, kann dies auf eine Entzündung im Bereich dieses Beines hindeuten. Die Qualität des Horns, die Sohle, die Fessel usw. sollten daher regelmäßig auf Veränderungen hin überprüft werden – oft ist die Verletzung selbst so klein, dass sie übersehen wird und sich dann ohne rechtzeitige Behandlung schnell entzündet.
Vorsorge
Es empfiehlt sich, wie schon oben erwähnt, alle diese Faktoren schon rechtzeitig am gesunden Pferd zu beobachten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Verhaltensweisen für das jeweilige Pferd physiologisch normal sind. Um sicher zu gehen, alles richtig zu machen, können Sie den Tierarzt Ihres Vertrauens beim ersten Mal darum bitten, sich etwas Zeit zu nehmen und Ihnen zur Seite zu stehen.
In jedem Fall sind Sie damit bestens gerüstet, um schnell zu erkennen, ob mit Ihrem Pferd etwas nicht stimmt und können im Notfall dem Tierarzt schon wertvolle Informationen vorab geben. Ihr Pferd wird es Ihnen danken! Katharina Meissner-Gibhart