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Reiten lernen für Erwachsene – Tipps für Spät-Starter
15.05.2015 / Wissen

Es ist nie zu spät: Auch Erwachsene können den Weg zum Pferd und zum Reiten finden – sollten aber bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes und des Reitlehrers besonders sorgfältig vorgehen.
Es ist nie zu spät: Auch Erwachsene können den Weg zum Pferd und zum Reiten finden – sollten aber bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes und des Reitlehrers besonders sorgfältig vorgehen. / Foto: Fotolia/V&P Photo Studio

Reiten lernen ist aus vielen Gründen für Erwachsene schwieriger als für Kinder oder Jugendliche. ProPferd-Autorin Anna Mogeritsch gibt Tipps, wie der Reit-Einstieg im fortgeschrittenen Alter optimal gelingt.


Gründe, um im Erwachsenenalter mit dem Reiten anzufangen, gibt es genügend. In vielen Fällen ist man im Kindheitsalter schon mal geritten und möchte nun wieder einsteigen – beispielsweise weil das eigene Kind ebenfalls Reiten lernen möchte. In anderen Fällen ist es einfach die Lust, seine Freizeit mit dem Pferd zu verbringen, Ausritte in der Natur zu erleben oder schlicht die Neugier auf ein neues Hobby. Reiten hält zudem fit und gesund, es stärkt die Kondition und fördert das Gleichgewichtsgefühl. Auch Sportarzt Dr. Alexander Kmen bestätigt die positiven gesundheitlichen Aspekte: „Reiten ist nicht nur gut für die Rückenmuskulatur, sondern auch für die tiefe Bauchmuskulatur, wenn man richtig im Sattel sitzt. Die positive Wirkung auf die Psyche, Stressabbau etc. sind weitere positive Auswirkungen.“ Nicht zuletzt ist die Reiterei auch Gehirntraining – man ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert, lernt ständig neue Dinge und muss während der Reitstunden sehr konzentriert sein und auch schnell reagieren können.

Zweifel & Ängste sind größer
Leider stehen diesen vielen positiven Aspekten auch einige Zweifel und Ängste gegenüber. Zum einen fühlt man sich als Erwachsener nicht mehr so beweglich wie  als Kind – das Erlernen eines korrekten, ausbalancierten Sitzes wird dadurch erschwert. Daher ist auch die Furcht, sich bei einem Sturz schwerer zu verletzen, größer – und man sitzt dann oft noch verkrampfter und ängstlicher am Pferd.

Auch Versagensängste spielen bei Erwachsenen eine größere Rolle. Fragen wie „Was, wenn ich total untalentiert bin und mich ungeschickt anstelle?“ oder „Wird der Reitlehrer mit mir zufrieden sein?“ schwirren im Hinterkopf herum. Viele fürchten auch den direkten Vergleich mit Kindern, denen alles natürlich viel leichter fällt. So berichtet ein erwachsener Reitanfänger: „Ich habe immer die anderen Reitschüler beobachtet und mich gefragt, warum ihnen so viele Dinge leicht fallen und ich mir dabei so schwer tu!“
Mag. Verena Zach, Referentin für Seniorenreiten in Niederösterreich, bestätigt: „Reiten beginnt im Kopf – und das in jedem Alter.“ Psychologisches Geschick und Einfühlungsvermögen sind daher seitens der Ausbildungskraft gefragt, um den Erwachsenen behutsam ans Pferd und ans Reiten heranzuführen. In besonders schwierigen Fällen ist sogar ein Mentaltraining eine Möglichkeit, persönliche Ängste abzubauen und verschiedene Techniken zu erlernen, mit negativen Gefühlen und Gedanken umzugehen. Erwachsene sollten daher beim Reiteinstieg  auf einige wichtige Punkte achten.

Reitunterricht für Erwachsene
Besonders wichtig ist die Wahl des passenden Schulbetriebes, in dem man sich wohlfühlt und in dem eine Ausbildungskraft tätig ist, der man vertraut – das ist entscheidend für den reiterlichen Fortschritt. Der Reitlehrer bzw. die Reitlehrerin sollte nicht nur fachlich qualifiziert sein, sondern auch Erfahrung mit erwachsenen Reitschülern haben. Man sollte sich stets mehrere Betriebe ansehen und fragen, ob man bei Reitstunden vielleicht einmal zusehen darf, um Eindrücke zu sammeln.

Bestehen Sie auf Unterricht in einer Erwachsenen-Gruppe oder auf Einzelstunden. Als einziger Erwachsener mit einer Schar Jugendlicher mitzureiten, denen alles leichter fällt und die alles rascher lernen, ist die denkbar schlechteste Motivation und führt unweigerlich zu Frust und Verzweiflung. Reitlehrerin Verena Hein teilt daher Erwachsene nur gemeinsam mit anderen Erwachsenen in den Reitstunden ein oder erteilt Einzelunterricht – und so soll das auch sein.

Die Wahl des Schulpferdes
Eine wichtige Rolle spielt für Erwachsene die Wahl des richtigen Schulpferdes. „Das Pferd soll natürlich zum Schüler passen, also nicht zu groß oder zu klein sein und auch das Gewicht gut tragen können. Es darf aber auch keine allzu großen Bewegungen haben, damit der erwachsene Schüler leichter sitzen kann!“, so Verena Hein weiter. Die Pferde sollten zudem auch ruhig und verlässlich sein und dem Schüler gleichsam das Gefühl vermitteln: „Auf mir kann Dir nichts passieren!“ Das nimmt die Furcht vor einem Sturz und macht letztlich auch den Schüler ruhiger, gelassener und lockerer – dies lässt ihn sogleich entspannter am Pferd sitzen.

Wie für alle Reitschüler ist es auch für Erwachsene wichtig, einen ausbalancierten und sicheren Sitz erlernen zu können – und das braucht seine Zeit. Es sollten daher lieber mehr als zu wenig Longestunden absolviert werden, bevor es ans freie Reiten geht. 30 oder 40 Longestunden sind bei Erwachsenen keine Seltenheit – und um entsprechende Fortschritte zu erzielen, sollte man zumindest einmal pro Woche im Sattel sitzen, damit wirklich ‘was weitergeht.

Hippolini Grande
Eine tolle Möglichkeit des Reiteinstiegs speziell für Erwachsene bietet z. B. Hippolini Grande. Ebenso wie bei Hippolini für Kids wird dabei in Kursen sowohl der Umgang mit dem Pferd als auch das Reiten spielerisch vermittelt – und das speziell und ausschließlich für Erwachsene. „Jede Einheit beginnt mit dem gemeinsamen Putzen und Zäumen des Pferdes, das wird zu einem richtigen Ritual. Anschließend folgen Elemente aus Centered Riding, Lockerungs- und Aufwärmübungen bevor man aufs Pferd steigt“, erklärt Jasmin-Bianca Weidlinger, augebildete Hippolini Lehrkraft. Centered Riding, oft auch bekannt als Reiten aus der Körpermitte, hilft bei der Erlangung der Balance und bei der Integration von Bewegung in Geist und Körper. Wie schon zuvor erwähnt, sind Erwachsene nicht mehr so beweglich oder gelenkig wie Kinder oder leiden unter Umständen unter Haltungsschäden. An diesem Punkt setzen die Centered Riding-Elemente an, damit auch reifere Reitschüler zu einem harmonischen, ausbalancierten Sitz finden. Weidlinger schildert weiter: „Danach geht es paarweise ans Reiten. Einer führt das Pferd, der andere sitzt oben – in den ersten beiden Kursen nur mit einem Gurt, im dritten Kurs mit Sattel. Dabei wird auch nach Hippolini Regeln gelernt, wie man ein Pferd richtig führt.“  Auch hier wird durch eine homogene Gruppe von 6 – 8 Erwachsenen der Vergleich mit jüngeren Schülern vermieden, was Druck verringert. „Einige Schüler wollen keine Zuschauer. Dann kommt es auch dazu, dass ich alle wegschicke. Bei normalem Unterricht, wo auch andere Reiter den Platz nutzen, wäre das nicht möglich, bei Hippolini steht uns das frei“, bestätigt sie. Drei Semesterkurse können bei Hippolini Grande absolviert werden, um die Basis des Reitens zu erlernen. Im letzten Kurs wird dabei schon frei geritten und ev. werden auch kleine Sprünge absolviert.

Beliebte Alternative: Islandpferde
Es muss freilich nicht immer der klassisch-englische Reitunterricht in einer konventionellen Reitschule sein: Über besonders viele erwachsene Reitanfänger freut sich die heimische Islandpferdeszene – und das hat seine guten Gründe: Islandpferde bieten sich aufgrund ihrer kompakten Größe und dem angenehmen Sitzgefühl sehr gut an, um mit dem Reiten zu beginnen. Andrea Gecmen-Waldek vom Islandpferdehof Piet Hoyos erzählt: „Zu uns kommen viele, die vor einiger Zeit schon mal bei uns geritten sind, dann aufgehört haben, aber jetzt wieder beginnen möchten. Selbst bei unseren Jugendcamps kommen immer wieder die mitfahrenden Eltern auf den Geschmack und möchten es dann selbst ausprobieren!“

Es gibt also viele Wege und Möglichkeiten, wenn man als Erwachsener mit dem Reiten beginnt – und für alle Probleme finden sich Lösungen. Falls man also die Lust oder Neugier nach Reiten verspürt, sollte man keine Scheu haben, einfach mal in einem Reitstall vorbeizuschauen – egal in welchem Alter.                Anna Mogeritsch


CHECKLISTE: Reiteinstieg für Erwachsene

– Suchen Sie sich eine Reitschule, in der Sie sich fachlich gut betreut und auch menschlich gut aufgehoben fühlen – die Ausbildungskraft sollte entsprechend qualifiziert sein und auch Erfahrung im Unterricht von Erwachsenen haben.

– Bestehen Sie auf individueller Betreuung –  entweder in passenden Kleingruppen ausschließlich mit Erwachsenen oder in Einzelstunden. Dadurch kann der (für viele frustrierende) direkte Vergleich mit jüngeren Schülern vermieden werden.

– Ein Mindestmaß an Fitness ist Voraussetzung fürs Reiten lernen – im Zweifel sollte ein Gesundheitscheck von einem Arzt durchgeführt werden.

– Arbeiten Sie gemeinsam mit Ihrem/r Reitlehrer/in an ihren Ängsten – nötigenfalls auch mit einem Mentaltrainer. Manche Reitschulen bieten auch ein spezielles Falltraining an, um die Angst vor einem Sturz gezielt abzubauen.

– Bestehen Sie auf einem Schulpferd, das Ruhe und Gelassenheit vermittelt und auf dem Sie sich sicher fühlen und das auch in der Größe und im Bewegungsablauf zu Ihnen passt.

– Stellen Sie sich auf viele Longestunden ein: Als Erwachsener ist man nicht mehr so beweglich und elastisch wie ein Jugendlicher und braucht daher länger, um einen geschmeidigen, balancierten und sicheren Sitz zu entwicklen.

– Ziehen Sie auch Alternativen zum klassischen Unterricht (z. B. Hippolini Grande, Islandpferdereiten) in Betracht – es gibt viele Wege, um mit Pferden glücklich zu werden.


Buchtipps

Erika Prockl: Wenn Erwachsene in den Sattel wollen mit DVD: Lösen, Schwingen, Kreisen – eine neue Reitlehre mit Trainingsprogramm. 127 Seiten, geb., Cadmos Verlag, ISBN 978-3861274278, Euro 29,90

Horst Stern: So verdient man sich die Sporen mit CD, 20. Auflage, 208 Seiten, geb., Franck Kosmos Verlag, ISBN 978-3440117798, Euro 19,90

Heike Lebherz: Reitkurs für Erwachsene: Für Anfänger und Wiedereinsteiger, BLV, 128 Seiten, ISBN 978-3835409378, Euro 16,95

Isabelle von Neumann-Cosel: Reiten kann man tatsächlich lernen. Hardcover. FN-Verlag, 2. Auflage 2009, 192 Seiten, geb., ISBN: 978-3885423935, Euro 22,90

 

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