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Gallen, Piephacke & Co – mehr als nur Schönheitsfehler?
16.05.2015 / Wissen

Eine Piephacke ist eine weiche, flüssigkeitsgefüllte und druckempfindliche Schwellung im Bereich des Fersenhöckers, die durch wiederkehrende mechanische Reizungen, wie z. B. Ausschlagen gegen Boxenwände entsteht.
Eine Piephacke ist eine weiche, flüssigkeitsgefüllte und druckempfindliche Schwellung im Bereich des Fersenhöckers, die durch wiederkehrende mechanische Reizungen, wie z. B. Ausschlagen gegen Boxenwände entsteht. / Foto: Wikipedia
Sprunggelenksgalle: Hier ist die vermehrte Füllung des Sprunggelenks nach innen sehr deutlich sichtbar. Sie kann angeboren oder erst später aufgetreten sein.
Sprunggelenksgalle: Hier ist die vermehrte Füllung des Sprunggelenks nach innen sehr deutlich sichtbar. Sie kann angeboren oder erst später aufgetreten sein. / Foto: Pferdeklinik Tillysburg
Auch an der Fesselbeugesehnenscheide treten Gallen häufig auf – vielfach werden Gallen an dieser Stelle auch als ,Windgallen
Auch an der Fesselbeugesehnenscheide treten Gallen häufig auf – vielfach werden Gallen an dieser Stelle auch als ,Windgallen' bezeichnet. / Foto: Edi Risavy
Angussverband: Wichtig ist, dass die Bandage nicht zu fest aber auch nicht zu locker gewickelt wird. Man sollte mit den Fingern bequem zwischen Pferdebein und Unterlage Platz haben.
Angussverband: Wichtig ist, dass die Bandage nicht zu fest aber auch nicht zu locker gewickelt wird. Man sollte mit den Fingern bequem zwischen Pferdebein und Unterlage Platz haben. / Foto: Edi Risavy
Ein Anguss mit Arnika oder 5 % Essigsäure wirkt unterstützend bei der Behandlung von Gallen.
Ein Anguss mit Arnika oder 5 % Essigsäure wirkt unterstützend bei der Behandlung von Gallen. / Foto: Edi Risavy

Viele Pferde leiden unter Gallen – die man nicht nur als Schönheitsfehler abtun sollte. Wie man Gallen möglichst verhindern und auch behandeln kann, verrät Tierärztin Dr. Barbara Mandler-Fritz.

 

Gallen sind kleine, rundlich geformte Verdickungen im Bereich synovialer Strukturen. Unter diesem Begriff werden Gelenke (articulatio), Sehnenscheiden (vagina synovialis tendinis) und Schleimbeutel (bursa synovialis) zusammengefasst. Gallen werden meist als unbedeutender, häufig vorkommender „Schönheitsfehler“ abgetan. In Wahrheit stellen sie jedoch immer ein Symptom einer Überbeanspruchung oder Reizung einer der oben genannten synovialen Strukturen dar. Dies kann zum einen hervorgerufen werden durch Einwirkungen von außen, wie zu frühes Einreiten, zu starke Zugleistung, falsche Fütterung, übersteigertes Arbeiten auf hartem Boden, Chips, als Folge schwerer Infekte oder durch mechanische Reize wie ständiger Druck von Gamaschen oder Bandagen. Zum anderen durch genetische Prädisposition, das heißt durch angeborene Fehlstellungen wie zu stumpf oder zu spitz gewinkelte Gelenke.

Ein Gelenk besteht grundsätzlich aus der Gelenkpfanne und dem exakt in diese passenden Gelenkkopf – deren gelenkbildende Flächen sind von Knorpel überzogen. Nach außen werden sie von einer Gelenkkapsel umgeben, deren innerste Schicht die Gelenksflüssigkeit (Synovia) produziert. Ihre Aufgabe ist es einerseits den Knorpel zu ernähren und andererseits als ‚Schmierstoff’ für die reibungslose Funktion des Gelenks zu sorgen.  Bei einem gesunden Gelenk erfolgt ein steter  Stoffaustausch mit dem Blut. Durch einen entzündlichen oder mechanischen Reiz (wie durch einen Chip) kommt es zur Ausbildung einer verdickten Gelenkskapsel und in Folge zu einer vermehrten Produktion von Gelenksschmiere (Synovia). Dadurch wird der Stoffwechsel behindert und es entstehen Gallen.

Viele Formen
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Schleimbeutelgallen,  Sehnenscheidengallen und Gelenksgallen. Sie können an unterschiedlichsten Stellen lokalisiert sein, treten jedoch am häufigsten im Bereich des Sprung-, Kniescheiben-, Fesselgelenks und an der Fesselbeugesehnenscheide auf. Hier treten sie häufig als Vorboten des Fesselringbandsyndroms in Erscheinung.

Bei der „Piephacke“ handelt es sich um eine Anschwellung und vermehrte Füllung des direkt unter der Haut gelegenen Schleimbeutels, der so genannten „Bursa subcutanea calcanea“. Es ist dies eine weiche, flüssigkeitsgefüllte (fluktuierende), druckempfindliche Schwellung im Bereich des Fersenhöckers, die durch wiederkehrende mechanische Reizungen, wie z. B. ausschlagen gegen Boxenwände entsteht. Findet sich im seitlichen Bereich des Fersenbeinhöckers eine bis zu hühnereigroße Umfangsvermehrung, so wird diese als „Eiergalle“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Anschwellung des unter der Sehne des oberflächlichen Zehenbeugers gelegenen Schleimbeutels, der „Bursa subtendinea calcanea“.

Die „Stollbeule“, auch „Liegebeule“ genannt, kann ein-/ oder beidseitig auftreten. Sie entsteht durch Reizung des im Bereich des Ellbogenhöckers direkt unter der Haut gelegenen Schleimbeutels, der „Bursa subcutanea olecrani“. Als Ursache gelten Liegen mit unterschlagenen Beinen auf zu hartem Boden, vor allem wenn das Pferd Hufeisen mit Stollen oder zu langen Schenkeln trägt; und Anschlagen der Hinterbeine bei stark raumgreifenden Pferden. Die Stollbeule zeigt sich als warme, schmerzhafte, fluktuierende, bis zu faustgroße Schwellung.

Von „Knieschwamm“ oder „Kniebeule“ spricht man bei einer reaktiven Reizung des Schleimbeutels an der Vorderfußwurzel, der „Bursa subcutanea praecapalis“. Sie entsteht beim Liegen auf hartem, unebenem Boden oder Stürzen auf das Gelenk und zeigt sich in Form einer an Größe variierenden, weichen, schmerzlosen Umfangsvermehrung an der Vorderseite des Karpalgelenkes.

Durch Anschwellung des Schleimbeutels zwischen Nackenband und dem ersten Halswirbel, der „Bursa subligamentosa nuchalis cranialis“ entsteht die so genannte „Genickbeule“. Ihre Größe ist unterschiedlich und bildet sich erst im Laufe des Lebens unter wiederkehrender Druckeinwirkung, wie z. B. Anschlagen des Kopfes beim Aufheben, Druck des Halfters, bzw. der Zäumung oder infizierte Stichwunden aus. Oberhalb des 1. und 2. Halswirbels zeigt sich ein- oder beidseitig eine vermehrt warme, fluktuierende, schmerzhafte Umfangsvermehrung, der Kopf wird in gesenkter Stellung getragen.

Die „Sprunggelenksgalle“, auch „Kreuzgalle“ oder „Wasserspat“ genannt, stellt eine ein-/ oder beidseitig auftretende, nicht entzündliche, vermehrte Füllung des Sprunggelenks nach innen (medial) oder außen (lateral) dar. Man unterscheidet zwischen angeborenen und erworbenen Sprunggelenksgallen. Eine Umfangsvermehrung im Bereich der tiefen Beugesehne, genauer gesagt im Bereich der gemeinsamen Sehnenscheide zweier Köpfe des tiefen Zehenbeugers (Musculus flexor digitorum lateralis und Musculus tibialis caudalis) nennt man „Kurbengalle“ oder  „Sprunggelenkbeugesehnengalle“. Ihr Auftreten ist schmerzlos, zieht keine Lahmheit nach sich und hat bislang keine erkennbaren Ursachen.

Symptomatisch oder nicht?
Aus medizinischer Sicht unterteilt man Gallen in symptomatische und unsymptomatische. Letztere werden auch als „Windgallen“ bezeichnet, da sie nicht akut entzündet sind und i. d. R. zeitlebens keine Schmerzen und/oder Lahmheit bewirken. Ihre Ursache findet sich in chronischen Langzeitveränderungen, beruhend auf minimalen Gelenksentzündungen in der Fohlenzeit. Häufige Ursachen für symptomatische Gallen, die sich vermehrt warm, schmerzhaft und lahmheitsauslösend präsentieren, sind Traumata der Gelenke oder z. B. eine Infektion mit Borreliose. Gallen werden weiters unterteilt in so genannte „weiche Gallen“, die symptomlos bleiben, sich unter der Haut verschieben lassen und in „harte Gallen“, die unbeweglich sind, Entzündungen und in Folge (schwere) Lahmheiten auslösen.
Für alle Arten von Gallen gilt: Keinesfalls anstechen, um die Flüssigkeit abzulassen! Im schlimmsten Fall verursacht man dadurch eine Gelenksinfektion, die eine chronische Lahmheit – und damit die Unbrauchbarkeit des Pferdes – nach sich zieht.

Vorbeugung ist wichtig
Die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten bei Gallen haben wir im Kasten „Das können Sie gegen Gallen tun“ zusammengefasst. Wie fast überall kommt auch bei der Ausbildung von Gallen der Prophylaxe große Bedeutung zu. Wichtig ist hier vor allem die artgerechte Haltung, gut eingestreute Liegeflächen, ausreichend Bewegung, artgerechte Fütterung (kein Energieüberschuss, ausreichende Vitamin-/ und Mineralstoffversorgung), regelmäßige und professionelle Hufpflege bzw. Hufbeschlag, vor allem bei Pferden mit (angeborenen) Fehlstellungen, und keine Überforderung der Tiere – ein Pferd ist erwiesenermaßen erst mit fünf bis sechs Jahren voll belastbar.


Was man gegen Gallen tun kann – Behandlungsmöglichkeiten im Überblick

Massagen & Hydrotherapie Bei unsymptomatischen und weichen Gallen hilft vielfach Bewegung und Anregung des Lymphflusses bzw. Kreislaufs durch Massagen und/oder kneippen. Die Hydrotherapie kann in Form von Kaltwasserduschen vom Huf beginnend bis zum Ellbogen bzw. Kniegelenk in Form kreisender Bewegungen durchgeführt werden, da diese zusätzlich anregend wirken.

Wasserwickel: Oder in Form von Wasserwickeln, die mit Frischhaltefolie befestigt werden und für mindestens vier Stunden am Pferd verbleiben sollen. Nach dem Abnehmen ist ein Guss mit handwarmem Wasser empfehlenswert. Gründliches Abtrocknen nicht vergessen! Besonders Pferde mit Herzproblemen, die gerade im Sommer zu „angelaufenen Beinen“ mit Gallenbildung neigen, sprechen darauf wirklich gut an.

Entzündungshemmer: Bei symptomatischen und harten Gallen ist in jedem Fall der Tierarzt zu Rate zu ziehen, da diese einer Therapie mit entzündungshemmenden Mitteln (meist Cortison in Kombination mit Hyaluronsäure) bedürfen. In einigen Fällen kann auch eine Gelenkspülung mit isotonen Lösungen notwendig sein.

Homöopathie und Phytotherapie: Auch Homöopathie und Phytotherapie bieten eine große Bandbreite wirksamer Heilmittel. Allen voran ist hier sicher Arnica montana, sowohl als Globuli als auch als Einreibung, sowie  Silicea (Bergkristall), Berberis (Sauerdorn), Bryonia alba (Zaunrübe) und Rhus toxidodendron (Giftsumach) zu nennen.

Angussverbände: Unterstützend wirkt zudem ein über Nacht angelegter Angussverband mit Arnika oder 5 % Apfelessig, essigsaurer Tonerde oder Lehm. Schwarzkümmel, Brennessel, Beinwell und Mädesüß wirken entzündungshemmend und durchblutungsfördernd, Klebkraut regt den Lymphfluss an und hilft bei der Entgiftung über die Niere. Die Fütterung einer Mischung von je 1 EL dieser Pflanzen hat sich in der Therapie von Gallen bewährt.

Akupressur und Akupunktur: Das Pferd besitzt ein aus zwölf Meridianen und zwei Hauptgefäßen bestehendes komplexes Meridiansystem. Für jedes körpereigene Organ gibt es einen zuständigen Meridian, der es mit Energie versorgt. Durch Manipulation bestimmter, in den Meridianen liegenden Punkte können Blockaden und Fehlflüsse der Energie aufgehoben werden.

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