Selen in der Pferdefütterung – Fragen und Antworten 03.08.2015 / Wissen
Eine Analyse des Selengehalts im Heu und im Gras ist ratsam, um einem Mangel oder einer Überdosierung vorzubeugen. / Foto: Irene Gams Ist der Bedarf an Selen nicht über das Rau- und Mischfutter gedeckt, kann mit Futterergänzungsmitteln nachgeholfen werden. / Foto: Petr Blaha /Archiv Am Markt ist eine unübersehbare Vielfalt an Selen-Ergänzungsprodukten erhältlich. / Foto: Archiv
Wann hat ein Pferd Selenmangel? Wann muss man Selen ergänzen? Ab wann kann eine Überdosierung schaden? Welche Wirkung hat dieses Spurenelement überhaupt? Dr. Stefanie Handl hat die wichtigsten Daten und Fakten zum Thema Selen in der Pferdefütterung zusammengestellt.
Selen ist ein chemisches Element mit dem Elementsymbol Se und der Ordnungszahl 34. Im Periodensystem steht es in der 4. Periode sowie der 6. Hauptgruppe (Sauerstoffgruppe), zählt also zu den Erzbildner. Selen ist ein Halbmetall und kommt in der unbelebten Natur als eigenständiges Metall oder in Form von Verbindungen vor.
Selen ist für alle Lebensformen essentiell. Es wird daher in Nahrungsergänzungsmitteln für den Menschen angeboten und auch Futtermitteln und Dünger zugefügt. Auch in der Industrie wird Selen eingesetzt, z. B. in Belichtungsmessern, Solarzellen und Anti-Schuppen-Shampoos. Das Lebensmittel mit dem höchsten Selengehalt ist übrigens die Paranuss.
Selen kann dem Futter in der Form von anorganischen Salzen (Selenit, Selenat) oder in organischer Form beigemischt werden. In der Lebensmittelergänzung und Tierernährung (in der Tierernährung in der EU seit Mai 2005 zugelassen) wird seit einigen Jahren selenreiche Hefe eingesetzt, die durch die Zucht auf selenreichen Nährböden erzeugt wird. Die Behauptung, dass organisches Selen für Pferde besser verführbar wäre, konnte in wissenschaftlichen Studien nicht bestätigt werden.
Es ist auch möglich, den Selengehalt der Pflanzen durch gezielt selenhaltigen Dünger zu verbessern.
Essentielles Spurenelement
Bis in die 1950er Jahre galt Selen als Giftstoff. Erst dann wurde erkannt, dass Selen Muskelerkrankungen bei Lämmern und Kälbern vorbeugen kann. Selen ist nämlich Bestandteil der Glutathionperoxidase, einem Enzym, das den Organismus vor oxidativen Schäden schützt. Selen wird deswegen oft als „Radikalfänger“ bezeichnet. Daneben ist es noch in weiteren Proteinen enthalten, für die Aktivierung der Schilddrüsenhormone und den Schutz von Spermien verantwortlich sind.
Beim Menschen kommen Selenmangel-erkrankungen nur in Gebieten mit extrem selenarmen Böden vor, wie Nordkorea, China, Tibet und der Mongolei. Typisch sind Knorpelerkrankungen und Herzerkrankungen, die schon junge Menschen betreffen. Bei Tieren findet man Erkrankungen durch Selenmangel am ehesten bei Jungtieren, wenn das Muttertier selenarm ernährt wurde. In der Regel liegt eine Kombination von Selen- und Vitamin E-Mangel vor. Betroffen sind vor allem landwirtschaftliche Nutztiere (Kälber, Lämmer, Zicklein), die Krankheit kann bei Fohlen aber auch vorkommen. Unmittelbar nach der Geburt oder im Alter von wenigen Wochen zeigen die Tiere Trinkschwäche, Bewegungsstörungen, Taumeln, Festliegen. Durch den Mangel an Radikalfängern kommt es zu oxidativen Schäden an den Muskeln, auch am Herzen. Die geschädigte Muskulatur kann man am toten Tier als weiße Streifen erkennen, daher der Name: Weißmuskelkrankheit.
Wieviel Selen braucht ein Pferd?
Der Selenbedarf des Pferdes wird mit 0,15 mg/100 kg für Erhaltungsbedarf und Arbeit bzw. 0,3 mg/100 kg für Zuchtpferde und Fohlen angegeben. Das bedeutet, ein durchschnittliches Reitpferd von 600 kg braucht knapp 1 mg Selen am Tag, eine Zuchtstute mit demselben Gewicht knapp 2 mg.
Der Körper eines Pferdes enthält ca. 35 mg Selen. Es befindet sich hauptsächlich in den Muskeln, den Knochen und der Haut. Bei Überversorgung wird es auch in Leber und Nieren abgelagert.
Selengehalt in Futtermitteln
|
mg/kg Trockensubstanz |
mg/kg Frischsubstanz |
Weidegras |
0,01-0,12 |
0,002-0,24 |
Grasheu |
0,1 |
0,09 |
Luzerneheu |
0,06 |
0,05 |
Hafer |
0,06 |
0,05 |
Rübenschnitzel getrocknet |
0,05 |
0,04 |
Karotten |
0,02 |
0,002 |
Weizenkleie |
0,5-0,04 |
0,44-0,04 |
Zuviel des Guten
Die Diskussion über eine notwendige Zufütterung von Selen wird deshalb so hitzig geführt, weil Selen sehr rasch eine giftige Dosis erreichen kann. Während bei anderen Spurenelementen eine 100fache Überdosierung ohne Problem zumindest kurzfristig vertragen wird, kann bei Selen bereits eine Dosis, die nur 20-mal höher ist als die Empfehlungen, zu Vergiftungserscheinungen führen.
Eine akute Vergiftung äußert sich in Blindheit und im-Kreis-Laufen innerhalb von Tagen und Wochen nach Beginn der hohen Selenaufnahme. Das ist typisch für eine Vergiftung mit selenspeichernden Pflanzen. Die Erkrankung heißt auch „blind staggers“ („blinde Taumler“). Solche Pflanzen kommen in Österreich Gott sei Dank nicht vor. Bei uns ist eine chronische Selenvergiftung, wie sie durch eine zu hohe Selenzugabe im Futter entstehen kann, wahrscheinlicher. Neben der Aufnahme über das Futter ist die Resorption auch über den Respirationstrakt (Einatmen von selenhältigem Staub) oder die Haut möglich. Die chronische Selenvergiftung betrifft hauptsächlich die Hufe: es kommt zu Lahmheit und Rötung und Schwellung des Kronsaums. Diese Anzeichen gehen rasch wieder vorbei und können leicht übersehen werden. Danach bildet sich eine Hornkluft unterhalb des Kronsaumes durch das ganze Horn bis zur Lederhaut. Der Huf ist hochgradig schmerzhaft und kann sich ablösen. Es wird berichtet, dass Hinterhufe häufiger betroffen sind als Vorderhufe. Zusätzlich wird das Haarkleid stumpf, Schweif- und Mähnenhaare fallen aus. Die Ursache für diese Symptome ist nicht genau bekannt. Eine verbreitete Theorie ist, dass das Selen anstatt des Schwefels in das Keratin eingebaut wird.
Es besteht die Gefahr, dass bei so unspezifischen Anzeichen, wie stumpfem Fell und schlechter Hornqualität, nicht an eine Vergiftung, sondern an schlechte Konstitution oder Vitaminmangel gedacht und ein selenhältiges Zusatzfutter „fürs Immunsystem“ gegeben wird, obwohl schon eine Selenüberdosierung vorliegt!
2-3 mg Selen/kg Futtertrockenmasse führen beim Pferd zu chronischer Vergiftung (2-3 ppm, das entspricht 1,76-2,64 mg/kg eines Müslis). Deswegen sollten Pferde sicherheitshalber nicht mehr als 0,5 mg/kg Futtertrockenmasse bekommen. Ebenso geht ein Selengehalt im Trinkwasser von über 10 ppm mit chronischen Vergiftungen einher.
Selen zufüttern?
Ist in Österreich eine Zufütterung von Selen überhaupt notwendig? Eine Ergänzung von Selen über ein Mineralfutter ist nur notwendig, wenn das Grundfutter (Wiesengras/Heu) zu wenig Selen enthält, soviel ist klar. Der Spurenelementgehalt von Grünfutter und Heu kann jedoch abhängig von Standort, Boden, Pflanzengesellschaft und Düngung stark variieren! Die durchschnittlichen Selengehalte, wie man sie Futterwerttabellen entnehmen kann, liegen bei 0,01-0,12 mg/kg – die Schwankungsbreite ist also groß. In einer aktuellen Untersuchung (2012) von Heuproben aus Österreich wurden Selenwerte von 0,008 bis 0,17 mg/kg gefunden, der Mittelwert lag bei 0,05 mg/kg. Die meisten der untersuchten Heuproben lagen also unterhalb der Empfehlungen von 0,1-0,12 mg/kg, eine Ergänzung von Selen ist daher ratsam.
Selen in Müslis
Auch der Selengehalt in Mischfuttern (Müslis, Mineralfuttern) variiert erheblich. Die Kombination aus Heu und Müsli/Mineralfutter kann daher zu sehr unterschiedlichen Resultaten führen: Bekommt ein 600 kg schweres Pferd ein Heu mit einem niedrigen Selengehalt von 0,01 mg/kg und frisst davon 8 kg/Tag (=0,08 mg) sowie 2 kg eines Müslis mit 0,3 mg Selen/kg (=0,6 mg), nimmt es insgesamt 0,68 mg Selen auf. Das liegt deutlich unterhalb dem Bedarf von ca. 1 mg.
Frisst das Pferd aber 10 kg eines selenreichen Heus mit 0,15 mg (=1,5 mg) und bekommt 200 g eines ebenfalls selenreiches Mineralfutters mit 30 mg Selen/kg (=6 mg), so werden insgesamt 7,5 mg Selen zugeführt. Das entspricht einem Mehrfachen des Bedarfes und überschreitet die Richtlinien von 0,5 mg/kg. Wird nun z. B. noch ein Vitamin-E/Selen-Präparat hinzugefügt, kann eine chronisch toxische Dosis erreicht werden!
Selenmangel diagnostizieren
Häufig wird ein „Selenmangel“ diagnostiziert, wenn die Konzentration von Selen im Blut unterhalb des Referenzbereichs liegt. Die Interpretation von Blutbefunden kann aber zu falschen Schlüssen verleiten. Mineralien sind nämlich größtenteils in Organen gespeichert und werden im Blut nur transportiert. Das Blutbild stellt also nur eine Momentaufnahme dar und sagt nichts über die Speicher im Körper aus. Ein Selenwert unterhalb des Referenzbereiches muss also nicht bedeuten, dass das Pferd einen Selenmangel hat! Niedrige Blutspiegel werden in der Praxis recht häufig gefunden, ohne dass die Pferde irgendwelche Erkrankungen oder Symptome hätten. Tatsache ist nämlich, dass eindeutige Selenmangelsymptome bei erwachsenen Pferden nicht bekannt sind. Experten nehmen an, dass die Referenzwerte für Selen im Blut von Pferden eventuell zu hoch angesetzt sind.
Futtermittel-Analyse
Die tatsächliche Selenversorgung des Pferdes kann nur anhand einer Überprüfung der Fütterung evaluiert werden! Dazu wird am besten das gefütterte Heu oder Gras auf seinen Selengehalt analysiert, z. B. bei der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) oder einem Futterlabor. Überhaupt sollte der Gehalt an Mineralstoffen im Grünfutter bekannt sein, bevor ein Mineralfutter gewählt wird!
Ein geringer Selengehalt im Grundfutter kann in Europa häufig gefunden werden. In vielen Gegenden, in denen Pferde seit Jahrhunderten erfolgreich gezüchtet werden, wie Island, Deutschland oder Österreich, ist der Selengehalt des Bodens nämlich gering. Trotzdem haben sich die Pferde dort erfolgreich fortgepflanzt und zu international erfolgreichen Militär- und Sportpferden entwickelt, obwohl die längste Zeit die Notwendigkeit einer Selenzufütterung unbekannt war. Es könnte also sein, dass die Empfehlungen für die Selenversorgung in den Lehrbüchern zu hoch angesetzt sind bzw. dass Pferde auch mit geringeren Selenmengen gut zurechtkommen, vor allem, wenn sie daran gewöhnt sind. Außerdem gibt es noch ein zweites wichtiges Antioxidans, das Vitamin E. Vitamin E ist in Grünfutter reichlich enthalten, und die beiden Antioxidantien können sich gegenseitig ergänzen.
Fazit
Bei Fütterung von Heu und Hafer ist eine Ergänzung von Selen fast immer nötig, sie muss aber vorsichtig erfolgen, da eine Selenüberversorgung rasch toxisch wird. Die Versorgungslage des Pferdes kann nicht anhand eines Blutbefundes, sondern nur einer Rationskalkulation beurteilt werden. Wenn der Selengehalt im Heu oder Gras nicht bekannt ist, sollte die Selenzufuhr übers Müsli und oder Mineralfutter den Tagebedarf von 1 mg nicht stark übersteigen. Lecksteine mit Selen sind keine gute Idee, da die Aufnahme nicht kontrolliert werden kann. Auf keinen Fall sollten mehrere selenhältige Futter kombiniert werden. Wird eine Unterstützung des Immunsystems und eine Zufuhr von Antioxidantien gewünscht, sind Carotinoide und Vitamin E sicher und ohne Nebenwirkungen.
Dr. Stefanie Handl ist Fachtierärztin für Ernährung und Diätetik, Diplomate ECVCN und hat jahrelang Erfahrung in der Ernährungsberatung im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Vetmeduni Wien. Sie bietet unter www.futterambulanz.at auch eine professionelle Ernährungsberatung für Tiere an.
KommentareBevor Sie selbst Beiträge posten können, müssen Sie sich anmelden...Weitere Artikel zu diesem Thema:20.03.2015 - Die 10 größten Irrtümer in der Pferdefütterung
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Rund um die Pferdefütterung kursieren viele wohlgemeinte Tipps und Meinungen. Dr. Stefanie Handl hat zehn vermeintliche Fütterungs-Weisheiten auf ihren Wahrheitsgehalt untersucht. Hier das ernüchternde Ergebnis...
1. „Heu oder Weide alleine ist zu wenig, man braucht vielfältige Zusätze, um ein Pferd ausgewogen zu ernähren“
Der Markt bietet eine unüberschaubare Menge an Futtermischungen und Supplementen an und suggeriert PferdebesitzerInnen, dass ein Pferd ohne solche Zusätze nicht vollwertig ernährt werden könne. Dabei decken Heu oder Weidegras den Bedarf an fast allen Nährstoffen eines Pferdes im Erhaltungsbedarf und auch bei leichter Arbeit (Freizeitpferd, Schulpferd). Lediglich Natrium ist zu wenig enthalten – lässt sich aber einfach über einen Leckstein ergänzen. Zusätzlich empfehlen wir die Gabe eines Präparates zur Ergänzung von Vitaminen und Spurenelementen. Wird ein Mischfutter („Müsli“) gefüttert, enthält das in der Regel schon alle zusätzlich notwendigen Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente, sodass keine weitere Ergänzung notwendig ist. Bei manchen Nährstoffen (z. B. Vitamin A, Selen) kann eine Überdosierung sogar gefährlich sein!
2. „Hafer macht Pferde verrückt“
„Den sticht der Hafer“ sagt ein altes Sprichwort, wenn ein Pferd allzu übermütig daherkommt. Deswegen ist er bei manchen PferdebesitzerInnen verpönt, stattdessen wird zu anderen Getreidesorten oder haferfreien Müslis gegriffen. Dabei ist Hafer nicht umsonst DAS traditionelle Kraftfutter: Hafer hat von allen Getreidesorten den höchsten Faseranteil, was das Kauen anregt und der Verdauung gut tut. Hafer hat außerdem die am besten verdauliche Stärke und kann deswegen im Ganzen verfüttert werden. Tatsache ist, dass viele Freizeitpferde einfach zu viel Energie gefüttert bekommen und gar kein Kraftfutter bräuchten, da sie ihren Energiebedarf über Heu oder Weide hinreichend decken könnten. Wenn allerdings Kraftfutter, dann ist Hafer immer noch erste Wahl.
3. „Sportpferde brauchen viel Eiweiß für die Muskulatur“
Der Eiweißbedarf eines arbeitenden Pferdes steigt an, da die Muskelmasse zunimmt und der Stoffwechsel vermehrt gefordert wird, außerdem geht Stickstoff über den Schweiß verloren. Allerdings wird der Eiweißbedarf auch eines Hochleistungssportlers über Heu + Kraftfutter sicher gedeckt. Eine zusätzliche Eiweißversorgung ist daher bei erwachsenen Pferden, die nicht zur Zucht genutzt werden, unnötig. Im Gegenteil – eine Überversorgung mit Eiweiß ist dem Leistungsvermögen eher abträglich, weil der Körper den überschüssigen Ammoniak ausscheiden muss.
4. „Pferde erkennen Giftpflanzen instinktiv und meiden sie“
Das stimmt mit Einschränkungen. Viele Giftpflanzen schützen sich nämlich zusätzlich mit bitterem Geschmack vor dem Gefressenwerden. In bestimmten Situationen aber, z. B. bei extremer Futterknappheit, fressen Pferde in ihrer Not auch übel schmeckende, potentiell giftige Pflanzen und Pflanzenteile. Außerdem werden in Gärten und Parks heute viele exotische Blumen und Sträucher gepflanzt, mit denen Pferde keine Erfahrung sammeln konnten.
Auch darf man sich nicht darauf verlassen, dass die Giftwirkung durch das Trocknen des Heus verloren geht – bei einigen besonders gefährlichen Giftpflanzen, wie z. B. der Herbstzeitlose, ist das nicht der Fall. Die einzige Möglichkeit, Pferde sicher vor Giftpflanzen zu schützen, ist die regelmäßige Kontrolle der Weide.
5. „Pferde überfressen sich, wenn sie uneingeschränkt Heu bekommen“
Jedes Lebewesen versucht, seinen Energiehaushalt im Gleichgewicht zu halten und passt sein Futteraufnahmeverhalten entsprechend seinem Bedarf bzw. der verfügbaren Futterqualität an. Vielfältige hormonelle und nervale Regulationsvorgänge sind daran beteiligt. Wird energiearmes Futter (älteres Weidegras, Heu) angeboten, funktionieren diese Regulationsmechanismen bei den meisten Pferden sehr gut. Die Haltung auf der Weide oder mit dauerndem Zugang zu Heu entspricht den physiologischen Bedürfnissen am besten. BesitzerInnen von Ponys und anderen Robustrassen werden hier widersprechen und erklären, dass ihre Pferde selbst auf der Weide zunehmen. Diese Tiere sind offenbar an noch energieärmeres Futter adaptiert, bzw. kommen aus Gegenden, wo sich üppige Vegetation im Sommer mit kargen Wintern (und dadurch Hungerperioden) abgewechselt haben. Bei diesen Tieren sind die internen Regulationsmechanismen mit dem Futterangebot in unseren Breitengraden offenbar überfordert. Bei diesen Pferden – und nur bei diesen – muss das Futterangebot entsprechend limitiert werden.
6. „Wenn Stroh nur als Einstreu verwendet wird, ist die Qualität egal“
Das ist definitiv falsch. Wenn Pferde auf Stroh eingestellt werden, werden sie immer auch davon fressen – die einen mehr, die andern weniger. Vor allem wenn wenig kaufähiges Raufutter (Heu!) zur Verfügung steht, nehmen die Pferde auch verdorbenes Stroh auf, was zu schweren Verdauungsstörungen führen kann. Bei schimmelpilzbefallenem Stroh besteht das Risiko von Mykosen (Besiedelung verschiedener Organe mit Pilzen) oder Mykotoxikosen (Vergiftung mit Schimmelpilzgiften). Schimmelsporen belasten außerdem die Atemwege und können allergische Reaktionen auslösen. Wir raten daher dringend, auch zu Einstreuzwecken nur qualitativ einwandfreies Stroh zu verwenden.
7. „Fohlen sollen möglichst schnell wachsen und brauchen viel Kraftfutter“
Selbstverständlich haben Fohlen einen höheren Energie- und Nährstoffbedarf als ausgewachsene Pferde. Deswegen müssen sie entsprechende Mengen an Kraftfutter und/oder Ergänzungsfutter für Fohlen bekommen. Eine zu intensive Fütterung und daher ein zu schnelles Wachstum sind jedoch unbedingt zu vermeiden, da es zu Entwicklungsstörungen des Skeletts (Osteochondrose) kommen kann.
8. „Silage führt zu Übersäuerung“
Der Körper des Pferdes regelt seinen Säure-Basen-Haushalt innerhalb von engen Grenzen. Verantwortlich dafür sind in erster Linie Lungen und Nieren. Eine längerfristige „Übersäuerung“ kann bei chronischen Erkrankungen auftreten. Der pH-Wert in Blut oder Muskulatur steht allerdings in keinem Zusammenhang zum pH-Wert des Futters. Silage und Heulage (Grassilage mit hohem Trockensubstanzgehalt) sind eine bekömmliche, gut verdauliche Alternative zu Heu, sofern auf einwandfreie Qualität geachtet wird.
9. „Knoblauch ist gesund und wirkt gegen Parasiten“
Wie aktuelle wissenschaftliche Studien bestätigen, kann Knoblauch auch in Mengen, die Pferde freiwillig fressen, die roten Blutkörperchen massiv schädigen und eine Anämie auslösen.
Ein gesundheitsfördernde oder antiparasitische Wirkung von Knoblauch beim Pferd konnte bisher nicht bewiesen werden. Auch wenn viele Zusatzfuttermittel auf dem Markt sind, die Knoblauch in niedrigen Mengen beinhalten und verschiedene Wirkungen versprechen, raten wir von der Verfütterung von Knoblauch ab.
10. „Viele Krankheiten können mit Kräutern statt mit teuren Medikamenten behandelt werden“
Kräuter werden in zunehmendem Maße in Zusatzfuttermitteln für Pferde eingesetzt. Beworben werden sie mit diversen gesundheitsfördernden Wirkungen, die aus der Human- und Volksmedizin bekannt sind. Über viele der auf dem Markt befindlichen Kräutermischungen gibt es allerdings keine wissenschaftlichen Studien über ihre genaue Wirkung am Pferd. In Kombinationspräparaten ist die Dosis jedes einzelnen Krautes oft zu gering, um überhaupt eine Wirkung haben zu können. PferdebesitzerInnen, die sich für Phytotherapie interessieren, wenden sich am besten an eine Tierärztin/einen Tierarzt, die/der sich darauf spezialisiert hat.
Dr. Stefanie Handl ist Fachtierärztin für Ernährung und Diätetik, Diplomate ECVCN und hat jahrelang Erfahrung in der Ernährungsberatung im Rahmen ihrer Tätigkeit an der Vetmeduni Wien. Sie bietet unter www.futterambulanz.at auch eine professionelle Ernährungsberatung für Tiere an.
16.02.2015 - Fütterung beim Fellwechsel
Fütterung beim Fellwechsel 16.02.2015 / Wissen
Fellwechsel: Im Frühjahr werden die Wollhaare und die langen Deckhaare abgestoßen, um den nachwachsenden kurzen Deckhaaren Platz zu machen. / Foto: Archiv Die abgestorbenen Haare auszubürsten kann einige Zeit in Anspruch nehmen – es ist aber wichtig und für das Pferd wohltuend und gesund. / Foto: Archiv Karotten und Äpfel, aber auch Rote Rüben oder Bananen liefern dem Pferd Vitamine, die es beim Fellwechsel dringend braucht!" / Foto: Archiv
Es ist wieder einmal soweit – unsere Pferde verlieren das Winterfell. Wie man sie in der sensiblen Zeit des Fellwechsels am besten unterstützen kann, verrät Dr. Barbara Mandler-Fritz.
Das Haarkleid des Pferdes setzt sich zusammen aus den Tasthaaren im Bereich der Augen und des Maules, dem Langhaar – also Mähne, Schweif und Kötenbehang, und dem Fell des Pferdes, welches wiederum vom Deckhaar (Oberhaar) und dem Wollhaar (Unterhaar) gebildet wird. Wollhaare sind kürzer, weicher und heller als Deckhaare. Die Abnahme der Tageslichtlänge in den Herbstmonaten veranlasst die Deckhaare in die Länge zu wachsen und die Wollhaare sich auszubilden. Letztere wirken wie eine Isolierschicht und verhindern das Auskühlen des Pferdekörpers. Im Frühjahr werden die Wollhaare wie auch die langen Deckhaare abgestoßen, um den nachwachsenden, meist auch farblich veränderten, kurzen Deckhaaren Platz zu machen. Für den Organismus der Pferde ist dieser Prozess eine zusätzliche Belastung, die jedoch von gesunden Tieren gut verkraftet werden kann. Bei (chronisch) kranken, schwächeren oder älteren Tieren kann der Fellwechsel jedoch zu ernsten Problemen führen – diese äußern sich in einem stumpfen Fell, (starkem) Gewichtsverlust und/oder einem geschwächten Immunsystem, das die Pferde besonders anfällig für Infektionserreger wie Bakterien, Viren und Pilze macht.
Vitamine und andere Helfer
Um Pferde im Fellwechsel optimal zu unterstützen, ist insbesondere die Versorgung mit Spurenelementen und Mineralien wichtig. Von großer Bedeutung für Haut und Fell sind neben den Aminosäuren Methionin, Lysin und Tryptophan, eine gute Eiweißversorgung, die Spurenelemente Zink, Kupfer und Selen, sowie die fettlöslichen Vitamine A, das aus der Vorstufe ß-Carotin gebildet wird, und E.
Vitamin H (Biotin) wird als so genanntes „Schlüsselvitamin“ im Fettsäurestoffwechsel bezeichnet. Es hat ebenso einen positiven Einfluss auf Haut und Fell. Ein Mangel äußert sich in Form von Haarausfall, stumpfem Fell, sowie Haut- und Hornschädigungen.
Ein Mangel an essentiellen Fettsäuren, allen voran Arachidon- und Linolsäure führt zu Haarausfall, Hautverdickungen und rissiger Haut, was wiederum das Eindringen von Krankheitskeimen erleichtert. Dem kann man durch Gaben von Lein-, Sonnenblumen- oder Schwarzkümmelöl vorbeugen. Da Pferde keine Gallenblase haben ist bei der Dosierung Vorsicht geboten! 1-2 EL reichen völlig aus.
Aus der Küche in den Stall
Äpfel (nicht im Übermaß bzw. ohne Kerngehäuse, da die Kerne Blausäure enthalten), Karotten, rote Rüben und Bananen sind wahre Vitaminbomben, stärken das Immunsystem und werden zudem auch gerne aufgenommen. Bierhefe etwa ist reich an Vitamin B, Aminosäuren, Mineralstoffen und Enzymen; Leinsamen enthält wiederum Vitamin E und Omega-3-Fettsäuren.
Knoblauch enthält Aminosäuren, Enzyme und Allicin, welches im Magen antibakteriell wirkt und zudem blutfettsenkende Wirkung hat. Zudem verbessert Knoblauch die Fließfähigkeit des Blutes, wodurch die Haut besser mit Nährstoffen versorgt wird.
Brennessel wirkt sich aufgrund des in ihr enthaltenen Eiweiß, Vitamin A und C und der ungesättigten Fettsäuren positiv auf die Haarbildung aus und wirkt außerdem blutbildend, -reinigend, adstringierend (zusammenziehend) und harntreibend.
Klebkraut wird gerne aufgenommen und stärkt durch die enthaltene Kieselerde den Haut- und Fellstoffwechsel. Dieselbe Wirkung hat auch Löwenzahn oder die Hagebutte, die zudem noch reich an Vitamin C ist.
Gut geputzt...
Eine wichtige Maßnahme (vor allem) während des Fellwechsels ist die Haut- und Fellpflege während des Putzens, dient es doch der Reinigung von Schmutz, eingetrocknetem Schweiß und den vielen abgestorbenen Haaren, die man in dieser Zeit wörtlich ‚haufenweise’ aus dem Fell der Pferde striegeln kann. Auch wenn man am Ende selbst beinahe mit mehr Haaren übersät ist als sein Pferd – neben der Fellpflege steht beim Putzen ja auch die Beziehungspflege zwischen Mensch und Pferd im Vordergrund. Außerdem regt Bürsten und Striegeln die Durchblutung und den Lymph-fluss an – und die Massage lockert und entspannt.
Checkliste – Tipps zum Fellwechsel
➔ Pferde im Fellwechsel besonders aufmerksam beobachten – insbesondere auf Anzeichen wie Gewichtsverlust oder ein stumpfes Fell achten.
➔ Zeigen die Pferde Arbeitsunlust oder Mattigkeit – Belastung reduzieren und nur schonend arbeiten
➔ Auf Versorgung mit Vitamin E und ungesättigten Fettsäuren achten – hier helfen kleine Gaben (max 1–2 EL) von Lein-, Sonnenblumen- oder Schwarzkümmelöl
➔ Auf ausreichende Vitaminversorgung achten – Äpfel (ohne Kerngehäuse), Karotten, rote Rüben und Bananen stärken das Immunsystem.
➔ Unterstützend wirkt auch die Gabe von Knoblauch, Brennessel, Klebkraut, Löwenzahn und Hagebutte.
➔ Auf regelmäßige und gründliche Fellpflege achten – Bürsten und Striegeln regt die Durchblutung und den Lymphfluss an.
➔ Massieren während des Fellwechsels fördert ebenfalls die Durchblutung und sorgt für eine bessere Versorgung der Haut mit Nährstoffen.
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