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Rinderarbeit zu Pferd – das etwas andere Pferde-Training
05.02.2016 / Wissen

Die heutige Western-Reitweise hat sich aus der Arbeits-Reitweise der berittenen Rinderhirten entwickelt.
Die heutige Western-Reitweise hat sich aus der Arbeits-Reitweise der berittenen Rinderhirten entwickelt. / Foto: privat
Endlose Weiten, riesige Herden – die Working Cattle Ranch am Biohof Altmann-Kunes im Waldviertel bietet alles, was sich Freizeit-Cowboys wünschen...
Endlose Weiten, riesige Herden – die Working Cattle Ranch am Biohof Altmann-Kunes im Waldviertel bietet alles, was sich Freizeit-Cowboys wünschen... / Foto: Hufspuren.at
Die erste Begegnung mit einer Kuh kann durchaus spannend sein – doch sobald man den Dreh raushat, kann man gar nicht genug von der Rinderarbeit kriegen.
Die erste Begegnung mit einer Kuh kann durchaus spannend sein – doch sobald man den Dreh raushat, kann man gar nicht genug von der Rinderarbeit kriegen. / Foto: privat
Die Rinderarbeit ist Abwechslung und Spaß für Mensch und Pferd, weshalb für viele Freizeit-Cowboys gilt: einmal Rind – immer (wieder) Rind!
Die Rinderarbeit ist Abwechslung und Spaß für Mensch und Pferd, weshalb für viele Freizeit-Cowboys gilt: einmal Rind – immer (wieder) Rind! / Foto: Simone Aumair

Wer davon träumt, wie ein Cowboy über die Prärie zu reiten und lässig eine Kuhherde vor sich her zu treiben, kann sich auf der Working Cattle Ranch am Biohof Altmann im Waldviertel diesen Traum erfüllen – und dabei völlig neue Facetten bei sich und seinem Pferd entdecken.

 

Die Western-Reitweise erfreut sich speziell bei Freizeitreitern großer Beliebtheit und ist seit Jahrzehnten – gleichsam als Re-Import aus den USA – in Europa wieder auf dem Vormarsch. Entwickelt hat sie sich aus der Arbeits-Reitweise der berittenen Rinderhirten, die auf nahezu allen Kontinenten ihrer Arbeit nachgingen – und dies in kleinerem Umfang noch heute tun: Noch immer gibt es Vaqueros (Spanien), Campinos (Portugal), Charros, Gauchos & Huasos (Südamerika), Cowboys (USA), Csikos (Ungarn), Butteri (Italien) und Gardian (Südfrankreich). Gemäß dem Bedarf wurden auch die entsprechenden Arbeitstiere/Pferderassen in den jeweiligen Regionen gezüchtet: Andalusier, Quarter Horse, Camargue Pferd, Mangalarga Marchador, Criollo usw. – denn das Pferd eines Rinderhirten muss gehorsam, nervenstark, zuverlässig, schnell, wendig und durchlässig sein.

Zurück zu den Wurzeln
Als heutiger Freizeit-Westernreiter hat man kaum die Gelegenheit, an die Ursprünge zurückzukehren und bei der Rinderarbeit mit seinem Pferd all jene Manöver und Lektionen in ihrem ursprünglichen Zusammenhang anzuwenden, in dem sie einst entwickelt wurden. Eine der wenigen Ausnahmen ist die ,Working Cattle Ranch' von Helena Kunes und Werner Altmann in Stadlberg im Waldviertel, unmittelbar an der Grenze zu Tschechien. Auf ihrem Biohof auf knapp 1.000 m Seehöhe wird seit über 200 Jahren Viehwirtschaft betrieben, und seit über 30 Jahre tummeln sich hier Mutterkuh-Herden – früher großteils schottische Hochlandrinder, in den letzten Jahren wurde aber immer mehr auf Angus-Rinder umgestellt – auf den riesigen Weiden und Ausläufen. Die insgesamt 100 Stück Vieh – ca. 60 Mutterkühe, der Rest Kälber und Jungtiere – werden hier extensiv gehalten, sind mehr oder weniger das ganze Jahr draußen, was das Herdenmanagement zu einer Herausforderung macht. Helena Kunes: „Es war im Sommer schwierig, die Tiere schnell und reibungslos in den Stall oder in eine Koppel zu bekommen, um sie zu sortieren, zu markieren, bestimmte AMA-Kontrollen oder amtstierärztliche Untersuchungen durchführen zu lassen etc. Die Tiere waren einfach die Weite der Weiden und die Wildnis  (und ganzjährigen Freilauf) gewohnt – und es war jedes Mal ein großer Aufwand, sie in den Stall zu treiben."

Aufs Pferd gekommen
Auf der Suche nach einer effizienteren Lösung stieß man unweigerlich auf jene Idee, die Rinderhirten seit Jahrhunderten auf der ganzen Welt erfolgreich anwenden – man kam aufs Pferd. Man wollte die Kuhherde mit Hilfe der Pferde einfacher handhaben können – und da man ohnehin auch Pferde auf dem Hof hatte und Helena Kunes begeisterte Reiterin war, stand der praktischen Umsetzung eigentlich nichts im Wege. Helena Kunes: „Damit die Pferde das auch beherrschten, mussten wir sie natürlich entsprechend trainieren – und dafür haben wir einen eigenen Reitplatz mit angrenzenter Rinder-Treib- und Fanganlage gebaut." Unter fachlicher Anleitung konnte man hier die Rinderarbeit mit den eigenen Pferden üben. Als nächsten Schritt legte man einen fest umzäunten Arbeitsbereich an, in dem man die Rinder hoch zu Roß selektieren konnte, um sie für weitere Arbeitsschritte auf der Ranch (etwa gesundheitliche Kontrollen, aber auch das Setzen von Ohrenmarken etc.) vorzubereiten.

Das alles funktionierte bald so gut und effizient, daß man eine weitere gute Idee hatte – nämlich das Erlebnis, Rinderarbeit mit seinem Pferd zu betreiben, auch Freunden, Bekannten und anderen interessierten Freizeitreitern anzubieten. Helena Kunes: „Seit 2013 bieten wir unsere ,Cow Work'- und ,Ranch Work'-Kurse mit Joedy Cunningham und anderen Trainern mit unterschiedlichen Schwerpunkten bei der Rinderarbeit an – und das Echo war vom ersten Moment an einfach überwältigend. Was uns von anderen Angeboten unterscheidet: Bei uns ist die Rinderarbeit eben nicht nur eine Gaudi, sondern es ist Teil unseres normalen Arbeitsablaufes. Und wir haben auch den Vorteil, daß unsere Rinder es gewohnt sind, vom Pferd aus gearbeitet zu werden – und auch entsprechend reagieren."

Aller Anfang ist schwer
Dabei sind die ersten zaghaften Annäherungs-Schritte zwischen Mensch, Pferd und Rind nicht immer leicht. Was in Western-Filmen aber so einfach und spielerisch leicht aussieht, stellt sich in der Praxis immer wieder als echte Herausforderung dar: Die meisten Reiter und Pferde kennen eine lebende Kuh oft nicht mal aus der Ferne - und für beide wirkt eine in nächster Nähe stehende oder laufende Kuh aufs Erste bedrohlich. Technisch gesehen lernen Pferd und Reiter zuerst die richtigen Hilfen für Stellung, Seitengänge, Stopp, Hinterhandwendung – das ist gleichsam das Handwerkszeug, das man gerade intuitiv beherrschen sollte, damit man sich bei der eigentlichen Herden-Arbeit ganz auf die jeweilige Situation und das Verhalten der Rinder konzentrieren kann.

Vor allem die erste Begegnung mit einem Rind kann mitunter recht spannend sein – Angst zeigen darf man aber nicht, denn auch Kühe sind nicht dumm und merken rasch, wenn ihnen ihr Gegenüber mental unterlegen ist. Pferd und Reiter lernen also zuerst, die Scheu und Angst vor der Kuh abzulegen, sich gemeinsam auf ein Ziel bzw. eine Herausforderung zu konzentrieren, die Kuh „zu lesen“ (das heißt die Bewegungen, Körpersprache und den Individualraum der Kuh zu deuten) und sich mittels der zuvor geübten Reittechnik richtig an der Kuh zu positionieren, um diese entsprechend bewegen zu können.

Mentaltraining für Pferd und Reiter
Für den Reiter ist das Reiten und Positionieren am Rind eine absolut ehrliche Kontrolle und ein Feedback über die Genauigkeit und Konsequenz der Hilfegebung am Pferd: Wird ein Manöver (z.B. Stop) nicht wirklich korrekt trainiert bzw. geritten oder kann ich mein Pferd nicht in der Sekunde seitwärts verschieben, habe ich zu viel Druck gemacht – und das Rind ist längst über alle Berge. Vor allem aber lernt man, einander zu vertrauen und auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren. Helena Kunes: „Für uns ist es immer wieder fantastisch mitanzusehen, wie die Reiter-Pferd-Beziehung durch das Bewältigen der neuen Herausforderung – der neuen, dritten Dimension „Kuh“ – enorm profitiert, wie man gemeinsam wächst - und wie sehr man spürt, wie das Selbstbewusstsein und das unsichtbare Band zwischen Reiter und Pferd gestärkt wird." Oft kann man förmlich sehen, dass es beim Pferd gleichsam „Klick" macht und daß es plötzlich versteht, warum all die Trockenmanöver am Platz oder in der Halle notwendig waren. Und sie entwickeln eine ganz neue Motivation, diese Manöver genau und gemeinsam mit dem Reiter auszuführen.

Vielfältige Rinderarbeit
Einigen ist das freilich nicht genug – sie kommen mit der Vorstellung zu einem Kurs, hier das Cutting lernen zu können. Aber Cutting – nicht umsonst oft als die „Königsdisziplin“ des Westernreitens bezeichnet – ist quasi die höchste Stufe der Rinderarbeit: Das Pferd muss dafür entsprechendes Talent und den sogenannten ,cow sense' besitzen, also die Fähigkeit, eigenständig die Kuh zu lesen und kontrollieren zu wollen. Das Potential, dies zu erreichen, haben tatsächlich nur wenige – vor allem auch, weil dies ein sehr intensives, regelmässiges und auch zeit- & kostenintensives Training am Rind bedingt, und das können die meisten Freizeitreiter und -Pferde einfach nicht aufbringen.

Aber es gibt genügend andere Rinderdisziplinen – z.B. Team Penning, Ranch Sorting oder die Rinderarbeit-Disziplinen in der Working Equitation – bei denen zwar auch ein Mindestmaß an Manöver und Verständnis der Rinderarbeit vom Pferd benötigt wird, wo aber nicht nur das selbstständige Cutten zählt und das auch einem breiteren Reiter-Publikum Spaß bereitet. Nicht zuletzt ist die Rinderarbeit zu Pferd auch Abwechslung und Freude für Pferde und Menschen – und alles zusammen macht diese ganz besondere Arbeit mit dem Pferd so spannend und einzigartig. Für viele „Rinder-Infizierten" gilt daher: Einmal Rind – immer Rind!

Highlight Cattle Drive
Ein absoluter Höhepunkt im jährlichen Event-Kalender der Working Cattle Ranch ist der herbstliche „Cattle Drive“ bzw. Vieh-Abtrieb (Fall Round-up, nach amerikanischer Tradition, wenn auch in kleinerer Dimension) schon ein „Jour-fix“ für Fam. Altmann-Kunes und ihre berittenen Freunde. Hier werden alle jährlichen Herdenarbeiten erledigt – jedes einzelne Rind wird kontrolliert, Ohrmarken bei Bedarf nachgesetzt, wird behandelt und sortiert (z.B. zur Kastration der jungen Stiere). Dafür müssen Pferd und Reiter allerdings bereits 100%-sattelfest am Rind sein: d.h. auch wenn das Rind sich im schnellen Lauf auf das Pferd zu bewegt, muss dieses verlässlich und ruhig bleiben..

Am Abend und speziell zu Kursende merkt man allen die Erschöpfung an: Rinderarbeit ist aufgrund der erforderlichen hohen Konzentrations und der schnellen, exakten Manöver eine sehr anspruchsvolle Arbeit für Reiter und Pferd - für Körper und Geist gleichermaßen. Doch keine Sorge: Natürlich bleibt dann trotz aller Arbeit am Reitplatz genug Zeit und Raum für etwas verklärte „Cowboy-Romantik“: Wir beherbergen die Pferde und verpflegen die Reiter in unserer Westernstadt, - am Lagerfeuer bespricht man den Tag und die Erlebnisse mit den anderen Wranglern, genießt Country-Musik, Whisky und Chili con carne vom eigenen Bio-Weiderind – und spätestens dann ist man im siebten Cowboy-Himmel..

Weitere Infos und Kontakt:
Working Cattle Ranch/Biohof Altmann-Kunes, 3973 Karlstift, Stadlberg 15, Tel.: 02816/400, E-Mail: office@biohof-altmann.at, Web: www.working-cattle-ranch.at

Termine 2016
20.–21. Mai: Cattle Work & Drive - Advanced Wranglers/Joedy Cunningham (US)
18.–19. Juni: Cattle Work - all riders - mit Joedy Cunningham (USA)
23.–24. Juli: Working Cowhorse - Advanced Wranglers/Tino Barth (DE) - to be confirmed!
30.–31. Juli: Vaquero Horsemanship Clinic - Cattle Work mit Alex Zell (DE/DK)
3.–4. September: Cattle Work - all riders mit Joedy Cunningham (USA)
17.–18 September: Ranch & Mountain Trail Extreme - mit Joedy Cunningham (USA)
22. Oktober: Fall Gathering - Final Roundup
(6. November – Alternativtermin bei Schlechtwetter)

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